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resilienz stay SOUND & CHECK yourself
stay SOUND & CHECK yourself
Holger Jan Schmidt und Katja Ehrenberg xxx Foto: Simone Breuer
Holger Jan Schmidt spricht über seine Motivation, sich mit dem Thema Mental Health zu beschäftigen
Ich war wahrscheinlich das beste Beispiel für das fehlende Bewusstsein für Mental Health-Themen und deren Herausforderungen, die wir überall in unserer Branche finden können. Ja, sicher, ich habe psychische Gesundheit immer als sehr wichtiges Thema empfunden, aber eben für die, die es betrifft – sprich: persönlich damit zu tun haben. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich es nie näher an mich herangelassen habe. Nun, bis es mich eben selbst betraf. Ich habe meine Erfahrungen vor etwa fünf Jahren gemacht und es dauerte drei lange Monate der Unsicherheit, bis bei mir Panikattacken diagnostiziert wurden und ich anfangen konnte, daran zu arbeiten (und für das Protokoll: erfolgreich). Es überrascht nicht, dass man erst dann beginnt, den Luxus zu schätzen, dass alles normal läuft, bis es nicht mehr der Fall ist – besonders wenn es um die eigene Gesundheit geht. In dieser Zeit der Auseinandersetzung habe ich herausgefunden, wie wenig es braucht, um das "business as usual" gänzlich in Frage zu stellen oder zumindest fast komplett durcheinander zu bringen. In einem unangemessenen Selbstbild fühlte ich mich manchmal tatsächlich unprofessionell, nur weil ich plötzlich wertvolle Arbeitszeit für mich und meine Gesundheit aufwenden musste. Aber es kostet halt einfach seine Zeit und Mühe, diese Dinge richtig anzugehen. Ich stellte fest, dass es viele Situationen in meinem Privat-, aber auch in meinem Berufsleben gab, die am Ende dazu führten, dass „der Topf endlich überkochte“. Um nur ein paar zu nennen: • die Enttäuschungen eines Musikers, der nie den entscheidenden Schritt machen konnte,
• der Chef, der so nebenbei die Weisheit verkündet, dass man in unserem Beruf kein geregeltes Privatleben, geschweige denn eine Beziehung haben kann, • die Verantwortung für die gesamte öffentliche Kommunikation rund um einen tragischen Todesfall innerhalb eines Festivals, ohne in irgendeiner Weise für einen solchen Fall geschult zu sein und • die Auswirkungen, die eine angespannte
Arbeitsatmosphäre auf einer sehr persönlichen Ebene im Rahmen eines jahrzehntelang laufenden Projekts hinterlässt.
Mit all dem wäre ich anders umgegangen oder hätte es anders verarbeitet, wenn ich seinerzeit gewusst hätte, was ich heute weiß. Natürlich ist es utopisch zu glauben, dass wir uns auf alle möglichen Fälle vorbereiten können, aber ich bin definitiv davon überzeugt, dass mehr Wissen, Bewusstsein und Akzeptanz für das Thema und seine Auswirkungen einen enormen Unterschied machen. Und das ist der Grund, warum ich die Idee meiner Freundin, der Psychologin Prof. Dr. Katja Ehrenberg, so gerne aufgegriffen habe: ein Buch zu schreiben, das zu dieser Bewusstseinsbildung beiträgt. Es heißt "stay SOUND & CHECK yourself" und soll dazu beitragen, dass das Thema Mental Health, das den Erfolg und die Kreativität der gesamten Branche entscheidend beeinflusst, besser verstanden und entsprechend beachtet wird.
Wir haben den Blick hinter die Kulissen der europäischen Livemusik-, Festival- und Eventbranche geworfen. Gemeinsam mit inspirierenden Interviewpartnern haben wir die Scheinwerfer auf die Menschen hinter der Bühne gerichtet. Es war bewegend, mit Experten aus elf europäischen Ländern in oft sehr persönlichen Einzelinterviews über ihre Erfahrungen mit Stress und psychischen Problemen, die Liebe zu ihrem
Über das Buch
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284 pages | softcover | DIN A4 ISBN 978-3-947759-62-0
Erschienen als Book on Demand im KID Verlag. Erhältlich sowohl im stationären Buchladen als auch online. Alle Autorengewinne aus den Buchverkäufen werden in Projekte investiert, die die Sichtbarkeit des Mental Health Themas fördern und Präventions- und Interventionsmaßnahmen aufbauen oder unterstützen.
Foto: Svenja Klemp
Job und das, was sie antreibt, zu sprechen. Wir sind stolz auf die Balance, die wir in Sachen Geschlechtern, Altersgruppen, regionale Abdeckung und verschiedener Positionen in der Branche erreicht haben – von der jungen Social-Media-Expertin bis zum altgedienten Festivalchef. Unser Buch soll ein ausführliches Feature mit persönlichen Einblicken zum Thema Stress und psychische Gesundheit in einer Branche sein, die eigentlich niemals schläft, angereichert mit Hintergrundinformationen zum Thema sowie Vorschlägen zur Prävention und Intervention – dank Katjas massiver Expertise. Und ja, es gibt ein ganzes Kapitel über den beispiellosen Stresstest, den die anhaltende Pandemie für unsere Branche bedeutet.
Nachdem wir also jahrzehntelang hart daran gearbeitet haben, das Tabuthema Mental Health in die Tabu-Ecke zu stellen, liegt es jetzt selbstverständlich auch an uns, daran zu arbeiten, dass diese Ecke verschwindet und wir uns mit der Realität auseinandersetzen. Und diese Realität bedeutet, dass diese Dinge eben passieren, dass sie jedem passieren können, dass die Verantwortung für psychische Probleme nicht zwangsläufig bei der Person liegt, die sie erlebt, und dass Menschen einfach unterschiedlich sind. Sie haben aus irgendeinem Grund unterschiedliche Veranlagungen, sind in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich belastbar und bringen eben unterschiedliche Fähigkeiten, Talente und einen Zauber mit, den nur sie allein beherrschen. Deshalb ist "stay SOUND & CHECK yourself" auch den unzähligen Menschen gewidmet, die man normalerweise nie sieht, ohne die aber die Stars auf der Bühne niemals strahlen könnten.
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