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DENKRAUM Sommer 2019
Wettbewerb und Wachstum Bereits während meines Betriebswirtschaftsstudiums und auch die vielen Jahre danach war mir die heilige Kuh der Wirtschaftspolitik immer suspekt: das „Wirtschaftswachstum“, das von Politikern und Wirtschaftsweisen in allen Regierungserklärungen, Konferenzen, Interviews und Seminaren als Allzweckmittel für Vollbeschäftigung und Wohlstand erklärt wird.
von Sören Seewald
Allerdings wissen schon die Kinder, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Warum sollte es dann möglich sein, dass Wirtschaft immerzu wachsen kann? Aber Widerspruch war in der Welt der Betriebswirtschaftslehre und der Volkswirtschaftslehre zwecklos. Trotzdem blieb ich skeptisch und bin es heute noch. Insbesondere im Nachkriegsdeutschland und auch bis heute kann es nach Meinung der Politiker und der Wirtschaftserklärer der Menschheit nur gut gehen, solange die Wirtschaft wächst. So hat zum Beispiel Ewald Nowotny (EZB-Ratsmitglied und Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank) in einem Interview im Handelsblatt vom 20. Dezember 2018 als größtes Risiko für die Wirtschaft im Euro-Raum Deutschlands massiven Rückgang des Wachstums ausgemacht. Abgesehen davon, dass Herr Nowotny offensichtlich die aktuellen Zahlen nicht kennt (Wirtschaftswachstum in Deutschland: 2017 = 2,2 %, 2018 = geschätzt 1,6 – 2,0 %, 2019: geschätzt = 1,4 – 2,0 %) und von einem massiven Rückgang keine Rede sein kann, spiegelt sich auch hier wieder die Fixierung auf das Wirtschaftswachstum wider. Politiker und Menschen wollen offensichtlich vom Wirtschaftswachstum nicht Abschied nehmen. Dabei war diese Fixierung auf Wachstum nicht immer vorhanden und wirtschaftliches Wachstum war bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts die Ausnahme. Wachstum bedeutete in der vorindustriellen Zeit vor allem Bevölkerungszuwachs, und der hing in erster Linie von der Verfügbarkeit von Lebensmitteln ab. Die Wachstumstheorien im modernen Sinn entstanden in den 1920erJahren und entwickelten sich unter anderem auch durch die immer weiter fortschreitende Massenproduktion und die dadurch notwen-
dige Förderung der Massennachfrage. Nach dem Zweiten Weltkrieg und bis in die 1970erJahre gab es dann das goldene Zeitalter des Wirtschaftswunders in Verbindung mit der vermeintlichen Vollbeschäftigung. Allerdings ist es nicht grundsätzlich gewährleistet, dass Wachstum auch Vollbeschäftigung garantiert. Arbeitslosigkeit kann auch bei hohem Wachstum entstehen, wenn zum Beispiel die Produktion immer weiter automatisiert oder in Billiglohnländer verlagert wird.
Das Ende des Wachstums Nichts auf unserer Erde kann grenzenlos weiterwachsen – und spätestens seit es Weltraumflüge gibt, wissen wir, dass sogar die Erde selbst begrenzt ist. Das bedeutet zwangsläufig, dass sowohl die natürlichen Ressourcen als auch der Raum für die Menschen begrenzt sind. Massenproduktion und Massenkonsum haben einen massenhaften Naturverbrauch zur Folge. Bereits in den 1870er-Jahren hatte Friedrich Engels in „Dialektik der Natur“ da rauf hingewiesen, dass wir uns nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur schmeicheln sollten, da sie sich für jeden solchen Sieg an uns rächt. Rund 100 Jahre später hatte sich mit diesem Umstand auch der Club of Rome beschäftigt und 1972 folgende Schlussfolgerung veröffentlicht: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten 100 Jahre erreicht.“ In den nachfolgenden 40 Jahren überarbeiteten die Experten des Club of Rome regelmäßig diesen ersten Bericht. Doch die Ergebnisse blieben in der
August 2017, Duisburg – Sandkünstler aus zehn Nationen haben in Duisburg die höchste Sandburg der Welt gebaut. Ein Vertreter der auf kuriose Rekorde speziali sierten Firma Guinness World Records bescheinigte dem Bauwerk die Rekordhöhe von 16,68 Meter.