Tacita Dean, Antigone, 2018
Kunstmuseum Basel | Gegenwart
Tacita Dean Antigone 28.08.2021 – 09.01.2022
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it Antigone (2018) wird das bisher komplexeste Werk der britisch-europäischen Künstlerin Tacita Dean (geb. 1965) erstmals in der Schweiz gezeigt. Der Inhalt des Films kreist um die titelgebende Figur: Antigone ist der Name der tragischen Heldin im gleichnamigen Stück des griechischen Tragödiendichters Sophokles. Antigone heisst aber auch die ältere Schwester der Künstlerin. Wegen eines Namens als kleinste gemeinsame Grösse verquickt sich die persönliche Geschichte Deans mit der mythologischen Weltordnung des klassischen Altertums. Deans Interesse am literarischen Stoff konzentriert sich auf eine Lücke: eine ungeschriebene Stelle in der «Thebanischen Trilogie» von Sophokles, zu der auch «Ödipus Rex» und «Ödipus auf Kolonos» gehören. Der Dichter erzählt nicht, was in der Zeitspanne passiert, wenn der blinde König Ödipus an der Seite von Antigone, seiner Tochter/Schwester, rastlos durch die Wüste irrt.
buchstäblich in mehrere nebeneinander laufende Filmbilder. Die wie Collagen wirkenden Aufnahmen montierte Dean aber nicht erst in der Nachproduktion, sondern in der Kamera selbst durch raffinierte Maskierungen und Mehrfachbelichtungen. Diese subtilen Eingriffe in die optische Mechanik der Filmkamera machen Antigone nicht nur auf thematischer, sondern auch technischer Ebene zu einem höchst experimentellen Werk. Leitmotiv von Antigone ist die Blindheit: Die künstlerische Blindheit – Dean liess sich auch vom Zufall lenken und räumte Unvorhergesehenem Platz ein. Die technische Blindheit: Welche gefilmten Bilder der zu verschiedenen Zeiten und an wechselnden Orten gedrehten Sequenzen auf dem Filmstreifen nebeneinanderstehen würden, zeigte sich erst nach dem Entwicklungsprozess. Dann die Blindheit von König Ödipus, der sich angesichts seiner unwissentlich begangenen Verbrechen – Vatermord, Inzucht! – selbst blendete und verbannte. Und schliesslich die Blindheit der Natur: Inneres Uhrwerk von Antigone ist eine Sonnenfinsternis, die Dean in Wyoming gefilmt hat. In der Ausstellung wird die Filmpräsentation durch eine Auswahl weiterer Filme, Fotografien, Druckgrafiken und Zeichnungen von Dean ergänzt, die in unterschiedlichen «Verwandtschaftsgraden» zum Kosmos Antigone stehen. ◀
Immer schon faszinierten Dean Leerstellen, Nebenschauplätze und Kontingenzen. Eine erste vage Idee zu Antigone hatte sie schon 1997, aber es sollte noch mehr als zwei Jahrzehnte dauern, bis dieses wohl intimste und enigmatischste aller Werke der Künstlerin zur Vollendung kam. Der einstündige Film ist als Doppelprojektion angelegt, der narrative Strang verzweigt sich jedoch Artinside |
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| Sommer 2021