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Fokus: Verantwortung
DENKRAUM Winter 2017/18
Wer ist wirklich verantwortlich?
Moral und Verantwortung in Unternehmen
von Hans Becker
Das Handelsblatt vom 06.09.2017 berichtet unter der Überschrift „G+J-Chefin befeuert Mediendebatte“ über ein Interview mit Frau Julia Jäkel. Die Verlagschefin hat in diesem Interview ein Umdenken in der Wirtschaft gefordert, wenn es um die Verteilung der Werbemilliarden der Unternehmen geht. Sie fordert eine neue „Corporate Media Responsibility“. Die Unternehmen sollen mehr Verantwortung für Medien übernehmen, „die ihre Inhalte aufwendig erarbeiten“, und dafür weniger Facebook, Google & Co. für Werbung nutzen. Es wird also hier die Frage gestellt: Sollen Unternehmen ihre Werbebotschaft im Zusammenhang mit Fake News (damit sind natürlich Facebook, Google & Co. gemeint) platzieren oder aber im Kontext mit relevanter Information? Prompt sprang ihr unter anderem auch Mathias Döpfner, Chef der Axel Springer AG (Bild, Welt) und zugleich Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger bei. Ein Schelm, wer Böses bei dieser Debatte denkt. Die Botschaft ist eindeutig: „Gib mir deine Werbemilliarden! Facebook, Google & Co. haben das Geld nicht verdient, denn dort gibt es zu viele Fake News. Die erste Frage, die sich da natürlich stellt: Stehen in Bild, Welt, Stern, Brigitte usw. immer nur objektive Wahrheiten oder gibt es auch dort Fake News? Ich meine: ja! Die gibt es und gab es schon immer. Nur eben nicht so offensichtlich, wie sich die vorgetäuschten oder falschen Nachrichten in jüngerer Zeit verbreiten. Und schon haben wir mit diesem Beispiel die Frage nach Moral und Verantwortung in Unternehmen. Frau Jäkel und ihre Mitstreiter fordern mehr Verantwortung von Unternehmen bei
der Entscheidung, wo sie ihre Werbemilliarden platzieren sollen. Gleichzeitig verleihen sie ihrer Forderung einen moralischen Touch, der signalisiert, dass die klassischen Medien immer sauber und ordentlich recherchierte Berichte und Informationen liefern. Doch diese Diskussion wird unaufrichtig geführt, denn es geht nicht um Moral und Verantwortung. Es geht um viel Werbegelder, und davon haben die klassischen Medien in jüngster Zeit zu wenig abbekommen. Hier versucht also eine Kommunikationselite in moralisierender Form den Unternehmen eine Verantwortung zu übertragen, die diese gar nicht übernehmen können und dürfen. Die Werbeabteilungen der Unternehmen haben die Verantwortung, dort Werbung zu betreiben, wo sie die größte Zielgruppe für ihr Produkt erreichen können. Und wenn dies Facebook oder Google & Co. sind, dann wird eben dort geworben. Das ist logisch und unternehmerisch folgerichtig. Statt die Verantwortung für Fake News den Unternehmen zu übertragen und ihnen die Schuld zu geben, dass die Werbeeinnahmen wegbrechen, sollte die Verlagsbranche besser darüber nachdenken, mit welchen Konzepten die eigenen Medien interessanter gemacht werden können. Dann kommen die Werbetreibenden von selbst.
Moral und Verantwortung in Unternehmen – wie sieht es damit ganz grundsätzlich aus und wie passt das überhaupt zusammen? Das Beispiel zeigt, wie die Verlagsbranche die Verantwortung für die eigenen Unzulänglichkeiten an jemand anderen weiterreichen will. Diese Handlungsweise ist nicht neu, hat sich