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Fachlichkeit und Fachdidaktik im Fach Sport

Sind Nationalliga-Spieler*innen automatisch gute Sportlehrpersonen? Hat das Pensum von Lehrpersonen Einfluss auf ihr «Special Pedagocical Content Knowledge»? Ist das Fach Sport in Fragen bezüglich Fachlichkeit und Fachdidaktik anders als andere Fachbereiche? Einige Beobachtungen zum Verhältnis von fachdidaktischem Wissen und Fachwissen im Sport.

Von Roland Messmer und Matthias Wittwer

Glaubt man Hollywood, dann reicht Robin Williams in «Dead Poets Society» ein hohes Fachwissen, um ein guter Lehrer zu sein. Umgekehrt weiss man aus den Rekrutenprüfungen im 19. Jahrhundert, dass viele Lehrpersonen in den Anfängen der Volksschule in der Schweiz kaum Lesen und Schreiben konnten und trotzdem wurden Schüler*innen auch damals alphabetisiert.

Auch für Sportlehrer*innen lässt sich diese Ambivalenz aufzeigen und sie geht ebenfalls bis weit ins 19. Jahrhundert zurück. Bis 2005 mussten angehende Sportlehrer*innen für das eidgenössisch Turn- und Sportlehrpersonendiplom eine anspruchsvolle Aufnahmeprüfung bestehen. Dieser Numerus Clausus folgte der Idee, dass nur wer selbst sehr gut turnen kann, auch eine gute Turnlehrperson ist. Auf der anderen Seite gab es aber seit 1876 Lehrmittel, die methodische Anweisungen gaben. Offensichtlich war man sich bereits damals sicher, dass es auch eine Methodik braucht.

Lee S. Shulman gab in den 1980er-Jahren dieser Unklarheit im Verhältnis von Fachwissenschaft und Pädagogik Namen. Er unterschied zwischen Fachwissen und pädagogischem Wissen – und dazwischen ordnete er ein fachdidaktisches Wissen ein. Obwohl er die Empirie für diese Trennung aus einer Studie mit Mediziner*innen bezog, machte das Modell vor allem in den Professionswissenschaften der Lehrpersonen Karriere.

Wenn heute in der Ausbildung von Lehrpersonen zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik unterschieden wird, dann folgt die Unterscheidung meist der Logik von Shulman. Aber zeigt sich diese Unterscheidung für alle Schulfächer gleich? In einer Studie hat die Professur Sport und Sportdidaktik der PH FHNW deshalb das Professionswissen von über 120 Lehrpersonen und Studierenden untersucht. Während Sportstudierende für die Sekundarstufe II mit einem Master in Sportwissenschaften über deutlich mehr Fachwissen verfügen, haben Studierende für die Sekundarstufe I in ihrem Studium an der PH mehr Lehrveranstaltungen in Fachdidaktik. Die Untersuchung zeigte, dass sich das fachdidaktische Wissen von angehenden Sportlehrpersonen auf der Sekundarstufe I und II während der Ausbildung nahezu angleicht. Vergleicht man also lediglich die Anzahl der Lehrveranstaltungen in Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Curriculum der beiden Ausbildungen, kann man festhalten, dass die Fachdidaktik in der Ausbildung von Sportlehrpersonen wirksamer ist. Trotzdem bleibt die Frage, welches die optimale Zusammensetzung des Professionswissens in der Ausbildung von Sportlehrpersonen ist und ob sich dieses fachspezifisch ausprägt.

In der EPiC-PE Studie (vgl. Box S.36) untersuchen aktuell drei Hochschulen gemeinsam die Wirkungen des Professionswissens auf die Leistungen der Schüler*innen. Dabei zeigte sich bereits bei der Erfassung des Professionswissens von Sportlehrpersonen, dass nicht einfach die Instrumente aus anderen Schulfächern auf den Sportunterricht übertragen werden können. So lässt sich etwa das sportwissenschaftliche Fachwissen, beispielsweise Erkenntnisse aus der Trainingslehre, empirisch kaum vom sportdidaktischen Wissen trennen. Es zeigt sich aber, dass Sportlehrpersonen über ein fachspezifisches Professionswissen verfügen, das aus einer Verbindung von kontextnahem Fachwissen und einem fachdidaktischen Wissen besteht. Kontextualisiert meint hier die Einbettung in konkrete Unterrichtssituationen in Form von kurzen Beschreibungen von Unterricht.

Erste Analysen zeigen, dass dieses fachspezifische Professionswissen – wir nennen es in Anlehnung an amerikanische Studien «Special Pedagocical Content

Die Studie zeigt, dass Sportlehrpersonen über ein fachspezifisches Professionswissen verfügen, das aus einer Verbindung von kontextnahem Fachwissen und einem fachdidaktischen Wissen besteht. Foto: Barbara Keller

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Knowledge» (S-PCK) – in einem Zusammenhang mit der eigenen Aktivität der Lehrpersonen in der entsprechenden Sportart steht. Allerdings zeigen die bisherigen Resultate keinen Zusammenhang zwischen dem eigenen sportlichen Können (Selbsteinschätzung) und dem S-PCK. Das heisst, dass die sportliche Aktivität während der Berufstätigkeit bedeutsamer ist als ein hohes sportliches Können zu Beginn der Ausbildung. Interessant zeigt sich auch der Zusammenhang des Umfangs der fachspezifischen Ausbildungsdauer und dem Professionswissen. Hier haben Sportlehrpersonen mit einem Master in Sportwissenschaften ein besseres Fachwissen, aber nicht unbedingt ein besseres «Special Pedagocical Content Knowledge».

Professionswissen steigt mit dem Pensum

Ein kontextfernes oder deklaratives Fachwissen in der Ausbildung von Sportlehrpersonen wird nicht ausgeschlossen. Sportstudierende sollten aber beispielsweise nicht wahllos Namen von Muskeln auswendig lernen, wenn diese nicht in einem mittelbaren Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Lehrpersonen stehen. Auf der anderen Seite hat das in einer konkreten Situation erfasste fachdidaktische Wissen auch die Grenzen einer Ausdifferenzierung des Professionswissens gezeigt. Je konkreter die Situationen sind, desto subjektiver wird die Anwendung dieses Wissens. Deshalb scheint es angebracht, diese Form des Wissens auch individuell in den Berufspraktika zu trainieren. Hier zeigen die Ergebnisse aus der EPiC-Studie, dass die Berufserfahrung bedeutsam ist. Allerdings nicht in Bezug auf die Anzahl Berufsjahre, sondern vielmehr mit Blick auf den prozentualen Anteil Fachunterricht. Wer in seinem Pensum mehr als 50 Prozent Sport unterrichtet, weist deutlich bessere Werte im fachdidaktischen Wissen auf. In den Berufspraktika zeigt sich allerdings auch der kritische Punkt eines hohen Fachwissens und -könnens. In der Regel haben Spieler*innen, die in einer Nationalliga spielen, grosse Mühe, ihr eigenes Spiel im Sportunterricht zu vermitteln. Ihnen fehlt meist die

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