es gerade das gemeinsame Zentralstellen von Praxis bzw. Politik sowie das Betonen der historischen Gewordenheit von Materialität und Machtverhältnissen, die ein Zusammendenken anregen. Gemeinsam ist den Ansätzen das Ziel, starre Gewissheiten, historische Determinierung sowie Essenzialismen aufzulösen und die Theoretisierung von Gesellschaft auf ein offenes und konflikthaftes Werden hin zu öffnen. In gewisser Weise verallgemeinern Laclau und Mouffe mit ihrem Begriff der Politik Lefebvres Produktionsbegriff horizontal. Politik ist eine generelle Perspektive auf Produktion und verweist radikal auf die gesellschaftliche Gemachtheit einer jeden Ordnung sowie auf die Notwendigkeit von Fixierung, um Gesellschaft, Subjekte und Objekte überhaupt als Entitäten fassen zu können. Das Argument spannt sich horizontal über sämtliche gesellschaftliche Relationen. Demgegenüber erlaubt Lefebvre, konkrete gesellschaftliche Kämpfe klarer zu fassen, zumal er den Fokus je spezifisch auf herrschaftliche Verdichtungen sowie deren Anfechtung legt (Mullis 2017: 296-304). Für eine aktualisierte Perspektive auf Lefebvre heißt dies (Mullis 2014: 105-55), dass Recht auf Stadt als Parole dienen kann, um vielfältige politische Auseinandersetzungen, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben müssen, unter einem Nenner zu bündeln. Gleichzeitig verweisen gerade Lefebvres Überlegungen klar auf die Notwendigkeit einer antikapitalistischen und staatskritischen Perspektive. Die Zusammenführung der Perspektiven regt eine intensive Diskussion darüber an, wie ein egalitäreres Miteinander heute aussehen sollte und unter welchen Bedingungen städtischer Produktionsweisen dies erstritten werden könnte. Sie regt an, über ökonomische Fragen hinauszugehen und gesellschaftliche Kämpfe um Platzzuweisungen über class, race, gender miteinzubeziehen. In alltäglichen Kämpfen um ein Recht auf Stadt können abstrakte Prozesse und Herrschaftszusammenhänge verdeutlicht werden, die Kämpfe gleichzeitig aber auf einer Ebene artikulieren, auf der Interventionsmacht gegeben ist. Die verknüpfende Perspektive bietet darüber hinaus die Möglichkeit, über die reine Negation bestehender Verhältnisse hinauszugehen, Utopien zu entwickeln und diese auch offensiv einzufordern. Und es ist eine explizite Aufforderung, darüber nachzudenken, welche räumlichen Ausschlüsse in den jeweiligen Auseinandersetzungen durch politische Bewegungen und sozialer Praxis selbst hergestellt werden und diese auf ihren Gehalt bzw. ihre Notwendigkeit hin zu befragen.
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