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Britta Klein, BZfE „Unsere Ernährung muss Teil der Lösung sein“
„Unsere Ernährung muss Teil der Lösung sein“
Bundeszentrum für Ernährung ► Damit die gesteckten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen tatsächlich erreicht werden können, ist nicht zuletzt der Konsum von Obst und Gemüse entscheidend. Regionale Produkte, möglichst Bio oder auch vegan, liegen eigentlich im Trend. Doch wie ist es um das Konsumverhalten – gerade auch in Zeiten steigender Energiekosten und hoher Inflation – tatsächlich bestellt? Darüber haben wir mit Britta Klein aus dem Referat „Ernährung und Klima“ vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) gesprochen.
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Daniel Schmidt
Foto: BZfE
Britta Klein sieht bei den Vermarktungsstrukturen für regionale Lebensmittel noch Luft nach oben.
Ungewisse Zukunft – ob der Bio-Trend trotz steigender Energiepreise weiter anhält?
Das Interesse und die Nachfrage bei nachhaltig erzeugten Lebensmitteln nehmen immer weiter zu. Aus Sicht des BZfE ist es vor allem wichtig, in der Gesellschaft ein noch besseres Bewusstsein für eine nachhaltige Ernährung zu schaffen – worauf kommt es dabei besonders an?
Britta Klein: Nachhaltiges Essen ist so wichtig wie nie zuvor. Immer mehr planetare Grenzen werden immer stärker überschritten. Auch die globale Nahrungsmittelproduktion bedroht die Stabilität des Klimas, die Artenvielfalt, die Wasserhaushalte und die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme insgesamt. Unsere Ernährung muss also Teil der Lösung sein, wenn wir den Wandel hin zu „mehr Pflanze und weniger Tier“ schaffen wollen. Und wir müssen das schaffen, möglichst schnell.
Beim Thema der nachhaltigen Ernährung spielen Obst und Gemüse, von der Wissenschaft auch als „Helden der Nachhaltigkeit“ bezeichnet, eine entscheidende Rolle. Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit eine pflanzenbasierte Ernährung deutschland- und weltweit dazu beitragen kann, die gesteckten Nachhaltigkeitsziele tatsächlich zu erreichen?
Entscheidend dafür, dass die Transformation globaler Ernährungssysteme gelingt, wird sein, auch lokal und regional sinnvolle Veränderungen anzustoßen und Entwicklungspotenziale besser zu nutzen. Auch in Deutschland müssen wir langfristig viel mehr nachhaltig und gerne auch biologisch erzeugtes Obst und Gemüse anbauen und konsumieren. Bisher ist der Selbstversorgungsgrad viel zu niedrig. Hinzu kommen auch aktuelle Krisen. Immer mehr Obstbauern geben auf, weil nach allgemeinen Preissteigerungen vor allem am Essen gespart wird. Die Folge: Noch mehr billige Ware drängt auf die Märkte. Wir brauchen aber die nachhaltige Produktion in Deutschland, selbst wenn der importierte Apfel aus Neuseeland im Frühjahr eine bessere CO2-Bilanz aufweisen mag als der heimische. Hier ist der Blick fahrlässig rein auf Treibhausgase verengt. Wir müssen Produktion und Konsum zusammen denken und es den regionalen Landwirten ermöglichen, ihre nachhaltig produzierte Ware ganzjährig zu vermarkten. Es bedarf eines konsistenten Politik-Stils in Agrar- und Ernährungsfragen, sonst werden wir uns nicht nachhaltig und resilient ernähren und auch die Klimaziele deutlich verfehlen. Zu einer grundlegenden Veränderung des Ernährungssystems gehören Veränderungen auf den persönlichen Tellern. Tierische Produkte bereichern, außer natürlich bei Vegetariern und Veganern, in kleineren Mengen eine nachhaltige Ernährung. Nutztiere sollten aber möglichst keine Nahrungskon-
Foto: M.Dörr&M.Frommherz/AdobeStock
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kurrenten für den Menschen sein. Rinder, Schafe und Ziegen zum Beispiel, wenn sie grünlandbasiert gefüttert werden. Die Botschaft muss lauten: mehr Gemüse, mehr Hülsenfrüchte und mehr Nüsse, aber weniger und dafür nachhaltig produziertes Fleisch; und zwar nicht nur auf unseren Tellern, sondern auch auf unseren Feldern. An beiden Hebeln müssen wir ansetzen. Denn was helfen wissenschaftlich korrekte Ernährungsempfehlungen, wenn uns das Lebensmittelangebot fehlt, um diese umzusetzen?
Auch der Deutsche Obst & Gemüse Kongress hat es deutlich gemacht – Verbraucherinnen und Verbraucher interessieren sich einerseits mehr und mehr für Themen wie „Bio“ oder „Vegan“, wollen dafür aber nicht automatisch mehr Geld ausgeben. Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie?
Ja, die sogenannte „Attitude Behaviour Gap“, also das Bekenntnis zu gesellschaftlich erwünschtem Verhalten, das dann aber nicht unbedingt umgesetzt wird, begegnet uns gerade auch im Hinblick auf unsere Ernährung ganz deutlich. Und im Moment triggert die mediale Berichterstattung über teils massiv steigende Energiepreise zusätzlich das Gefühl, sparen zu müssen. Das kriegen große und kleine Lebensmittelproduzenten im Moment drastisch zu spüren. Und doch ist es nur eine Momentaufnahme. Für eine realistische Beurteilung sollte man zumindest den Winter abwarten. Initiativen wie Marktschwärmer und Einkaufsgemeinschaften werden oft von überzeugten Mitgliedern getragen. Wie sie eine ernsthafte Krise überstehen werden, bleibt abzuwarten.
Wie groß ist Ihre Sorge, dass steigende Energiekosten und eine wohl weiter steigende Inflation den nachhaltigen Konsum von Lebensmitteln entscheidend beeinflussen bzw. bremsen könnten?
Unsere Sorge ist sehr groß. Die allgemeine Krisenstimmung, die den alten „Wo kann ich sparen?“-Reflex aktiviert und dann allzu schnell auf die Lebensmittel anstatt auf den nächsten Urlaub blicken lässt, der wird gerade wieder aktiviert. So etwas kann uns um Jahre zurückwerfen: Bio-Gemüseerzeuger, die aufgeben, Bio-Läden, die schließen. Aber das Gleiche gilt auch für konventionelle Hofläden und Erzeuger im Allgemeinen. Es bleibt zu hoffen, dass der Anstieg der Energiepreise zumindest in dieser Dimension nicht von langer Dauer ist.
Regional einzukaufen – das ist aus Sicht des BZfE zwar richtig, aber für den Verbraucher nicht immer einfach. Warum? Welche Entwicklungen würden Sie sich zukünftig in diesem Bereich wünschen?
Ein Blick auf den Selbstversorgungsgrad mit landwirtschaftlichen Produkten zeigt es: Regional einkaufen ist nur eingeschränkt möglich. Vor allem Obst und Gemüse, aber z.B. auch Honig, werden überwiegend aus dem Ausland importiert. Die Produktion in Deutschland ist nicht ausreichend. Und es mangelt auch nach wie vor an guten Vermarktungsstrukturen für Lebensmittel aus der Region. Die Partnerschaften zwischen den regionalen Erzeugern und dem Handel sind nur zum Teil gut vorhanden, so dass Beschaffungs- und Absatzstrukturen erst noch stärker aufgebaut werden müssen. Und die Netzwerke, die da sind, stehen jetzt eigentlich schon unter massivem Druck. Eine große Herausforderung beim regionalen Einkauf ist außerdem, dass Bezeichnungen wie „aus der Region“ oder „von hier“ nicht geschützt sind. Die Anbieter können selbst bestimmen, wie groß „ihre“ Region ist, und dürfen mit eigenen Marken oder Siegeln für ihre Produkte werben. Das ist für Konsumenten unübersichtlich und führt wohl eher zu Desorientierung und nicht zuletzt Frust. Wenn der Krisenmodus ausklingt, sind hoffentlich noch möglichst viele Erzeuger mit regionalen Produkten am Start, die dafür in den letzten Jahren ja hart gearbeitet haben.