5 minute read

Mensch sein heißt verantwortlich sein Was ein kleiner Prinz uns lehrt

verantwortlich sein Mensch sein heißt

von Christine Klein

Advertisement

// „Mensch sein heißt verantwortlich sein.“ Dieser Satz von Antoine de Saint-Exupéry ist einer der am häufigsten gelisteten Nachweise, die man im Internet in Bezug auf den Begriff „Verantwortung“ findet.

Für manch einen Text mag dieses schnelle Ergebnis der Suche gerade passend erscheinen. Die Intention des berühmten Autors ist damit allerdings nicht geklärt. Der Schlüssel dafür liegt in der Interpretation des bekannten Märchens „Der kleine Prinz“, erschienen 1943 in New York, wo sich der Franzose im Exil aufhielt.

Der Begriff „Verantwortung“ Doch lassen Sie uns zunächst den Begriff „Verantwortung“ etwas genauer fassen. Verantwortung kann nämlich aus verschiedenen religiösen, juristischen, politischen, wirtschaftlichen und moralischen Blickwinkeln betrachtet werden. Eine Vielzahl unterschiedlicher philosophischer Grundgedanken aus der Geschichte kann der Definitionsklärung zugrunde gelegt werden. Verschiedene kulturelle Prägungen legen zudem unterschiedliche Instanzen zugrunde, aus denen sich ein andersartiger Verantwortungsbegriff definieren kann.

Aber auch nicht zu handeln, um der Verantwortung zu entgehen, führt letztlich zu einem Ergebnis. In diesem Fall wird die Person für ihr Nichthandeln verantwortlich gemacht.

Schwieriger wird es, wenn das handelnde Subjekt nicht eine einzelne Person ist, sondern eine Gruppe von Menschen. Dann lässt sich die Verantwortung auf andere schieben. Keiner will im schlechten Fall die Verantwortung übernehmen.

Der kleine Prinz Saint-Exupéry kritisiert in dem Märchen die Erwachsenenwelt und die Konsumgesellschaft, einhergehend mit dem Werteverfall der Gesellschaft. Er setzt sich für eine bessere Welt mit Freundschaften und Menschlichkeit ein. Der Begriff „Verantwortung“ schwingt in all diesen Themenfeldern mit.

Im Märchen vom kleinen Prinzen berichtet der Erzähler zunächst über seine Kindheitserinnerungen im Umfeld mit „großen Leuten“. Sie betrachten seine Zeichnungen nicht ernsthaft und sind nicht an einer korrekten Interpretation der Bilder interessiert. Der junge Erzähler fühlt sich nicht ernst genommen, er entscheidet sich deshalb dafür, nicht Maler, sondern Pilot zu werden. Durch Gleichgültigkeit entsteht eine Distanz zwischen dem Kind und der Erwachsenwelt. Die Erwachsenen (Subjekt) nehmen ihre Verantwortung gegenüber dem Kind (Objekt) nicht wahr, die Instanz wäre die moralische. Träume und Fantasie des Kindes werden ignoriert, die Erwachsenen verhalten sich nicht wie verantwortungsvolle Menschen.

Als im Lauf der Geschichte der erzählende Pilot in der Sahara notlanden muss, begegnet er dort einem kleinen Prinzen, der nicht von diesem Planeten stammt und folglich sich auch nicht so üblich verhält wie die Menschen. Der kleine Prinz nimmt

sich die Zeit und erkennt die kindliche Zeichnung des Erzählers, es entsteht eine besondere Beziehung zwischen dem Piloten und dem kleinen Prinzen.

Der kleine Prinz berichtet dem Piloten von seinem Heimatplaneten, einem kleinen Asteroiden, und seinem Tagesablauf dort. Er macht zunächst seine Morgentoilette und danach muss er sich um die Toilette des Planeten kümmern. Er übernimmt Verantwortung für seinen Planeten, indem er die drei Vulkane reinigt und die Affenbrotbäume herausreißt, damit sie nicht den ganzen Vulkan überwuchern. Dies wird als Anspielung auf die drei Achsenmächte des Zweiten Weltkriegs – Deutschland, Italien und Japan – verstanden. Das Subjekt, der kleine Prinz, verantwortet also seine Handlung (reinigen und herausreißen) gegenüber dem Wohlergehen seines Planeten. Seine Instanz kann sowohl gesetzlich als auch moralisch gesehen werden.

Anders als der Autor Saint-Exupéry, der im Exil in New York lebt, kümmert sich der kleine Prinz darum, dem Spuk des Krieges ein Ende zu machen. Der Autor, selbst Pilot, machte sich immer wieder selbst Vorwürfe, nicht genügend Verant wortung für die Verteidigung seines Vaterlands Frankreich zu übernehmen. Er hat also durch Nichthandeln die Verantwor tung auf andere – in diesem Fall die Mitglieder der französischen Resistance – abgeschoben. Er fühlt sich in seiner Rolle nicht wohl, das Märchen soll vermutlich auch ein Beitrag zu seiner Verantwortung sein, um vor sich selbst menschlicher zu sein.

Auf einmal findet sich auf dem Asteroiden des kleinen Prinzen eine fremde Blume, eine Rose, wie sich später herausstellt. Der kleine Prinz unterhält sich mit dieser Rose und bemüht sich, eine Beziehung zu ihr aufzubauen. Doch ist die Rose sehr eitel und sagt, dass man Blumen nicht zuhören darf, vielmehr solle man sie anschauen und einatmen. Der kleine Prinz verlässt seinen Asteroiden auf der Suche nach Freunden auf anderen Planeten. In diesen Kapiteln kritisiert der Autor insbesondere die ichbezogenen Sichtweisen der verschiedenen Charaktere, beispielsweise einen König, einen Alkoholiker, einen Eitlen oder einen Geschäftsmann, die allein deshalb schon keinerlei Verantwortung übernehmen. Freunde findet der kleine Prinz daher auf diesen Planeten nicht.

Zu guter Letzt landet der kleine Prinz auf der Erde. Dort trifft er auf einen Fuchs. Erst dieser verdeutlicht ihm das Wesentliche, das Zähmen, wie der Fuchs es nennt. Damit meint er, anders als die Bedeutung „züchtigen“, den aktiven Lernprozess, in dem jeder etwas von sich preisgibt und man den anderen in all seinen Stärken und Schwächen kennenlernt. Die grundlegenden Werte werden erst im Miteinander geschaffen. Durch Erarbeiten gemeinsamer Werte und Zuwendung erlernt man eine gemeinsame Basis. Nur durch Offenheit, Geduld und die Bereitschaft, Andersartigkeit zuzulassen, wird dies gelingen. Der Fuchs lehrt den kleinen Prinzen, dass, wenn man so eine Bindung eingegangen ist, jeder für den anderen auf ewig verantwortlich ist. Dabei erkennt der kleine Prinz, dass er zu der Rose auf seinem Planeten genau so eine Beziehung geschaffen hat. Andere Rosen, die er auf der Erde sieht, sind ihm unwichtig. Einzig seine Rose zählt und er muss die Erde schnell verlassen, um seine Rose zu beschützen.

Die vielschichtigen Aspekte von Verantwortung werden in dem Märchen sehr bildhaft verdeutlicht. Eigene Aspekte des Autors, zu seinem Leben und der Zeit schwingen mit. Eine menschlichere, lebenswertere Welt mit echten Freundschaften und ohne Werteverfall kann nur durch ein verantwortungsvolles Leben erreicht werden, so die Überzeugung Antoine de SaintExupérys. Eben deshalb gehört zum Mensch-Sein das „Verantwortlich-Sein“ zwingend dazu. //

Der kleine Prinz in der Laterna magika

Das dem Nationaltheater in Prag angeschlossene avantgardistische Theater Laterna magika hat auch Anfang 2018 Saint-Exupérys kleinen Prinz in einer multimedialen Inszenierung des Regisseurs Vladimír Morávek auf dem Spielplan. Man begegnet nicht nur einem Piloten, dem kleinen Prinzen, dem Fuchs, der darauf wartet, gezähmt zu werden, oder den Einwohnern von Planeten, die der kleine Prinz auf seiner Reise durch das Weltall besucht, sondern auch symbolischen Gestalten, die die Atmosphäre des Werkes abrunden.

This article is from: