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Methodische Kompetenzen von PraxisanleiterInnen für die hochschulische Ausbildung Armin Leibig und Karl-Heinz Sahmel
from Leseprobe PADUA
by Hogrefe
Methodische Kompetenzen von PraxisanleiterInnen für die hochschulische Ausbildung
Armin Leibig und Karl-Heinz Sahmel
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Studierende in den Gesundheitsberufen sollen künftig in der hochschulischen Pflege-Qualifikation in der Berufspraxis von PraxisanleiterInnen betreut werden, die sich im Rahmen von Anleitungen diverser Methoden bedienen. Hier soll geklärt werden welche methodisch-didaktischen Kompetenzen und welche weiteren Qualifikationen PraxisanleiterInnen in Zukunft benötigen werden, um die gesetzlichen Ausbildungsziele zu realisieren.
Das Lernen in der Berufspraxis und damit die Praxisanleitung in der Ausbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe erfahren zunehmende Bedeutung. Dies zeigt sich u. a. dar an, dass der Umfang der Weiterbildung von PraxisanleiterInnen, mit dem neuen Pflegeberufegesetz von 2018, von 200 auf 300 Stunden erhöht worden ist. Dies stellt zwar per se keinen Fortschritt dar, da die Weiterbildung bereits 1996 in Hessen einen Umfang von 460 Stunden umfasste (Mamerow, 2016, S. 9), zeigt aber in die richtige Richtung.
Qualifikation von PraxisanleiterInnen
Die Praxisanleitung hat sich in den letzten Jahren in den Aus- und Weiterbildungen etabliert, doch zeigen diverse Untersuchungen (Landes-Pflege-Rat, 2017; Zimmermann & Lehmann, 2014; verdi, 2015, Sahmel, 2015) dass die Aus- und Weiterbildungspraxis noch defizitär ist. Dies betrifft sowohl die strukturellen Bedingungen wie die Freistellung, die Vergütung, die innerbetriebliche Stellenintegration inkl. dienstrechtlicher Unterstellung, wie auch prozessuale Aspekte wie Anleitungsmethoden, Lehr-LernSetting oder die Reflexion des Lernens. So finden 67 – 78 % der gezielten Anleitungen nicht im gesetzlichen Rahmen statt (Landes-Pflege-Rat, 2017, S. 24).
Ein ähnliches Bild zeigen Steffan und Knoch (2015) auf, die sich mit dem Erleben von Anleitung von dual bzw. ausbildungsbegleitenden Studierenden beschäftigt haben. So sind PraxisanleiterInnen nicht auf den aktuellen Wissensstand und „(Z)unehmender Versorgungs- und Betreuungsaufwand der Klienten und hoher Personalmangel erschweren die Vereinbarung von Lernzeiten“ (Steffan & Knoch, 2015, S. 265). Die Autorinnen fordern daher eine Veränderung der Inhalte und Angebote in Rahmen der Weiterbildung zum / zur PraxisanleiterIn.
Einen Schritt weiter gehen Hobbs & Green (2003) und Auböck et al (2014), die „für die anleitenden Pflegeperso nen eine in erster Linie wissenschaftliche Qualifikation“ fordern (S. 253). Ein Anspruch, der eigentlich nicht weiter diskutiert werden müsste, sondern als gegeben angesehen werden sollte. Also eine hochschulische Qualifikation im Bereich Nursing oder Pflegewissenschaft, was aber nur die fachlichen Kompetenzen abdecken würde. Die vom Gesetz geber geforderte „berufspädagogische“ Qualifikation kann im Rahmen des Studiums im Rahmen eines zusätzlichen Moduls erworben werden. An einigen Hochschulen (z. B. an der Hochschule Ludwigshafen) können die Studierenden im dualen Studiengang Pflege das Wahlmodul „Praxisan leitung“ belegen und haben mit dem Studienabschluss die Möglichkeit (auch) als PraxisanleiterIn tätig zu werden. Kurzfristig wäre dies ein gangbarer Weg auch für andere Pflegestudiengänge, längerfristig aber sollte darüber nach gedacht werden, die Qualifikation von „Lehrern für Praxis“ der von „Lehrern für Theorie“ anzugleichen – Das wider spräche aber allen berufspädagogischen Traditionen.
Kompetenzen künftiger PraxisanleiterInnen
Welche Kompetenzen benötigen PraxisanleiterInnen, die eine hochschulische Qualifikation haben (sollten)?
Analysiert man die Vorgaben des Pflegeberufegesetzes, so findet man normative Vorgaben für eine Qualifizierung von PraxisanleiterInnen vor allem in § 37. Hier werden drei umfassende Ziele formuliert. Zunächst allgemein: 1. Die Primärqualifikation an Hochschulen befähigt zur unmittelbaren Tätigkeit an zu pflegenden Menschen und hat gegenüber der schulischen Ausbildung ein erweitertes Ausbildungsziel. 2. Die Hochschule vermittelt die Kompetenzen, die für eine selbstständige umfassende und prozessorientierte
Pflege erforderlich sind und dies auf wissenschaftlicher
Basis und Methodik.
Im dritten, konkreteren Ausbildungsziel wird erneut der Kompetenzbegriff verwendet und es findet sich folgende Differenzierung: a. Steuerung / Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozess, die wissenschaftsbasiert und -orientiert sind b. Vertieftes Wissen über Pflegewissenschaft, den gesellschaftlich-institutionellen Rahmen der Pflege und des normativ-institutionellen Versorgungssystems sowie die
Weiterentwicklung der Pflege und Gesundheit mitzuge stalten. c. Forschungsgebiete für die Pflege erschließen, forschungsbasierte Problemlösungen transferieren und berufsspezifische Bildungsbedarfe erkennen. d. Sich mit der theoretischen und praktischen Berufspraxis kritisch-reflexiv und analytisch auseinandersetzen und evidenzbasierte Lösungen entwickelt bzw. implementieren. e. Mitwirkung bei der Entwicklung von qualitätssichernden Konzepten.
Ergänzend können im Rahmen der hochschulischen Ausbildung zusätzliche Kompetenzen vermitteln werden, wobei das Ausbildungsziel nicht gefährdet werden darf.
Die Studierenden sollen also hochkomplexe Pflegeprozesse steuern und sich dabei am aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand der Pflege orientieren. Die Perspektive soll nicht ausschließlich auf den Patienten ausgerichtet sein, sondern auch gesellschaftliche, gesundheitspolitische und institutionelle Aspekte sollen handlungsleitend sein. Die Pflegeinterventionen werden einer kritischen Reflexion unterzogen, wobei Evidenzbasierung die Leitkategorie darstellen soll. Auf diese Weise soll eine hohe Qualität entwickelt werden und auch die normativen Vorgaben (SOP, Nationalen Expertenstandards, Leitlinien usw.) dieser wissenschaftlichen Betrachtungsweise unterzogen werden.
Betrachtet man nun die genannten Ansprüche an Studierenden kritisch und bringt sie in Verbindung mit Praxisanleitung, so kann sicherlich behauptet werden, dass die bisherige Qualifikation von PraxisanleiterInnen nicht die Ansprüche an eine methodisch-didaktische Qualifikation für evidenzbasierte Pflege erfüllt, da die notwendigen Kom petenzen weder im Rahmen der Ausbildung, noch in der Weiterbildung zum / zur PraxisanleiterIn erworben werden.
Sowohl die Curricula der DKG (2015) als auch die Weiterbildungsordnung der Landespflegekammer RheinlandPfalz (2018) weisen hier Defizite auf. Betrachtet man das Modul „Lernprozesse im Praxisfeld gestalten“ (70 Stunden) der Landespflegekammer bezüglich der Lernergebnisse, so werden für den Bereich „Wissen“ ausschließlich die Verben skizzieren (→ Verständnis), kennen (→ Verständnis) und beurteilen (→ Analyse) verwendet. Diese Formulierungen ermöglichen es nicht die Kompetenzen zu erwerben, die für Anleitung von Bachelor-Studierenden notwendig sind. Ebenso verhält es sich mit den Lernergebnissen für den Bereich „Einstellungen / Wert / Haltungen“ im selben Modul. Auch hier entsprechen die Verben sich motiviert einbringen (→ Reagieren), entwickeln eine Ambiguitätstoleranz (→ Wertkomplex) bewusst (→ Aufnahmen) nicht durchgehend dem Anspruch an ein Bachelorniveau. Dieses Niveau ist u. a. festgeschrieben in „Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld“ (DQR, 2011).
Trotz dieser Kritik soll der konstruktive Aspekt genutzt werden, um – nur – für den Bereich der Methodenkompetenz Möglichkeiten darzustellen, wie künftige PraxisanleiterInnen sich ein Methodenpool erwerben können. Dieses soll in Verbindung mit dem individuellen Lernbedarf der Auszubildenden, den Lerninhalten und den strukturellen Begebenheiten der Praxis in ein konstruktives Lernsetting überführt werden.
Methodenkompetenz
Der Begriff der Methodenkompetenz stellt sich nicht nur für eine(n) PraxisanleiterIn als komplex dar. So müssen Informationen über die Methode und den Lehr-Lerninhalt beschafft werden und diese in Verbindung mit den zeitlichen Ressourcen gebracht werden. Parallel dazu ste hen Überlegungen zum Konzept und der Präsentation bzw. Anwendung. Die Methode ist somit im didaktischen Denken vernetzt und bedarf komplexer Betrachtungs weisen (Sahmel 2015). Mittels ihrer eigenen Methode sollen Studierende neue und komplexe Aufgaben bzw. Probleme flexibel und selbstständig bewältigen. Hinter der Methodenkompetenz verbergen sich die Schlüssel worte Problemlösefähigkeit, Transferfähigkeit, vernetztes sowie abstraktes Denken und Analysefähigkeit.
Aus Sicht der Studierenden, die keinen Schülerstatus haben (!), gilt es, in die Praxisanleitung erwachsenenpädagogische Elemente zu integrieren. Dies bedeutet für die PraxisanleiterInnen mehr Moderatorin, Begleiterin, Betreuerin und Coach zu sein. Dabei stehen das selbstgesteuerte und selbstorganisierte Lernen im Mittelpunkt, wobei zusätzlich intermediales Lernen eingebunden werden kann. Diese Ausrichtung auf selbstbestimmende Elemente unterstützt und motiviert die Lernenden und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Unabhängigkeit. Für Bohrer wird „Selbstständig werden der Lernenden durch Kontinuität und sichere Beziehungen im Lernumfeld bestimmt“ (Bohrer, 2013, S. 92). Bohrers Ansatz kann als Übergang vom formellen zum informellen Lernen in der praktischen Pflegeausbildung gewertet werden. Genau diesen Prozess müssen PraxisanleiterInnen
initiieren, um das im § 5 als Ausbildungsziel beschriebene lebenslange Lernen zu forcieren, was „als ein Prozess der eigenen beruflichen Biographie verstanden [wird] und die fortlaufende persönliche und fachliche Weiterentwicklung als notwendig anerkannt“ wird. Methode wird im Weiteren nicht nur als Methode zum Lerntransfer verstanden, sondern immer auch als Mittel zu Emanzipation.
Planung von Praxisanleitung
Aus pädagogischer Perspektive sollten die Studierenden ihren Lernprozess möglichst selbst- und mit- bestimmen können. Daher sollte ein Rahmen-Lernplan vorliegen, der analog zu den theoretischen Lernangeboten die Tätigkeitsschwerpunkte oder Kompetenzen einzelner Abteilungen aufführt und mit dem Curriculum der Schule abgestimmt ist. Wird eine Praxisanleitung seitens des Studierenden geplant, erfolgt eine Kontaktaufnahme mit dem / der gewählten PraxisanleiterIn und die Vereinba rung eines Gespräches. Dabei werden Lernschwerpunkte, Methodenauswahl, Kommunikationsstruktur, Nachbe sprechung und das weitere Procedere vereinbart. Neben diesen Aspekten ist die Bestimmung des Lernbereichs, vor allem der / die zu versorgenden PatientenInnen von Bedeutung. Idealerweise bestimmen die Studierenden den Lernbereich, wobei für die Anleitung beiderseits Vor bereitungen getroffen werden.
Vorbereitung auf die Praxisanleitung
Zur Vorbereitung auf die Praxisanleitung können Lernaufgaben an die Studierenden gegeben werden, bei denen reale Tätigkeiten aufgegriffen werden. Dies mit dem Ziel, neues Wissen anzuwenden und subjektive Theorien zu verändern (Müller, 2005, S. 685). Die individuelle Wissensgenerierung stellt eine Verbindung zwischen dem formellen und informellen Lernen in Verbindung mit der Berufspraxis her (Schröder, 2009, S. 23) und zeigt, dass die Studierenden einen theoretischen Hintergrund für die Berufspraxis benötigen.
Als eine weitere Möglichkeit zur Vorbereitung kann das Reflexionsintegrative Anleitungsmodell (RIA) gelten, bei dem die Studierenden die Anleitungsthemen selbst wählen und die Ziele und Beobachtungskriterien bestimmen (Fuchs-Hlinka, 2014).
Auch die Fallarbeit kann als Vorbereitung für eine Praxisanleitung eingesetzt werden. So kann z. B. im Rahmen des praktischen Einsatzes auf einer kardiologischen Abteilung ein Fall zur Vorbereitung bearbeitet werden, wobei der Fokus (Krankheitsbild, Lebenssituation bzw. -qualität, Konfliktsituation in Familie / Beruf) auf andere Aspekte gelegt werden kann, als in der folgenden Anleitung. Die Fallarbeit soll entdeckendes Lernen ermöglichen und dazu noch kognitive Strukturen aufbauen, um nachfolgend Methodenwissen und Orientierung zu vermitteln (Rohde, 2006, S. 17). Während Fälle durchaus komplex sein können, können alternativ Fallvignetten zur Vorbereitung verwendet werden. Fallvignetten sind inhaltlich kürzer gefasst und stellen eine stimulierende Ausgangssituation dar, die die Studierenden zu weiterführenden Handlungsmöglichkeiten anregen und im Rahmen der Anleitung aufgenommen werden (Schnurr, 2003).
Methoden der Praxisanleitung
Die Praxisanleitung stellt das geplante und gezielte pädagogische Setting dar, indem Fertigkeiten und Wissen vermittelt werden. Schmal (2017, S. 179 ff) fasst unter der klassischen praktischen Anleitung folgende Methoden zusammen: • 4-Schritt-Methode • Modell mit Metalog • Problembasierte Praxisanleitung • Cognitive Apprenticeship • Lernaufgaben
Quernheim (2017, S. 61 ff) führt unter den Anleitungs- und Lernmodellen in der Praxis diverse Lernansätze auf. Dabei ist der Schwerpunkt weniger methodisch ausgerichtet als viel mehr auf das Lernen bzw. lerntheoretische Aspekte.
Nachfolgend werden aus der Fülle der Methoden einige aufgegriffen und näher analysiert, die uns besonders wichtig erscheinen, sowie ihr Gebrauch in der Berufspraxis diskutiert.
Modeling mit Metalog
Bei der Methode des Modeling mit Metalog verdeutlicht der Lehrende „durch ,lautes‘ Denken in der Situation, was gerade geschieht, warum es geschieht und wie es geschieht“ (Brühlmann, 2005, S. 365). Der Studierende kann nachvollziehen, was der Lehrende in der konkreten Pflegesituation überlegt, welche Wirkungen er erwartet, welche Handlungsalternativen sich ergeben usw. Diese Art des kommentierten Handelns hat den Vorteil, dass die Wahrnehmung und Beobachtung gelenkt wird, kontextorientiertes Wissen wird in der Situation explizit, explizites Wissen wird mit der eigenen Wahrnehmung verknüpft und die Reflexion findet auf einem höheren Abstraktionsniveau statt (Brühlmann, 2005, S. 366). Als lerntheoretischer Ansatz kann das Lernen am Modell gelten, wobei der Lehrende eine dominierende Rolle einnimmt.
Problemorientierte Praxisanleitung
Die problemorientierte Praxisanleitung geht von einem Problem zu Beginn der Anleitung aus. Dabei sind die Vorkennt-
nisse, der Schwierigkeits- und Neuigkeitsgrad zu beachten. Die Ziele dieser Methode liegen in der Erhöhung der Lern kompetenz, dem selbständigen Arbeiten mit Förderung der Selbstverantwortung, der Problemlösungsfähigkeiten und der Aktivierung von Vorwissen (Schmal, 2014, S. 159). Wichtig sind bei dieser Methode, dass die Rahmenbedin gungen wie Zugang zu Literatur, Internet und Spezialisten im interdisziplinären Team, vorhanden sind. Das Problem wird schriftlich formuliert und der Studierende stellt für sich Fragen, die zur Lösung des Problems beitragen kön nen. Mittels eigenem Vorwissen wird nun versucht, das Problem zu lösen. Sollten die eigenen Erfahrungen oder subjektiven Theorien keine Lösung ermöglichen, geht der Studierende in die Recherche, um die Fragen schriftlich zu beantworten. Anschließend werden die neuen Erkenntnis se in der Praxis angewandt und es erfolgt u. a. eine Evaluation zum Thema Theorie-Praxis-Transfer. Der Lehrende übernimmt hier die Rolle des Begleiters und Impulsgebers.
Cognitive Apprenticeship
Eine weitere Anleitungsmethode ist das Cognitive Apprenticeship. Diese Methode stellt ein mehrphasiges Modell dar, in dem der Lehrende sich immer mehr aus der Situation zurückzieht, während der Lernende zunehmend aktiv seinen Lernprozess gestaltet. Die einzelnen Phasen finden sich in Tabelle 1.
Für den Lehrenden ist es bei der Methode vor allem wichtig, den Übergang von Scaffolding zum Fading zu erkennen. Das Cognitive Apprenticeship bildet den Prozess von der Lehrerzentrierung hin zur Lernerzentrierung innerhalb der Methoden ab.
Die drei aufgeführten Methoden zeigen Möglichkeiten von PraxisanleiterInnen auf, über Methoden nicht nur Kompetenzen zu entwickeln, sondern auch auf die Entwicklung von Verantwortung und Selbstständigkeit von Studierenden im Praxisfeld hinzuwirken. Für den / die PraxisanleiterIn gilt es, die geeigneten Methoden unter unterschiedlichen Aspekten auszuwählen wie z. B. • Lernender und Methode sind für den aktuellen Leistungsstand passend • Für den Lernenden ist die Methode bezüglich seines
Lerntyps stimmig • Pflegerischer Inhalt und Methoden ergänzen sich • Mit der Methode kann das Lernziel in den Fokus des
Lernenden geraten • Der / die PraxisanleiterIn kann die Methoden authentisch anwenden • Die Förderung der Selbstständigkeit kann je nach Leistungsstand des Lernenden erfolgen • Bei Einsatz der Methode finden ethische Dimensionen
Beachtung
Methoden und Reflexion
Den Abschluss einer Praxisanleitung bildet i. d. R. das Nachgespräch. Häufig stellt das Nachgespräch nur eine Rückmeldung (= Feedback) zu den erfolgten pflegeri schen Handlungen dar. Ein Feed up (Was ist mein Ziel?) und Feed forward (Was kommt als Nächstes?) wird häufig nicht gegeben (Hattie, 2015, S. 209). Doch gerade diese Informationen benötigen Lernende, wenn es gilt, die eigenen Lernprozesse zunehmend selbst zu bestimmen – auch über die Ausbildungszeit hinaus. Wenn künftig kompetenzorientiert ausgebildet werden soll, muss auch eine Rückmeldung über die persönliche Entwicklung im Berufsfeld (= Personale Kompetenz) und die soziale Kompetenz er
Tabelle 1. Phasen des Cognitive Apprenticeship (in Anlehnung an: Schewior-Popp, 2011, S.9 f)
Phase
1
2
3
4
5
6
7 Methode
Modelling (Vorführen)
Coaching (Beratung)
Scaffolding (Unterstützung)
Fading (Ausblenden)
Articulation (Verbalisierung)
Reflection (Reflexion)
Exploration (Erweiterung) Aktivität der Lehrenden
Zeigen und Erklären einer pflegerischen Handlung Erläuterung der Vorgehens- und Denkweise
Hilfsgerüst wird angeboten Unterstützung bei der Handlung Impulse und Korrekturen
Teilaufgaben werden noch übernommen Lernender bekommt noch Unterstützung
Lehrende zieht sich zurück Unterstützung wird minimiert
Fragen werden gestellt
Kritische Rückmeldung zur Handlung Aktivität des Lernenden
Durch Beobachtung wird ein Handlungsleitfaden entwickelt
Durchführung der Handlung mit Unterstützung des Lehrenden
Selbstständige Handlungsübernahme mit Unterstützung
Steigende Selbstständigkeit bei der Handlungsdurchführung
Handlungsdurchführung (inkl. Modelling) Beschreibung von Handlungsschritten
Eigenleistung wird reflektiert Annäherung an Zielvorstellungen
Transfer der Erkenntnis in andere Pflegesituationen Erweiterung der Handlungskompetenz
folgen. Voraussetzung ist eine pädagogische Beziehung, die Vertrauen schafft und Lernen ermöglicht (Giesecke, 1992, S. 117). Für den Lernenden sind Lernfeld und Berufsfeld identisch und eine Abkoppelung der Praxisanleitung von der Pflegepraxis ist nur eingeschränkt möglich. Von daher hat Lernen in der Praxis auch mit der Organisation und deren Entwicklung zu tun.
Um diesen Lernprozess zu unterstützen kann eine strukturelle Veränderung helfen. Hier kann eine Analogie hergestellt werden zur Patientenübergabe mit proaktivem Fokus (Mason, 2000). Diese Übergabeform stellt die bisherige Form auf den Kopf, da nicht mehr die MitarbeiterInnen der abgebenden Schicht die Übergabe gestalten, sondern die übernehmenden MitarbeiterInnen die Patientenunterlagen sichten und aus den (unklaren und nicht vorhandenen) Fakten Fragen formulieren, um handlungsfähig zu werden.
Eine weitere Form, die eigene Handlungsfähigkeit zu entwickeln stellen After-Actions-Reviews (AAR) am Ende einer Schicht dar. Hier werden durch die MitarbeiterInnen (und die Lernenden) selbstreflexiv Prozesse imaginiert und reflektiert (Gergs, 2016, S. 126 f). Dieser Prozess kann verbalisiert und dokumentiert werden und einem Qualitätsentwicklungsprozess zugeführt werden.
Ein weiteres Konzept dazu stellt der Selbstreflexionsbogen für die Praxis (SeRPA © ) dar, der eine Entwicklung der Kompetenz durch Selbstreflexion vorsieht (Kraske et al., 2016). Ziel ist die strukturierte Auseinandersetzung mit dem Erlebten und das Entwickeln von Handlungsal ternativen.
Fazit
Praxisanleitung braucht nicht nur Methode, sondern sie bedarf umfangreicher pädagogischer und fachlicher Kompetenz. Schließlich sollen die Studierenden „wissenschaftlich-methodisch zur Problemlösungsfähigkeit […] befähigt werden, um Pflegethemen der Praxis weiterentwickeln zu können“ (Kühme & Narbei, 2017, S. 31). Aus diesem Zitat ergeben sich die beiden Qualifikationsschienen für PraxisanleiterInnen: Fachlichkeit (= Pflegewissenschaft) und pädagogische Kompetenz (= Pflegepädagogik). Beide müssen künftig Gegenstand einer akademischen Qualifikation sein und können in einem Bachelorstudium unterschiedlich gewichtet sein.
Es wurde aufgezeigt, dass Methoden in unterschiedlichen Phasen von Praxisanleitung Anwendung finden können und deren Auswahl dabei in ein komplexes System eingebunden ist. Als Maximen zur Auswahl sollten gelten, die Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit zu fördern, Selbststeuerung und Selbstorganisation zu entwickeln, informelle zu Gunsten formeller Lernsequenzen fördern, die Lernenden als Teil eines Systems zu sehen, welches autonome und individuelle Handlungsoptionen ermöglichen sollte. Wie in der theoretischen Ausbildung geht es nicht um den Einsatz von Methoden durch die Lehrenden, sondern darum, dass Lehren und Lernen Methode bekommt (Sahmel 2015). Auch in der praktischen Pflegeausbildung gilt es, eine Lernkultur innerhalb der Organisationen zu entwickeln, die nicht darauf beruht nur Anforderungen von Zertifizierungen zu erfüllen, sondern sich mit dem Lernen lernen, der individuellen Lernbiographie und der Sozialisation kritisch auseinander zu setzen. Denn dies ist die Basis für lebenslanges Lernen.
Literatur
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Dr. phil. Armin Leibig MA
Professor für Gesundheits- und Pflegepädagogik an Hochschule Ludwigshafen am Rhein Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen, Krankenpfleger, Pflegepädagoge
Armin.Leibig@hs-lu.de
Prof. Dr. paed. habil. Karl-Heinz Sahmel
von 1997 bis 2018 Professor für Pflegepädagogik an der Hochschule Ludwigshafen; apl. Professor am Institut für Pflegewissenschaft der UMIT Hall/Tirol
karl-heinz.sahmel@t-online.de
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