INTERVIEW . Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria
„Gesellschaftlicher Sprengstoff“ Der Kampf gegen den Klimawandel könnte durch Einkommensverluste soziale Spannungen verschärfen, meint Ökonom Stefan Bruckbauer. Weiters warnt er vor einem zu schnellen Abdämpfen der Konjunktur. H A R A L D KO L E RU S
D
ie Wirtschaft Österreichs sollte
dafür zog der Bereich Dienstleistungen bis
Wie reagiert die Politik nun auf die Teue-
sich in den kommenden Jahren
in den Herbst/Winter in Österreich an. Vor
rungswelle?
weiter erholen, die globalen Lie-
allem der Sommertourismus ist bei uns sehr
ferschwierigkeiten könnten sich relativ bald
gut gelaufen, auch hat das BIP in Österreich
Wenn die hohen Inflationserwartungen anhalten – getragen von Medien, Konsumen
entspannen. Das sind „frohe Botschaften“
über den vergangenen Sommer das Niveau
ten, Märkten usw. –, dann wird auch die Po-
des Ökonomen. Auch die Steuerreform in
von 2019 erreicht.
litik handeln. Hier sollte man aber unbedingt Vorsicht walten lassen. Denn hohe En-
Österreich beurteilt er überwiegend positiv. Es gibt aber Probleme, die sich in den näch-
Wie geht es nun 2022 weiter? Es gibt ja
ergiepreise können ja in Wirklichkeit gar
sten Jahren erst aufbauen werden, so etwa
eine vehemente Inflationsdebatte …
nicht mit Geldpolitik bekämpft werden. Es
Einkommensverluste im Kampf gegen die
Rohstoff- und Transportkosten haben sich
handelt sich um eine Teuerung, die vom En-
Erderwärmung.
im Vergleich zu 2019 verdoppelt, im Jahres-
ergiepreis und Lieferengpässen bestimmt
vergleich zu 2020 teilweise vervielfacht. Wir
wird und somit in der Breite gar nicht vor-
Wie hat sich die Wirtschaft in Österreich
erwarten, dass die Inflation noch bis zum
handen ist. Es besteht also die Gefahr, dass
und international 2021 entwickelt?
Sommer hoch sein wird, der Druck wird
die Wirtschaft durch restriktivere Geldpoli-
Im Wesentlichen kann man folgende Punkte
dann aber nachlassen. Und zwar wenn eine
tik abgebremst werden könnte, ohne an den
festhalten: Die ökonomische Erholung zu
Entspannung bei den Lieferkettenproble-
wahren Ursachen der Inflation zu rütteln.
Jahresbeginn 2021 fiel viel besser aus, als
men eintritt. Man muss an dieser Stelle aber
das viele erwartet hatten. Wir waren bei un-
hinzufügen, dass die Inflation, zumindest in
Sie schrieben bereits im November in ei-
serer Einschätzung wohl etwas mehr „bul-
Europa, zu rund 80 Prozent auf die hohen
ner Analyse: „Klarerweise muss die Wirt-
lish“ als der Consensus und lagen damit
Energiepreise zurückzuführen ist. Es gibt Er-
schaftspolitik auch wieder die sehr ex-
letztlich richtig. Bis in den vergangenen
klärungsmuster dafür, warum diese so stark
pansiven Maßnahmen beenden, aber ob
Sommer erfolgte eine dynamische Wirt-
angezogen haben, die aber nicht zu 100 Pro-
jetzt bereits der richtige Zeitpunkt im
schaftsentwicklung, dann hat sich der Wind
zent ausreichend sind. Anders ausgedrückt:
Euroraum dafür ist, glaube ich nicht.“
etwas gedreht. Die Industrie hat durch die
Es ist noch nicht ganz klar, warum die Ener-
Gilt das noch immer?
Lieferengpässe Schwierigkeiten bekommen,
giekosten so massiv gestiegen sind.
Ich meine weiterhin: Vor allem in der Europäischen Union sollte man durch restriktivere Maßnahmen nicht zu stark und zu
ZUR PERSON
eine Gefahr für die Konjunktur darstellen,
Seit 2009 ist Stefan Bruckbauer Leiter der Abteilung Economics & Market Analysis
die sich in Europa weniger dynamisch ent-
Austria und Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria. Sein Arbeitsschwerpunkt sind
wickelt als in den Vereinigten Staaten. Euro-
die Wirtschaft Österreichs, der Finanzmarkt und die EU, der Euro sowie der Banken-
pas Wirtschaftspolitik war während der
markt in Österreich und der EU. Von 2001 bis 2009 war er stellvertretender Leiter der
Pandemie auch nie so expansiv wie in den
Konzernvolkswirtschaft der Bank Austria und verantwortlich für Makro- und Banken-
USA ausgerichtet, dort wurden mehr Anlei-
marktresearch Österreich. Der Experte war auch lange Jahre Lektor für Volkswirt-
hen gekauft als in Europa. Und der Zinssatz
schaftstheorie an der J.K. Universität Linz, der Universität Wien und an der Fachhoch-
lag hier bereits in der Vor-Coronazeit bei
schule für Bank- und Finanzwirtschaft in Wien.
null, in den USA hingegen bei 1,75 Prozent und wurde dann auf 0,25 Prozent gesenkt.
Credit: beigestellt
schnell auf die Bremse steigen. Das würde
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