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DENKRAUM Winter 2017/18
Bestechend: Tango corrupti? Dieselgate, Kartellabsprachen, Bestechungen im großen Maßstab, schlecht vertuschte Lebensmittelskandale … die aktuellen Schlagzeilen werfen ein schlechtes Licht auf deutsche Verhältnisse.
von Herbert Lechner
Ausgerechnet Deutschland, das doch weithin als moralischer Musterschüler gilt, dessen Bürger eine fast manische Gesetzestreue auszeichnet und deren Unternehmen sich eines untadeligen Geschäftsgebarens rühmen! Hatte nicht schon Lenin behauptet, dass es in Deutschland nie zu einer Revolution kommen könne, weil es einfach verboten ist, den Rasen zu betreten? Inzwischen scheint diese moralische Imprägnierung allerdings Risse und Löcher zu bekommen. Man sehe sich nur auf den Straßen der Republik um, wo der einstige Slogan „Hallo Partner, danke schön“ längst einem gnadenlosen EllbogenEgoismus gewichen ist und das Recht des Stärkeren brachial durchgesetzt wird. Oder man vertiefe sich einmal in die diversen Internetkommentare zu unterschiedlichsten Themen. Vor allem scheinen in der Geschäftswelt die guten Sitten verschwunden zu sein. Was in den Kontoren einer ans-tändigen Firma (mit hanseatischem s-t) wohl undenkbar gewesen wäre oder zumindest den Verweis des Missetäters aus den Geschäftsräumen zur Folge gehabt hätte, ist mittlerweile „business as usual“. Das ist keineswegs nur das Gefühl eines ewigen Pessimisten, sondern wird durch aktuelle Studien und Umfragen leider nachdrücklich bestätigt. Jährlich befragt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young 4.100 Manager aus 41 Ländern, auch in Deutschland nahmen für die aktuelle Studie 100 Entscheidungsträger teil. Beachtliche 43 Prozent der Befragten halten unlauteres Geschäftsverhalten hierzulande für verbreitet. Über die Hälfte (52 Prozent) der deutschen Führungskräfte sind laut der aktuellen Daten bereits mit ernsthaften Rechtsbrüchen des Arbeitgebers konfrontiert worden, 14 Prozent wurden unter Druck gesetzt, solche Verfehlungen zu vertuschen. Für jede zehnte Führungskraft war solch unethisches Verhalten schon ein Grund, den Arbeitgeber zu wechseln.
Der internationale Korruptionsindex Auch der renommierte internationale Corruption Perceptions Index (CPI), der Korruptionswahrnehmungsindex, beurteilt Deutschland weniger positiv als die verbreitete Selbsteinschätzung. Im Kampf gegen Korruption wird der CPI seit 1995 von der nicht staatlichen Transparency International weltweit erhoben und listet Länder nach dem Grad auf, in dem dort Korruption bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommen wird. Der I ndex basiert auf verschiedenen Umfragen und Untersuchungen, die von unabhängigen Institutionen durchgeführt werden. Dazu werden Geschäftsleute und Länderanalysten befragt sowie Expertenbefragungen im In- und Ausland berücksichtigt. Hier befindet sich Deutschland zwar auf einem ordentlichen zehnten Platz, hinter den skandinavischen Ländern und der Schweiz, aber auch nach Exoten wie Singapur und Neuseeland. (www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_ index_2016)
Aber es sind nicht immer nur die anderen schuld: 23 Prozent und damit fast jeder Vierte der hiesigen Befragten wäre bereit, für die eigene Karriere oder eine bessere Bezahlung illegale Mittel einzusetzen. Damit liegen die sauberen Deutschen nicht nur deutlich über dem westeuropäischen Durchschnitt (14 Prozent), sondern sogar über dem aller untersuchten 41 Länder (21 Prozent). Jeder Zehnte würde zudem für die eigenen Interessen die Unternehmensleitung hintergehen und belügen. Und um einen Auftrag zu ergattern, wären 11 Prozent durchaus zu Bargeldzahlungen bereit. Nun mag man solche Zahlen mit dem Hinweis abwiegeln, dass es anderswo doch noch viel schlimmer zugehe. So halten etwa gar 88 Prozent der Manager der Ukraine die Korruption in ihrem Land für allgemein verbreitet – Spitzenplatz unter den untersuchten Ländern, zu denen neben europäischen auch