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Das Vernichtungslager Rudolfsgnad

Über das Elend und Sterben der im Lager Rudolfsgnad internierten Jugoslawien-Deutschen berichtet der Arbeitskreis Dokumentation der Donauschwäbischen Kulturstiftung in dem Band „Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948. Die Stationen eines Völkermordes“. Daraus entnehmen wir folgende Auszüge.

Aus Rudolfsgnad, nahe der Mündung der Theiß in die Donau gelegen, sind im Herbst 1944 von seinen 3.200 Deutschen lediglich 900 nicht geflüchtet. Der Ort wurde zum größten Vernichtungslager für die Deutschen Jugoslawiens.

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Der Ort war vom 10. Oktober 1945 bis Mitte März 1948 Vernichtungslager für Alte, Kranke, Kinder und Frauen mit Kleinkindern. Nach Rudolfsgnad wurden ab Januar 1948 Insassen einer Reihe aufgelöster Lager transferiert. Hier waren zuletzt Volksdeutsche aus Jugoslawien, Rumänien, der Tschechoslowakei sowie österreichische und deutsche Staatsbürger interniert.

Die Gesundheitsverhältnisse, Krankheitsfälle, Krankheitsarten, Krankenbehandlung und Sterbestatistik hat der Arzt K. F. für das Lager Rudolfsgnad dokumentiert. Es hatte durchschnittlich 17.200 Insassen, wobei Ende November 1945 mit mehr als 20.500 Personen die Spitze und Ende Oktober 1946 mit 16.500 Personen der niedrigste Stand erreicht worden sein dürfte. Es verzeichnete mit rund 11.000 Toten die höchste Todesquote aller Lager.

Am 27. Dezember 1944 wurden 47 Mädchen und Frauen und 20 Männer aus Rudolfsgnad zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert. Am 14. April 1945 mussten die Rudolfsgnader ihre Häuser verlassen, woraufhin die Frauen und Kinder im Schulgebäude, die Jungen ab 14 Jahren und die Männer im Kindergarten zusammengezogen wurden. Im Herbst wurden die einheimischen Maurer von den serbischen Partisanen angewiesen, acht Wachtposten-Häuschen zu bauen, während die Zimmerleute gleichzeitig den Auftrag bekamen, drei Schlagbäume zu errichten und das nordwestliche Viertel einzuzäunen, in das dann alle „Freien“ aus Rudolfsgnad umgesiedelt wurden.

Ab dem 10. Oktober 1945 internierte das Titoregime Tausende von deutschen Zivilpersonen, vorwiegend ältere Leute, Frauen mit Kindern und alleinstehende Kinder, deren Mütter zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert worden waren, in die leerstehenden Häuser von Rudolfsgnad und setzte damit seine Ausrottungsmaschinerie in Gang. Die Gegend wurde von jedem Verkehr abgesperrt, der Ort blockiert. Niemand durfte schreiben, es wurde keine Post zugestellt und auch keine befördert.

Die Lagerinsassen stammten aus fast allen deutschen Ortschaften des Banats. Die Menschen, die nur notdürftig gekleidet in Rudolfsgnad ankamen, wurden in die leerstehenden Häuser eingewiesen und in der Regel zu 20 bis 30 Personen in einem Zimmer untergebracht, wo sie auf wenig Stroh und ohne Decken auf dem

Fußboden liegen mussten. Das Lagerstroh wurde bis zur Auflösung des Lagers im März 1948 weder gewechselt noch ergänzt.

Am Anfang verteilte man Kesselkost. Die Ernährung bestand aus Maisschrotsuppe, Polentabrei, Maisbrot und Tee, jedoch von allem in so geringen Mengen, dass es für die bescheidensten Ansprüche viel zu wenig war, und dazu noch ohne Salz. Selbst die kleinen Kinder, Säuglinge und stillenden Mütter bekamen nicht mehr und nichts anderes. Diese geringen Mengen wurden übrigens in rohem Zustand verabreicht. Gekochte Nahrung gab es Monate hindurch nicht. So musste sich jeder selbst helfen, wie er konnte, um seinen quälenden Hunger einigermaßen zu stillen.

Gleichwohl wurden aber die deutschen Frauen und sogar die Kinder vom Lager aus täglich in langen Kolonnen schon beim Morgengrauen zur Zwangsarbeit getrieben. Sie mussten im Wald Holz machen und andere Schwerarbeit verrichten.

Anfangs teilte man noch die übliche Lagersuppe aus, im Winter 1945/46 gab es auch diese nur mehr selten. Bald gab es im ganzen Dorf keine Zaunlatten, Maisspeicher und Obstbäume mehr; die Leute rissen nachts - ständig in Gefahr, erschossen zu werden - von Ställen, Nebengebäuden und Hütten die Holzteile ab, suchten nach Pferdemist und Kuhfladen, die sie zu Kugeln formten und für den Winter trockneten, denn wenn es wieder monatelang in der Lagerküche nichts Gekochtes gab, mussten sie selbst den mit Brennnesseln, Besenreisig, Klee oder genießbaren Grasblättern „aufgebesserten“ Maisschrot zu kochen versuchen.

Die Behandlung der deutschen Kinder durch die Partisanen war mit Sicherheit eine der verbrechensschwersten Erscheinungen, die die Chronik der Zwangsarbeits- und Vernichtungslager in Jugoslawien aufzuweisen hat. Kaum 13 oder 14 Jahre alt, wurden auch sie zunächst in die Lager getrieben und zur Arbeit herangezogen. In den Lagern waren die Kinder, deren Väter zum Militär eingezogen oder bereits erschossen und deren Mütter in vielen Fällen zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden waren, meist auf sich allein gestellt, sofern sich nicht Verwandte oder Nachbarn ihrer annahmen. Wer arbeitsunfähig wurde, kam in die Todeslager. Dort befanden sich von Anfang an Kinder jeglichen Alters. Hunger, Krankheit und Verwahrlosung forderten unter ihnen einen hohen Todeszoll.

Als Gehilfe des Elektrikers Weißmann konnte Lorenz Baron Einblick in das Grauen des „Kinderheims“ gewinnen. Er schreibt: „Wir bekamen den Auftrag, im sogenannten Kinderheim Licht einzuführen. Als ich Ende 1946 mit meinem Meister da hineinkam, wurde es uns übel, so dass wir wieder nach draußen mussten, um durchzuatmen. Das vorher Gesehene verdrängend, betraten wir danach erneut den großen Saal. Weißmann schaute nach den Querbalken an der Decke und wies mich an, drei Lichtreihen zu legen - und schon war ich alleine mit dem Tod. Als ich die Steigleiter und das Material hereingebracht hatte, ver-

suchte ich immer, wegzuschauen, aber wohin? Überall lagen sterbende deutsche Kinder.“

Einige Schwestern seien in erster Linie damit beschäftigt gewesen, die Leichen aus den Reihen auszusortieren, diese dann auf den Tisch zu legen, in StoffFetzen einzunähen und danach auf den Leichensammelplatz zu bringen. „Das Kinderheim - Wittmanns Tanz- und Kinosaal - war ein im Hof stehendes Gebäude mit gewölbtem, verzinktem Blechdach. Der Saal hatte große Fenster und war fast quadratisch, ca. 25 x 25 m groß. Von Nord nach Süd lagen etwa sechs einen Meter breite Strohreihen von Wand zu Wand, in der Saalmitte war ein Quergang. Beim Eintreten hörte man ein monotones Summen, die höheren Töne wurden von den tiefen eingebunden. Das war das Lied vom Kindertod! Der Saal war voll von wehrlosen, sterbenden Kindern. Ohne menschliches Gefühl, wie ein Toter, stieg ich auf die Steigleiter und schraubte PorzellanIsolatoren an die Querbalken. Manche Skelette unter mir konnten sich noch bewegen und verfolgten jeden Handgriff, den ich ausführte. Manche Kinder fielen zurück Herta Gärtner, geboren am 31. März 1944 ihr Blick war noch auf mich gerichtet - und in India, wurde als Säugling interniert. Ihr ausgemergelter Körper war nicht mehr überlebensfähig; sie ist am 3. April 1946 waren tot. Mitleid gab es von niemandem, wussten wir doch, dass wir die nächsten im Kinderkrankenhaus im österreichi- Toten sein konnten.“ schen Bad Hall gestorben, wohin ihre Großmutter sie gerettet hatte. Foto: Jakob Bohn Und an anderer Stelle schreibt derselbe Autor: „Wir gingen täglich, um am Pumpbrunnen Wasser zu trinken. Hier saßen die Kinder bei Sonnenschein auf dem Gangsturz und fingen die Läuse ihres Nachbarn. Fast alle hatten die Krätze, vereiterte Mundwinkel, ja bei manchen waren schon Teile der Wangen weggefault, und die Zähne waren wie bei einem Skelett zu sehen. Die meisten weinten verhalten und kraftlos, dennoch war das Stöhnen dieser armen Kinder auch außerhalb des Hauses zu hören.“

Im Sommer 1946 begannen die Behörden, in den Konzentrationslagern für Arbeitsunfähige Kindertransporte zusammenzustellen und sie den staatlichen Kinderheimen zuzuleiten, um sie dort ihrem Volkstum zu entfremden und nach durchgeführter Assimilierung als gute Staatsbürger in den jugoslawischen Staatsverband zu integrieren. So wurden am 1. Juli 1946 transportfähige Kinder

und Kleinkinder, deren Eltern tot oder verschleppt waren und die keine näheren Angehörigen besaßen, aus dem jämmerlichen Haus, das den Namen Kinderheim führte, herausgenommen und in Begleitung einiger Pflegerinnen, aber unter strenger Bewachung serbischer Partisanen in auswärtige Kinderheime gebracht.

Der Höchststand an Todesfällen in Rudolfsgnad wurde im Februar 1946 mit l.346 Verstorbenen erreicht. Am 4. Februar 1946 registrierte man das Maximum der Todesfälle: An einem einzigen Tag sind 72 Lagerinsassen gestorben. An den Folgen des Fleckfiebers, der Grippeepidemie sowie an Unterernährung und unmenschlicher Behandlung durch die Partisanen waren es in den ersten 15 Monaten seit Bestehen des Vernichtungslagers bei einem durchschnittlichen Lagerstand zwischen 17.000 und 20.000 Personen, insgesamt 7.664 Landsleute, die dort qualvoll sterben mussten. Vom 10. Oktober 1945 bis März 1948 sind in Rudolfsgnad mehr als 11.000 deutsche Menschen entweder an Unterernährung gestorben, den Seuchen zum Opfer gefallen oder durch Willkürmaßnahmen der Partisanen zu Tode gekommen.

Ein Begräbnis im üblichen Sinne gab es in Rudolfsgnad nicht. Die Leichen, während der Fleckfieberepidemie kaum bekleidet, später in alte Decken eingenäht, wurden mit Pferdewagen, die durch die Straßen fuhren und die Toten einsammelten, zu den Massengräbern gebracht. Die ersten Massengräber wurden im hinteren Teil des Friedhofs von Rudolfsgnad ausgehoben. Von den serbischen Partisanen hierzu gezwungen wurde der frühere langjährige Totengräber von Rudolfsgnad, dem mehrere Lagerinsassen als Beerdigungshelfer zugeteilt wurden. Nach einer Mitteilung dieses Totengräbers haben in den Massengräbern auf dem Friedhof von Rudolfsgnad bis 13. Februar 1946 insgesamt 3.334 im Lager Verstorbene ihre letzte Ruhestätte gefunden. Da in diesem Friedhof im Frühjahr 1946, infolge des Hochwassers der Theiß, das Grundwasser immer höher stieg, konnten hier keine Toten mehr beerdigt werden. So wurde seitens der Partisanenführung die Teletschka, eine etwa zwei Kilometer südlich des Ortes gelegene Anhöhe, für die Anlage von weiteren Massengräbern ausersehen. In den Massengräbern auf der Teletschka sind vom 14. Februar 1946 bis März 1948 mehr als 7.000 Deutsche beerdigt worden.

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