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Lothar Balthasar:

Nach sieben Jahren die Flucht wiederholt

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Von Dezember 1979 bis Januar 1987 hat sich die grüne Grenze zwischen Rumänien und Serbien gewaltig verändert. Das hat Lothar Balthasar aus Tschanad im Dreiländereck Rumänien/Ungarn/Serbien selbst erfahren. Der am 12. September 1957 in Tschanad geborene Lothar Balthasar ist nämlich zweimal an derselben Stelle über die Grenze gegangen. Zum ersten Mal mit zwei Freunden, Erna und Lothar Balthasar zum zweiten Mal schon als Bundesbürger mit seiner Verlobten und dem Bruder seines Freundes, der seinerzeit mit ihm den Weg in die Freiheit beschritten hat. Die vielen Grenzübertritte Anfang der 1980er Jahre sind die Ursache, dass Rumänien zusätzliche Hindernisse an der serbischen Grenze gebaut hat. In erster Linie sind tiefe Gräben ausgebaggert worden, die eine Flucht mit Fahrzeugen unmöglich machen sollten. Zum ersten Mal begibt sich Lothar Balthasar am 18. Dezember 1979 zusammen mit Johann T. aus Großsanktnikolaus auf die Flucht. Lothar Balthasar startet mit dem Fahrrad in seinem Heimatdorf Tschanad und fährt in den Nachbarort Großsanktnikolaus, um Johann T. abzuholen. Die beiden tragen Gummistiefel und Arbeitskleidung. Falls sie einem Grenzsoldaten begegnen sollten, wollen sie ihm weismachen, dass sie auf dem Weg zu einer Schweineschlacht wären. Ihr nächstes Ziel ist das Dorf Nero, wo Johanns Vetter Doru Tasch zu Hause ist. Doru kennt sich an der Grenze aus. Er wird die beiden anderen führen. Balthasar und Johann T. haben nur das eine Fahrrad, sie treten abwechselnd in die Pedale, während der andere auf der Fahrradstange sitzt. Sie folgen der Bahnlinie in Richtung Altbeschenowa, um den Grenzern aus dem Weg zu gehen. In Nero angekommen, warten sie den Einbruch der Nacht ab. Sie marschieren los und erreichen Serbien problemlos. Sie kommen durch Mokrin und gelangen nach Kikinda, wo sie auf einen bewaffneten Nachtwächter treffen, der den Mais in einem Lager hütet. Der ruft die Polizei. Die drei Flüchtlinge kommen nach Großbetschkerek ins Gefängnis. Sie verbringen Weihnachten in einem ungeheizten Raum ohne Bett, das Fenster ist eingeschlagen. Im Gefängnis ist Schmalhans Küchenmeister. Aber an Silvester bekommen die drei Zwetschgenkompott. Am Tag, als sie ins UNO-Lager in

Padinska Skela nördlich von Belgrad verlegt werden, treiben die Polizisten ihr Spielchen mit ihnen. Sie teilen ihnen mit, die Reise gehe nach Temeswar, sie werden also den Rumänen ausgeliefert. Sie sitzen mit angelegten Handschellen im Polizeiauto, merken aber bald an den Straßenschildern, dass es nach Belgrad geht. Unterwegs halten die Polizisten an, um essen zu gehen. Sie lassen die drei unbewacht im Auto sitzen. Wohin sollten die drei auch mit angelegten Handschellen flüchten? Über die deutsche Botschaft in Belgrad gelangen die drei mit Ersatzpässen nach Nürnberg. Vor Weihnachten 1986 nehmen Lothar Balthasar und Johann T. Urlaub und fahren ins Banat. Johann will seinem Bruder zur Flucht verhelfen. Die beiden Brüder beraten, welches der beste Weg ist. Sie meinen, es sei am einfachsten, über die Grenze nach Ungarn zu gehen und anschließend nach Jugoslawien. Doch Lothar Balthasar bringt die beiden von dieser Idee ab. Er vertritt die Ansicht, das sei zu kompliziert, ein Grenzübertritt reiche, den zweiten könnten sie sich sparen. Er schlägt den direkten Weg über Jugoslawien vor. Lothar Balthasar marschiert mit Erna Rotariu, seiner Verlobten aus dem Banater Dorf Gottlob, und Johanns Bruder am 2. Januar 1987 um 20 Uhr in Nero los. Er wählt denselben Weg, den er sieben Jahre vorher mit den beiden Freunden gegangen ist. Ohne Planung, aber mit einem Bundeswehrkompass ausgestattet, gehen die drei in Richtung Grenze. Sie laufen einem Grenzsoldaten fast über den Weg. Die drei werfen sich zu Boden, der Soldat geht in etwa zehn Metern Entfernung an ihnen vorbei. Sie haben Glück. Lothar Balthasar stellt fest, dass sich in den sieben Jahren seit seiner Flucht vor der Grenze viel verändert hat. Sie kommen an einen ersten Kanal, den sie hockend auf einem Rohr überqueren. Am zweiten Kanal haben sie wieder Glück, ihr Weg führt sie direkt zu einer Brücke. Ein Drahtzaun kurz vor der Grenze ist ein weiteres Hindernis. Lothar Balthasar durchschneidet ihn mit der Zange. Danach überqueren sie den geharkten Streifen und sind in Jugoslawien. Sie sind zufällig dort angekommen, wo Johann T. mit dem Auto auf sie wartet, allerdings in einer Entfernung von zweieinhalb Kilometern. Die beiden Männer haben einen Durchhänger. Sie lassen sich vor Erschöpfung fallen. Erna fühlt sich noch fit. Plötzlich leuchten Autoscheinwerfer auf. Die drei wissen sofort, das Zeichen kommt von Johann T. Er wartet noch immer auf sie, obwohl der Morgen schon zu grauen beginnt. Lothar antwortet mit seiner kleinen Taschenlampe, die er bei sich hat. Und der abfahrbereite Johann T. sieht das Lichtchen tatsächlich. Die beiden Männer raffen sich auf und starten zum letzen Marsch in Richtung Auto. Johann T. fährt die drei glücklichen Flüchtlinge nach Belgrad zur deutschen Botschaft. Doch die hat geschlossen, es ist Samstagnachmittag. Sie bekommen

die Auskunft, sie sollten am Montag vorbeikommen, dann müssten Erna und Johanns Bruder drei Wochen lang ins Gefängnis, erst danach könnte die Botschaft ihnen Pässe ausstellen. Damit findet sich Lothar Balthasar nicht ab. Um 14 Uhr ruft er seinen Freund Karl H. in Nürnberg an, der zusammen mit Lothar in derselben Firma als Fernfahrer arbeitet. Karl nimmt den Kleinbus von Lothars Eltern und startet mit Schwager und Schwägerin und Lothars Schwester und deren Mann in Richtung Spielfeld an der österreichisch-slowenischen Grenze. Um 21 Uhr ist Karl in Spielfeld, fährt über die Grenze und lädt Erna und Johanns Bruder an der ersten Tankstelle in Slowenien in den Bus. Der zweite Teil des Abenteuers beginnt. Karl fährt mit dem Bus voraus. Johann T. und Lothar Balthasar folgen mit dem Pkw. Bei der Einreise nach Österreich profitieren sie vom starken Feiertagsverkehr. Die Zöllner kontrollieren keine Pässe, sie winken den Bus durch. Danach geht es zügig durch Österreich. Der Grenzübertritt bei Salzburg verläuft genauso problemlos. Erna und Johanns Bruder hätten sich nicht auf den Boden legen und zudecken müssen. 31 Stunden nach dem Start in Rumänien kommen sie am 4. Januar 1987 in Nürnberg an.

Lothar Balthasar, der gelernter Automechaniker ist, lässt sich 1980 in Nürnberg nieder und wird Fernfahrer. Johann T. ist 1989, zehn Jahre nach der Flucht, gestorben. Erna Balthasar, die nach dem Abitur von 1979 bis 1986 als Lehrerin in Rumänien gearbeitet hat, kümmert sich anfangs um die beiden Söhne Bernd und Andreas. Um zusätzlich Geld zu verdienen, ist sie Hausmeisterin in Mögeldorf. Erst 1995 kann sie sich wieder um Arbeit bewerben. Nach einer Umschulung zur Versicherungsfachfrau arbeitet sie bis Dezember 2000 halbtags für eine Versicherung. 2001 kann sie nach einer weiteren Umschulung eine Vollzeitstelle antreten. Seither ist sie in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg als Verwaltungsangestellte tätig.

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