Meine Lieder gehen ihre eigenen Wege TEXT CHRISTOPH BERNDL
Jammen mit Zawinul und Gulda
Heute beherbergt das Lokal die Clubdiskothek [box] vienna. An diesem späten Februar-Nachmittag steht jedoch andere Musik als Urban Club-House auf dem Programm. Udo Jürgens, der Grandseigneur unter den deutschsprachigen Liedermachen, hat geladen, um sein neues Album zu präsentieren. Zwischen die einzelnen Songs streut er Anekdoten – und da taucht eben auch Joe Zawinul wieder auf. „Joe kannte ich, seit ich Anfang 20 war. Wir haben uns immer getroffen, wenn er und ich in Wien waren. Er war ja damals schon sehr erfolgreich und ein begnadeter Pianist. Wir gingen immer 28 schau
in die Adebar, die damals ein ganz berühmter Treffpunkt junger Menschen war. Dort stand auch ein Klavier. Da waren auch Fatty George und der Friedrich Gulda. Wir waren eine Clique. Dann haben alle abwechselnd gespielt und ich durfte auch hie und da ans Klavier. Joe sagte damals zum mir: ,Klavier spielen kannst ned, aber wenn ’st dazu singst, is’ es tadellos.‘ Joe hat mir immer geraten, mich auf meine Lieder zu konzentrieren. Das war auch freundschaftlich eine große Zeit“, erinnert sich Udo Jürgens zurück. Fast ohne Nr. 1 an die Spitze
53 Alben später steht fest: Zawinuls Prophezeiung ist mehr als aufgegangen. Er hat schon damals etwas im jungen Udo erkannt, das anderen scheinbar noch verborgen blieb. Der Karriereweg – von der Teilnahme an einem Komponistenwettbewerb des ORF in die Hitparaden – verlief keineswegs auf einer geraden Linie. Doch aufgeben war für Jürgens ein Fremdwort. 1964, 1965 und 1966 ging er beim ‚Grand Prix Eurovision de la Chanson‘ für Österreich an den Start, den er bei seiner dritten Teilnahme mit „Merci, Chérie“ gewinnen konnte. Jetzt kannte man ihn in ganz Europa und darüber hinaus. Die Karriere dauert bis heute an, obwohl Jürgens die Spitze der Charts meist verwehrt blieb. „Es gibt wohl niemanden auf der Welt, der sehr erfolgreich ist und dabei so wenige Nummer-Eins-Hits gehabt hat wie ich. Im habe im Rückblick
FOTO: DOMINIK BECKMANN
BAHNHOF WIEN MITTE. Umsteigeknoten für Tausende Menschen. Nicht erst seit der Neugestaltung des Areals und der Eröffnung eines großen Einkaufszentrums Anfang November 2012 strömen hier tagtäglich die Massen. Auf den ersten Blick ein idealer Standort. Das dachte sich wohl auch die Erdberger Musiklegende Joe Zawinul, als er hier, unter der Wien-Dependance einer US-amerikanischen Hotelkette, 2004 sein Birdland eröffnete. Es sollte der Treffpunkt für Jazzfans werden. Klingende Namen standen auf dem Programm. Doch von Beginn an gab es immer wieder finanzielle Probleme. 2008, nur ein Jahr nach Zawinuls Tod, wurde schließlich ein Konkursverfahren eröffnet. Da sich keine Investoren fanden, wurde der Club geschlossen.
„Ich weiß, was ich will“ halten viele seiner Fans für Udo Jürgens besten Song. Mit knapp 80 stellt der Entertainer erneut klar, dass dieser Songtitel mehr ist als bloß eine Zeile Text. Sein neues Album hat er so produziert, wie er es schon immer wollte – stressfrei und ohne Druck von außen.
april 2014