7 minute read
Moral und Verantwortung in Unternehmen Der „verantwortungslose Manager“?
from DENKRAUM Nr 5
Moral und Verantwortung in Unternehmen
von Hans Becker
Advertisement
Das Handelsblatt vom 06.09.2017 berichtet unter der Überschrift „G+J-Chefin befeuert Mediendebatte“ über ein Interview mit Frau Julia Jäkel. Die Verlagschefin hat in diesem Interview ein Umdenken in der Wirtschaft gefordert, wenn es um die Verteilung der Werbemilliarden der Unternehmen geht. Sie fordert eine neue „Corporate Media Responsibility“. Die Unternehmen sollen mehr Verantwortung für Medien übernehmen, „die ihre Inhalte aufwendig erarbeiten“, und dafür weniger Facebook, Google & Co. für Werbung nutzen. Es wird also hier die Frage gestellt: Sollen Unternehmen ihre Werbebotschaft im Zusammenhang mit Fake News (damit sind natürlich Facebook, Google & Co. gemeint) platzieren oder aber im Kontext mit relevanter Information? Prompt sprang ihr unter anderem auch Mathias Döpfner, Chef der Axel Springer AG (Bild, Welt) und zugleich Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger bei.
Ein Schelm, wer Böses bei dieser Debatte denkt. Die Botschaft ist eindeutig: „Gib mir deine Werbemilliarden! Facebook, Google & Co. haben das Geld nicht verdient, denn dort gibt es zu viele Fake News. Die erste Frage, die sich da natürlich stellt: Stehen in Bild, Welt, Stern, Brigitte usw. immer nur objektive Wahrheiten oder gibt es auch dort Fake News? Ich meine: ja! Die gibt es und gab es schon immer. Nur eben nicht so offensichtlich, wie sich die vorgetäuschten oder falschen Nachrichten in jüngerer Zeit verbreiten.
Und schon haben wir mit diesem Beispiel die Frage nach Moral und Verantwortung in Unternehmen. Frau Jäkel und ihre Mitstreiter fordern mehr Verantwortung von Unternehmen bei der Entscheidung, wo sie ihre Werbemilliarden platzieren sollen. Gleichzeitig verleihen sie ihrer Forderung einen moralischen Touch, der signalisiert, dass die klassischen Medien immer sauber und ordentlich recherchierte Berichte und Informationen liefern. Doch diese Diskussion wird unaufrichtig geführt, denn es geht nicht um Moral und Verantwortung. Es geht um viel Werbegelder, und davon haben die klassischen Medien in jüngster Zeit zu wenig abbekommen. Hier versucht also eine Kommunikationselite in moralisierender Form den Unternehmen eine Verantwortung zu übertragen, die diese gar nicht übernehmen können und dürfen. Die Werbeabteilungen der Unternehmen haben die Verantwortung, dort Werbung zu betreiben, wo sie die größte Zielgruppe für ihr Produkt erreichen können. Und wenn dies Facebook oder Google & Co. sind, dann wird eben dort geworben. Das ist logisch und unternehmerisch folgerichtig. Statt die Verantwortung für Fake News den Unternehmen zu übertragen und ihnen die Schuld zu geben, dass die Werbeeinnahmen wegbrechen, sollte die Verlagsbranche besser darüber nachdenken, mit welchen Konzepten die eigenen Medien interessanter gemacht werden können. Dann kommen die Werbetreibenden von selbst.
Moral und Verantwortung in Unternehmen – wie sieht es damit ganz grundsätzlich aus und wie passt das überhaupt zusammen? Das Beispiel zeigt, wie die Verlagsbranche die Verantwortung für die eigenen Unzulänglichkeiten an jemand anderen weiterreichen will. Diese Handlungsweise ist nicht neu, hat sich
allerdings in Zeiten der veränderten Unternehmensorganisationen intensiviert. Vor der Zeit der Kapitalgesellschaften waren Unternehmen in der Regel Einzelunternehmen und sind es teilweise auch heute noch. Das bedeutete, dass der Einzelunternehmer die Regeln vorgab und sich die Mitarbeiter danach zu richten hatten. Der Unternehmer haftete mit seinem kompletten Vermögen, trug die Verantwortung für das gesamte Unternehmen und auch für seine Mitarbeiter. In Kapitalgesellschaften wird die Verantwortung von der natürlichen Person auf die juristische Person übertragen. Die Gesellschaften sind in der Haftung limitiert. Der angestellte Manager hat den Auftrag, das Kapital der Geldgeber zu vermehren. So manche moralischen Bedenken sind hier nachrangig, man denke nur an die aktuellen Skandale bei Banken, Autokonzernen und Mineralölkonzernen.
Den Konzernen nun allerdings die alleinige Schuld an solchem Fehlverhalten zu geben, wäre nur eine oberflächliche Analyse. Letztlich sind es neben den Konzernmanagern auch die Konsumenten, die zwar über moralischen Konsum und über Nachhaltigkeit reden, das allerdings nur ganz allgemein und in einem grundsätzlichen Kontext. Ob es um Nahrung, Kleidung, Transport, Reisen usw. geht – natürlich ist der Konsument vordergründig dafür, dass moralisch und nachhaltig gehandelt werden muss. Massentierhaltung ist schlecht, bio ist super, Kleidung sollte Fair Trade produziert und gehandelt werden, Autos sollen umweltfreundlich fahren usw. Wenn es jedoch um den eigenen Geldbeutel geht, sind nur wenige bereit, auch mehr für fair und nachhaltig produzierte Waren und Dienstleistungen zu bezahlen.
Diskutiert werden diese Themen dann im SUV, mit dem die aufgeklärte Mutter ihr Kind in die Grundschule fährt – und sich über die fehlenden Parkplätze beschwert – oder auf der Rolltreppe zum nächsten Shopping-Event.
Was ganz allgemein in der Gesellschaft zu finden ist, spiegelt sich natürlich auch in den Unternehmen wider. Ja, es gibt tatsächlich immer mehr Unternehmen, die sich „Corporate Social Responsibility“ auf die Fahnen geschrieben haben und dies auch nicht nur als moralischen Deckmantel auf schöne PowerPoint-Charts geschrieben haben. Durch die Einrichtung entsprechender Abteilungen wurde die Verantwortung für die Umsetzung der Corporate Social Responsibility an geeignete Mitarbeiter übertragen. Allerdings gibt es noch viel zu wenig Unternehmen, die auch tatsächlich nach diesem moralisch hohen Anspruch handeln. Oft steht es zwar irgendwo geschrieben, doch nur selten wird danach gehandelt.
In den vergangenen 25 Jahren hatte ich die Gelegenheit, mehrere Hundert Unternehmen von innen kennenzulernen. Kontakte zu Geschäftsführern, Vorständen, Bereichsleitern,
Abteilungsleitern, Sachbearbeitern bis hin zum Lagerarbeiter und zur Reinigungskraft gaben einen tiefen Einblick in die Unternehmen. Dabei ist eines festzustellen: In den letzten 25 Jahren ist die Wirtschaft weder moralischer noch verantwortungsbewusster geworden. Es wird lediglich anders kommuniziert – nämlich dass moralischer und verantwortungsbewusster gehandelt würde. Die Realität allerdings entspricht nicht immer den kommunizierten Inhalten.
Schon immer gab es Mitarbeiter, die bereit waren, Entscheidungen zu treffen und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, und solche, die grundsätzlich jegliche Übernahme von Verantwortung ablehnten und die Verantwortung an Kollegen oder an die nächste Unternehmensebene weiterreichten. Beide Kategorien von Mitarbeitern gibt es auch heute in allen Unternehmensebenen – von der obersten Führungsebene bis zur untersten Hierarchiestufe. Sich darüber zu beschweren, dass zu wenig Mitarbeiter bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, macht aber wenig Sinn.
Denn es ist ja der Durchschnitt der Gesellschaft, der in den Unternehmen arbeitet. Wenn wir wollen, dass mehr Menschen Verantwortung für ihr Tun übernehmen, müssen wir allerdings schon viel früher beginnen. Denn Verantwortung zu übernehmen, lernen wir im Kindes- und Jugendalter. Wenn Helikoptereltern ihren Kindern auch noch die Hausaufgaben abnehmen, dann lernen diese Kinder eher nicht, später selbstständig zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Und dann wird es wohl auch nicht zum Erfolg führen, einem solchen späteren Mitarbeiter Verantwortung übertragen zu wollen – dieser weiß ja gar nicht, wie das geht. Hier ist dann der Vorgesetzte gefordert, nur demjenigen Mitarbeiter Verantwortung zu übertragen, der auch bereit ist, eventuelle Folgen bei Fehlern oder bei Fehlentscheidungen zu tragen.
Es genügt nicht, Verantwortung zu übernehmen, ohne verantwortlich zu sein. Verantwortung übernehmen bedeutet, auch noch bei Fehlern verantwortlich zu sein. Und da wird es oft schwierig. Zunächst ist es natürlich toll, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung übertragen zu bekommen, ist ein Zeichen von Respekt und Anerkennung und oft auch mit mehr Gehalt verbunden.
Wenn aber dann Fehler entstehen oder Fehlentscheidungen getroffen werden, dann wird schnell etwas oder jemand gesucht, das oder der dafür verantwortlich ist. In meiner täglichen Arbeit finde ich beide Gruppierungen vor: Mitarbeiter, die mit mir und meinen Mitarbeitern gemeinsam die Verantwortung für ein erfolgreiches Projekt übernehmen – auch wenn es mal schwierig im Projektverlauf wird. Wer Verantwortung übernimmt, der verzichtet auf Ausreden, wenn etwas schiefgeht. Allerdings gibt es auch die andere Fraktion. Das sind dann die Mitarbeiter, die zunächst die Verantwortung übernehmen, weil es toll ist, verantwortlich zu sein. Wenn es dann aber schwierig wird, sind sie schnell auf der Suche nach jemand oder etwas, der statt ihrer die Verantwortung tragen soll (die Umstände, der Chef, die Märkte, die Lieferanten usw.). Das sind dann die Mitarbeiter, die schnell eine Ausrede suchen, wenn’s mal nicht so klappt.
Moral und Verantwortung sind im Unternehmen eng miteinander verknüpft. Beides hat sehr viel mit Führung zu tun und findet deshalb immer top down statt. Wenn die Unternehmensführung unmoralisches und verantwortungsloses Handeln vorlebt, so werden die meisten Mitarbeiter auch auf diesem Weg folgen. Dasselbe gilt natürlich erst recht für moralisches und verantwortungsbewusstes Handeln. //
Pippi Langstrumpfs Leben ist das Ideal aller, die von unbegrenzter Freiheit träumen. Doch dabei wird schnell übersehen, dass selbstständiges, unabhängiges Dasein mit einer Menge Verantwortung verbunden ist. Alleine schon für ihre Tiere, das Äffchen Herr Nilsson und das Pferd Kleiner Onkel, sowie die Freunde Annika und Tommy, die sie auf ihren Abenteuern begleiten. „Ich mach’ mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt …“