4 minute read
ERREICHUNG DER KLIMAZIELE
Zum Autor
Verbandsobmann Bernd Rießland studierte Klavier und Bauingenieurwesen. Nach Stationen im Wirtschaftsministerium, bei Erste Bank und Wirtschaftsagentur Wien ist er seit 2010 Vorstandsmitglied der SOZIALBAU AG.
Was kann die Bauwirtschaft zur Erreichung der Klimaziele beitragen?
Kommentar: Bernd Rießland
Auf europäischer Ebene wurde im Rahmen des Green Deals die EUTaxonomie-Verordnung geschaffen, um das einheitlich zu definieren. Die EU will mit solchen Maßnahmen den wirtschaftlichen Aufschwung vorantreiben und den Klimawandel aufhalten. Die neue Verordnung, die demnächst in nationale Gesetze gegossen wird, betrifft alle Wirtschaftsbereiche und somit auch den Gebäudesektor – im Neubau, bei Sanierung und beim Erwerb von Gebäuden. Der Primärenergiebedarf im Neubau muss demnach mindestens zehn Prozent unter dem Schwellenwert eines Niedrigstenergiehauses liegen. Auch beim Sanieren ändert sich etwas: Diese müssen den Bedingungen für umfangreiche Renovierungen nach nationaler Definition entsprechen. Beim Kauf von neu errichteten Gebäuden gelten dieselben Regeln wie beim Neubau.
Unterschiedliche Auswirkungen
Diese neuen Kriterien werden sich einerseits auf große Wohnbauunternehmen auswirken, da diese einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen und dieser auch geprüft wird. Andererseits wird sich die Verordnung auf die Vergabe von Kapitalmarktdarlehen auswirken. Eine nachhaltige Klassifizierung könnte zu besseren Kreditkonditionen führen. Offen ist, wie hoch der bürokratische Aufwand diesbezüglich wird.
Energieeffizienz um jeden Preis?
Eine zweite europäische Richtlinie ist zwar nicht neu, wird aber momentan überarbeitet: Die Gebäuderichtlinie. Auch hier wird einiges wieder an die Nationalstaaten zurückgespielt, die nun für die praktische Umsetzung Rahmenbedingungen konkretisieren müssen. Wichtigstes Ziel dieser neuen Richtlinie ist es, dass bis 2050 alle Häuser in der EU emissionsfrei sein sollen. Wie das in der Praxis aussehen soll, ist noch offen. So wird sich der akute Facharbeitermangel bei diesem Sanierungsvolumen noch weiter verstärken. Auch stellt sich die Frage, ob eine Energieeffizienz um jeden Preis sinnvoll ist oder ob nicht eher eine Dekarbonisierung der Energieträger für Heizen und Strom im Vordergrund stehen sollte. Was bringt ein Haus, das perfekt gedämmt ist, aber Strom aus Kohle, Öl, Gas oder Kernenergie nutzt? Die Umdefinition von Gas durch die EU als grüne (fossilfreie?) Energie dürfte hier nicht mit der Wirklichkeit der Klimaprobleme, aber auch nicht mit den Anforderungen des Kapitalmarktes, der von immer größerem Klimabewusstsein geprägt ist, zusammenpassen. Zuletzt hat sich der Chef der Europäischen Investitionsbank dazu sehr klar ablehnend geäußert. Langfristig denkende Sektoren wie der Baubereich sollten hier die langfristige ökonomische Wirklichkeit nicht aus den Augen verlieren und weiter den Umstieg auf fossilfreie Energieträger forcieren. Nicht zuletzt sind auch die Kosten ein wichtiges Thema was auch klar für diesen Weg spricht, wenn man die Preisentwicklungen bei Gas der letzten Monate verfolgt. Klar ist: Wir als gemeinnützige Bauvereinigungen müssen weiterhin leistbares Wohnen ermöglichen.
ESG. Neue EU-Vorschriften betreffen ca. 2.000 Unternehmen in Österreich.
AUSWEITUNG DER NACHHALTIGKEITSBERICHTERSTATTUNG
Die sog. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Kommission muss bis Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt werden und weitet den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2023 deutlich aus. Die EU-weit einheitlichen Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen größere Transparenz und Vergleichbarkeit bringen. Gleichzeitig steigt jedoch auch der administrative Aufwand.
Von dieser Neuregelung betroffen sind alle Konzerne sowie große GmbHs (ab EUR 20 Mio. Bilanzsumme, EUR 40 Mio. Umsatz, mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen), die ebenso berichtspflichtig werden wie Aktiengesellschaften und börsennotierte sowie kapitalmarktorientierte Gesellschaften.
BDO Austria GmbH
QBC 4 – Am Belvedere 4 1100 Wien +43 5 70 375 1000 | bdo.at
WAS ÄNDERT SICH?
Die Änderungen betreffen Berichtformat, Standards, zu berichtende Information sowie externe Prüfung. Zentral ist die Verpflichtung einer (konsolidierten) nicht-finanziellen Erklärung, die Teil des (Konzern-)Lageberichts ist. Strategien und Ziele hinsichtlich Nachhaltigkeit sollten darin erläutert werden sowie Details zu Wertschöpfungsketten, immateriellen Anlagewerten, aber auch die Rolle der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange. „Der Aufwand, der mit dieser neuen Berichterstattung einhergeht, kann nicht pauschal beurteilt werden, sondern hängt eng mit der individuellen Ausgangssituation des Unternehmens zusammen“, betont Mag. Sanela Terko, Director und Spezialistin für Nachhaltigkeitsbericherstattung bei BDO. „In der Praxis verursacht häufig nicht der Bericht selbst den größten Aufwand, sondern die Datensammlung als Berichtsbasis bzw. die Infrastruktur, die für die Datensammlung erst aufgebaut werden muss.“ Unternehmen, die zum ersten Mal einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, sollten bedenken, dass die Bestätigung durch den Wirtschaftsprüfer aktuell zwar noch freiwillig ist, die Verpflichtung der externen Prüfung mit Geschäftsjahr 2023 aber in Kraft tritt.
Sowohl EU als auch der österreichische Gesetzgeber tragen mit der neuen Regelung der Tatsache Rechnung, dass Nachhaltigkeit auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben für viele Interessengruppen (Geschäftspartner:innen, Kund:innen sowie Bewerber:innen) zunehmend an Relevanz gewinnt. Gerade in der Immobilienbranche sind ESG und Nachhaltigkeitsberichterstattung zentrale Themen.
Auch hinsichtlich der Unternehmensbewertung werden ESG und Nachhaltigkeit zukünftig von noch höherer Relanz sein. „ESG-Faktoren sind aus der Unternehmensführung, aber auch aus der Unternehmensbewertung von Immobliengesellschaften bereits jetzt nicht mehr wegzudenken und werden in Zukunft noch stärker im Fokus stehen“, betont Bernd Winter. Die Berücksichtigung dieser Kriterien in der Beurteilung des Unternehmenswerts ist unter anderem an der bereits seit mehreren Jahren steigenden Relevanz von ESG-Aktienindizes, wie dem Dow Jones Sustainability, abzulesen.
WO BEGINNEN?
„Der Zeitrahmen bis zur verpflichtenden externen Prüfung des ESG-Berichts 2023 ist angesichts des komplexen Themas recht eng bemessen. Vor allem Unternehmen, die bisher noch keinen solchen Bericht erstellt haben, sollten sich zeitnah mit den neuen Anforderungen und den derzeit bekannten Kriterien der CSRD auseinandersetzen“, schließt die Expertin ab.
Mag. Sanela Terko
Director sanela.terko@bdo.at
Mag. Bernd Winter
Partner bernd.winter@bdo.at