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Bestechend: Tango corrupti? Die sündige Republik
from DENKRAUM Nr 5
Bestechend: Tango corrupti?
Dieselgate, Kartellabsprachen, Bestechungen im großen Maßstab, schlecht vertuschte Lebensmittelskandale … die aktuellen Schlagzeilen werfen ein schlechtes Licht auf deutsche Verhältnisse.
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von Herbert Lechner
Ausgerechnet Deutschland, das doch weithin als moralischer Musterschüler gilt, dessen Bürger eine fast manische Gesetzestreue auszeichnet und deren Unternehmen sich eines untadeligen Geschäftsgebarens rühmen! Hatte nicht schon Lenin behauptet, dass es in Deutschland nie zu einer Revolution kommen könne, weil es einfach verboten ist, den Rasen zu betreten?
Inzwischen scheint diese moralische Imprägnierung allerdings Risse und Löcher zu bekommen. Man sehe sich nur auf den Straßen der Republik um, wo der einstige Slogan „Hallo Partner, danke schön“ längst einem gnadenlosen EllbogenEgoismus gewichen ist und das Recht des Stärkeren brachial durchgesetzt wird. Oder man vertiefe sich einmal in die diversen Internetkommentare zu unterschiedlichsten Themen.
Vor allem scheinen in der Geschäftswelt die guten Sitten verschwunden zu sein. Was in den Kontoren einer ans-tändigen Firma (mit hanseatischem s-t) wohl undenkbar gewesen wäre oder zumindest den Verweis des Missetäters aus den Geschäftsräumen zur Folge gehabt hätte, ist mittlerweile „business as usual“. Das ist keineswegs nur das Gefühl eines ewigen Pessimisten, sondern wird durch aktuelle Studien und Umfragen leider nachdrücklich bestätigt.
Jährlich befragt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young 4.100 Manager aus 41 Ländern, auch in Deutschland nahmen für die aktuelle Studie 100 Entscheidungsträger teil. Beachtliche 43 Prozent der Befragten halten unlauteres Geschäftsverhalten hierzulande für verbreitet. Über die Hälfte (52 Prozent) der deutschen Führungskräfte sind laut der aktuellen Daten bereits mit ernsthaften Rechtsbrüchen des Arbeitgebers konfrontiert worden, 14 Prozent wurden unter Druck gesetzt, solche Verfehlungen zu vertuschen. Für jede zehnte Führungskraft war solch unethisches Verhalten schon ein Grund, den Arbeitgeber zu wechseln.
Der internationale Korruptionsindex
Auch der renommierte internationale Corruption Perceptions Index (CPI), der Korruptionswahrnehmungsindex, beurteilt Deutschland weniger positiv als die verbreitete Selbsteinschätzung. Im Kampf gegen Korruption wird der CPI seit 1995 von der nicht staatlichen Transparency International weltweit erhoben und listet Länder nach dem Grad auf, in dem dort Korruption bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommen wird. Der Index basiert auf verschiedenen Umfragen und Untersuchungen, die von unabhängigen Institutionen durchgeführt werden. Dazu werden Geschäftsleute und Länderanalysten befragt sowie Expertenbefragungen im In- und Ausland berücksichtigt. Hier befindet sich Deutschland zwar auf einem ordentlichen zehnten Platz, hinter den skandinavischen Ländern und der Schweiz, aber auch nach Exoten wie Singapur und Neuseeland. (www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_ index_2016)
Aber es sind nicht immer nur die anderen schuld: 23 Prozent und damit fast jeder Vierte der hiesigen Befragten wäre bereit, für die eigene Karriere oder eine bessere Bezahlung illegale Mittel einzusetzen. Damit liegen die sauberen Deutschen nicht nur deutlich über dem westeuropäischen Durchschnitt (14 Prozent), sondern sogar über dem aller untersuchten 41 Länder (21 Prozent). Jeder Zehnte würde zudem für die eigenen Interessen die Unternehmensleitung hintergehen und belügen. Und um einen Auftrag zu ergattern, wären 11 Prozent durchaus zu Bargeldzahlungen bereit.
Nun mag man solche Zahlen mit dem Hinweis abwiegeln, dass es anderswo doch noch viel schlimmer zugehe. So halten etwa gar 88 Prozent der Manager der Ukraine die Korruption in ihrem Land für allgemein verbreitet – Spitzenplatz unter den untersuchten Ländern, zu denen neben europäischen auch
Deutsche JVAs
Sternförmige Grundrisse scheinen beim Bau von deutschen Justizvollzugsanstalten sehr beliebt. Dass die Gebäude damit Flughäfen ähneln, ist wohl eher Zufall als gewollte Ironie. JVAs in Bruchsal (u. r.), Großbeeren (u. l.), Berlin-Moabit (o.) und JVA in Werl in Nordrhein-Westfalen (S. 16)



„Deutschland ist keine Bananenrepublik! Das Wetter ist zu schlecht.“
asiatische, afrikanische und nahöstliche Staaten zählen. Doch der Vergleich über die Grenzen fällt beinahe noch peinlicher für das vermeintliche Musterland aus. Zwar sind im Durchschnitt dieser 41 Länder 51 Prozent der Manager der Meinung, Bestechung und Bestechlichkeit seien an der Tagesordnung im Wirtschaftsleben ihres Landes – also mehr als in Deutschland. Doch liegt der Anteil in westeuropäischen Ländern mit gerade mal 33 Prozent satte zehn Punkte unter dem hiesigen Wert. Auf dem gleichen Niveau wie Deutschland befindet sich übrigens Saudi-Arabien, eigentlich auch kein sehr rühmlicher Vergleich.
Noch schlimmer wird es bei Betrachtung der Einschätzungen in den ordentlichen nordeuropäischen Ländern: In Dänemark sehen z.B. lediglich sechs Prozent der befragten Führungskräfte unethisches bzw. illegales Agieren für üblich. Aber auch andere europäische Volkswirtschaften, etwa Großbritannien (25 Prozent) oder Frankreich (28 Prozent) schneiden deutlich besser ab.
Vor allem ein Aspekt der aktuellen Ernst& Young-Daten muss nachdenklich stimmen: Gerade unter jüngeren Führungskräften scheint hierzulande die Bereitschaft zu unethischem Verhalten besonders verbreitet zu sein. So sind für nicht weniger als 73 Prozent der 25- bis 34-jährigen Manager Lug und Trug gerechtfertigte Mittel, wenn damit eine Krise des eigenen Unternehmens zu bewältigen wäre. Im Durchschnitt aller Altersgruppen sind es dagegen „nur“ 59 Prozent. Und wenn es um den eigenen Vorteil geht, ist jeder Zweite des Führungsnachwuchses bereit, zu illegalen Maßnahmen zu greifen (im Vergleich zu 40 Prozent aller Befragten).
Wie sieht es also aus mit der Bananenrepublik? Vielleicht sorgt ja künftig der Klimawandel für das angemessene Wetter. Ein namhafter deutscher Volksvertreter wollte ja schon einmal Ananas in Alaska züchten! //