substanz FHS St.Gallen - Nr.2/2019

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Brennpunkt – Raum

Die Arbeitswelt freiräumen

Christian Jauslin

B

edeuten weniger Regeln mehr Freiheit? Neue Arbeitsmodelle zielen auf diese Prämisse ab. Starre, enge Strukturen sollen mehr Selbstgestaltung, Diversität und Eigenverantwortung weichen. Was aber braucht es, damit Mitarbeitende Freiräume gewinnbringend nutzen können? Antworten liefern FHS-Studien. Keine fixen Arbeitszeiten oder -plätze, Selbstorganisation in (Projekt-)Teams, flache Hierarchien oder gar keine. Die Regeln der Arbeitswelt scheinen sich aufzulösen, neue Freiräume ent­ stehen. Deren Wichtigkeit und Nut­ zen werden generell bestätigt und mit mehr Identifikation, Kreativität und einer hohen Arbeitsqualität begrün­ det. «Wer den Mitarbeitenden Frei­ räume und Vertrauen gewährt, der wird Engagement und Vertrauen ern­ ten», fasst Roland ­Waibel, Leiter des Instituts für Unternehmensführung IFU-FHS, zusammen. Dass Mitarbeitenden Freiräume ge­ währt werden müssen, kann somit als etablierte Erkenntnis bezeichnet werden. Oder wie Alexandra Cloots, Co-Leiterin des HR-Panel New Work, bemerkt: «Diese Entwicklung ist be­ reits so weit fortgeschritten, dass man sich dem nicht mehr ­verwehren kann.

Und sie ist nicht nur Jüngeren geschul­ det, auch ältere Mitarbeitende wollen eine sinnvolle Arbeit mit Eigenver­ antwortung sowie frei und selbstbe­ stimmt arbeiten.»

Verantwortlichkeiten aufräumen Damit solche Freiräume von Mitar­ beitenden Nutzen bringend ausgefüllt werden können, sei es notwendig, eine Kongruenz der Aufgaben, Kompe­ tenzen und Verantwortungen herzu­ stellen. «Mitarbeitende brauchen zu ihren Aufgaben nicht nur Verantwort­ lichkeiten, sondern auch die entspre­ chenden Freiräume, beziehungsweise Kompetenzen, um diese zu gestalten», sagt Roland Waibel. Doch gerade hier scheint es zu stocken, so die Feststel­ lung von Sibylle Olbert-Bock, Leiterin des Kompetenzzentrums Leadership und Personalmanagement. Führungs­ kräfte sollen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oft Freiräume ge­ währen, «ohne dass ihnen selbst die dazu notwendigen Freiräume zuge­ standen werden».

Roland Waibel benennt eine solche Limitierung des möglichen Spiel­ raums: «Unternehmen sind soziale Systeme und um die Idee der Zusam­ menarbeit gebaut. Ohne Zusammen­ arbeit können die unternehmerischen Potenziale nicht ausgeschöpft werden. Ein Unternehmen muss demnach so viele individuelle Freiräume gewäh­ ren, dass noch ausreichend Zeit und Ressourcen für intensive Zusammen­ arbeit bleiben.» Hinzu kommt, dass gemäss Alexandra Cloots die gesetz­ lichen Rahmenbedingungen noch nicht auf diese neuen Freiräume aus­ gerichtet sind – Stichwort Zeiter­ fassung. Sibylle Olbert-Bock betont, Freiräume würden grundsätzlich zwar geschätzt. «Sie überfordern aber be­ stimmte Personen oder führen bei an­ deren zu Selbstausbeutung.»

Regeln wegräumen Eine viel genannte Forderung der Mitarbeitenden betrifft den Frei­ raum zur Vereinbarkeit von Arbeit und Privat­leben. Hier erkennt Ursula

«WER DEN MITARBEITENDEN FREIRÄUME UND VERTRAUEN GEWÄHRT, DER WIRD ENGAGEMENT UND VERTRAUEN ERNTEN.» 37

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