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Mit dem Flugzeug von Budapest nach Frankfurt
Von Georg Moti
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Es gab Zeiten, da träumte ich nur davon, heraus aus Rumänien zu können, in Deutschland zu leben und die Welt zu sehen… Mein Traum, irgendwie nach Deutschland zu gelangen, hat schon im Teenageralter eingesetzt. Damals spielte ich Fußball bei Politechnica Temeswar und träumte davon, in Deutschland Profi zu werden. Weil ich deutscher Abstammung bin, durfte ich nie ins Ausland, auch nicht mit der Fußballmannschaft. Also habe ich mir meine Taktik aufgebaut: minimales Risiko, aber voller Erfolg. Das bedeutet, Rumänien verlassen, ohne dass mir etwas passiert. Aber ich brauchte erst einmal einen Beruf, also studierte ich Maschinenbau. Georg Moti Gleichzeitig spielte ich Fußball, ausgerechnet in Hatzfeld, um die Grenze zu erkunden. Nach einem Jahr wusste ich, wo die Alarmdrähte über dem Boden gespannt sind und wie ich ungefähr starten soll. Ein paar Grenzer kannte ich auch, denn ich hatte sie mit Zigaretten versorgt, in Gespräche verwickelt und indirekt ausgefragt. Ziel war, nach dem Studium aus Rumänien zu verschwinden, und zwar über die Grenze bei Hatzfeld. Inzwischen habe ich aber gehört, dass Ungarn rumänische Flüchtlinge nicht mehr zurückschickt. Und weil ich nicht viel riskieren wollte, habe ich meinen Opa, der in Budapest lebte, um eine Einladung gebeten. Mittlerweile arbeitete ich seit vier Monaten in Caracal. Die Einladung aus Budapest ist eingetroffen, und ich habe meinen Antrag für den Ungarnbesuch in Slatina eingereicht. Mein Gefühl sagte mir, die in der Kleinen Walachei wissen weniger über mich als die Securitate in Temeswar. Gleichzeitig habe ich Geschenke versprochen, allen, angefangen vom Meister bis zum Direktor. Als Vorgeschmack hatten die Herrschaften kleine Aufmerksamkeiten bekommen, die ich bei Serben in Temeswar gekauft hatte: Zigaretten, Alkohol, Kaffee, für Deutschland hergestellte Otter-Schuhe aus Hatzfeld und Schokolade. Eines Tages bekam ich eine Einladung zur Polizei nach Slatina, wo ich mei-
nen Pass mit einem zwei Wochen lang gültigen Visum bekam. Zwei Tage später war ich auf dem Bahnhof in Arad, eine kleine Sporttasche mit notwendiger Kleidung in der Hand. Mittlerweile wusste ich, dass die Grenzer Leute einfach aus dem Zug nehmen und nicht ausreisen lassen. Meine innere Aufregung war groß; ich glaube, wenn sie mich aus dem Zug geholt hätten, wäre ich zu Fuß zur Grenze gelaufen. Alles verlief aber gut, der Zug fuhr langsam über die Grenze, und ich wusste: Ich hatte den ersten Schritt in die Freiheit getan. Dann war ich sechs Monate lang in Budapest, bis ich ausreisen konnte. Zuerst musste ich mich bei der Polizei melden und sagen, dass ich nicht nach Rumänien zurückkehren will. Ich hatte Glück - sie haben mich in Budapest geduldet. Arbeit hatte ich schon gefunden. In der deutschen Botschaft habe ich die Einreise in die Bundesrepublik beantragt. Es dauerte aber alles sehr lange, so dass ich mir eine andere Lösung ausgedacht habe. Die Botschaft Israels hat mir ein Visum erteilt. Mit einer Flugkarte von Budapest nach Tel Aviv über Frankfurt am Main - ein Geschenk meiner damaligen Brieffreundin in Weiterstadt - wollte ich Ungarn verlassen. Doch die Ungarn haben meine Ausreise verhindert. Also war ich in der Zwickmühle: In Budapest durfte ich bleiben, aber nicht ausreisen. Dieses Gefühl war sehr unangenehm. Über die deutsche Botschaft und über ungarische Ämter habe ich mir jedoch den Weg freigemacht. Das zweite Mal hat es geklappt: Ich bin mit einer Lufthansa-Maschine nach Frankfurt am Main geflogen und dort geblieben. Ich hatte 100 Mark in der Brieftasche, ein Geschenk meiner Frau, die ich in Budapest kennen gelernt hatte. Im Flugzeug nach Tel Aviv war an diesem Tag mit Sicherheit ein Platz frei. Mein Weg in die Freiheit hat von März bis September 1988 gedauert.
Georg Moti wurde am 6. Juni 1962 in Temeswar geboren. Nach dem Maschinenbau-Studium am Polytechnikum in Temeswar hat er vor der Flucht sechs Monate lang in Caracal als Ingenieur in der Waggonfabrik gearbeitet. In Deutschland ist er als Qualitätsmanager tätig.