geschichteschau Lemberg: Stadt des Löwen. Zivilisiert, hochkultiviert, eine idyllische Stadt, die schon immer durch unterschiedliche Kulturen geprägt war. schau besucht die von geschichtlichen Schicksalsschlägen gebeutelte Metropole, die auch heute noch die Medienberichterstattung dominiert.
Der Löwe bäumt sich wieder auf EIN SPAZIERGANG durch den alten Stadtkern weckt Erinnerungen an den habsburgischen Mythos. Lemberg war früher eine einwohnerstarke, wichtige österreichische Garnisonsstadt der Donaumonarchie. Die scheinbar uneinnehmbare Festung Przemysl (benannt nach dem uns von Grillparzer geläufigen Ottokar) machte Lemberg im Ersten Weltkrieg zum zentralen Eckpfeiler der österreichischen Verteidigungslinien gegen einen zu erwartenden russischen Angriff. Grund dafür war die strategisch günstige Lage, Lemberg liegt nämlich den Karpaten vorgelagert am Fluss Poltawa. Multikulturell geprägt
Hier wirkt der Löwe ganz harmlos – das Wappentier von Lemberg symbolisiert das Selbstbewusstsein der Stadt.
der Stadt – eine Stadt mit Selbstbewusstsein. Jahrhundertelang stand Lemberg später unter polnischer Herrschaft und blühte auf: Das Handwerk und der Handel florierten. Die im 17. Jahrhundert gegründete Universität, benannt nach dem polnischen König Kasimir, ist die älteste in der heutigen Ukraine. Die Schlacht bei Lemberg
Hier spricht man einen eigenen, spezifischen Dialekt mit dem berühm- Es sollte der Beginn eines Desasters ten Lemberger „Tonfall“. Man sprach werden. Die k. u. k. Armee war die offiziell Polnisch, nicht Deutsch – wohl am schlechtesten für den Ersbesser gesagt eher Lembergisch … ten Weltkrieg vorbereitete StreitUkrainisch, Jiddisch, Hessisch, Ar- macht von allen. Man unterschätzte menisch. Gegründet wurde die Stadt die Kampfkraft der russischen Divi1256 von einem Russen, Danilo Ro- sionen. Nach scheinbaren Anfangsmanovic, an den heute noch ein erfolgen glaubte die Armee unter Denkmal – „Danilo hoch zu Ross“ – dem umstrittenen Generalstabserinnert. Sein Sohn Lew (Löwe) war chef Franz Conrad von Hötzendorf gewissermaßen Pate für den Namen noch, eine Offensive im Raum östLemberg. Der Löwe, stolz sich auf- lich von Lemberg starten zu können. bäumend, findet sich im Wappen Bis September 1914 gab es mehrere 36 schau
Schlachten – und den ersten großen Blutzoll des Weltkrieges. Die k.u.k. Armee musste sich zurückziehen, teilweise bis nach Krakau. Dabei wurden etwa 130.000 Soldaten gefangen genommen oder liefen auch freiwillig über. Weiters gab es circa 190.000 Tote und Verletzte. Die Russen konnten – wie geplant – weit bis in die Karpaten verstoßen, als Verbündete der Serben. Lemberg selbst blieb bis zum Jahr 1915 besetzt, war immer wieder schwer umkämpft, konnte aber „befreit“ werden. Die Monarchie wurde jedoch in dem Zweifrontenkrieg gewaltig geschwächt. Die Situation änderte sich auch nicht, als sich 1917 Russland angesichts der Oktoberrevolution aus dem Kriegsgeschehen zurückzog. 1918 konstituierte sich zwar kurz die Westukrainische Republik, die Polen wollten aber Lemberg unbedingt unter ihre Herrschaft bringen und griffen an. Nach mehreren blutigen Gefechten ging Lemberg an Polen – bis zum nächsten Krieg. Die Rätselhafte und Tragische
Dramen und Tragödien machen Lemberg geheimnis- und schreckens umwittert zugleich: Grund dafür war unter anderem das jahrzehn-
FOTOS: ANDREAS WENNINGER, WIKIMEDIA/LIBRARY OF CONGRESS
TEXT VON HELMUT STRUTZMANN
märz 2014