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Diversität in Kinderbüchern

Larisa Mäder und Stephanie Hug untersuchten in ihrer Bachelorarbeit an der PH FHNW, wie diskriminierende Inhalte in Bilderbüchern erkannt werden und wie Lehrpersonen diese zum Thema machen können.

Aufgezeichnet von Michael Hunziker

«Wir haben beide während unserer Praktika in Kindergärten und auf der Primarstufe festgestellt, dass den Kindern in Bezug auf Welt- und Menschenbilder oft zweifelhafte Bilderbücher zur Verfügung gestellt werden. Jim Knopf beispielsweise ist ein Klassiker. Aus gestalterischer Perspektive wie auch auf der Erzählebene werden antiquierte und rassistische Bilder erzeugt, indem Jim Knopf unzivilisiert und als Exot dargestellt wird. Ein Kind in der Klasse von Larisa hatte gar Freude daran und sich aufgrund der gemeinsamen Hautfarbe mit der Figur identifiziert. Daran erkennt man einerseits, dass Bilderbücher wichtige Identifikationsmomente bieten, dass sie andererseits aber authentisch sein müssen, um nicht Machtstrukturen und eurozentristische Sichtweisen zu zementieren. Bilderbücher sind mitunter die ersten Medien, mit denen Kinder sich die Welt erschliessen. Daher ist es für Lehrpersonen wichtig, bei deren Auswahl genau hinzuschauen.

Wir haben den Bilderbuch-Bestand der PH-Bibliothek kritisch analysiert und in einem quantitativen Teil 120 neuere, sprich nach dem Jahr 2000 publizierte Bücher untersucht. Wir orientierten uns dabei am Ansatz der Critical Diversity Literacy und schauten, wie sich die Werke in Bezug auf die folgenden Kriterien positionieren lassen: Handelt es sich um eine «Own Voice»-Geschichte (wer erzählt die Geschichte, sind die Autor*innen selbst Teil der Lebenswelt, die sie beschreiben), werden alle Menschen vielfältig und nicht stereotyp dargestellt (Kleidung, körperliche Merkmale, Frisuren, ...), werden alle Kinder in ihrer Individualität und mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Neigungen gezeigt, liefert das Buch authentische Einblicke in die täglichen Aufgaben und Routinen der Personen, werden Diversitätsmerkmale (diverse Familienstrukturen und Geschlechterrollen) abgebildet?

Die 120 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bücher zeigten mehrheitlich ein Defizit in den genannten Feldern. Das hat uns doch erstaunt. Wir haben dann in einem qualitativen Teil exemplarisch drei Bücher sehr genau unter die Lupe genommen, um zu sehen, wie unsere Kategorisierung im Einzelfall greift. Aus den gewonnenen Erkenntnissen haben wir ein pragmatisches Flow-Chart erstellt, mit dem wir selbst und interessierte Lehrpersonen Klassenlektüren überprüfen können. Sind die Geschichten einseitig, das heisst, wird nur die gesellschaftliche Norm abgebildet? Können sich meine Schüler*innen in den Bilderbüchern wiedererkennen? Wir sind nicht dafür, einzelne Bücher generell zu zensieren. Aber es sollten ihnen alternative Geschichten gegenübergestellt und die stereotypen Darstellungen zum Anlass genommen werden, mit den Kindern und auch im Kollegium zu diskutieren. Kinder beginnen bereits früh, ihre Umwelt und ihre Mitschüler*innen zu kategorisieren. Umso wichtiger ist es, mit ihnen kritisch Schablonen zu hinterfragen. Und dazu eignen sich Kinderbücher gut: Nur weil Pettersson und Findus in einer verträumten schwedischen Natur leben, heisst das nicht, dass es in Schweden keine Städte und keine sozialen Brennpunkte gibt. Afrika ist nicht gleich Dschungel und halbnackte Wilde, sondern ein Kontinent mit vielen Ländern und verschiedenen Klimazonen – wir müssen als Lehrpersonen falsche Vorstellungen aktiv dekonstruieren.

Diese kategorisierenden Denkweisen sind zum Teil auch strukturell angelegt, wie wir mit Blick auf den Lehrplan 21 festgestellt haben. Denn dort wird gefordert, dass Kinder lernen, in welchen Merkmalen sie sich von anderen unterscheiden und wie sich diese Unterscheidungen auch auf fremde Kulturen übertragen lassen. Das ist ein Widerspruch zum Volksschulgesetz, das die Zusammenführung aller Kulturen zu einer Gemeinschaft anstrebt. Mit guten Bilderbüchern lassen sich solche interkulturellen Brücken schlagen.»

Die Bachelorarbeit von LARISA MÄDER und STEPHANIE HUG wurde im Rahmen des Kolloquiums «Qualifikationsarbeiten zu Diversität» vorgestellt und besprochen, das an der PH FHNW gegenwärtig in einer Pilotphase umgesetzt wird.

Knackiger Bieterwettbewerb

Mark Weisshaupt, Lernwerkstatt SPIEL investieren oder auf das grosse Bauteil sparen?

Beim Genre der Auktionsspiele – man kennt vielleicht noch den Klassiker «Kuhhandel» – ist es reizvoll, zu versuchen, über den nächsten Zug hinaus zu antizipieren, wie sich die Wertigkeit der versteigerten Objekte entwickeln wird. Chancen und Risiken eigener Gebote müssen in begrenzter Zeit eingeschätzt werden, denn alle Mitspieler*innen bieten gleichzeitig. Eine mit 10 bis 15 Minuten pro Durchgang sehr kurzweilige und kinderfreundliche Variante ist «Trado». Hier wird in jedem Zug eines von insgesamt neun stapelbaren Turmelementen (in unterschiedlichen Grössen) reihum versteigert. Bei drei bis vier Spieler*innen darf man also zwei bis drei Teile versteigern, dazwischen ist man in der Bieterrolle. Am Ende gilt: Wer den höchsten Turm gebaut hat, gewinnt.

Ein interessantes Element des Spiels ist zudem die Diskussion der Abfolge der Bauteile vor dem Spiel. Bekommen alle Mitspieler*innen in der Reihenfolge genug wertvolle, sprich hohe Bauteile zum Versteigern? Da weiss man auch noch nicht, an welcher Stelle man selbst versteigern können wird …

Das Spiel wird ab sechs Jahren empfohlen, fordert aber auch Erwachsene noch heraus.

Pl Tzlich Ist Alles Anders

Maria Riss, Zentrum Lesen zum Erwachsenwerden, kämpft mit seiner neuen Rolle, seinem Selbstwertgefühl und muss eigentlich viel

Die Verteilung der Coins zum Bieten kann im Zahlenraum von 10, 20 oder 50 in unterschiedlichen Stufen ausgewählt werden. Der Auktionsablauf ist adrenalingeladen und kann hektisch werden. Also ist es sinnvoll, zu Beginn zu klären, ab wann geboten werden darf und wer den Zuschlag bekommt, wenn zwei das gleiche Gebot gleichzeitig rufen. Auch erweist es sich als lustvoll und herausfordernd, immer wieder eine kleine Reflexionspause zwischen den Auktionen einzulegen, um die eigene Strategie angesichts der aktuellen Verteilung von Geld und Bauteilen neu zu bedenken. Soll ich jetzt mehr

Die Geschichte spielt vor etwa 12000 Jahren. Plötzlich ist alles weg, was dem etwa 13-jährigen Roqi lieb und teuer war. Während er mit Freunden auf der Jagd war, hat ein schreckliches Feuer das ganz Dorf zerstört. Seine Familie, der ganze Stamm und all das, was sich die Menschen zu eigen gemacht haben, ist einfach nicht mehr da. Die Jugendlichen sind ab sofort allein in der immens grossen Wildnis, wo das Überleben ihnen alles abfordert und überall Gefahren lauern.

Davide Morosinotto versteht es meisterhaft, spannende Abenteuergeschichten zu schreiben. In kurzen Episoden erzählt der Autor vom Überlebenskampf dieser kleinen Gruppe. Nicht alles läuft gut, der Tod lauert überall und nicht alle sind genug kampferprobt. Es ist nicht nur diese äusserliche Spannung, die fasziniert. Es sind auch die inneren Sichtweisen der so unterschiedlichen Figuren – allen voran Roqi, der diese Geschichte aus seiner Perspektive erzählt. Er steht an der Schwelle zu früh eine zu grosse Verantwortung übernehmen. Ein in jeder Beziehung überzeugendes, lesenswertes Buch, das sich zudem hervorragend zum Vorlesen eignet.

Davide Morosinotto: «Die dunkle Stunde des Jägers», Thienemann-Esslinger, 2023. Ab etwa zwölf Jahren.

Weitere Lesetipps gibt es unter: www. zentrumlesen.ch

PROGRAMMIEREN LERNEN MIT «OPUS MAGNUM» UND «7 BILLION HUMANS»

Judith Mathez, Beratungsstelle für digitale Medien in Schule und Unterricht – imedias

Games sind stets auch Lernmaschinen. In vielen Fällen werden dabei aber Inhalte vermittelt und Kompetenzen trainiert, die nicht direkt etwas mit der Schule zu tun haben: Reaktionsfähigkeit, Hand-Auge-Koordination oder Details zu Pokémon. Bei den hier vorgestell- ten Games allerdings geht es ums Programmieren und damit um einen Inhalt des schulischen Lehrplans.

Spielfeld umher, um die Aufgaben pflichtgemäss zu erledigen. Eine Geschichte um ein Roboterpaar und eine Aerobictruppe rahmt die Aufgaben und führt zu einem überraschenden Ende.

Impressum

«das HEFT» – das Magazin der Pädagogischen Hochschule FHNW erscheint zweimal jährlich, 5. Jahrgang, Nr. 9, Mai 2023, www.fhnw.ch/ph

Anataeus ist ein Student der Alchemie. Für seine Prüfungen muss er lernen, alchemistische Maschinen zu bauen, die geheimnisvolle Substanzen herstellen. Die mechanischen Greifer, Dreharme und Schienen der Maschine müssen dabei korrekt programmiert werden. Das ist die Ausgangslage bei «Opus Magnum». Die Spielenden bauen auf einem wabenförmigen Arbeitsfeld die Maschinen. Darunter ist Platz für die Programmierung aller beweglichen Teile mittels Befehlen wie «ergreife das Element», «rotiere den Arm um 60 Grad im Gegenuhrzeigersinn» oder «springe zum Anfang der Zeile zurück». Resultat ist eine altmodisch erscheinende Maschine, die emsig die gewünschte Substanz produziert.

Ganz anders ist die Ausgangslage bei «7 Billion Humans». In einer nicht allzu fernen Zukunft haben Maschinen alle Arbeiten der Menschen ersetzt. Aber diese sind alles andere als glücklich und fordern gut bezahlte Arbeit. Deshalb schaffen die Maschinen Arbeit für alle Menschen: Den Weg durch ein Labyrinth finden, ohne in den Abgrund zu fallen, «Datenwürfel» in aufsteigender Reihenfolge sortieren, durch einen «Drucker» ausgegebene «Datenwürfel» in einem Schachbrettmuster auf dem Boden verteilen, die Summe einer Reihe von «Datenwürfeln» berechnen und aufschreiben. Die Spielenden erstellen dazu jeweils ein Programm in einer assembler-nahen Programmiersprache, das die comicmässig gestalteten Arbeiter*innen steuert. Diese wuseln dann auf dem

In beiden Spielen kommt eine so genannte visuelle Programmiersprache zur Anwendung, was das Verständnis unterstützt. Bei «7 Billion Humans» werden wichtige Programmierprinzipien wie Schleifen, Operationen, Bedingungen und Variablen eingeführt. Die ersten Aufgaben können von Schüler*innen am Ende des Zyklus 2 und im Zyklus 3 gut gelöst werden. Das Niveau ist aber, vor allem bei «Opus Magnum», nach oben offen und kann auch ausgebildeten Informatiker*innen Spass machen. Die zwei auf Deutsch verfügbaren Spiele führen sehr unterschiedlich, aber in beiden Fällen wirksam und attraktiv verpackt zu komplexen Programmieraufgaben hin.

«Opus Magnum», Zachtronics, für PC (z. B. Steam)

«7 Billion Humans», Tomorrow Corporation, für Gamekonsolen, PC oder als App

Herausgeberin: Pädagogische Hochschule FHNW

Verantwortlicher Redaktor: Marc Fischer

Autor*innen dieser Ausgabe: Miriam Dittmar, Marc Fischer, Isabel Frese, Tibor Gyalog, Brigitte Hänger, Michael Hunziker, Judith Mathez, Guido McCombie, Roland Messmer, Maria Riss, Claudia Schmellentin, Corinne Senn, Matthias von Arx, Mark Weisshaupt, Matthias Wittwer

Bildessay: Rosângela de Andrade Boss

Fotograf*innen dieser Ausgabe: Achim Arn, Marc Fischer, Christian Irgl, Barbara Keller

Gestaltung: HinderSchlatterFeuz, Zürich

Druck: Sprüngli Druck AG, Villmergen AG

Inserate: print-ad kretz gmbh, Austrasse 2, 8646 Wagen, Tel. 044 924 20 70, Fax 044 924 20 79, E-Mail: info@kretzgmbh.ch

Abonnement: «das HEFT» kann kostenlos abonniert werden: dasheft.ph@fhnw.ch

Postadresse: Pädagogische Hochschule FHNW, Marketing und Kommunikation, Bahnhofstrasse 6, 5201 Windisch, 056 202 72 60

Auflage: 7000 Exemplare Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln nur mit Genehmigung der Redaktion.

ISSN 2624-8824

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