IPPNW forum 165/2021 – Die Zeitschrift der IPPNW

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SOZIALE VERANTWORTUNG

Verratene Ideale 100 Jahre DRK: Tagung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und der IPPNW

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ar das Deutsche Rote Kreuz zwischen 1933 und 1945 eine nationalsozialistische Organisation? Wie konnte diese Organisation, deren Mitglieder sich unter dem Banner der Humanität zusammenfinden, in die Inhumanität abgleiten und am eigenen moralischen Anspruch scheitern?

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pannende historische Fragen, deren Antworten bis in die Zukunft dieser Organisation reichen. Das DRK feiert bisher immer die Gründung des monarchistischen Württembergischen Sanitätsvereins am 08. November 1863 als seinen Gründungstag. Anlässlich des 100. Gründungstages des DRK am 25. Januar 1921 in der demokratischen Weimarer Republik versammelten sich erstmals alle namhaften deutschsprachigen Wissenschaftler zu einer Zoom-Konferenz auf Einladung des Institutes für Medizingeschichte und Ethik der FAU Erlangen und der IPPNW. Vor 121 Teilnehmer*innen leuchteten die Expert*innen diese kritische Phase der Vereinsgeschichte aus, stellten Fragen an die Vereinsgeschichte und versuchten Antworten gemäß des aktuellen Forschungsstandes zu geben. Die Zeitreise begann mit dem Einsatz des Roten Kreuzes im Ersten Weltkrieg. In den Kriegsjahren engagierten sich die zahlreichen deutschen RK-Verbände weitgehend unter eigener Regie für die deutschen Verletzten und auch für die alliierten Kriegsgefangenen, vornehmlich im Westen und weniger im Osten. Nach den Umbrüchen im Anschluss an den verlorenen Krieg ge-

riet auch das DRK in eine Identitätskrise, weil ihm im Versailler Vertrag wehrmachtsnahe Tätigkeiten verboten worden waren. Mit der Gründung des Deutschen Roten Kreuzes 1921 in Bamberg wurde eine personelle und inhaltliche Neuausrichtung hin zu zivilen Tätigkeiten innerhalb der Wohlfahrtspflege umgesetzt. Auf diesen Tätigkeitsfeldern kam es dann zu offenen und verdeckten Konflikten mit den etablierten konfessionellen und politischen Wohlfahrtsverbänden und Sanitätsorganisationen. Häufig obsiegte das DRK dank seiner Vernetzungen zu den staatstragenden Eliten, der Wehrmacht und staatlichen Institutionen. 1933 begannen mit der NS-Machtergreifung die Selbstgleichschaltung und die Geleichschaltung. Als Bindeglied zwischen dem Kaiserreich und dem NS-Regiem fungierte der DRK-Präsident Joachim von Winterfeld-Menkin, ein adeliger Herzensmonarchist und DNVP-Mitglied. Sein Counterpart auf NS-Seite war der Generaloberstabsarzt a. D., Chef des Sanitätswesens der SA, Dr. med. Paul Hocheisen. Beide öffneten das DRK der NSDiktatur – von verschiedenen Richtungen kommend. Sehr früh wurden unter Bruch des Neutralitätsdogmas jüdische und politisch andersdenkende Mitglieder aus dem DRK entfernt. NS-Mitglieder bekamen ohne erkennbare Gegenwehr zunehmend Einfluss in der Organisation. Zum Dezember 1933 wurde von Winterfeld-Menkin durch das hochadelige und hochrangige NSDAP-Mitglied Carl Eduard von Sachsen-Coburg-Gotha ersetzt. Er stilisierte 16

sich nach außen als Gentleman-Nazi mit internationalen familiären Verflechtungen und war doch nach innen über nahezu alle NS-Aktivitäten informiert und teilweise auch involviert. Bis 1937 war das DRK fest in das NSMacht- und Staatsgefüge involviert. Das nazifizierte DRK konnte sich sogar auf wichtigen Aufgabenfeldern gegen andere Parteiorganisationen behaupten. Militärische Traditionslinien und wehrmachtsnahe Untergruppierungen erstarkten im Kontext der Kriegsvorbereitungen. Aus dem Wohlfahrtswesen verabschiedete sich es sich zunehmend.

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ine weitere Zuspitzung erfolgte durch den neuen stellvertretenden und späteren geschäftsführenden DRK-Präsidenten Dr. med. Ernst Grawitz. Er war zum 1. Januar 1937 direkt von Hitler berufen und in Personalunion als Reichsarzt der SS und der Polizei, als SS-Obergruppenführer und Chef des SS-Gesundheitsdienstes an den KZ-Verbrechen beteiligt. Außerdem besetzten der Chefarzt der DRK-Krankenanstalten Hohenlychen und Leibarzt Himmlers, Prof. Dr. med. Karl Gebhardt, und der SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Leiter des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Oswald Pohl, zwei weitere wichtige Präsidiumsposten. In Personalunion waren sie ebenfalls in die verbrecherischen Menschenversuche oder führend in die Logistik der unmenschlichen Konzentrationslager involviert. Beide wurden in den Nürnberger Prozessen angeklagt und zum Tode verurteilt. Grawitz entzog sich sei-


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