Themenschwerpunkt
Wirksamkeit eines angeleiteten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Selbsthilfeprogramms zur Behandlung der Binge-Eating-Störung Andrea Wyssen1, Felicitas Forrer1, Andrea H. Meyer1,2 und Simone Munsch1 1 2
Departement für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Fribourg, Schweiz Institut für Psychologie, Klinische Psychologie und Epidemiologie, Universität Basel, Schweiz
Zusammenfassung: Das Hauptmerkmal der Binge-Eating-Störung (BES) sind Essanfälle, bei denen Betroffene das Gefühl des Kontrollverlusts erleben und große Mengen an Nahrung in einem abgrenzbaren Zeitraum zu sich nehmen. Essanfälle sind bei der BES nicht gefolgt von Kompensationsverhalten, führen zu einem hohen Leidensdruck und sind in vielen Fällen assoziiert mit Übergewicht. Manualisierte kognitiv- verhaltenstherapeutische Behandlungsprogramme im Einzel- und Gruppensetting zur Therapie der BES haben sich in kontrollierten Studien als wirksam erwiesen. Auf der Grundlage eines etablierten Behandlungsmanuals wurde ein Selbsthilferatgeber für Betroffene publiziert und in der vorliegenden Studie in Rahmen eines buchbasierten angeleiteten Selbsthilfeprogramms (ASH-Programm) unter natürlichen klinischen Rahmenbedingungen überprüft. 22 Patienten (21 Frauen, 1 Mann; Durchschnittsalter 35.82 Jahre (SD = 10.35 Jahre)) nahmen am 8-wöchigen ASH-Programm zur Behandlung der BES gefolgt von drei Auffrischungssitzungen über 6 Monate teil. Zwei Patienten (9.1 %) beendeten das ASH-Programm während der aktiven Behandlungsphase vorzeitigt (Dropout). Die Anzahl wöchentlicher Essanfälle und die Essstörungspsychopathologie (restriktives Essverhalten, Figursorgen, Gewichtssorgen, essensbezogene Sorgen) reduzierten sich bis zum Ende der aktiven Behandlungsphase signifikant. In den Auffrischungssitzungen konnte eine Stabilisierung der erreichten Abnahme an wöchentlichen Essanfällen und Essstörungspsychopathologie verzeichnet werden. Bis zum Ende der Auffrischungssitzungen, 1, 3 und 6 Monate nach dem Ende der aktiven Behandlungsphase nahm zudem auch die allgemeine Psychopathologie (depressive- und Angstsymptomatik) signifikant ab. Die Ergebnisse legen nahe, dass das vorliegende ASH-Programm wirksam für die Behandlung der BES ist. Schlüsselwörter: Binge-Eating-Störung, angeleitete Selbsthilfe, kognitive Verhaltenstherapie
Efficacy of a cognitive-behavioral guided self-help program for the treatment of binge-eating disorder Abstract: The main characteristics of binge-eating disorder (BED) are binge-eating episodes during which affected individuals experience loss of control, accompanied by the consumption of large amounts of food in a limited period of time. Binge-eating episodes in BED are not followed by compensatory behavior. Binge-eating is associated with a high degree of distress and in many cases accompanied by overweight. Manualized cognitive-behavioral single and group therapy programs for the treatment of BED have shown high efficacy in controlled studies. Based on a manualized face to face treatment, a self-help book was published and evaluated in the present guided self-help treatment program (gshprogram) in a naturalistic clinical study setting. 22 participants (21 female, 1 male, mean age 35.82 years (SD = 10.35)) followed the 8-week gsh-program with three booster sessions (1, 3 and 6 months after the active treatment). Two participants (9.1 %) prematurely terminated the gsh-program during the treatment phase (dropout). The number of weekly binges and eating disorder pathology (restraint eating, shape- and weight concern and eating concern) significantly decreased until the end of the active treatment. The number of weekly binges and eating disorder pathology remained stable during follow-up. General psychopathology (depressive- and anxiety symptoms) significantly decreased until the end of follow-up, 6 months after the end of active treatment. Findings suggest that the present gsh-program is an efficacious option for the treatment of BES. Keywords: Binge-eating disorder, guided self-help, cognitive-behavioral therapy
Die Binge-Eating-Störung (BES) ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Essanfälle ohne Kompensationsverhalten, bei denen Betroffene große Mengen an Nahrungsmitteln in einem abgrenzbaren Zeitraum zu sich nehmen und
dabei die Kontrolle darüber verlieren, was und wie viel sie essen. Oft sind die Essanfälle charakterisiert durch schnelles und durcheinanderessen, essen ohne anhaltendes Hungergefühl bis zu einem unangenehmen Völlegefühl
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2019), 67 (1), 52–63 https://doi.org/10.1024/1661-4747/a000371
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