2 minute read

«Wir brauchen eine Fachwissenschaft, die eng mit der Fachdidaktik verzahnt ist»

Ein Gespräch mit Expertinnen über Fachdidaktiken und Fachwissenschaften, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Fachbereichen und Stufen, über Entwicklungen im Laufe der Zeit – und über Potenzial für die Zukunft.

Von Marc Fischer (Text) und Christian Irgl (Fotos)

Im Titel dieses HEFTs steht ein Plural: «Fachdidaktiken und Fachwissenschaften». Warum braucht es diese Mehrzahlform? Wie werden die beiden Begriffe definiert? Was ist im Fachbereich Deutsch anders als in den Naturwissenschaften oder im Bildnerischen und Technischen Gestalten? Und wie wird der Dialog über die Fach- und Stufengrenzen geführt? Über diese und andere Fragen diskutierten Expertinnen der PH FHNW, die aus den drei bereits genannten Fachgebieten kommen. Susanne Metzger ist Stellvertretende Direktorin des Instituts für Bildungswissenschaften (IBW), einem Institut der Universität Basel, das von der PH FHNW und der Universität Basel gemeinsam getragen und geführt wird. Sie ist verantwortlich für den Joint Degree Masterstudiengang Fachdidaktik (vgl. dazu auch S.41) und leitet die Arbeitsgruppe Fachdidaktiken der PH FHNW. Die studierte Physikerin war zuvor Leiterin des Zentrums Naturwissenschafts- und Technikdidaktik an der PH FHNW. Afra Sturm ist Sprachwissenschaftlerin und Deutschdidakterin, leitet das Zentrum Lesen der PH FHNW und ist im Vorstand der Konferenz Fachdidaktiken Schweiz (KOFADIS).

Barbara Wyss hat in Kunstpädagogik über fachliche Kompetenzen junger Lernender und fachdidaktische Settings im Gestaltungsunterricht promoviert. Sie leitet an der PH FHNW die Professur Ästhetische Bildung am Institut Kindergarten-/Unterstufe.

Lassen Sie uns mit einer vermeintlich einfachen Frage einsteigen. Was ist Fachdidaktik und was macht sie?

Afra Sturm: Das ist jetzt gerade die schwierigste Frage (lacht).

Warum?

Afra Sturm: Man kann nicht eine klare Definition geben und sagen, was Fachdidaktik macht. Fachdidaktik schaut die Lern- und Unterrichtsprozesse aus einer fachdidaktischen Perspektive an. Früher gab es eine vereinfachte Auffassung von Fachdidaktik: Sie lieferte den Gegenstand oder den Inhalt des Unterrichts. Die Frage, wie man den Unterricht aber denken oder gestalten sollte, war den Erziehungswissenschaften vorbehalten. Mittlerweile hat man jedoch gemerkt, dass das eine zu starke Vereinfachung von Fachdidaktik ist. Wir müssen die Lernprozesse auch aus einer fachdidaktischen Sicht anschauen. Um ein Beispiel zu machen: Wenn man die Unterrichtsprozesse einzig mit den Instrumenten aus den Erziehungswissenschaften und ohne fachdidaktische Sicht anschaut, dann ist vieles nur mit Oberflächenmerkmalen erfassbar, aber die zentralen fachdidaktischen Prozesse finden in der Tiefenstruktur statt. Um diese zu erfassen und zu untersuchen, braucht es den fachdidaktischen Blick.

Susanne Metzger: Ich versuche es gleichwohl mit einer Kurzdefinition: Aus meiner Sicht geht es in der Fachdidaktik um das fachbezogene Lehren und Lernen und alles, was dazu gehört.

Barbara Wyss: Ich kann unterstreichen, was ihr gesagt habt. Das eine sind die fachlichen Gegenstände und das andere sind die relevanten Bildungsfragen, die sich daraus entwickeln können. Und es gehört nicht nur dazu, wie die Gegenstände ausgewählt werden, sondern auch, wie man damit umgeht, denn die Zugänge zu einem Inhalt sind bereits fachlich geprägt. Das kann man nicht durch eine allgemeine Didaktik ersetzen. Deshalb ist Fachdidaktik wichtig.

Früher gab es diese «Allgemeine Didaktik» für alle Fächer, heute sprechen wir von verschiedenen Fachdidaktiken. Wann hat diese Entwicklung begonnen?

Barbara Wyss: Mit der Tertiarisierung – und gerade mit der Gründung der PH FHNW – erfolgte aus meiner Sicht ein deutlicher Schritt in diese Richtung. Man kann das Verhältnis zwischen Fachwissenschaften und Fachdidaktiken sicher auch heute noch diskutieren, aber die Tertiarisierung war ein klares Bekenntnis zu den Fachdidaktiken.

Susanne Metzger: Dies gilt für die Gründung von pädagogischen Hochschulen im Allgemeinen. Als man Ende der Neunzigerjahre darüber nachgedacht hat, hiess es explizit, dass die Fachdidaktiken künftig an den pädagogischen Hochschulen angesiedelt sein sollten.

Afra Sturm: Es gibt aber dennoch immer noch Versuche, die allgemeine Didaktik zu retten.

Barbara Wyss: Ein bisschen nehme ich diese Haltung sogar in Schutz. Ich nehme eine gewisse Reflexhaltung wahr. Wenn eine Diskussion über Themen aufkommt, die früher zur allgemeinen Didaktik gehörten, gibt es eine abwehrende Haltung, nach dem Motto: «Das wollen wir

This article is from: