IPPNW forum 166/2021 – Die Zeitschrift der IPPNW

Page 14

SOZIALE VERANTWORTUNG

Zuckerbrot und Peitsche Internationale Sanktionen: Ein Überblick über Anwendung und Auswirkungen

Internationale Sanktionen sind ein in der Friedensbewegung umstrittenes Instrument. Wohl nicht zufällig, denn sie sind zwischen zivilen, gewaltfreien Mitteln der Konfliktbearbeitung und militärischen Maßnahmen einzuordnen. Sie sind Zwangsmaßnahmen, die in der Regel ohne direkte militärische Gewalt auskommen – manchmal mit der Ausnahme der militärischen Überwachung der Einhaltung von Sanktionsbestimmungen. Während viele Sanktionen als unberechtigt kritisiert werden, werden andererseits aus den Bewegungen heraus auch immer wieder Forderungen nach Sanktionen gegen bestimmte Staaten erhoben.

S

anktionen können unterschiedliche Maßnahmen umfassen. Besonders hervorzuheben sind Waffenembargos, Handelseinschränkungen für Im- und Exporte bestimmter oder aller Waren, Sperren von Fördermitteln (z.B. Mittel der Entwicklungszusammenarbeit von Deutschland für Brasilien wegen der Urwaldzerstörung), Einschränkungen des Reiseverkehrs (z.B. der USA gegenüber Kuba), Ausschluss von internationalen Veranstaltungen und internationalen politischen Gruppen (z.B. der Ausschluss von Russland aus den G8 wegen seiner Einmischung in der Ukraine oder von russischen Sportteams aus internationalen Sportveranstaltungen wegen vergangener Dopingvergehen), diplomatische Maßnahmen (Abzug oder Ausweisung von Botschafter*innen und Botschaftspersonal zum Beispiel, wie jüngst zwischen Tschechien und Russland) und natürlich auch Strafverfolgung durch internationale Gerichte (Internationaler Strafgerichtshof).

regimes gegen 14, die Europäische Union gegen 33 Staaten und Entitäten laufen. Es sind auch nicht nur Staaten, die in diesem Feld aktiv sind. Auch Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen praktizieren Sanktionen, die in der Regel als Boykott bezeichnet werden. Besonders bekanntes Beispiel ist der Boykott von Waren aus Südafrika während des Apartheidregimes oder die – in Deutschland umstrittene – BDS-Kampagne, die zum Boykott von in den palästinensischen Gebieten von israelischen Firmen produzierten Waren und zu staatlichen Sanktionen gegen Israel aufruft.

Entwicklung des Instruments Besonders die 1990er Jahre, das Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges, werden als Jahrzehnt der Sanktionen bezeichnet, in der weltweit mehr als 50 neue uni- und multilaterale Sanktionen gegen einzelne Länder verhängt wurden. Dies waren meist umfassende Sanktionen, die auf die gesamte Wirtschaft des Ziellandes zielten. Ihre Effektivität war sehr gering, sie verursachten enorme Kosten für die Zielländer und verschlechterten drastisch die humanitäre Situation der Bevölkerung (und oft auch deren Nachbarn), aber führten nicht zu einer Verhaltensänderung bei den Entscheidungsträgern.

Im Rahmen sogenanter „smarter Sanktionen“ sind besonders Reisebeschränkungen und das Sperren von Auslandskonten bestimmter ausgewählter Politiker*innen zu nennen. Umgekehrt kann die Zusage von Unterstützung als positive Sanktion dazu genutzt werden, ein bestimmtes Verhalten eines Staats zu erwirken. Im Englischen wurde dafür der Begriff „sticks and carrots“ geprägt – der Esel wird mit einem Stock angetrieben oder mit einer Möhre gelockt.

Nachden im Irak nach offiziellen Zahlen der UNO in dieser Zeit mindestens 500.000 Kinder in Folge der ökonomischen Sanktionen starben, veränderten die Vereinten Nationen aufgrund der Kritik an den Folgen die Technik der Sanktionen und man ging über zu sogenannten „smarten“ Sanktionen. Sie sollen sich direkt

Weiterhin gibt es unterschiedliche Träger von Sanktionen. Es können einzelne Staaten, Staatenbündnisse oder die Vereinten Nationen sein. Zur Zeit hat z.B. der UN-Sicherheitsrat Sanktions14


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.