Forum 168/2021 – Das Magazin der IPPNW

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ippnw forum

das magazin der ippnw nr168 dez2021 3,50€ internationale ärzt*innen für die verhütung des atomkrieges – ärzt*innen in sozialer verantwortung

- Grenzdrohnen - Nein zu Sanktionen! - COP26 in Glasgow

20 Jahre NATO-Krieg in Afghanistan: Eine vorläufige Bilanz


+ Medizingeschichte + Planetary Health + Ethische Fragen im Medizinalltag

6. Internationaler IPPNW-Kongress

Medizin & Gewissen:

LebensWert

Per Fax an 030 693 81 66 – per E-Mail an: kontakt@ippnw.de

75 Jahre Nürnberger Ärzteprozess und Nürnberger Kodex Nürnberg, 21. – 23. Oktober 2022 www.medizinundgewissen.de Liebe Mitglieder, haben Sie Neuigkeiten für uns? Bitte denken Sie daran, die Geschäftsstelle zu inf ormieren. Für Ihre Änderungen kö nnen Sie dieses Formul ar nutzen. Bei mir gibt es eine Änderung: Kontaktdaten / Adresse Bankverbindung Studium beendet

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EDITORIAL Dr. Helmut Lohrer ist International Councillor der deutschen IPPNW.

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er Afghanistankriegszug hinterlässt ein weitgehend zerstörtes Land und eine entwurzelte Gesellschaft, bilanziert der Völkerrechtler Prof. Dr. Norman Paech. Gemeinsam mit vielen anderen Akteuren der Friedensbewegung hat sich Norman Paech Ende Oktober an einer Konferenz beteiligt, deren Ziel die friedenspolitische Aufarbeitung des Krieges und seiner Hintergründe war. Paechs Redebeitrag zu Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverstößen, an denen die Bundeswehr beteiligt war, dokumentieren wir in diesem Heft. Claudia Haydt von der IMI wiederum hat sich mit den ökonomischen und geopolitischen Hintergründen und Motiven für die militärische Intervention beschäftigt, die sie für uns zusammenfasst. Der Arzt Ataullah Zulfacar berichtet über die afghanische Gesundheitsversorgung: Das staatliche System ist weitgehend zusammengebrochen – vielerorts gibt es nur noch eine Versorgung durch private Institutionen, für die die Familien selbst zahlen müssen. Der „Ärzteverein für Afghanische Flüchtlinge“ bietet Binnenflüchtlingen medizinische Hilfe und betreibt mit Einverständnis der Taliban auch ein Hebammenprogramm. Damit gibt er jungen Frauen die Möglichkeit, ihre Familien zu ernähren. Die Politikwissenschaftlerin Paniz Musawi Natanzi zeigt auf, wie afghanische Frauen zu Legitimationsobjekten einer neoimperialen NATO-Invasion geworden sind. Entstanden sei ein neues Geschäftsfeld und eine mächtige symbolische Rhetorik rund um das Thema „Gender“ und „afghanische Frauen“. Allerdings hätten davon nur einzelne, meist schon privilegierte Frauen profitiert. Seit der Machtübernehme hat sich das Leid der Zivilbevölkerung extrem verschärft – unter anderem wegen der Sanktionen gegen die Taliban, die von vielen Staaten verhängt wurden. Warum Wirtschaftsanktionen eine Fortsetzung des Krieges sind, beleuchten wir auf S. 10f. eingehend. Einen Bericht von Matthias Jochheim über die Afghanistankonferenz finden Sie im Forum intern (S. 10). Das Titelbild vom Vogelmarkt in Kabul stammt von dem Fotojournalisten Ramin Rahman, der bis Mitte August 2021 in Kabul gelebt hat.

P.S.: Bei Druckabgabe wurde der Koalitionsvertrag der Ampel veröffentlicht. Im Forum intern gibt Dr. Ute Watermann für den Vorstand eine erste Einschätzung. Eine ausführliche Bewertung werden wir im nächsten Forum abdrucken. 3


INHALT China: Kriegsgefahr im südchinesischen Meer

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THEMEN Kriegsgefahr im südchinesischen Meer ..................................................8 Sanktionen: Kein Mittel friedlicher Politik .........................................10 Grenzdrohnen: Überwachung der Festung Europa ....................... 12 AUKUS: Atomgetriebene U-Boote für Australien

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Greenwashing und Lobbyismus auf der Klimakonferenz ...........16 SMR: Kleiner Reaktor, maximale Schäden ....................................... 18

SERIE Uranbergbau in Elliott Lake ....................................................................... 18

Afghanistan: Gesundheitsversorgung in Mazar-i-Sharif

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SCHWERPUNKT Porträts aus Afghanistan .............................................................................. 20 Machtambitionen und Konkursverschleppung ................................ 22 Das staatliche Gesundheitswesen ist bereits zusammengebrochen.......................................................................................24 Frauen als Legitimation für den Krieg ................................................. 26 Afghanistan – wer schützt das Völkerrecht? ..................................... 28

Foto: AFAF

WELT Gute Nachrichten zum Atomwaffenverbot ....................................... 30

AUKUS: Gefahren von SMRs in atomgetriebenen U-Booten

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RUBRIKEN Editorial ......................................................................................................................3 Meinung .....................................................................................................................5 Nachrichten .............................................................................................................6

Foto: U.S. Pacific Fleet /CC BY-NC 2.0

Aktion .......................................................................................................................31 Gelesen, Gesehen............................................................................................. 32 Gedruckt, Geplant, Termine ....................................................................... 33 Gefragt .................................................................................................................... 34 Impressum/Bildnachweis ............................................................................. 33 4


MEINUNG

Carlotta Conrad ist Mitglied im Vorstand der deutschen IPPNW.

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Geflüchtete sind keine Waffen – sie sind auf der Suche nach Schutz und haben das Recht auf ein faires Asylsystem.

ie Lage an der polnisch-belarussischen Grenze und die Brutalität der Sicherheitskräfte gegenüber den Geflüchteten macht betroffen – eine katastrophale humanitäre Situation, in der wieder einmal tausende Menschen einem ungewissen Schicksal gegenüberstehen. Sie werden als Spielball politischer Interessen benutzt; Politiker*innen und Medien sprechen von Geflüchteten als „Waffen in einer hybriden Kriegsführung“. Der Tod von Menschen wurde von der EU billigend in Kauf genommen – nicht zum ersten Mal. Die Asylpolitik der Europäischen Union ist in hohem Maße mitverantwortlich für die Situation. Nachdem vor über einem Jahr der „New Pact on Asylum“ vorgestellt wurde, ging es inhaltlich keinen Schritt weiter. Für wichtige Fragen, wie beispielsweise die gerechte Aufteilung der Schutzsuchenden innerhalb der EU und eine frühe Identifikation besonders Schutzbedürftiger Menschen gibt es keine Lösungsvorschläge. Gleichzeitig werden der Bau von geschlossenen Zentren an den Außengrenzen sowie unfaire Schnellverfahren für Asylsuchende ohne individuelle Prüfung der Fluchtgründe weiter praktiziert. Ein Ende der permanenten Ausnahmezustände an den EUAußengrenzen ist nur über eine gemeinsame und menschenrechtsbasierte Migrations- und Asylpolitik der EU möglich. Wichtig sind Gespräche zur Deeskalation und eine zivile Konfliktlösung. Die Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, haben legitime Gründe für ihre Flucht und das Recht, in der EU Schutz vor Verfolgung, Krieg, Hunger und Perspektivlosigkeit zu suchen. Der Großteil der Geflüchteten stammt aus Kriegs- und Krisengebieten wie Irak, Syrien, Afghanistan und Jemen, an deren prekärer Situation die westliche Staatengemeinschaft eine Mitverantwortung trägt. Wie die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Forums aussieht, wissen wir nicht – nach anfänglicher Hoffnung auf eine schnelle und unbürokratische Aufnahme der Geflüchteten ist das Thema bereits jetzt wieder aus den Hauptnachrichten verschwunden. Das Elend der Menschen ist jedoch weiterhin hochaktuell. 5


Foto: TIHV

NACHRICHTEN

IPPNW-Mitbegründer Evgenij Chazow gestorben

Appell zur besseren Versorgung Geflüchteter

Freispruch für den türkischen Arzt Seyhmus Gökalp

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ie IPPNW trauert um ihren Mitbegründer Evgenij Chazow. Er starb am 12. November im Alter von 82 Jahren in Moskau. Der sowjetische Kardiologe war von 1983 bis 1987 Co-Präsident der Ärzt*innen-Föderation. Gemeinsam mit seinem Co-Mitbegründer Bernard Lown nahm er 1985 den Friedensnobelpreis für die IPPNW entgegen. Evgenij Chazow besetzte während seiner beruflichen Laufbahn hochrangige Stellen. Mit 36 Jahren übertrug ihm sein Schwiegervater die Leitung des „Instituts für Therapie“, welches später zum nationalen Herzforschungs-Zentrum der UdSSR wurde. Bereits drei Jahre später übernahm er die sogenannte „vierte Verwaltung“ im Gesundheitsministerium und damit die gesundheitliche Betreuung der sowjetischen Führung. Ihr Leiter erhält automatisch den Rang eines stellvertretenden Gesundheitsministers. Die langjährige berufliche Beziehung zwischen Evgenij Chazow und dem US-Kardiologen Bernard Lown war Basis für die Gründung der IPPNW. Im Winter des Jahres 1980 initiierten die beiden gemeinsam mit weiteren Kardiologen in Genf die internationale Ärzt*innenorganisation „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“. Als Chazow 1987 Gesundheitsminister der UdSSR wurde, trat er beim IPPNW-Weltkongress in Moskau als Co-Präsident der Ärzt*innenorganisation zurück.

nlässlich der Koalitionsverhandlungen forderte die IPPNW gemeinsam mit 15 weiteren Organisationen, dass die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten und Überlebenden von Krieg, Folter und Flucht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Der Schutz Geflüchteter in Deutschland sowie ihre medizinische und psychosoziale Versorgung müsse dringend verbessert werden. „Die neue Bundesregierung hat jetzt die Chance zu zeigen, dass sie im Umgang mit Geflüchteten den Mut hat, mehr Humanität zu zeigen und ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen“, so Carlotta Conrad, Ärztin und IPPNW-Vorstandsmitglied. Ein Umdenken in der Versorgung sei die neue Bundesregierung nicht nur den Geflüchteten schuldig, die ein verbrieftes Recht auf Schutz, Sicherheit und diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, sondern auch der Gesamtgesellschaft. Deutschland habe eine historische und humanitäre Verantwortung. Durch die Unterzeichnung des UN-Sozialpakts sowie der Antifolterkonvention hat sich Deutschland verpflichtet, einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen und zudem Menschen, die Opfer von Folter und Misshandlungen geworden sind, eine Rehabilitation zu ermöglichen. Deutschland komme diesen Verpflichtungen im Moment nicht nach.

er Arzt und ehrenamtliche Mitarbeiter der türkischen Menschenrechtsstiftung Dr. Seyhmus Gökalp ist am 19. November 2021 von allen TerrorismusVorwürfen freigesprochen worden. In seiner letzten Anhörung sprach das Zehnte Strafgericht in Diyarbakır den Mediziner vom Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation“ und der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ frei. Dafür hätten ihm sieben bis 15 Jahre Haft gedroht. Die Staatsanwaltschaft legte gegen diesen Freispruch Einspruch ein, der noch anhängig ist. Dr. Seyhmus Gökalp war am 23. November 2020 verhaftet und in das Gefängnis Diyarbakır Typ D eingeliefert worden. Bereits am 30. Januar 2018 hatte die Polizei eine Operation gegen die türkische Menschenrechtsstiftung eingeleitet, nachdem diese eine Erklärung mit dem Titel „Krieg ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit“ herausgegeben hatte. Unter den Festgenommenen befand sich auch Dr. Gökalp, damals Mitglied des Zentralrats der Stiftung. Die türkische Menschenrechtsstiftung (TIHV) erinnerte in einer Stellungnahme daran, dass die Verhaftung von Seyhmus Gökalp kein Einzelfall ist. Es sei nicht das erste Mal, dass Menschenrechtsverteidiger*innen in der Türkei ins Visier der Justiz geraten und schikaniert werden. Diese Praktiken dienten dazu, die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen. Weitere Infos: https://en.tihv.org.tr/

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Cancillería del Ecuador / CC BY-SA 2.0

CTBTO Photostream 2019 / CC BY 2.0

NACHRICHTEN

Neues Onlineportal für Transparenz bei Militäremissionen

IPPNW fordert deeskalierende Lösung an der EU-Außengrenze

Bericht über CIA-Pläne zur Ermordung Assanges

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uf der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow haben Forscher*innen in diesem Jahr die neue Webseite „militaryemissions.org“ vorgestellt. Die Webseite soll Daten über militärische Emissionen transparenter und zugänglicher machen. Das Konzept entstand in Zusammenarbeit des Projekts „Concrete Impacts“ der Universitäten Lancaster und Durham und der CEOBS („Conflict and Environment Observatory“). Bisher sind Staaten durch das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen (UNFCC) dazu verpflichtet, über jährliche Treibhausgasemissionen zu berichten. Die Veröffentlichung von militärischen Emissionen ist jedoch freiwillig. Deshalb sind die Daten oft unvollständig. Das neue Online-Portal soll das ändern. Durch Verfolgung, Analyse und das Zusammenführen der von den Regierungen gemeldeten Daten an einem Ort soll die Datenlücke über militärische Emissionen geschlossen werden. „Die Webseite ist Teil eines Pakets von Aktivitäten, […] um herauszufinden, wie Militarismus, Konflikte und Frieden die Treibhausgasemissionen beeinflussen“, so CEOBS auf ihrer Webseite. Es sei wichtig, dass die Zusagen und Behauptungen der Militärs genau geprüft würden. Außerdem müssten die Erwartungen an den Umgang des Militärs mit seinen übergroßen Auswirkungen auf die Umwelt genau formuliert werden.

ngesichts der humanitären Katastrophe an der polnisch-belarussischen Grenze hat die IPPNW Deutschland Mitte November in einem Brief an den polnischen Botschafter gefordert, die medizinische Versorgung für die an der Grenze gestrandeten Menschen sicherzustellen. „Wir sind davon überzeugt, dass Geflüchtete nicht zur politischen Manövriermasse werden dürfen. Das Friedensprojekt EU muss verhindern, dass Menschen an seinen Außengrenzen sterben“, so Carlotta Conrad, Ärztin und IPPNW-Vorstandsmitglied. Explizit forderte die Ärzteorganisation, dass die humanitäre Hilfe im Grenzgebiet sichergestellt werde. Das beinhalte den schnellen und sicheren Zugang von medizinischem Personal und Flüchtlingshelfer*innen zu den provisorischen Lagern. Des Weiteren solle der Ausnahmezustand aufgehoben werden, damit eine unabhängige Berichterstattung aus dem Grenzgebiet gewährleistet werden könne. Dazu gehöre der sichere Zugang von Journalist*innen und Hilfsorganisationen in das Grenzgebiet. Eine weitere zentrale Forderung in dem Brief ist die Unterlassung illegaler Pushbacks durch den polnischen Grenzschutz und die Ermöglichung eines sicheren Grenzübergangs für die Geflüchteten. Der polnische Botschafter wird eindringlich darum gebeten, sich für „schnelle und deeskalierende Lösungen einzusetzen“, heißt es in dem Schreiben.

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edienberichten von Ende September zufolge gab es CIA-intern im Jahr 2017 Überlegungen, Wikileaks-Gründer Julian Assange aus seinem Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London zu entführen oder ihn sogar zu ermorden. Der von Yahoo News veröffentlichte Artikel zitiert mehr als 30 ehemalige US-Beamte, die von einem vom damaligen CIA-Direktor Mike Pompeo angeführten Rachefeldzug gegen Assange und Wikileaks berichten. Dieser soll stattgefunden haben, als die USA noch nicht Anklage gegen Assange erhoben hatten und eine Reaktion auf die Wikileaks-Veröffentlichung von geheimen CIA-Hacking-Tools im Jahr 2016 gewesen sein, die als „größter Datenverlust in der CIA-Geschichte“ bezeichnet wurde. Der Artikel führt schockierende, angeblich geplante Szenarien aus, darunter die mögliche Entführung oder Ermordung von Assange und umfangreiches Ausspionieren von Personen, die mit Wikileaks in Verbindung stehen. „Es schien keine Grenzen zu geben“, wird ein ehemaliger hochrangiger Beamter der US-Spionageabwehr zitiert. „Sollten diese Schilderungen zutreffen, würde dies die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, die Assange und sein Unterstützerkreis mit einer Auslieferung an die USA verbinden. Zudem wäre es ein Warnsignal an Medienschaffende weltweit, die über Enthüllungen zu geheimen Aktivitäten der USA berichten“, schrieben Reporter ohne Grenzen.


FRIEDEN

Kriegsgefahr im südchinesischen Meer Die Hauptverursacher der Klimakrise müssen miteinander kooperieren!

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er Konflikt zwischen China und den USA und ihren Verbündeten verschärft sich rasant. Drei Ereignisse dieses Jahr waren dafür beispielhaft: Der Aufbruch des deutschen Kriegsschiffes Fregatte „Bayern“ in das südchinesische Meer und die Rede von Antònio Guterres vor der UN-Vollversammlung: „Wir stehen am Abgrund und bewegen uns in die falsche Richtung.“ Angesichts der „größten Kaskade von Krisen“ sei die Welt nie bedrohter, aber auch nie gespaltener gewesen. Während ich dies schreibe, eskaliert der Konflikt um Taiwan.

Ökonomische Entwicklung Chinas China ist 2001 der Welthandelsorganisation beigetreten. In den USA bestand damals die Hoffnung, China als neuen Markt und seine billigen Arbeitskräfte problemlos in das globale Systems einzugliedern, nachdem Francis Fukuyama 1989 in seinem Essay das „Ende der Geschichte“ verkündet hatte. „Fünf Jahre lang blickten Washington und Brüssel zufrieden auf die Entwicklungen (…) Doch dann wendete sich das Blatt. Aus dem gehorsamen Schüler wurde ein ernsthafter Konkurrent.“ (Sven Hilbig, Alle gegen China, „Blätter“ 02/21) Die Regierung in Peking setzte sich 2006 ambitionierte Ziele und schuf Innovationskapazitäten, um selbst Spitzentechnologien herzustellen. Während die USA unter Trump aus den Handelsabkommen TTIP und TPP ausgestiegen sind, ist mit Be-

teiligung Chinas 2020 im asiatisch-pazifischen Raum die mit Abstand größte Freihandelszone der Welt entstanden. Chinas Aufstieg zeigt sich auch in der Realwirtschaft. 2013 überholte China die USA als weltweit größter Warenhändler. Inzwischen ist – kaufkraftbereinigt – China die größte Volkswirtschaft mit rund 24 Billionen US-Dollar im Jahr 2020, zum Vergleich USA: 21 Billionen US-Dollar.

Die Möglichkeit des Krieges „Die Führungen Chinas und der Vereinigten Staaten sind sicherlich nicht darauf aus, Krieg miteinander zu führen“, so Michael T. Klare in den „Blättern“ 05/21. „Allerdings sind beide Lager durchaus entschlossen, ihre Kriegsführungsbereitschaft für den Fall, dass man sie herausfordert, unter Beweis zu stellen … Auf diese Weise sorgen beide Seiten dafür, dass ein Kriegsausbruch, so wenig beabsichtigt er sein mag, immer wahrscheinlicher wird.“ Klare zieht eine Analogie zum Verhalten der Großmächte vor dem Ersten Weltkrieg und endet mit einer Metapher aus der Spieltheorie: „So spielen die Führungen in Peking und Washington gerade ein game of chicken [...], das gefährlicher nicht sein könnte.“

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chon 2017 waren Planung und Vorbereitung eines Krieges in den Streitkräften beider Staaten weit fortgeschritten, schrieb Chas W. Freeman in den „Blättern“ 8

09/17. „Entlang der chinesischen Grenzen stehen US-Streitkräfte auf vorgeschobenen Posten (…) US-amerikanisches Militär patrouilliert demonstrativ im Luftraum und in den Gewässern, die an China angrenzen.“ China dagegen strebe die Schaffung militärisch haltbarer Seegrenzen und die Reintegration Taiwans an. „In der politischen Elite und im Offizierskorps der Vereinigten Staaten ist die Besorgnis über den Schaden, den ein Nuklearschlag im Zielgebiet anrichten kann, und über die Vergeltungsmaßnahmen, die er provoziert, einer Art ‚Nuklearamnesie‘ gewichen.“

Strategische Entscheidungen und militärische Aufrüstung Als Wendepunkt und Beginn des von den USA ausgerufenen „Systemkonflikts“ sieht Uwe Hoering („Blätter“ 05/21) die Finanzkrise 2008, „aus der die USA geschwächt und China gestärkt hervorgingen“. Seitdem würde Washington zunehmend konfrontativ reagieren. In den letzten drei Jahren ist dieser Konflikt prägend für die internationalen Beziehungen geworden, in den USA hat er das Paradigma „Kampf gegen den Terrorismus“ abgelöst. Die NATO spricht seit Dezember 2019 von der „Herausforderung“ durch China. Im Zentrum der militärischen Provokationen und der Drohgebärden liegt das südchinesische Meer. Hier „kollidiert der ame-


Quelle: SIPRI 2020

DIE ZEHN STAATEN MIT DEN HÖCHSTEN MILITÄRAUSGABEN – UND DER REST DER WELT (ANGABEN IN MILLIARDEN US-DOLLAR).

USA 778,232

138 WEITERE STAATEN 446,562

CHINA 252,304

RUSSLAND 61,712 UK 59,238

SÜDKOREA 45,735 JAPAN 49,148 FRANKREICH 52,747 DEUTSCHLAND 52,764 SAUDI-ARABIEN 57,519

rikanische Anspruch auf freien Zugang zu den Weltmeeren mit dem chinesischen Bestreben, eine Sicherheitszone zu errichten und die amerikanische Interventionsfähigkeit zu konterkarieren.“ Der Konflikt habe auch eine nukleare Dimension: „China scheint dieses Meer im Sinne einer geschützten Bastion für nuklear bewaffnete U-Boote auszubauen, mit denen das Land die Zweitschlagfähigkeit gegenüber den USA sicherstellen will.“ (SWP Berlin 2020)

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ichael Paul und Marco Overhaas sehen ein klassisches Sicherheitsdilemma: „Das individuelle Streben nach mehr Sicherheit erzeugt am Ende mehr Unsicherheit auf beiden Seiten.“ Die USA würden sich in der Defensive sehen, weil China als „revisionistische Macht“ die Dominanz der USA zurückdrängen wolle. China sei bis heute geprägt durch die „historische Erfahrung der Verwundbarkeit und das ‚Jahrhundert der Demütigungen‘ (1840-1949)“. Zwar hätte China in Zahlen die größte Kriegsmarine der Welt, aber erst „lange nach Abschluss der chinesischen Rüstungsvorhaben 2035 dürfte China auf hoher See und im komplexen Betrieb [...] mit den USA gleichziehen.“ Zur nuklearen Komponente: „China verfolgt offiziell eine Politik, die auf die Option eines Erstschlags verzichtet. Angesichts der amerikanischen Raketenabwehr und des Ausbaus konventioneller Waffen [...] fürchtet Peking jedoch, seine Zweitschlagfähigkeit zu verlieren“. Die Autoren schlie-

ßen: „Statt auf Rüstungskontrolle setzten die USA in erster Linie darauf, ihre eigenen Optionen zu flexibilisieren. Damit steigt die Gefahr eines Wettrüstens.“ (SWP Berlin 2020)

Ende des Jahrhunderts wegen extremer Hitze unbewohnbar werden. Der Meeresspiegel steige an den chinesischen Küsten schneller als im globalen Durchschnitt. („Blätter“ 10/21)

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Fazit

ach SIPRI-Daten betrugen die Militärausgaben im Jahr 2020 in den USA 778 Milliarden Dollar, in China 252 Milliarden Dollar. Die Zahl der Atomwaffen gibt SIPRI mit 5.550 für die USA und 350 für China zum Zeitpunkt Januar 2021 an.

„Klimaopfer statt Kriegsmacht“ „Viel war in Washington in den vergangenen Monaten von Chinas stetig wachsenden Kapazitäten bei Luftwaffe, Flotte und Raketen die Rede [...] Jedoch berücksichtigt keine dieser Einschätzungen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf Chinas Sicherheit haben wird.“ Schon jetzt würden die zunehmend schwereren Auswirkungen der Klimakrise Regierungen zwingen, militärische Einheiten unter anderem zur Brandbekämpfung und Katastrophenhilfe einzusetzen, meint der Politikwissenschaftler Michael T. Klare. Die Überflutung der 6,7-Millionen-Einwohner-Stadt Zhengzhou habe die Baumängel der „Neuen Städte“ bloßgelegt – betonierte Millionenmetropolen mit Straßen, Häusern und Fabriken. China sei auch wegen zahlreicher Dämme und Wasserreservoire durch Starkregen verwundbar. Die dicht bevölkerte nordchinesische Ebene könnte 9

Die USA, China und Europa sind die drei Hauptverursacher der Klimakrise und müssen kooperieren, um die Welt auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Gerade wenn sich Konflikte ergeben, ist das Gespräch der Weg, diese zu lösen. Wir erwarten daher von der neuen Bundesregierung, dass sie in der Konfrontation zwischen den USA und China auf einer diplomatischen Lösung besteht und sich aktiv um eine vermittelnde Rolle bemüht, statt die Marine zu entsenden.

Die Darstellungen beruhen auf Angaben von SIPRI, mehreren Beiträgen der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Beiträgen der SWP-Studie von „Strategische Rivalität zwischen USA und China“ (2020). Alle Quellen unter: ippnw.de/bit/china

Ralph Urban ist Mitglied des Vorstandes der IPPWN.

Foto: US Deparment of State

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FRIEDEN

Sanktionen: Kein Mittel friedlicher Politik Wirtschaftssanktionen sind ein kriegerischer Akt der Mächtigen, der die Zivilbevölkerung trifft

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s gibt in Teilen der Politik, auch unter Friedensaktivist*innen, eine anhaltende Debatte über Sanktionen als Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik. Während sie von vielen als etabliertes Mittel in der Auseinandersetzung zwischen Staaten und Bündnissen gebilligt werden, lehnen andere sie als ungeeignetes oder gar illegitimes Mittel der Einflußnahme ab.

Zwangsmaßnahmen“, die von einzelnen Staaten oder Bündnissen, wie der EU, verhängt werden. Allerdings: In der Praxis sind es alleine die Mächtigen, die so ihre Interessen durchsetzen und das Verhalten anderer Staaten in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen. An strenge Vorbedingungen, wie sie in der UN-Charta für den Sicherheitsrat formuliert sind, fühlen sie sich dabei nicht gebunden. Und sind es effektiv auch nicht.

Die Sanktionen, um die es hier gehen soll, sind nicht-militärische, meist wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen, die von Staaten oder deren Bündnissen als Druckmittel gegen andere staatliche Akteure eingesetzt werden, um deren Verhalten zu beeinflussen: Unilaterale Sanktionen, die oft gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft und Versorgung eines Landes haben. Eine Begriffsvermengung mit Boykottmaßnahmen, die z. B. zivilgesellschaftliche Gruppen ergreifen können, verschleiert den Blick auf das Problem – das eine lässt sich nicht durch das andere rechtfertigen. Auch Waffenlieferungen bzw. -embargos sind hier nicht das Thema: Durch Rüstungsexporte wird per se enormer Schaden angerichtet und aus Sicht eines Friedensaktivisten gilt grundsätzlich: Waffen sind kein legitimes Handelsgut.

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chon 2004 hat Madeleine Albright, die frühere Außenministerin der USA unter Bill Clinton, das sehr deutlich formuliert, und Angela Merkel hat es auf der sogenannten Sicherheitskonferenz in München genau so wiederholt: „Die zentrale außenpolitische Zielsetzung lautet, Politik und Handeln anderer Nationen so zu beeinflussen, dass damit den Interessen und Werten der eigenen Nation gedient ist. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern.“ Eine enttäuschende Klarstellung für alle, die Europa und die USA als überzeugende Hüter der Menschenrechte erleben mit dem legitimen Auftrag, den Rest der Welt mit ihrer pluralistischen Kultur zu missionieren. In der von Albright und Merkel beschriebenen Eskalation spielen Sanktionen eine zentrale Rolle. Während uns allerdings gesagt wird, dass es um Frieden, um die Menschenrechte und um Demokratie geht, sind die Interessen und Motive viel eher: Märkte erschließen und sie offenhalten; Rohstoffe zu möglichst niedrigen Preisen beschaffen, damit die Konjunktur nicht ins Stottern gerät; geostrategische Positionen sichern und die bestehenden Machtverhältnisse festigen.

Nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen kann der UNSicherheitsrat feststellen, dass der Weltfrieden oder die internationale Sicherheit bedroht sind und – nur dann – Maßnahmen beschließen, die beispielsweise die Unterbrechung von Wirtschaftsbeziehungen, die Unterbrechung des Verkehrs und der Kommunikation beinhalten. In solchen Fällen handelt die durch die UN-Charta legitimierte Autorität, die im Interesse aller Menschen nur und genau dann eingreifen soll, wenn es im allgemeinen und zwingenden Interesse ist, weil eben der Weltfrieden oder die internationale Sicherheit gefährdet sind. Hierfür ist eine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat und zumindest unter den fünf Vetomächten ein Konsens erforderlich.

Ein gutes Beispiel war im Zusammenhang mit dem Atomwaffenverbots­ver­trag zu beobachten: Der stellt natürlich die Machtverhältnisse in Frage. Im Zuge der Verhandlungen machten die USA erheblichen Druck. Gut dokumentiert ist das z. B. in Bezug auf Schweden (Associated Press, 10/2020). Und aus Entwicklungsländern war zu hören, dass ihnen gedroht wurde nach dem Motto: „Wenn Ihr den Vertrag unterschreibt, dann werden Gelder nicht ausgezahlt.“ Das ist wohl einer der Gründe, weshalb deutlich weniger Staaten den Vertrag bisher unterschrieben oder gar ratifiziert haben als auf der UN-Generalversammlung ursprünglich dafür gestimmt haben.

Aber: Neben der UN-Charta gibt es das Völkergewohnheitsrecht, in der Praxis gibt es vor allem die Gewohnheit. Und wer die Macht dazu hat, hält sich gewöhnlich nicht an den Buchstaben des Kapitel VII. Die überwiegende Mehrzahl von Sanktionen werden nicht vom Sicherheitsrat verhängt, sondern sind „einseitige 10


„GESUNDHEIT IST EIN RECHT, KEIN PRIVILEG!“

Es wird also mit Sanktionen gedroht, wenn ein Land sich den Interessen der Mächtigen widersetzt. Hierin liegt ein wesentliches Merkmal von Sanktionen: Sie werden immer vom Starken gegen den Schwachen ausgesprochen. Ganz im Sinne von Albright und Merkel.

90er Jahren fehlen heute in Syrien Medikamente. Medizinische Geräte, Fahrzeuge, Generatoren und Pumpen können nicht repariert werden, weil die Ersatzteile unter das Embargo fallen. Die Folgen für die Bevölkerung sind verheerend.

Man stelle sich vor: Die Regierung von Mexiko ist über den Umgang mit den Menschen, die über die Grenze in die USA wollen, empört und sagt, dadurch werde die internationale Sicherheit bedroht, wir verhängen nun Wirtschaftssanktionen gegen die USA. Das wäre aufgrund der bestehenden Machtverhältnisse offensichtlich absurd. Sanktionen sind somit kein symmetrisch verfügbares In-strument.

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ie Sanktionen, die insbesondere die westlichen Staaten gegen Syrien verhängt haben, und dazu gehört auch die diplomatische Isolation, verfolgen das Ziel, die Machtverhältnisse im Land zu ändern. Das hat in Syrien allerdings genauso wenig funktioniert wie in Afghanistan, wo 20 Jahre lang militärisch interveniert wurde. Wenn dem Land nun, nach der Machtübernahme der Taliban, die dringend benötigte Hilfe entzogen wird, um die neuen Machthaber zu sanktionieren, wird die Zivilbevölkerung auch hier den Preis dafür bezahlen. Während afghanische Gelder auf westlichen Konten eingefroren werden, verkaufen Eltern ihre Töchter, damit der Rest der Familie überlebt – über solche Familienschicksale berichten etwa CNN-Journalist*innen in ihrer Reportage aus Afghanistan (02.11.2021).

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as ist mit der klassischen Form von Sanktionen, wie sie beispielsweise gegen Irak verhängt wurden, gegen Nordkorea oder gegen Syrien? Ist es da nicht geboten, vor dem Einsatz von Waffen mit wirtschaftlichen Maßnahmen Druck auszuüben, um die Menschenrechte und die Demokratie zu verteidigen?

Sanktionen sind, das wird hier deutlich, ein kriegerischer Akt. Sie sind Krieg mit wirtschaftlichen Mitteln. Sie dienen nicht der Durchsetzung von Frieden und Menschenrechten, sondern von Interessen.

Es sollte längst klar sein, dass das nicht funktioniert. Wer unter den Sanktionen zu leiden hat, ist in aller Regel die Zivilbevölkerung. Es ist in kaum einem Fall gelungen, eine Regierung dadurch ins Wanken zu bringen oder auch nur ihr Verhalten zu ändern. Im Gegenteil, die Repression nimmt unter dem Druck der Sanktion zu. Der Elite schadet die Sanktion am wenigsten, und die Kluft zwischen ihr und der leidenden Bevölkerung vergrößert sich.

Der US-amerikanische Völkerrechtler Alfred de Zayas, der im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates die Folgen der US-Sanktionen gegen Venezuela untersucht hat, hat gesagt: „Eine Sache müssen wir alle verstehen – heutige Wirtschaftssanktionen und Finanzblockaden sind vergleichbar mit mittelalterlichen Belagerungen von Städten mit der Absicht, sie zur Kapitulation zu zwingen.“

Sanktionen können in ihrer Auswirkung nicht zuverlässig kontrolliert werden. So hat die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran seitens der USA dazu geführt, dass Banken und – auch europäische – Firmen ihre Geschäftsbeziehungen in den Iran beendeten, um Schaden für ihre internationalen Geschäfte abzuwenden. Diese „Over-Compliance“ verschärft die Wirkung der Sanktionen.

Krieg darf kein Mittel der Politik sein, und auch Sanktionen nicht. Zumindest nicht einer Friedenspolitik, die den Namen verdient.

Im Fall von Syrien sind finanzielle Transaktionen erheblich beschränkt. Hilfsorganisationen haben größte Mühe, ihre Arbeit zu tun, weil die Gelder für ihre Angestellten nicht überwiesen werden können. Laut Alena Douhan, UN-Sonderberichterstat terin zu den negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen, wird so die humanitäre Versorgung wie auch der Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Infrastruktur beeinträchtigt. So wie im Irak in den

Dr. Helmut Lohrer ist International Councillor der IPPNW. 11

Foto: © Caritas Syria (2020)

SYRIEN: SCHLANGESTEHEN VOR EINER HILFSKLINIK DER CARITAS, DIE AUCH KOSTENLOSEN ZUGANG ZU MEDIKAMENTEN GEWÄHRT.


FRIEDEN

Grenzdrohnen: Unbemannte Überwachung der Festung Europa Eine Studie der Linken im EU-Parlament untersucht die Militarisierung der Außengrenzen durch Frontex

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eit über zehn Jahren bereiten Frontex, die Europäi­sche Kommission und die Verteidigungsagentur Einsätze von Drohnen im Bereich der Grenzüber­wachung vor. Mit der sogenannten Migrationskrise ha­ ben Frontex und EMSA schließlich mit der Beschaffung begonnen. Von dieser Abschottungspolitik profitieren europäische Rüstungskonzerne, aber auch einige klei­nere Drohnenhersteller; außerdem staatliche und pri­ vate Institute sowie Universitäten, die in EU-Projekten zu unbemannten Systemen forschen. An vielen dieser Projekte sind die Innen- und Verteidigungsministerien aus Griechenland, Spanien und Italien beteiligt. Sie adressieren mit dem westlichen, zentralen und östlichen Mittelmeer die drei wichtigsten Migrationsrouten in die EU. Militarisierung der Meere Die bisherigen Ausgaben für Drohnenflüge von Fron­tex betragen 62 Millionen Euro, die Drohnendienste der EMSA und die hierfür benötigte Infrastruktur kosteten bislang mindestens 282 Millionen Euro. Beiträge in ähn­licher Größenordnung gab die Europäische Union für zivile Forschungen an Drohnen zur Grenzüberwachung aus. Firmen wie Airbus, Tekever, UMS Skeldar oder die Schie­bel GmbH, die in den vergangenen Jahren an EU-For­ schungen zu Drohnen teilnahmen, profitieren davon bei späteren Vergaben von Forschungsmitteln durch EU-Agenturen. Im Mittelmeer verdienen vor allem die israelischen Rüstungskonzerne IAI und Elbit (bzw. die für die Verträge zuständigen Hauptauftragnehmer Airbus und U-TACS) an der Ver­sicherheitlichung der europäischen Migrationspolitik. So hat

das Verteidigungsministerium in Griechenland 2020 beschlossen, die zuvor von Frontex auf Kreta ge­testete „Heron 1“ für drei Jahre in einer „maritimen Kon­ figuration“ zu leasen und womöglich auch zu kaufen. Als Szenarien für den Einsatz gelten die „Seepatrouille, Schutz von See- und Landgrenzen, Such- und Rettungs­aktionen, Katastrophenmanagement und mehr“. Vonseiten des Militärs dominieren im Mittelmeer derzeit US-Drohnen vom Typ „Predator“ im Einsatz gegen un­ erwünschte Migration. Einsätze erfolgen im Rahmen der EU-Mission IRINI oder der italienischen Mission „Mare Sicuro“. Im Dezember 2020 hat der Hersteller General Atomics auf Einladung der griechischen Luftwaffe auf dem Stützpunkt Larissa eine „Predator“ in einer neuen Version zur maritimen Überwachung gezeigt. Der Konzern vermarktet sie als „SeaGuardian“, das Luft­ fahrzeug wurde zivilen und militärischen Behörden der EU-Mitgliedstaaten über mehrere Wochen in verschie­ denen Szenarien vorgeführt. Als „SkyGuardian“ verkauft General Atomics die Drohne in einer bewaffneten Aus­ führung an die Luftwaffe in Großbritannien, dort könnte sie Plänen zufolge ab 2024 auch zur Überwachung von Migration im Ärmelkanal eingesetzt werden.

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ie unbemannten Einsätze durch EUAgenturen kön­nen dazu führen, dass auch zivile Behörden einst nur militärisch genutzte Drohnen beschaffen. Das lobt auch ein Vertreter von IAI anlässlich des Vertrags von Frontex und Airbus für Flüge mit der „Heron 1“, wonach dieser „die Tür zu weiteren zivilen Märkten öffnen wird“. Ähnlich bewirbt Elbit ihre für die EMSA geflogene „Her­ mes 900“ als besonders 12

geeignet „im Bereich Heimat­schutz und Grenzsicherung“.

Die „Heron 1“ und die „Hermes 900“ wurden bereits in verschiedenen Kriegen, innerstaatlichen Konflikten oder NATOMissionen eingesetzt, die Elbit-Drohne an­geblich sogar bei Angriffen in Gaza. Die Hersteller ver­markten die Systeme deshalb als „kampferprobt“. Ei­nige EU-Abgeordnete haben dazu kritische Fragen an die EU-Kommission gerichtet. Laut der Ant­wort ist in Brüssel „bekannt, dass hochtechnologische und besonders fortschrittliche Luftfahrtsysteme in der Vergangenheit ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt wurden“. Die Kommission hat daran nichts auszusetzen, da die israelischen Drohnen in der EU für nichtmilitärische Anwendungen und auch nicht be­waffnet eingesetzt würden.

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ie EU-Kommission kann sich unbemannte Systeme für die Aufgaben „Strafverfolgung, innere Si­cherheit, Schutz von Großveranstaltungen …“ vorstellen. Ein letzter Meilenstein für unbemannte Flüge zu (grenz-)polizeilichen Zwecken innerhalb der EU-Mitgliedstaaten oder an den dortigen EU-Land­außengrenzen ist die Fertigstellung und Zertifizierung automatischer Ausweichsysteme. Ist diese Schwelle überwunden, werden auch die Innenminis­ terien auf mehr Einsatzbereiche für größere Drohnen drängen. Einer der Vorreiter für derartige Anwendun­ gen ist die Schiebel GmbH, die 2021 nach mehreren EU-Forschungsprojekten das EU-weit erste „Light UAS Ope­rator Certificate“ für ihren „Camcopter S-100“ erhielt. Damit kann die Firma Flüge im zivilen Luft­raum selbst autorisieren. Laut der Österreichischen Ge­sellschaft für Zivilluftfahrt vervielfachen sich dadurch die Anwendungsmöglichkeiten.


Deutlich mehr Überwachung

Unbemannte Systeme wurden ursprünglich entwickelt, um dem Heer oder der Luftwaffe einen Vorteil gegenüber feindlichen Systemen zu verschaffen. In Aufklärungsmissionen oder Kampfeinsätzen riskieren ihre Pilot*innen nicht ihr Leben – sie können deshalb auch über gegnerischen Stellungen fliegen. Der Einsatz von Drohnen zur Vorverlagerung der europäischen Grenzüberwachung befördert dort ein militärisches Freund-Feind-Denken. Geflüchtete, die Grenzen überschreiten, werden in dieser Logik als Bedrohung betrachtet und dadurch entmenschlicht. Menschenrechtsverletzungen durch die Hintertür Auch wenn die Luftfahrzeuge gerade nicht in Betrieb sind, sorgt allein ihre Stationierung für Einschüchterung. Die zunehmende Luftüberwachung – bemannt und unbemannt – führt außerdem dazu, dass sich Frontex, EMSA und die EU-Militärmission im Mittelmeer ihrer humanitären Verantwortung gegenüber Menschen in Not immer mehr entziehen. Wenn die EU-Agenturen geflüchteten Menschen aus der Luft beim Ertrinken zusehen und auf eine Rettung durch die libysche oder tunesische Küstenwache warten, steigt die Gefahr weiterer Menschenrechtsverletzungen. De facto übernimmt Frontex auf diese Weise die Luftaufklärung für die nordafrikanischen Küstenwachen. In der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention des Europarates heißt es jedoch, dass Staaten keine Menschen in Länder zurückbringen

FRONTEX ABSCHAFFEN!

dürfen, wenn dort das Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht. Diese Einschätzung hat unter anderem der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen mehrfach bekräftigt. Wenn erst die Frontex-Luftaufklärung dazu führt, dass Geflüchtete entdeckt und nach Libyen oder Tunesien zurückgebracht werden, muss sich Frontex diese „Refoulements“ zurechnen lassen. Wohl deshalb verschleiert Frontex in vielen Fällen den genauen Einsatzort seiner Luftüberwachung im FASS-Dienst.

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erichten zufolge sind mindestens 180 Menschen ertrunken, während FASSFlugzeuge über einen längeren Zeitraum in der Nähe waren. Ob diese die betreffenden Seenotfälle selbst entdeckt und gemeldet haben, ist nur lückenhaft bekannt. Dies geschieht offenbar in sehr großem Umfang; allein im Februar 2021 haben Frontex-Flugzeuge im Rahmen des FASSDienstes neun Boote mit 800 Geflüchteten an die libysche Küstenwache gemeldet. Auch von EUNAVFOR MED erhobene Aufklärungsdaten werden an die libysche Küstenwache weitergegeben. 2019 betraf dies Informationen zu 94 Booten in Seenot, bis Ende März 2020 hat die EU-Militärmission rund 20 weitere Vorkommnisse entdeckt und an die Behörden in Libyen gemeldet.

sätze der FASS-Flüge nehmen weiter zu, bislang verdoppeln sich die Ausgaben dafür etwa alle zwei Jahre. Dies befördert eine Verselbstständigung insbesondere von Frontex, deren Direktor derzeit wegen seiner großen Machtfülle in der Kritik steht. Die drastisch erweiterten Fähigkeiten gehen nicht mit mehr Aufsicht oder Transparenz einher, im Gegenteil: Durch die Verlagerung von Verantwortung an EU-Agenturen verlieren nationale Parlamente an Kontrollmöglichkeiten. Wenn Frontex in ihren Missionen zunehmend eigenes Personal einsetzt, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten dazu nicht mehr auskunftspflichtig. Auch außerhalb der Parlamente ist eine Kontrolle kaum möglich. Anfang Juni 2021 haben 75 europäische Organisationen die Kampagne „Frontex abschaffen“ gestartet. Das Bündnis setzt sich dafür ein, dass sich Firmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen nicht an der Entwicklung neuer Grenzsicherungs- und Kontrollkapazitäten beteiligen. Weiter wird im Aufruf gefordert, den Einsatz von autonomen Systemen zu stoppen und die Militarisierung an den EU-Außengrenzen zu beenden. Dies gilt auch für die Verwendung einer militaristischen Sprache durch den Verzicht auf Formulierungen wie die „Bekämpfung“ von Migration. Studie siehe: ippnw.de/bit/grenzdrohnen

Frontex abschaffen Ein Ende des Ausbaus der Luftüberwachung ist nicht in Sicht. Die EMSA kündigt eine deutliche Vergrößerung ihrer Drohnenflotte an; Frontex will zukünftig „zwei Ausschreibungen pro Jahr für insgesamt 2.000–3.000 vertraglich vereinbarte Stunden starten“. Auch die Ein13

Matthias Monroy ist Wissensarbeiter, Aktivist und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP.

Leif Hinrichsen / CC BY-NC 2.0 (2018)

Laut Frontex können die seit 2017 im Luftüberwachungsdienst FASS eingesetzten Flugzeuge ein größeres Gebiet abdecken als Schiffe und sind damit besser zur Überwachung im Mittelmeer geeignet. Mit Drohnen steigert Frontex diese Fähigkeiten deutlich, diese verfügen im Vergleich zu Flugzeugen über eine etwa dreifache Ausdauer. Auch ihre geringe Reisegeschwindigkeit ist für die Überwachung von Vorteil.


Foto: U.S. Pacific Fleet /CC BY-NC 2.0

GEMEINSAMES MANÖVER DER USA UND AUSTRALIENS IM INDISCHEN OZEAN (FEBRUAR 2019)

AUKUS: Atomgetriebene U-Boote für Australien Das Proliferations- und Unfallrisiko beim Einsatz Modularer Atomreaktoren (SMR)

AUKUS (Australia – UK – United States) ist die englische Abkürzung für ein Militärbündnis zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA, das Mitte September gegründet wurde.

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entrale Vereinbarung des neuen Bündnisses ist die Lieferung von atomgetriebenen U-Booten sowie weiteren Technologien an Australien, um die „Abschreckung“ gegenüber China zu stärken. „Es geht darum, in unsere größte Stärke – unsere Bündnisse – zu investieren und sie zu modernisieren, um den Bedrohungen von heute und morgen besser begegnen zu können,“ sagte Präsident Biden in einer gemeinsamen Präsentation des neuen Bündnisses mit dem britischen Premier Boris Johnson und dem australischen Premier Scott Morrison. Die Partnerschaft ziele darauf ab, Frieden und Stabilität in der Region langfristig zu sichern, so Biden. Der neue Militärpakt erwähnt China zwar nicht direkt, doch die Verlautbarungen der drei Staatschefs machen deutlich, dass er Teil der neuen Offensive gegen China ist. Momentan eskaliert die Spannung im

südchinesischen Meer und Allierte der USA – einschließlich Deutschland – haben dorthin Kriegsschiffe entsendet. Die USA und ihre Bündnispartner rechtfertigen die Offensive mit dem Argument, China trete im Indopazifikraum immer aggressiver auf, richte neue Militärbasen auf neugeschaffenen Inseln ein und rüste immer weiter auf. Zudem befinden sich Australien und China seit einiger Zeit in einem Handelskrieg.

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hina verurteilte den Sicherheitspakt. Die Länder sollten „keinen ausgrenzenden Block bilden, der auf die Interessen Dritter abzielt oder ihnen schadet. Insbesondere sollten sie die Mentalität des Kalten Krieges und ideologische Vorurteile ablegen“, meinte Liu Pengyu, der Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington. Bisher haben die USA die Technologie für atomgetriebene U-Boote nur mit Großbritannien geteilt, aktuell wird sie für das 14

britische Trident-System verwendet. Obwohl Australien selbst Uranvorräte besitzt, verfügt das Land nicht über ausreichend hochangereichertes Uran (HEU), um die U-Boote zu betreiben. Daher muss für das Projekt wahrscheinlich ein Transfer von HEU aus den USA stattfinden. Seit langem versucht die internationale Gemeinschaft, die Produktion von HEU einzudämmen bzw. zu beenden, weil es für den Bau von Atomwaffen einsetzbar ist und daher ein signifikantes Proliferationsrisiko besteht. Außer in den Atomwaffenstaaten gibt es HEU-Vorräte von über 100 Kilogramm nur in acht Ländern – darunter auch Deutschland. Hier wird HEU im Forschungsreaktor Garching bei München verwendet. Australien darf laut einer weiteren Vereinbarung mit den USA selbst kein Uran anreichern. In Deutschland wird Uran in der UAA Gronau von URENCO bis sechs Prozent angereichert und an andere Länder geliefert – hierbei handelt es sich allerdings nicht um HEU, sondern um niedrigangereichertes Uran (LEU). Die Grenze für LEU liegt bei 20 Prozent. Die URENCO-Technologie könnte aber für Hochanreicherung genutzt werden, wie es etwa in Pakistan geschehen ist. Die Bereitstellung von Atomwaffen durch die USA und Groß-


ATOMWAFFEN

britannien sei in der neuen Militärallianz angeblich nicht vorgesehen. „Wir werden weiterhin alle unsere Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen erfüllen“, betonte der australische Premierminister Scott Morrison. Die Beziehungen Australiens zu Frankreich sind durch die AUKUS-Vereinbarung schwer belastet, weil diese zur Folge hatte, dass ein 56 Milliarden-Euro-Deal zwischen Australien und Frankreich abgesagt wurde, der die Lieferung von zwölf konventionell getriebenen U-Booten beinhaltete.

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uch Neuseeland äußerte sich zum neuen Deal kritisch. Premierministerin Jacinda Ardern lehnt einen Zugang zu neuseeländischen Gewässern für atomgetriebene U-Boote ab und hat die grundsätzliche Anti-Atom-Politik ihres Landes bekräftigt. Die Weitergabe nuklearer Antriebstechnologie wird hauptsächlich wegen der Proliferationsgefahr kritisiert. In den 80er Jahren verhinderten die USA eine solche Weitergabe aus Frankreich und Großbritannen an Kanada mit dem Argument, das Proliferationsrisiko sei zu hoch, da Materialien aus den Reaktoren entwendet und für den Bau von Atomwaffen genutzt werden könnten. Bekanntlich gibt es schon lange ein Schlupfloch im internationalen Kontrollsystem, das Nicht-Atomwaffenstaaten die Verwendung atomwaffenfähiger Spaltstoffe für „zivile“ Zwecke erlaubt. Obwohl militärische U-Boote nicht „zivil“ sind, wird das Uran hier nicht für Atomwaffen, sondern für den Antrieb eingesetzt und ist daher nicht mehr von den internationalen Sicherheitsregulierungen abgedeckt. Bisher haben die USA und Großbritannien es abgelehnt, den Antrieb ihrer U-Boote auf LEU zu konvertieren – also gilt es als ziemlich sicher, dass die australischen UBoote mit HEU betrieben werden. Australien wird daher ca. sechs Tonnen HEU für zwölf U-Boote benötigen. Zum Vergleich: Im Streit um Irans Atomprogramm, wo es

darum geht, eine Hochanreicherung zu verhindern, werden schon 25 Kilogramm HEU als gefährliche Menge betrachtet. Australien ist schon länger an der zivilen Nutzung von Atomenergie interessiert, trotz starkem Widerstand aus der Bevölkerung. Die Herstellerfirmen der „Small Modular Reactors“ (SMR) – wie etwa die britische Firma Rolls Royce – behaupten, diese kleinen, mobilen Reaktoren wären sicher und würden sich automatisch abschalten, wenn ein Problem auftauche. Sie bräuchten im Vergleich zu herkömmlichen Reaktoren keine große Mengen an Kühlwasser und wären auch preiswerter. Von daher sind SMRs aus australischer Sicht die attraktivste Option für ihre neuen U-Boote – und eventuell auch für neue Atomkraftwerke zur allgemeinen Stromerzeugung. SMRs sind aber keineswegs neu. Die USA entwickeln und verbessern sie seit 75 Jahren, vor allem, um Schiffe und U-Boote zu betreiben. Das erste U-Boot, die USS Nautilus, wurde 1955 zu Wasser gelassen. Die USA gaben kurz darauf die Technologie an das Vereinigte Königreich weiter, aber Russland, Frankreich, China und Indien entwickelten selber eigene nukleare Antriebstechnologie. Insgesamt sind seit den 50er Jahren ca. 700 Reaktoren in Schiffen und U-Booten eingebaut worden – heute gibt es ca. 200. Die meisten verwenden HEU, um länger unter Wasser bleiben zu können. Japan und Deutschland hatten früher auch atomar angetriebene Schiffe, die inzwischen ausgemustert sind. Neben der Proliferationsgefahr ist das größte ungelöste Problem die Kontaminierung der Meere durch einen Unfall. In einer Studie hat Tingle (2009) über 600 U-Boot-Unfälle zwischen 1945 und 2005 untersucht. Die Liste der Zwischenfälle macht deutlich, wie unsicher U-Boote tatsächlich sind: Kollisionen, Erkrankungen bzw. Tod des Personals, Suizide, Explosionen, Feuer, Flut, technische Fehler, Aufgrundlaufen, toxische Kontaminierung, 15

Mord und Sabotage sind nur einige der Ursachen, die zu einer großen Havarie und einer schweren Verschmutzung der Meere führen können. Der Atomreaktor selbst ist zwar nur eine von vielen Ursachen für einen Zwischenfall – doch wenn er betroffen ist, kann er eine radioaktive Verseuchung verursachen. Zwar sind die U-Boote während des in der Studie untersuchten Zeitraums sicherer geworden, es gibt jedoch nach wie vor schwere Unfälle. Wenn das betroffene U-Boot sinkt, sinkt die Unfallursache oft mit – und kann im Nachhinein oft nicht mehr ermittelt werden – es sei denn, das U-Boot wird geborgen. 77 havarierte U-Boote befinden sich noch auf dem Meeresgrund, 22 sind nach dem Ablauf der Betriebszeit gesunken. Fast 100 U-Boote werden immer noch untersucht.

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war waren nicht alle diese U-Boote atomar angetrieben, aber wenn ein Unfall passiert und ein Reaktor an Bord ist, verschlimmern sich die möglichen Folgen durch radioaktive Kontaminierung des U-Boots, der Crew sowie der Umwelt. Seit 2005 gab es weitere Unfälle, z.B. ein Feuer auf einem russischen atomgetriebenen Unterwasserfahrzeug im Juli 2019. Im April 2015 brach ein Feuer in einem Atom-U-Boot aus, das gerade auf der russischen Swjosdotschka-Werft in Sewerodwinsk repariert wurde – seit 2011 war es das vierte Feuer auf Werften der Unified Shipbuilding Corporation. Das erste Feuer hatte es 2011 auf dem U-Boot „Jekaterinburg“ gegeben, bei dem sogar noch Interkontinentalraketen an Bord waren, als ein Brand ausbrach, der erst nach 20 Stunden gelöscht werden konnte.

Xanthe Hall ist Atomwaffenexpertin der deutschen IPPNW.


KLIMA

Greenwashing und Lobbyismus auf der UN-Klimakonferenz Für eine gesunde Zukunft ohne Atomenergie!

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Foto: BI Lüchow-Dannenberg

ie diesjährige UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow hatte etwas von Exklusivität: Die größten CO2-Verursacherstaaten diskutierten größtenteils unter sich – über die Köpfe derer hinweg, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht einreisen konnten: Delegierte und Aktivist*innen aus den am stärksten betroffenen Weltregionen. Erdöl-, Gas- und Kohleindustrie entsandten mehr Vertreter*innen als einzelne Länder. Auch die Atomindustrie betrieb massiv Lobbyarbeit.

Die IPPNW war erstmals mit drei Vertreter*innen auf der COP. Die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen hatte dank der Zusammenarbeit im Bündnis „Don’t Nuke The Climate“ und dem Nuclear Information and Resource Service (NIRS) offiziellen Zugang bekommen. Auf verschiedenen Pressekonferenzen setze sie Akzente zum enormen CO2-Fußabdruck des Militärs sowie der zivil-militärischen Verflechtungen von Atomenergie und Atomwaffen. Über die Medizinstudierendenorganisation IFMSA konnte auch IPPNW-Mitglied Leonie Maier an der Klimakonferenz teilnehmen. Energie- und Klimareferent Paul-Marie Manière berichtete live vor allem über die Lage und Proteste außerhalb des COPGeländes.

Greenwashing „Das ist keine Klimakonferenz, das ist ein globales Greenwashing-Festival“, sagte Greta Thunberg am 5. November in Glasgow. Die Konferenz sei eine „Niederlage“ und „ein PR-Event“. So waren 141 Vertreter*innen allein aus der Atomindustrie auf der COP registriert, wie eine Recherche des unabhängigen Recherchenetzwerks „The Ferret“ zeigt. Insgesamt seien rund 1.000 Repräsentant*innen aus der fossilen Industrie, der Atomindustrie, der Autoindustrie und dem Agrobusiness vor Ort gewesen. Unter dem Slogan „Net Zero needs Nuclear“ sprachen bezahlte Mitarbeiter*innen des Young Generation Network des Nuclear Institute sowohl auf der Klimakonferenz als auch während den großen Demonstrationen gezielt Menschen an, um für Atomenergie Werbung zu machen. Ein Blick auf die Webseite verrät: Gesponsert wird „Net Zero needs Nuclear“ von dem französischen Atomkonzern EDF und dem internationalen Urankonzern URENCO. Offiziell trat die Atomindustrie auf der COP unter dem Dach der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) auf. Auch an den Ständen der Atomwaffenstaaten war die Lobby vertreten. Als eine der wichtigsten Lösungen für eine saubere Zukunft stellten die Vertreter*innen auf dem Panel der IAEO kleine modulare Reaktoren (SMR) vor. Wer sich einmal mit SMRs auseinandergesetzt hat, weiß, dass kleine modulare Reaktoren vor allem für den Antrieb militärischer U-Boote von Atomwaffenstaaten genutzt werden. „Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung, und 16

ohne die militärische Nutzung auch keine zivile Atomenergie“, hatte Emmanuel Macron 2020 beim Besuch der Atomschmiede in Le Creusot gesagt. Wie viele Atomwaffenstaaten drängt Frankreich deshalb auf den Ausbau der Atomenergie und baut immensen Druck auf andere EUStaaten auf, Atomenergie zum Ende des Jahres auf EU-Ebene als nachhaltig einzustufen. Fragen aus dem Publikum waren auf dem Panel der IAEO nicht zugelassen. Die starke Präsenz der Pro-Atom-Lobby auf der COP ist beispielhaft für den Einfluss, den die Industrie inzwischen weltweit auf die Organisatoren der Klimakonferenz hat. Das Bündnis „Don’t nuke the climate“ veranstaltete als Reaktion darauf eine Pressekonferenz unter dem Titel „Warum Atomenergie keine Lösung darstellt“. Angelika Claußen sprach dort neben Teilnehmer*innen aus Südafrika, Australien und Japan für die IPPNW. Ihr Statement: „Nuclear power has no place in a healthy, sustainable future.” Mitschnitt unter: www.youtube.com/c/IPPNWgermany

Abrüsten fürs Klima Neben dem Kampf gegen die Atomenergie nutzte die IPPNW die COP, um Kontakte zum internationalen Netzwerk der Friedens- und Klimabewegung aufzubauen und zu verfestigen. Gemeinsam forderten sie, den CO2-Fußabdruck des Militärs zwingend in die jährlichen Klimaberichte an das UNFCCC einfließen zu lassen. Ohne die genaue Erfassung der Emissionen von Rüstungsindustrie und Militär könne keine ernsthafte Klimapolitik betrieben werden. Die geforderte Transparenz sei die Voraussetzung dafür, dass der hohe CO2- und Ressourcenverbrauch des Militärs sowie die Zerstörungskraft der eingesetzten Waffen von der Klimabewegung überhaupt in den Blick genommen werden können. An einem Aktionstag im Rahmen der COP


Foto: inforse.org / Twitter

KRIEG IM JEMEN: MÜTTER SUCHEN EINE MOBILE GESUNDHEITSAMBULANZ VON UNICEF AUF. VIELE KINDER LEIDEN UNTER MANGELERNÄHRUNG UND KRANKHEITEN (SADAH /JEMEN 2016).

berieten Frauen der beteiligten Organisationen in diesem Zusammenhang, wie sich Ziele aus Klima und Frieden verbinden ließen. Die Forderungen der IPPNW „Atomwaffen abrüsten“ und „Atomwaffen verbieten“ passen demnach zu „Stop Ecocide“ – denn der Einsatz von Atomwaffen ist der größte denkbare Ökozid. Dieser Ansatz soll weiter verfolgt werden.

Diagnose „Klimawandel“ Auf der COP gab es darüber hinaus in diesem Jahr erstmalig einen Gesundheitspavillon. Die WHO machte in ihrem Programm auf die Zusammenhänge von Klima und Gesundheit aufmerksam. Viele Länder bekennen sich inzwischen zu mehr Gesundheitsschutz durch Klimaschutz – die Finanzierung hierfür bleibt jedoch bisher meist noch aus (2021 WHO Health and Climate Change Survey Report). In Kanada etwa wird der „Klimawandel“ bereits offiziell als Krankheitsursache diagnostiziert: 500 Menschen sind dort nach Schätzungen infolge der Hitzewelle im Juni gestorben. Mediziner*innen berichteten der Zeitung „Independent“ zudem exemplarisch über eine 70-jährige Asthmapatientin, deren Gesundheitszustand sich infolge von Hitzewellen und dem Smog, der durch Waldbrände ausgelöst worden war, dramatisch verschlechtert hatte. (The Independent, 8.11.2021) Mit den Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit setzte sich auch die Medizinstudieren-

denorganisation IFMSA im Rahmen des „Youth Day“ auseinander. Seit Beginn der Weltklimakonferenzen fand auf der diesjährigen COP zum ersten Mal ein Tag der Jugend statt. Laut IPPNW-Mitglied Leonie Maier 26 Jahre zu spät – schließlich werde auf der COP über die Welt verhandelt, auf der diese Jugend einmal leben möchte.

Jetzt handeln Schon steht fest: Was auch immer auf der Klimakonferenz beschlossen wurde, reicht nicht aus, um das 1,5°C-Ziel einzuhalten. Natürlich ist es schwierig, von einer Konferenz zu erwarten, dass sie alle Lücken schließen kann, die in den letzten Jahrzehnten entstanden und geblieben sind. Und doch lag (und liegt) auf diesen zwei Wochen in Glasgow ein besonderes Gewicht: Es gilt weiterhin, das Ziel von Paris, 1,5 Grad einzuhalten. Fast alle Staaten – allen voran die Verursacher und Industriestaaten – müssen ihre jeweiligen nationalen Klimaschutzziele gemäß den ihnen noch zustehenden CO2-Restbudgets überarbeiten und anpassen. Die Lücke, die zwischen Ankündigen und Umsetzung

Dr. Angelika Claußen, Leonie Maier und Paul-Marie Manière besuchten die COP26 in Glasgow. 17

klafft, ist groß – in Deutschland wie auch international. Hinsichtlich der fossilen Energien muss die kommende Bundesregierung den Kohleausstieg bis 2030 organisieren, fossile Subventionen abschaffen und das Ausbautempo der erneuerbaren Energien vervielfachen. Hinsichtlich der Europäischen Politik und der EU-Taxonomie gilt: Die Bundesregierung muss sich einem Nachhaltigkeitslabel für Atomenergie oder Gas in der Europäischen Kommission entgegenstellen. Mit Blick auf friedenspolitische Klimaziele muss der CO2-Fußabdruck der Bundeswehr nicht nur erfasst und veröffentlicht werden. Allem voran ist Abrüstung angesagt, das Ende der nuklearen Teilhabe und der damit verbundenen Militärflüge sowie die Absage an den Kauf des atomwaffenfähigen Kampfbombers. Sich für einen sozialökologischen Wandel zu engagieren, bedeutet Gesundheitsschutz mit Klimaschutz und Friedenspolitik zu verknüpfen. Das ist über Wahlperioden hinaus von grundlegender Bedeutung. Dazu braucht es starke zivilgesellschaftliche Stimmen.


Kleiner Reaktor, maximale Schäden Die Debatte um den SMR in Frankreich

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat im November angekündigt, neue AKWs bauen zu wollen. Nach einem Investitionsplan mit dem Titel „France 2030“ soll außerdem in kleine, modulare Reaktoren (SMR: Small Modular Reactors) und in Technologien zur „Weiterverarbeitung von radioaktivem Abfall“ investiert werden. Wir dokumentieren eine Erklärung der französischen Anti-AKW-Bewegung dazu:

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ie Befürworter*innen der Atomenergie bahaupten, kleinere Reaktoren seien sicherer als herkömmliche und würden von der Bevölkerung eher akzeptiert. Doch bei dem SMR geht es nicht um einen „Taschenreaktor“: Mit 170 Megawatt soll das geplante französische Projekt „Nuward“ 40 Prozent der Leistung des Reaktors Fukushima Eins erbringen. Von „mini“ kann hier keine Rede sein. Auch wenn leistungsstärkere Reaktoren tatsächlich gefährlicher sind, wirft eine Vervielfachung kleiner Anlagen neue Probleme auf: Noch mehr Standorte bedeuten mehr radioaktive Transporte, die die Unfall- und Terrorrisiken auf französischem Staatsgebiet erhöhen. Trotz ihrer geringeren Größe werden diese neuen Reaktoren weiterhin radioaktive Abfälle erzeugen, die nicht entsorgt werden können. Ihr Betrieb bedeutet die Fortsetzung der Umweltverseuchung durch Uranabbau und der neokolonialen Beziehungen Frankreichs zu den Ländern, die die Mineralien produzieren.

SMR: Falsche Versprechungen in der Klimakrise Der Druckwasserreaktor EPR, der leistungsstärkste Reaktor Europas, war eine Pleite. Das heißt aber nicht, dass kleine Reaktoren ein gutes Geschäft sind. Um

rentabel zu sein, müssten diese Reaktoren in Serie gebaut werden und würden Aufträge für dutzende von Einheiten erfordern. Trotz des medialen Hypes bleibt die Nachfrage nach solchen Anlagen aber sehr gering, da ihr Preis sehr hoch ist. Die wenigen existierenden Schätzungen für verschiedene SMR-Projekte deuten darauf hin, dass die Kosten für den Strom doppelt so hoch wären wie die der leistungsstärksten Reaktoren. Die Verzögerungen und Kostenüberschreitungen bei den beiden einzigen derzeit in Betrieb befindlichen SMR und den verschiedenen weltweit in Planung befindlichen Modellen legen nahe, dass sie die gleichen Rückschläge wie die größeren Reaktoren erleiden werden. Angesichts des Klimanotstandes gebietet es der gesunde Menschenverstand, viel stärker auf bewährte, schnell umsetzbare und kostengünstige Optionen wie erneuerbare Energien und die Förderung von Energiesanierungen zu setzen. Umgekehrt ist es schlichtweg eine Verschwendung öffentlicher Gelder, in einen Reaktor zu investieren, der derzeit nur auf dem Papier existiert, wie es Emmanuel Macron offenbar vorhat. Zumal diese Reaktoren nicht vor 2035 in Betrieb gehen würden, was bedeutet, dass sie für das kommende Jahrzehnt, das für die Halbierung unserer Emissionen entscheidend ist, nicht recht18

zeitig zur Verfügung stünden. Jetzt die Entwicklung von SMR voranzutreiben, ist ein verzweifelter Versuch, eine Industrie zu retten, die seit Jahren in technischen und finanziellen Schwierigkeiten steckt – in der falschen Hoffnung, diese Technologie in Schwellenländer exportieren zu können. Die Wiederbelebung der Atomenergie im Namen des Kampfes gegen die Klimakrise ist eine gefährliche Sackgasse, egal ob es sich um kleine Reaktoren oder „neue“ EPR handelt. Der Überbietungswettbewerb der Präsidentschaftskandidat*innen – einschließlich Macron – bei der Unterstützung der Atomkraft ist einfach nur erbärmlich. Die zukünftigen und heutigen Generationen haben Besseres verdient als diese Vorschläge aus der Mottenkiste, die von einer hemmungslosen Industrielobby vorangetrieben werden. Originaltext unter: sortirdunucleaire.org

Das Netzwerk „Sortir du Nucléaire“ ist das derzeit wichtigste französische AntiatomBündnis mit über 930 Organisationen.

Grafik: Pläne für den SMR „Nuward“ / TechnicAtome

ATOMENERGIE


Foto: Antonio Batinic / Pexels

DIE NUKLEARE KETTE

Uranbergbau in Elliott Lake Radioaktive Hinterlassenschaften bedrohen die Gesundheit der lokalen Bevölkerung 1954 wurde in der kanadischen Provinz Ontario nahe der Stadt Elliot Lake Uranerz entdeckt. Es war die Zeit des „Uranfiebers“ in Nordamerika, da das Atomwaffenprogramm der USA auf spaltbares Material angewiesen war. Wenig später begannen die Unternehmen Denison Mines und Rio Algom in insgesamt zwölf Minen mit der Förderung und Verarbeitung des radioaktiven Stoffes. Rasch gab man Elliot Lake den Beinamen „Welthauptstadt des Urans“. Alarmiert durch die hohe Anzahl von Lungenkrebsfällen, begannen die Minenarbeiter in den 1970er Jahren zu streiken. Die Provinzregierung von Ontario berief eine Kommission ein, die die gesundheitlichen Auswirkungen radioaktiver Strahlung in den Minen prüfen sollte. Vor allem Radongas stand im Verdacht, die Krebsraten in die Höhe zu treiben. Studien aus Uranbergbaugebieten in der CSSR und im deutschen Erzgebirge hatten diesen Zusammenhang bereits mehrere Jahrzehnte vorher aufgezeigt. Auch in Elliot Lake fand man, dass in der Kohorte der Uranminenarbeiter doppelt so viele Menschen an Lungenkrebs erkrankt waren, wie in vergleichbaren Kontrollpopulationen (81 Fälle statt der erwarteten 45). Die Kommission sprach daraufhin Empfeh-

lungen hinsichtlich neuer Sicherheitsstandards aus und kam in ihrem Abschlussbericht zu der Erkenntnis, „dass die Exposition an Radon-Zerfallsprodukten aus arbeitsmedizinischer Sicht mit Sicherheit zu einem erhöhten Risiko von Lungenkrebs in der Belegschaft führt.“ Die amerikanische Gewerkschaft der Stahlarbeiter sprach daraufhin die Empfehlung aus, nicht in den Minen von Elliot Lake zu arbeiten. Der Gewerkschaftssprecher für Umweltangelegenheiten, Paul Falkowski, fand 1976 deutliche Worte: „Wenn man es vermeiden möchte, mit Lungenkrebs im Krankenhaus zu landen, sollte man die Situation in Elliot Lake genau betrachten, bevor man sich bei einer der Firmen verpflichtet.“

Folgen für Umwelt und Gesundheit Auch die British Columbia Medical Association (BCMA) warnte vor einer steigenden Anzahl strahleninduzierter Krebserkrankungen bei Uranminenarbeitern. Studien der Organisation ergaben, dass 1984 bereits 274 Bergleute wegen Lungenkrebs verstorben waren. Eine britische Studie kam zu dem Schluss, dass die Arbeit in Uranminen das Krebsrisiko um das Dreifache erhöht. Nicht nur die Bergleute, sondern die gesamte Bevölkerung der Region war stetig wachsenden Mengen Strahlung ausgesetzt. Große Mengen strahlenden Abraumes wurden in offenen Deponien gelagert. Diese Rückstände enthielten aufgrund von strahlenden Stoffen wie Radon-226 oder Thorium-230 noch etwa 85 % der initialen Radioaktivität und setzten im Vergleich zum ursprünglichen Uranerz mehr als 10.000 Mal so viel Radongas frei. Eine auf die Entsorgung von radioaktiven Abfällen spezialisierte Firma berechnete 1992, dass die in Elliot Lake freigesetzte Menge an Radongas eine Gesamtstrahlendosis von etwa zehn Millionen Personensievert verursachen würde. Über einen Zeitraum von 1.000 Jahren berechnet, wären so allein durch das freigesetzte Radongas etwa 2.300 bis 26.000 tödliche Krebsfälle zu erwarten. Nachdem Studien des Umweltuntersuchungsausschusses von Elliot Lake zu dem Schluss kamen, dass durch die hohe Radonbelastung ein Anstieg der tödlichen Lungenkrebsfälle um etwa 30 % zu erwarten sei, musste die Stadt reagieren. So wurden beispielsweise Ventilatoren unter den Dielenböden der betroffenen Häuser angebracht, um den Gehalt an Radongas in Wohnräumen zu verringern. Ein 1982 veröffentlichter Bericht des kanadischen Aufsichtsamts für Atomenergie prognostizierte für die Bewohner*innen radioaktiv kontaminierter Häuser einen Anstieg von Lungenkrebserkrankungen um etwa 40 %.

Elliot Lake, Kanada Uranbergbau Die Uranminen von Ontario sind seit Jahrzehnten geschlossen, das goldene Zeitalter des Uranfiebers längst Vergangenheit – doch radioaktiver Abraum und das freigesetzte Radongas bedrohen weiterhin Umwelt und Gesundheit der Menschen in der Region. Hunderte von Bergarbeitern erlagen bereits den Folgen der Strahlenexposition und Zehntausende weitere Todesfälle werden aufgrund der radioaktiven Verseuchung in den nächsten Jahrzehnten erwartet.

Hintergrund

Die Stadt Elliot Lake 1993. Anfang der 1990er Jahre wurden die Uranminen in Ontario geschlossen. Das Ende der Uranindustrie trieb Elliot Lake in den Ruin. Viele Menschen zogen aus der verseuchten Stadt fort. Diejenigen, die blieben, leiden weiterhin unter der radioaktiven Kontamination der Umgebung und der hohen Strahlenbelastung durch Radon. Foto: Simon Evans / creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

1954 wurde in der kanadischen Provinz Ontario nahe der Stadt Elliot Lake Uranerz entdeckt. Es war die Zeit des „Uranfiebers“ in Nordamerika, da das Atomwaffenprogramm der USA auf spaltbares Material angewiesen war. Wenig später begannen die Unternehmen Denison Mines und Rio Algom in insgesamt zwölf Minen mit der Förderung und Verarbeitung des radioaktiven Stoffes. Rasch gab man Elliot Lake den Beinamen „Welthauptstadt des Urans“. Alarmiert durch die hohe Anzahl von Lungenkrebsfällen, begannen die Minenarbeiter in den 1970er Jahren zu streiken. Die Provinzregierung von Ontario berief eine Kommission ein, die die gesundheitlichen Auswirkungen radioaktiver Strahlung in den Minen prüfen sollte. Vor allem Radongas stand im Verdacht, die Krebsraten in die Höhe zu treiben. Studien aus Uranbergbaugebieten in der CSSR und im deutschen Erzgebirge hatten diesen Zusammenhang bereits mehrere Jahrzehnte vorher aufgezeigt. Auch in Elliot Lake fand man, dass in der Kohorte der Uranminenarbeiter von Elliot Lake doppelt so viele Menschen an Lungenkrebs erkrankt waren, wie in vergleichbaren Kontrollpopulationen (81 Fälle statt der erwarteten 45).1 Die Kommission sprach daraufhin Empfehlungen hinsichtlich neuer Sicherheitsstandards aus und kam in ihrem Abschlussbericht zu der Erkenntnis, „dass die Exposition an Radon-Zerfallsprodukten aus arbeitsmedizinischer Sicht mit Sicherheit zu einem erhöhten Risiko von Lungenkrebs in der Belegschaft führt.“1 Die amerikanische Gewerkschaft der Stahlarbeiter sprach daraufhin die Empfehlung aus, nicht in den Minen von Elliot Lake zu arbeiten. Der Gewerkschaftssprecher für Umweltangelegenheiten, Paul Falkowski, fand 1976 deutliche Worte: „Wenn man es vermeiden möchte, mit Lungenkrebs im Krankenhaus zu landen, sollte man die Situation in Elliot Lake genau betrachten, bevor man sich bei einer der Firmen verpflichtet.“2

Folgen für Umwelt und Gesundheit Auch die British Columbia Medical Association (BCMA) warnte vor einer steigenden Anzahl strahleninduzierter Krebserkrankungen bei Uranminenarbeitern. Studien der Organisation ergaben, dass 1984 bereits 274 Bergleute wegen Lungenkrebs verstorben waren.1 Eine britische Studie kam zu dem Schluss, dass die Arbeit in Uranminen das Krebsrisiko um das Dreifache erhöht.3 Doch nicht nur die Bergleute, sondern die gesamte Bevölkerung der Region war stetig wachsenden Mengen Strahlung ausgesetzt. Große Mengen strahlenden Abraumes wurden in offenen Deponien gelagert. Diese Rückstände enthielten aufgrund von strahlenden Stoffen wie Radon-226 oder Thorium-230 noch etwa 85 % der initialen Radioaktivität und setzten im Vergleich zum ursprünglichen Uranerz mehr als 10.000 Mal so viel Radongas frei.1 Eine auf die Entsorgung von radioaktiven Abfällen spezialisierte Firma berechnete 1992, dass die in Elliot Lake freigesetzte Menge an Radongas eine Gesamtstrahlendosis von etwa zehn Millionen Personen-Sievert verursachen würde. Über

einen Zeitraum von 1.000 Jahren berechnet, wären so allein durch das freigesetzte Radongas etwa 2.300 bis 26.000 tödliche Krebsfälle zu erwarten, wobei diese Zahl durch Erosionsprozesse oder andere Umwelteinflüsse auch um den Faktor 1.000 ansteigen könnte.4 Zusätzlich würde die Verseuchung von Luft und Wasser durch den Abraum der Minen, je nach Umweltbedingungen, weitere 1.600 bis 24.000 Krebstodesfälle verursachen.4 Nicht berücksichtigt in diesen Rechnungen sind Lecks oder Unfälle, wie die Verseuchung des Elliot Lake mit zwei Millionen Litern flüssigem Strahlenmüll aus der Stanleigh Mine im August 1993.4 Unabhängig wie groß die Zahl der Krebstodesfälle am Ende ausfällt, gilt, dass jeder Erkrankungsfall für die betroffenen Familien einen schweren Schicksalsschlag bedeutet. Bis in die 1970er Jahre war es in Elliot Lake zudem üblich, kontaminierte Erde für die Konstruktion von Häusern zu nutzen. Die übliche Strahlenbelastung durch Radongas wurde dabei um das 20-Fache überstiegen.1 Nachdem Studien des Umweltuntersuchungsausschusses von Elliot Lake zu dem Schluss kamen, dass durch die hohe Radonbelastung ein Anstieg der tödlichen Lungenkrebsfälle um etwa 30 % zu erwarten sei, musste die Stadt reagieren. So wurden beispielsweise Ventilatoren unter den Dielenböden der betroffenen Häuser angebracht, um den Gehalt an Radongas in Wohnräumen zu verringern.5 Die BCMA verurteilte die Nachlässigkeit beim Bau der Häuser und sprach von einer „industriell verursachten Krebsepidemie.“1,5 Ein 1982 veröffentlichter Bericht des kanadischen Aufsichtsamts für Atomenergie prognostizierte für die Bewohner radioaktiv kontaminierter Häuser einen Anstieg von Lungenkrebserkrankungen um etwa 40 %.1,5

Ausblick Anfang der 1990er Jahre wurden die Uranminen in Ontario aufgrund der billigeren Konkurrenz des Uranbergbaus in Nord-Saskatchewan geschlossen. Auch spielte die Entscheidung der US-Atomenergiekommission eine Rolle, für das Atomwaffenprogramm künftig Uranquellen in den USA zu bevorzugen. Das abrupte Ende der Uranindustrie trieb Elliot Lake in den Ruin. Viele Menschen zogen aus der verseuchten Stadt fort. Diejenigen, die blieben, leiden weiterhin unter der radioaktiven Verseuchung der Umgebung sowie der hohen Strahlenbelastung durch Radongas. Umfassende epidemiologische Untersuchungen fehlen bis heute.6 Die Menschen von Elliot Lake sind zu Hibakusha geworden. Sie werden krank und sterben an Krebs, weil ihr Leben und ihre Gesundheit dem Streben nach billigem Uran für Atomwaffen untergeordnet wurden.

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus der IPPNW-Posterausstellung „Hibakusha Weltweit“. Die Ausstellung zeigt die Zusammenhänge der unterschiedlichen Aspekte der Nuklearen Kette: vom Uranbergbau über die Urananreicherung, zivile Atomunglücke, Atomfabriken, Atomwaffentests, militärische Atomunfälle, Atombombenangriffe bis hin zum Atommüll und abgereicherter Uranmunition. Sie kann ausgeliehen werden. Weitere Infos unter: www.hibakusha-weltweit.de

Quellen Der Uranabbau hat große Umweltschäden in der Region um Elliot Lake hinterlassen. Die anfallenden Abwässer und strahlenden Rückstände (Tailings) enthalten, neben radioaktiven Partikeln, auch andere Schadstoffe wie Schwermetalle und Arsen. Foto: Simon Evans / creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

1 Young et al. „Health Dangers of Uranium Mining and Jurisdictional Questions“. Environmental Health Committee of the British Columbia Medical Association, August 1980. www.ccnr.org/bcma.html 2 Falkowski P. Speech from June 1976. www.republicofmining.com/category/elliot-lake/ 3 Kusiak et al. „Mortality from lung cancer in Ontario uranium miners“. Br J Ind Med 1993;50:920-928. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1035522/ 4 Leigh et al. „Impacts of Elliot Lake Mill Tailing“. Radioactive Waste Management Associates (RWMA), New York, 30.03.92. www.wise-uranium.org/udeli.html 5 Edwards G. „Uranium: The Deadliest Metal“. Canadian Coalition for Nuclear Responsibility (CCNR), 1992. www.ccnr.org/uranium_deadliest.html 6 Dewar et al. „Uranium mining and health“. Can Fam Physician. 2013 May; 59(5): 469-471. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3653646/

Hibakusha weltweit

Eine Ausstellung der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) Körtestr. 10 | 10967 Berlin ippnw@ippnw.de | www.ippnw.de V.i.S.d.P.: Dr. Alex Rosen

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Foto: © Ramin Rahman Photography

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n den Straßen von Kabul: Kinder und Jugendliche verdingen sich als Luftballonverkäufer.


Weitere Infos über die Arbeit von Ramin Rahman finden Sie hier: https://raminrrahman.files.wordpress.com

Das Leben in den Straßen der Stadt Porträts des Fotografen Ramin Rahman aus seiner Heimat Afghanistan

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inder, die spielen oder ihr Geld als Verkäufer verdienen, Arbeiter, Radler*innen, Frauen, die Besorgungen machen – Ramin Rahman widmet sein Interesse den Mitmenschen, die sich in den Straßen und Räumen des städtischen und ländlichen Afghanistan bewegen. Das „Reale“ betrachtet er manchmal aus einer verzerrten Perspektive und nutzt das Medium der Fotografie, um das Leben der einfachen Leute zu dokumentieren. Rahman ist in Kabul geboren und aufgewachsen. Er hat sich auf Straßenfotografie spezialisiert und viele bemerkenswerte, einzigartige, alltägliche Momente des Lebens in verschiedenen Regionen Afghanistans eingefangen. Nach dem Einzug der Taliban in seine Heimatstadt hat sich das Leben des Fotojournalisten schlagartig verändert: Ramin Rahman entschied sich, sein Zuhause, seine Familie und seine Freunde zu verlassen, da er auch für westliche Medien gearbeitet hatte. Am 16. August 2021 gelang es ihm, Kabul an Bord einer der letzten überfüllten Militärmaschinen in Richtung Qatar zu verlassen. „Ich bin traurig für Afghanistan – und gleichzeitig froh, dass ich lebe.“ Zusammen mit seiner Frau lebt und arbeitet er jetzt in Deutschland.

CITY REFLECTION (2019)

STRASSENKINDER (2019) 21

Fotos: © Ramin Rahman Photography

ARBEITER (2020)


AFGHANISTAN

Machtambitionen und Konkursverschleppung Der Kampf um Rohstoffe und ökonomische Kontrolle in Afghanistan

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aximal sechs Monate sollte der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ursprünglich dauern, als er Ende 2001 im Bundestag beschlossen wurde. Wenn ich im Folgenden von einer Intervention schreibe, dann meine ich damit Krieg, Besatzung und neokoloniale Neuordnung des Landes. An dieser Intervention waren teilweise über 10.000 Bundeswehrsoldaten – und auch einige wenige Soldatinnen – beteiligt. In diesen 20 Jahren kamen etwa 185.000 Zivilistinnen und Zivilisten im Kontext von bewaffneten Auseinandersetzungen ums Leben, ebenso 66.000 afghanische Soldaten und Polizisten. 2,7 Millionen Afghaninnen und Afghanen sind weltweit auf der Flucht – Millionen mehr suchen im eigenen Land nach einer neuen Heimat. Diese nackten Zahlen geben einen Hinweis auf das kolossale Versagen der westlich Invasoren. Um die Menschen in Afghanistan ging es dabei nie, sondern um die Interessen derjenigen, die versuchten, das Land zu kontrollieren. Im Folgenden sollen die Interessen der NATO-Kriegsallianz nachgezeichnet werden. Wobei die Motivation zum Beginn der Intervention nicht identisch war mit der Motivation im Land zu bleiben, obwohl die Erreichung der ursprünglichen Ziele zunehmend unrealistisch wurde.

Warum Afghanistan? Bei der Frage nach Kriegsgründen liegt man mit den Klassikern „Öl und Gas“ oft richtig. Auch in Bezug auf Afghanistan lagen die Motive für eine militärische Inter-

vention schon Monate vor dem 11. September 2001 in der Schublade. Spätestens als die Taliban im Juli 2001 die Bedingungen der USA für den Bau einer Gas-Pipeline aus Turkmenistan durch Afghanistan und an den indischen Ozean definitiv ablehnten, lag die Option einer militärischen Intervention in den Schubladen des Pentagon bereit. Der Gedanke, strategische Pipelineprojekte und die politische Landkarte mit militärischen Mitteln in Einklang zu bringen, war nicht neu und wurde im Jahr 1998 pointiert von Bill Richardson, dem Energieminister Bill Clintons, formuliert: „Wir haben massive politische Investitionen in der kaspischen Region getätigt und es ist uns sehr wichtig, dass sowohl die Pipeline-Landkarte als auch die politische Landkarte aufeinander passen.“ Zu diesem Zeitpunkt galten die Taliban noch als Garanten der US-Interessen in der Region und wurden entsprechend unterstützt, so dass sie im Jahr 2000 fast das gesamte afghanische Territorium unter ihre Kontrolle bringen konnten. Doch ein Pipeline-Projekt, das zur Stationierung von US-Truppen im eigenen Land führen würde, war für die Taliban inakzeptabel. Damit war der Weg vom Verbündeten zum Feinden ein kurzer. Doch nicht nur in Bezug auf die Rohstoffe des fossilen Zeitalters ist Afghanistan für Großmächte interessant, sondern auch für die zunehmend wirtschaftliche relevante Elektromobilität und den gesamten Bereich der Informationstechnologien. Afghanistan ist generell reich an Rohstoffen, wie der Spiegel am 14. Juni 2010 zusammenfasste. Die „Vorräte an Kupfer, Lithium, Eisen, Gold 22

und Kobalt reichen aus, um das von Kriegen und Bürgerkriegen zerstörte Land zu einem der weltweit führenden Rohstoffexporteure zu machen.“ Alleine 700 Millionen Tonnen Erze werden in der Mine Aynak vermutet, mehr an anderen Standorten. Welche politische Dimension dies hat, macht ein Pentagon-Memo klar, das die New York Times ebenfalls 2010 veröffentlichte. Nach diesem hat Afghanistan das Potential, „das Saudi-Arabien des Lithiums“ zu werden.

Neoliberales Experimentierfeld Um die afghanischen Rohstoffe, aber auch das sonstige ökonomische Potential Afghanistans für internationale Unternehmen nutzbar zu machen, musste die Wirtschaftsgesetzgebung des Landes angepasst werden. Die deutsche Regierung hatte bei der Gestaltung des neuen afghanischen Staatswesens von Anfang mitgemischt. Das begann bereits bei den Petersberger Geprächen Ende 2001, bei denen Hamid Karsai zum Staatschefs des Landes auserkoren wurde. Damit demonstrierte die damalige rot-grüne Regierung unter Schröder und Fischer auch den weltpolitischen Gestaltungsanspruch Deutschlands. Eher unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit wurde dann in Berlin als Teil der „Entwicklungshilfe“ die neue Wirtschaftsordnung Afghanistans ausgestaltet und Afghanistan wurde zu einem Experimentierfeld für neoliberale Reformen. Dadurch konnten internationale Konzerne, ihre Gewinne aus Afghanistan zu 100% aus dem Land transferieren und öffentliche Unternehmen wurden privatisiert.


Neben allen ökonomischen Erwägungen ist Afghanistan schon seit Jahrhunderten für Großmächte interessant aufgrund seiner geostrategischen Lage. So versuchte Großbritannien seit dem 19. Jahrhundert immer wieder vergeblich das Land unter seine Kontrolle zu bekommen und auch Nazi-Deutschland entsandte Spezialkräften im Zweiten Weltkrieg, um die dortige Bevölkerung gegen Britisch-Indien in Stellung zu bringen. Die Nähe Afghanistans zu Russland, Indien und China, aber auch seine unmittelbare Nachbarschaft zum Iran, machen es auch heute attraktiv, dieses Land als Ausgangsbasis für die Kontrolle der weiteren Region nutzen zu können.

FRIEDENS- UND KLIMABEWEGUNG GEHÖREN ZUSAMMEN: XR PEACE BLOCKIERT DIE ATOMWAFFEN IN FARSLANE, SCHOTTLAND (05/2021).

Konkursverschleppung

Warum dauerte der Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan noch bis 2021, wenn doch schon mehr als zehn Jahre zuvor absehbar war, dass die Intervention gescheitert ist? Die politische Konkursverschleppung hatte mehrere Ursachen. So ging es um den befürchteten Verlust von „Glaubwürdigkeit“, um die Angst, dann keine Begründung mehr für weitere Aufrüstung zu haben (Stichwort: Zwei-Prozent-Ziel der NATO). Weitere Militäroperationen wie in Mali oder Libyen wären politisch schwerer durchsetzbar gewesen. Schlussendlich war es nicht so einfach die eigene Erzählung vom Einsatz für Demokratie und Frauenrechte als gescheitert zu erklären.

UNTERKÜNFTE FÜR AFGHANISCHE BINNENFLÜCHTLINGE IN MAZAR-I-SHARIF.

Verlierer und Gewinner 20 Jahre NATO-Intervention führten zu Verlierern auf allen Seiten, bei der Bevölkerung des Landes, aber auch bei den truppenstellenden Ländern. Zu den wenigen echten Profiteuren der NATO-Intervention gegen Afghanistan und des sogenannten „Krieges gegen den Terror“ gehört die Rüstungsindustrie. Nachdem diese in den 1990er Jahre zunehmend weniger Nachfrage verzeichnete, steigerten sich die Rüstungsausgaben global nach dem Jahr 2000 drastisch. Sie wuchsen von etwas über 1.000 Milliarden Dollar auf fast 2.000 Milliarden Dollar im Jahr 2021. Davon profitierte auch die deutsche Rüstungsindustrie und die Bundeswehr konnte in 20 Jahren Afghanistan-Präsenz zu einer „Armee im Einsatz“ umgebaut werden. Nachdem anfänglich noch ein deutscher Präsident wegen allzu offener Worte über den Kampf für deutsche Interessen in Afghanistan zurücktreten musste, gibt es zwischenzeitlich zwar immer noch keine Militärbegeisterung in Deutschland, aber eine Gewöhnung daran, das Militär zur „Lösung“ internationaler politischer Probleme einzusetzen.

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Die Normalisierung von Militär als Mittel der Außenpolitik ist eine gefährliche Entwicklung. Die Gefahr der Eskalation steigt, zumeist werden reaktionäre Kräfte nicht geschwächt, sondern gestärkt, und zivile Opfer bezahlen den Preis für kurzsichtige Machtpolitik. Aber vor allem verstellt die militärische Option den Blick auf das wirklich Nötige. Es ist jetzt überlebensnotwendig, die Menschen in Afghanistan mit humanitärer Hilfe zu unterstützen, sonst überstehen Millionen von ihnen den Winter nicht. Die Geflüchteten auf dem Weg nach Europa (egal ob auf dem Balkan oder an der polnischen Grenze) brauchen Zuflucht und die Evakuierung aus Afghanistan ist schon seit längerem wieder zivil möglich. Doch gab es bisher genau einen zivilen Rettungsflug nach Deutschland. Es ist höchste Zeit, endlich die Menschen in Afghanistan in den Mittelpunkt zu stellen – mit ziviler Kooperation. Claudia Haydt ist Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI e.V.), die sich seit 25 Jahren kritisch mit der deutschen Militärpolitik auseinandersetzt.

Foto: AFAF

Doch dass die Kontrolle Afghanistans auch der NATO nicht gelingen würde, war bald absehbar. So wies der US-Geheimdienstkoordinator 2008 darauf hin, dass nur etwa 30 Prozent Afghanistans unter der fragilen Kontrolle der Karzai-Regierung stünden, 10 Prozent würden von Taliban-Formationen kontrolliert und die restlichen 60 Prozent durch diverse lokale Machthaber. Die militärische Bekämpfung dieser oppositionellen Kräfte etwa durch Drohnenangriffe und nächtliche Überfälle kostete unzählige zivile Opfer und die vom Westen eingesetzten afghanischen Machthaber waren sichtbar korrupt und mindestens teilweise in kriminelle Netze verstrickt. Die Frustration, Trauer und Wut in der afghanischen Bevölkerung wuchsen, so dass Talibankräfte, aber auch Vertreter des sogenannten Islamischen Staates, die zuvor in Afghanistan nicht relevant waren, zunehmend Fuß fassen konnten.


AFGHANISTAN

„Das staatliche Gesundheitswesen ist bereits zusammengebrochen“ Interview mit dem afghanischen Arzt Ataullah Zulfacar

Das afghanische Gesundheitssystem ist kollabiert, berichtet der Internist und Notfallmediziner Ataullah Zulfacar. Seit 1983 setzt er sich mit dem von ihm mitbegründeten Ärzteverein für Afghanische Flüchtlinge für die Gesundheitsversorgung in der krisengeplagten Region ein. Auch jetzt versucht die Initiative vor Ort Binnenflüchtlinge im Osten und Norden Afghanistans zu versorgen. Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die drängendsten Probleme im Gesundheitswesen in Afghanistan?

Schon Monate vor der Machtübernahme haben die dort tätigen Gesundheitsmitarbeitenden ihr Geld nicht mehr bekommen. Nun gibt es zusätzlich eine große Fluchtbewegung unter den gebildeten Menschen, darunter auch viel medizinisches Personal. Das staatliche Gesundheitswesen ist also bereits zusammengebrochen. Bei privaten Einrichtungen lief es schon vorher besser und sie sind auch jetzt die letzte verbliebene Möglichkeit, hier ist noch alles einigermaßen intakt.

Die Lage ist katastrophal. Sie war noch nie wirklich gut, aber in den letzten 20 Jahren hat es durchaus Verbesserungen gegeben, vor allem im Vergleich zu vor 2003, bevor die ISAF (Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe) ihre Arbeit aufgenommen hat.

Während der letzten Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001 war Frauen und Mädchen jeglicher Kontakt zu fremden Männern verboten. Sie durften also auch keinen Arzt aufsuchen. Zusätzlich war Frauen unter den Taliban eine Schul- und Ausbildung verboten, es gab also auch kein weibliches Gesundheitspersonal. Wie ist die Situation jetzt?

Nun steht das gesamte Gesundheitssystem vor einem Kollaps. Da alle internationalen Gelder gestoppt wurden, seit die Taliban wieder an der Macht sind, ist der gesamte Geldfluss quasi zum Erliegen gekommen. Es herrscht extreme Armut, aufgrund von Dürren in diesem Sommer ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln schlecht und COVID-19 grassiert. Die Reserven an Medikamenten und medizinischer Ausrüstung gehen zur Neige. Humanitäre Hilfe ist dringend notwendig, wenn nicht über staatliche Zuwendungen, dann über Spenden für Hilfsorganisationen, die noch im Land sind.

Besonders die Sterblichkeit von Schwangeren und Kindern war in den letzten 20 Jahren zurückgegangen, jetzt steigt sie wieder deutlich, denn die Frauen haben Angst. Für Krankenschwestern und Hebammen gibt es nach unseren Informationen aktuell keine Restriktionen durch die Taliban.

Welche Möglichkeiten haben Kranke derzeit überhaupt noch?

Auch in unserem Hilfsprojekt in Nord-Afghanistan arbeiten Hebammen mit. Wir haben uns bei den für diesen Bereich zuständigen Taliban erkundigt und uns eine Erlaubnis eingeholt, dass auch die weiblichen Helferinnen weiterarbeiten dürfen. Auch das Ausbildungsprogramm für Hebammen soll weitergeführt werden, es dauert zwei bis vier Jahre.

Bislang war die Behandlung bei Krankheiten in staatlichen Einrichtungen in der Theorie eigentlich frei. In der Praxis stimmte das nicht, man musste meist trotzdem etwas zahlen oder gute Beziehungen haben, um zum Beispiel ein Bett im Krankenhaus zu bekommen. 24


DIE LEHRERIN UND KRANKENSCHWESTER URIA ZAID ISAAC DERWISCHI UNTERRICHTET IM KABULER STADTTEIL SCHINDOWAL.

BAU NEUER UNTERKÜNFTE

Sie konnten also relativ schnell eine medizinische NotInfrastruktur schaffen?

Vorrausetzung ist, dass auch die Lehrerinnen weiblich sind, auch bei der Ausbildung soll es eine strikte Trennung von Männern und Frauen geben. Theoretisch wäre die dringendste Versorgung damit gewähr­leistet. Das Problem ist, dass es nur noch private Ausbildungsstätten gibt, die nur von Leuten mit Geld bezahlt werden können. Viele sind deshalb nicht mehr in der Lage ihre Töchter auf diese Schulen zu schicken.

Wir hatten uns schon im vergangenen Jahr hier engagiert, weil auch die während der NATO-Zeit gewählte Regierung es nicht geschafft hat, die Menschen hier zu versorgen. Regierungsbeteiligte haben sich an internationalen Hilfen bereichert, es gab viel Korruption. Das Vertrauen in die Regierung war so gering, dass sich die Bevölkerung kaum zur Wehr gesetzt hat, als die Taliban die Macht wiederergriffen haben. Die Taliban agieren barbarisch und dennoch haben einige die Hoffnung, dass es unter ihnen gerechter zugehen könnte.

Ein Beispiel ist auch das Kawun-Institut in der Provinz Balkh, eine privaten Hochschule: Hier machen derzeit 300 junge Afghaninnen eine Hebammenausbildung, die im Jahr ca 200 Euro kostet. Derzeit suchen wir Pat*innen für das Projekt, da 150 der jungen Frauen wegen der Armut der Familien das Studium nicht fortsetzen können, obwohl die Uni die Gebühren um die Hälfte reduziert hat. Unsere Organisation hat zugesagt, für Studentinnen, die im letzten Ausbil­dungsjahr sind, die Gebühren zu übernehmen, damit sie ihren Abschluss machen und ihre Familien er­nähren können. An den staatlichen Einrichtungen ist die Lage deut­lich schlechter. Auch dort hieß es, dass die Frauen weiterarbeiten dürfen, doch viele gehen nicht, denn sie haben Todesangst.

Viele haben aber auch Angst um ihr Leben. Die Zahl der Binnenflüchtlinge hat in diesem Jahr drastisch zugenommen, viele fliehen aus der Region um Kabul und den anderen großen Städten, wo es jetzt wieder vermehrt Anschläge gibt. Weitere Informationen: http://www.afghandoctor.org Bei Interesse an einer Mitarbeit im Verein kontaktieren Sie bitte Ataullah Zulfacar unter: zulfacar@web.de

Wo versucht ihr Verein sonst noch zu helfen?

Das Interview erschien am 10. November 2021 im Deutschen Ärzteblatt. (Leichte Ergänzungen haben wir bei Frage drei vorgenommen.) Abruck mit freundlicher Genehmigung des DÄ.

Wir arbeiten an verschiedenen Stellen. Im Osten des Landes betreiben wir eine Tagesklinik und eine Schule. Das Zentrum soll noch um ein zahnmedizinisches Zentrum erweitert werden. Mit Einver­ständ­nis der Taliban betreiben wir zudem ein Hebammenprogramm. Im Norden betreiben wir eine mobi­le Klinik mit einem Arzt, einer Hebamme und einem Chauffeur, der die nötige Gerätschaft in einem Mini­bus transportiert. Zwei bis drei Mal die Woche fährt der Bus 30 Kilometer, die Helfer versorgen 70 bis 100 Leute an einem Tag, etwa 40.000 Flüchtlinge verteilt auf acht Camps. Neben akuter Hilfe versuchen sie dabei auch zu er­klären, wie man sich vor Covid-19 schützen kann und demonstrieren Hygienemaßnahmen. Insgesamt halten sich mittlerweile rund 140.000 Flüchtlinge im Norden auf.

Ataullah Zulfacar ist Mitbegründer des Ärztevereins für afghanische Flüchtlinge. 25

Fotos: AFAF

MASAR I-SHARIF: AFAF VERSORGT BINNEN FLÜCHTLINGE IN EINER MOBILEN KLINIK.


AFGHANISTAN

Frauen als Legitimation für den Krieg Wie die NATO die „Befreiung von Frauen“ als Grund für den Einmarsch in Afghanistan instrumentalisiert hat

Der Fall Kabuls ist auf eine Art und Weise geschehen, die uns alle zerstört hat. Alle, gleich, ob ihr Leben in Gefahr war oder nicht. [...] Zur Zeit ist Kabul in einer Situation – glaube mir, wenn jemand kommt und mir eine Ohrfeige gibt, würde ich nicht fragen, warum er das gemacht hat. So katastrophal ist die Lage: Alle fühlen sich furchtbar. Es fühlt sich an, als sei ganz Kabul eine psychiatrische Anstalt.“ (Setareh*, 26 Jahre alt, Aktivistin im Bereich Frauen, Schönheit und soziale Medien)

Viele Frauen, die in den vergangenen zwanzig Jahren an politischen, rechtlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen und Vorgängen beteiligt waren, haben sich ins häusliche Leben zurückgezogen, während andere sich nicht einschüchtern lassen von Talibankämpfern, die auf den Straßen Kabuls patrouillieren. Gleichzeitig finden sich vermehrt stark sozio-ökonomisch desintegrierte und marginalisierte Frauen auf den Straßen und begleiten ihre Kinder als Bettlerinnen für ihr täglich Brot – und ich meine hier buchstäblich einen trockenen Fladen Weißbrot für Mütter und Kinder. Bildungsferne Frauen, deren Leben sich vor allem im häuslichen Raum abspielt, haben mit anderen bildungsfernen, aber auch mit gebildeten und ausgebildeten Frauen gemeinsam, dass die Wirtschaftskrise – die mit dem Fall Kabuls und dem vermeintlichen „Peace Deal“ zwischen den USA und der Taliban-Führungsriege das Land eingenommen hat – ihre gesundheitliche, politische und sozio-ökonomische Integrität und soziale Aufstiegsmöglichkeiten zunichte gemacht hat.

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etarehs Angst vor willkürlicher Gewalt beschreibt die Bedingungen, unter denen afghanische Frauen zur Zeit zu Hause und im öffentlichen Raum bezahlte und unbezahlte Arbeit leisten und sich bewegen. Frauen sind inzwischen wieder an Arbeitsplätzen in Banken, in Krankenhäusern und privaten Institutionen, Unternehmen und Universitäten. Internationale Organisationen beginnen wieder, Frauen an den Arbeitsplatz zu bestellen. Gleichzeitig berichtete Human Rights Watch Anfang November, dass nur in drei Provinzen des Landes die Taliban afghanischen Entwicklungshelferinnen erlauben ihrer Arbeit nachzugehen. In weiten Teilen des Landes wird Frauen nur die Option gegeben mit einem männlichen Familienmitglied zur Arbeit zu kommen. Lehrerinnen in Mädchenschulen dürfen nur noch Mädchen bis zur sechsten Klasse unterrichten. Männliche Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die von der Ghani-Regierung angestellt waren, wurden von den Taliban dazu aufgerufen, wieder an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Gleichzeitig aber werden Frauen von Soldaten der Taliban daran gehindert, Regierungsgebäude und Ministerien zu betreten.

Die Notlage von „afghanischen Frauen“ wurde im Rahmen der US Invasion Afghanistans im Herbst 2001 ein „First Lady”-Projekt von Laura Bush. Zuvor wurde die Notlage von Frauen und Mädchen in den Resolutionen 1193 und 1214 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Jahre 1998 problematisiert. Aber erst mit dem militärischen Einsatz der NATO, angeführt von den USA, rückten Frauen und Mädchen ins Zentrum der politischen Rhetorik, die den „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan legitimieren sollte. Im November 2001 erklärte Laura Bush in der wöchentlichen Radiosendung des Weißen Hauses, die normalerweise nur dem Präsidenten gewidmet ist, dass das terroristische Netzwerk von Al-Qaeda und die Taliban angesichts der „Brutalität gegen Frauen und Mädchen“ gestoppt werden müssten. Die Mobilität und Sichtbarkeit von Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wurde ein Siegesmerkmal der „zivilisierten“ Gesellschaften nach der Invasion. Zur Legitimation des Krieges wurde die vermeintlich „zivilisierte“ Freiheit von afghanischen Frauen und ihre Integration und Teilnahme in der liberalen Rekonstruktion des islamischen Staates und der nationalen Wirtschaft gefeiert: Frauen in Schönheitssalons, Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen, Frauen im Sport, Frauen

Die Interimsregierung der Taliban hat aktuell weder eine Moralpolizei aufgestellt noch formelle Fatwas (schriftliche islamische Rechtsauskünfte) zum Thema Frauen in der häuslichen und nationalen Arbeitsteilung veröffentlicht. Gewalt und wirtschaftliche Not prägen das Leben aller Frauen auf unterschiedliche Weise: 26


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*Name durch die Redaktion geändert

o mündet die vermeintliche Befreiung afghanischer Frauen durch den „liberalen Frieden“ und ihre angeblich umfassende wirtschaftliche Integration in nationale und internationale Arbeitsmärkte nach 20 Jahren in einer von den USA mit dem sogenannten „Frieden von Doha“ im Februar 2020 sanktionierten islamistischen Regierung, die ihrer islamischen Verantwortung gegenüber Frauen und Kindern nicht gerecht werden kann. Afghanische Frauen wurden Teil einer Geschlechterpolitik, die sie davon abhielt, sich angesichts ihrer diversen Lebenssituationen und -herausforderungen in Städten und Dörfern umfassend zu

Paniz Musawi Natanzi ist Politikwissenschaftlerin und forscht im Bereich Geschlechter-, Arbeits- und Geopolitik im Krieg mit Fokus auf Afghanistan. 27

Foto: U.S. Embassy Kabul

im afghanischen Militär und HILARY CLINTON TRIFFT bei der Polizei wurden zu AFGHANISCHE POLITIKERINNEN sensationalisierten Bildern IN KABUL (2011). und Themen in westlichen Medien, die die neugewonnene vermeintliche Freiheit afghanischer Frauen repräsentieren sollten. Tatsächlich wurden organisieren und die Rekonstruktion mitzugestalten, ohne dabei afghanische Frauen zu Legitimationsobjekten einer neoimperialen von den Interessen von Geldgebern abzuhängen. Die BerufsweInvasion: Frauenrechte wurden in geopolitische Manöver inter- ge, die afghanische Frauen in Politik, Zivilgesellschaft und Wirtnationaler staatlicher Akteure und in humanitäre Infrastrukturen schaft einbinden sollten, wurden ihnen wie eine „Blaupause“ eingeflochten. Das schuf ein lukratives Geschäft und eine mäch- von liberalen Feminismen auferlegt, wie es unter anderem Deniz tige symbolische Rhetorik rund um das Arbeitsfeld „Gender“ und Kandiyoti in „Between the Hammer and the Anvil: Post-Conflict „afghanische Frauen“. Allerdings verhalf das nur einzelnen, häufig Reconstruction, Islam and Women‘s Rights“ beschreibt. Diebereits privilegierten Frauen zu sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, se wurden von internationalen staatlichen und nicht-staatlichen wie vor allem die empirischen Forschungen von Jennifer Fluri und Akteuren und nationalen afghanischen Eliten im Rahmen einer Rachel Lehr zeigen. lukrativen und aufgesetzten technokratischen Geschlechterpolitik implementiert. Mit dem Abzug der NATO-Truppen aus AfghaniIm Februar 2020 erklärte die US-Aufsichtsbehörde SIGAR (Son- stan und der Wiederkehr der Taliban hat sich herausgestellt: Es dergeneralinspektor für den Wiederaufbau Afghanistans) im US ging nie darum, nachhaltige staatliche und wirtschaftliche InfraKongress, dass ihre amtlichen Überprüfungen von Regierungs- strukturen zwecks der Integration von Frauen in Arbeit, Bildung hilfeleistungen für Frauen in Afghanistan nicht bestätigen können, und Gesellschaft zu schaffen – wie transnationale Feministinnen dass Verbesserungen angesichts der Lage von Frauen tatsächlich in den vergangenen zwanzig Jahren gewarnt hatten. Liberale auf US-Programme zurückgeführt werden können. Dem Leiter Kriegspolitik, internationale Entwicklungspolitik und nationale Elivon SIGAR, John F. Sopko, zufolge haben die US-Regierung und ten haben entschieden, wann und unter welchen geopolitischen USAID rund 850 Millionen US-Dollar im Rahmen von 17 Projek- Bedingungen afghanische Frauen und afghanisches Leben einen ten, die „im Ganzen oder teilweise“ der Unterstützung afghani- Wert erhalten sollte. Mit dem Fall Kabuls und der nationalen Ökoscher Frauen gewidmet waren, ausgegeben. Allerdings konnten nomie, mit der sanktionierten Machtübergabe an die Taliban hat sie den Auditor*innen nicht vorweisen, wie viel des Geldes tat- die NATO den Hungertod von unzähligen Menschen in diesem Winter miteinkalkuliert. sächlich in Programme für „afghanische Frauen“ geflossen war.


AFGHANISTAN

Afghanistan – wer schützt das Völkerrecht? Der Kriegszug der NATO hinterlässt ein weitgehend zerstörtes Land und eine entwurzelte Gesellschaft

In einem sind sich politische Parteien, Medien und Öffentlichkeit einig: Ob man den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan nun Debakel oder Niederlage nennt, er soll gründlich analysiert werden und mit ihm der gesamte Einsatz seit 2001. Bei aller Skepsis, ob das bei der ständig betonten weltweiten Verantwortung der Bundesrepublik wirklich tiefgreifend geschieht, ist ein Defizit schon heute offensichtlich: Die völkerrechtliche Legitimation des Kriegseinsatzes steht nicht zur Debatte. Eine unvoreingenommene Analyse muss jedoch zu dem Ergebnis kommen: Der Krieg begann mit einem Verstoß gegen das Völkerrecht, produzierte in seinen 20 Jahren zahlreiche Kriegsverbrechen und endete nun ebenfalls mit einem Verstoß.

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Gehen wir an den Anfang. Schon einen Tag nach dem Anschlag auf das World Trade Center wusste die US-Regierung, wer ihn zu verantworten hatte und wo der Täter sich aufhielt. Sie beantragte am 12. September 2001 beim UN-Sicherheitsrat ein Mandat für einen Angriff auf Afghanistan, wo sich Bin Laden versteckt hielt. Doch der Sicherheitsrat verweigerte dies. Er sah in dem Anschlag zwar eine „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“, stufte die Angriffe jedoch als „terroristische Handlungen“ ein, auf die nicht wie auf Kriegsakte mit militärischen Mittel gemäß Artikel 39 und 42 UNO-Charta reagiert werden kann. Terrorakte sind Gewalt von nichtstaatlichen Akteuren gegen Zivilist*innen oder zivile Objekte und werden nach Anti-Terrorkonventionen bekämpft. So etwa nach den Regeln der „Montreal-Konvention von 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt“. Da alle 19 Piloten bei den Angriffen ums Leben gekommen waren, hätten die USA auf der Basis dieser Konvention Verhandlungen eröffnen sollen,

nach Bin Laden fahnden lassen und seine Auslieferung verlangen können. Diese war übrigens von den Taliban angeboten worden. Am 28. September versuchte Bush noch einmal, die Zustimmung für militärische Gewalt zu bekommen. Er scheiterte aber wieder im Sicherheitsrat. Am 7. Oktober 2001 teilte Botschafter John Negroponte dem Sicherheitsrat mit, dass die USA nunmehr ihr Recht auf Selbstverteidigung gem. Artikel 51 UNO-Charta in Anspruch nehmen wollten. Doch auch diese Rechtsgrundlage traf nicht zu, da terroristische Handlungen kein Recht auf Selbstverteidigung mit militärischen Mitteln auslösen. Es gab damals keine Beweise, dass die Regierung der Taliban hinter den Anschlägen stand. Wie Verteidigungsminister Powell in einem Interview sagte, gab es nicht einmal Indizien gegen Bin Laden. Es gab schlicht keine völkerrechtliche Grundlage für den Angriff auf Afghanistan. Damit fehlte auch dem Beschluss der NATO am 12. Oktober, mit dem sie den Bündnisfall nach Artikel 5 NATO-Vertrag ausrief, die rechtliche Grundlage. Die USA waren nicht militärisch angegriffen worden, die NATO konnte sich nicht auf die Legitimation „kollektiver Selbstverteidigung“ nach Artikel 51 UNO-Charta berufen. Gegen Terrorakte wie im Fall Lockerbie oder der Anschläge auf die Botschaften der USA in Afrika hatte es auch keinen Bündnisfall gegeben. 28

Selbst wenn man der US-amerikanischen Argumentation folgt, lässt sich eine solche Legitimation nicht über Jahre begründen. Artikel 51 UNO-Charta lässt Maßnahmen der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung nur solange zu, „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Dies war aber schon im Dezember 2001 mit der Einrichtung der ISAF der Fall. Selbstverteidigung setzt die Gefahr eines unmittelbaren Angriffs auf das eigene Territorium oder das eines Bündnispartners voraus. Mit der Beseitigung der Taliban-Herrschaft im Herbst 2001 und der Vertreibung Osama Bin Ladens und der Al Qaida aus den Grenzgebirgen Afghanistans war der „Verteidigungsauftrag“ erfüllt. Eine Legitimation lässt sich auch nicht aus Resolution 1386 (2001) herleiten, mit der der Sicherheitsrat am 20. Dezember 2001 die Aufstellung einer internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan beschloss. Obwohl sie auf Kapitel VII der UNO-Charta basierend die Anwendung von Waffengewalt legitimierte, war es nur ein Mandat zur Friedenssicherung. Es war kein Mandat zur Terrorbekämpfung.

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Die zahllosen Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung, die Berichte über Folter, Flucht und Vertreibung, die


„Irrtümer“ beim Einsatz von Kampfdrohnen dokumentieren massive Verletzungen des humanitären Völkerrechts während der 20 Jahre Krieg. Die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes Fatou Bensouda hatte bereits Untersuchungen wegen Kriegsverbrechen in die Wege geleitet. Ihr Nachfolger Karim Khan hat sie jedoch, wahrscheinlich auf Druck der USA, wieder eingestellt, aber Untersuchungen wegen Kriegsverbrechen der Taliban angekündigt. Selbst ein Kriegsverbrechen wie die Bombardierung eines Tanklastzuges am Fluss Kundus im September 2009, bei dem über 100 Zivilist*innen umgekommen sind, blieb ohne strafgerichtliche Klärung und angemessene Entschädigung der Opfer. Die Aufarbeitung des Kriegsgeschehens könnte ebenso scheitern wie nach dem Überfall auf Ex-Jugoslawien 1999 (Carla Del Ponte, „Ich bin keine Heldin, 2021“, S. 65 ff.)

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Schließlich das Ende dieses unrühmlichen Kriegszuges, der ein weitgehend zerstörtes Land und eine entwurzelte Gesellschaft hinterlässt. Während die Regierung mit einem großen Zapfenstreich und Lobgesängen auf die Bundeswehr versucht, über das komplette Scheitern der Mission hinwegzutäuschen, wird vollkommen übersehen, dass auch dieses Ende mit einem Bruch des Völkerrechts besiegelt wird. Denn die Bundesregierung

beantragte am 18. August 2021 im Bundestag ein Mandat für die Bundeswehr, die Evakuierung ihrer Ortskräfte im Lande bis Ende September fortführen zu können. Für dieses Mandat benötigte sie aber ein Mandat des UNO-Sicherheitsrats oder die Zustimmung der neuen Machthaber im Land, da das alte Mandat mit der Flucht des Präsidenten Ashraf Ghani und dem Zusammenbruch seiner Regierung keine Gültigkeit für den geplanten Zeitraum mehr hatte. Es erweiterte zudem den Einsatzbereich der Bundeswehr auf ganz Afghanistan und setzte dem Kontingent „im Notfall“ keine zahlenmäßigen Grenzen. Das bedeutete einen schweren Eingriff in die Souveränität Afghanistans, und die große Mehrheit des Bundestags stimmte zu – ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht.

mehr fortsetzen konnte. Was veranlasste die Mehrheit der Abgeordneten, einem völkerrechtswidrigen und obendrein sinnlosen, da undurchführbaren Mandat zuzustimmen oder sich der Stimme zu enthalten? Der Regierung ging es offensichtlich darum, ihr Versäumnis einer frühzeitigen Evakuierung noch in letzter Minute in ein Zeichen moralischer Verantwortung zu verwandeln. Und der Bundestag stimmte zu, da auch ihn der Vorwurf der Unterlassung traf – keine Sternstunde des Parlaments. So bleibt nur die Hoffnung, dass dem notorischen Bekenntnis zum Völkerrecht bei der nächsten Versuchung, mit der Bundeswehr Ordnung zu stiften, der gebotene Vorrang vor der Entscheidung eingeräumt wird.

Die Regierung hatte ebenso wie die USA noch in Doha über eine Verlängerung des Mandats mit den Taliban verhandelt. Diese hatten abgelehnt, und die USA haben sich dem gefügt. Am Vorabend der Abstimmung im Bundestag hatte US-PräsiNorman Paech dent Biden den Rückzug der US-Truppen ist emeritierter für den 31. August 2021 angekündigt. Alle Professor für Politikwissenschaft Abgeordneten im Bundestag wussten also, und Öffentliches dass ihr Mandat, über das sie abzustim- Recht an der Unimen hatten, ins Leere ging, da bekannt versität Hamburg war, dass die Bundeswehr ohne die Unter- und Mitglied des wissenschaftstützung der USA ihre Evakuierungsflüge lichen Beirats über den verlassenen Flughafen nicht der IPPNW. 29

xtranews.de / CC BY 2.0

Foto: DFG-VK

ALLE AUSLANDSEINSÄTZE BEENDEN: AKTION VON DFG-VK, IPPNW UND DEN NATURFREUNDEN IM OKTOBER 2021 IN BERLIN.


WELT

Gute Nachrichten zum Atomwaffenverbot

Aktionsfoto zum Atomwaffenverbot / IPPNW Norway

Das europäische IPPNW-Treffen

A

m 19. Oktober 2021 haben sich die europäischen IPPNW-Sektionen erneut online getroffen. Viel ist passiert seit dem letzten Mal: 25 Teilnehmer*innen aus 12 Sektionen besprachen vor allem die Arbeit für das Atomwaffenverbot. Das Treffen war stark geprägt von der Neuigkeit, dass Norwegen an der ersten Staatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) in Wien vom 22. bis 24. März 2022 als Beobachter teilnehmen wird. Seit den Wahlen am 13. September 2021 regiert dort eine Koalition von Arbeiter- und Zentrumspartei. Leider ist die Linkspartei, die sich stark für einen Beitritt zum AVV eingesetzt hat, nicht in die Regierung gekommen. Die Chancen eines AVV-Beitritts stehen trotzdem besser als vorher, denn sechs der Parteien im norwegischen Parlament befürworten ihn inzwischen. Die Koalitionsvereinbarung verspricht zudem, sich auf die humanitären Folgen von Atomwaffen zu konzentrieren und sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen, mit verstärkten Bemühungen für die nukleare Abrüstung. Obwohl ein norwegischer Beitritt in den nächsten vier Jahren unwahrscheinlich sei, könne das Land nützliche Schritte unternehmen, meinte Anja Lillegraven von der IPPNW Norwegen: Den AVV zum Beispiel in der UN unterstützen

oder Finanzmittel für die Arbeit der Humanitären Initiative in den Haushalt einstellen, die von der letzten Regierung gestrichen wurden. Norwegen kann sich auch innerhalb der NATO oder mit anderen Staaten über den Atomwaffenverbotsvertrag austauschen und einen Weg finden, einen künftigen Beitritt zu ermöglichen.

G

unnar Westberg von der schwedischen Sektion wies auf den Parteitag der schwedischen Sozialdemokraten hin, der bevorstand. Erfreuliches Ergebnis: Die Partei erklärte, das Atomwaffenverbot unterzeichnen zu wollen. Schweden hat sich bereits als Beobachterstaat zur Staatenkonferenz angemeldet. In Schweden soll im Herbst 2022 gewählt werden – und die Unterstützung für den AVV innerhalb der Bevölkerung ist stark. Beispielsweise wollte Göteborg den ICANStädteappell unterzeichnen. Obwohl die Stadt gerichtlich herausgefordert wurde, unterzeichnete sie trotzdem. Auch die Schweiz hat sich als Beobachterin zur Konferenz in Wien angemeldet. Beide Kammern des Nationalrates unterstützen eine Unterzeichnung, doch der Außenminister sei „ängstlich“, so Andi Nidecker, „wegen der Beziehung zur NATO“. Die Schweizer Sektion konnte bisher keinen Termin mit ihm bekommen, 30

will das aber vor der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages im Januar schaffen. Die Regierung überprüft weiterhin die Schweizer Position und wird sicherlich die Ergebnisse der Überprüfungskonferenz abwarten. Danach könnte die Schweiz den AVV möglicherweise unterzeichnen. Auch Finnland will nach Wien fahren. Aber das Land ist noch weit von einem Beitritt weg, sagt Kati Juva von der finnischen IPPNW-Sektion. Es gebe in der Regierung eine Koalition von fünf Parteien. Obwohl drei eine Unterzeichnung befürworten, argumentierten die anderen zwei, ein Beitritt würde die Tür zur NATOMitgliedschaft schließen. Die Mehrheit der Bevölkerung sei zwar nach wie vor gegen eine NATO-Mitgliedschaft, aber die Angst vor Russland wachse, so Kati Juva.

D

ie Niederlande kämpfen seit einem halben Jahr um die Bildung einer Regierung mit der bisherigen Koalition. Da die rechts-liberale Partei die meisten Stimmen erzielt hat, sieht es nicht so aus, als ob ein Beitritt zum AVV bevorstehen würde. Auch in Dänemark stehen die die Signale nicht auf einen schnellen Beitritt. Die österreichische IPPNW-Sektion bereitet mit ICAN und der Regierung gemeinsam die Staatenkonferenz und das begleitende Programm vor. Trotz politischer Turbulenzen durch den Wechsel im Kanzleramt, scheint die Begeisterung für den AVV nicht nachzulassen. Vor der Staatenkonferenz wird am 20. März eine NGOVeranstaltung in Wien stattfinden, am 21. März 2022 eine Veranstaltung für Abgeordnete aus allen Ländern, die vom österreichischen Parlament organisiert wird.

Xanthe Hall ist Atomwaffenexpertin der deutschen IPPNW.


AKTION

STUTTGART

Appell an die Ampel „Atomwaffenverbot in den Koalitionsvertrag!“

AG Frieden Trier / Carl-Arthur Feldmann

I

nitiativen der Friedensbewegung forderten in den vergangenen Wochen mit Mahnwachen und Aktionen die Politik dazu auf, das UN-Atomwaffenverbot im Koalitionsvertrag zu verankern. Atomwaffenfrei.jetzt hatte Friedensgruppen bundesweit Aktionsmaterialien zur Verfügung gestellt. IPPNW-Mitglieder organisierten u.a. in Berlin und Stuttgart entsprechende Proteste. Die künftige Bundesregierung hätte jetzt die Chance, neue Schritte in der Sicherheitspolitik zu gehen. Deshalb müsse sie dringend über Deutschlands Rolle bei der nuklearen Teilhabe der NATO entscheiden: „Die Instandhaltung und Modernisierung dieser Waffensysteme erfordert Milliarden. Gegen die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts wie Klimakrise, Pandemien und Cyberangriffe bieten diese Waffen jedoch keine Sicherheit”, unterstrich IPPNW-Atomwaffenexpertin Xanthe Hall.

TRIER

BERLIN 31


G ELESEN

Patient Gesundheitswesen

Terror durch Todesengel

Über 60 Jahre hinweg konnte Gertraude Ralle sowohl das Gesundheitswesen der ehemaligen DDR als auch in der Bundesrepublik beobachten.

Der Journalist Emran Feroz schreibt als Nahostund Zentralasienexperte unter anderem für die Zeit, die taz, Al Jazeera und die New York Times.

n ihrer Funktion als leitende Ärztin zweier autonomer psychiatrischer Tageskliniken bekommt die Autorin ab dem Ende der 80er Jahre hautnah mit, wie die Verhandlungen mit den Kostenträgern allmählich immer schwieriger werden, kaum mehr Kompromisse im Patienteninteresse ausgehandelt werden können und wie die angeblich unvermeidlichen Sparzwänge die Leistungserbringer quasi zu „Befehlsempfängern“ werden lassen. Ralle erlebt, wie sich die Qualität der Arbeit unter dem Deckmantel von „Qualitätssicherungsmaßnahmen“ zunehmend verschlechtert, und wie ab 1991 die Hoffnung auf eine bedarfsgerechte Versorgung durch die Psychiatrie-Personalverordnung enttäuscht wird, da sie nicht in die Praxis umgesetzt wird. Stattdessen gab es ein neues Vergütungssystem (PEPP), das die Versorgung nicht verbessert, dafür aber zusätzliche Arbeitsplätze für Codierfachkräfte notwendig macht. Den letzten Ausschlag, das vorliegende Buch zu schreiben, gibt dann ein eigener Krankenhausaufenthalt. „Was ich in dieser einen Woche an Missständen erlebte, überstieg alle meine Vorstellungen.“

ie IPPNW hatte ihn als Referenten zum Online-Hearing „Eurodrohne und FCAS“ eingeladen. Auch ein Kapitel von Feroz‘ neuem Buch „Der längste Krieg“ ist dem Drohnenkrieg gewidmet, der in Afghanistan begann und endete. Die USA seien so aus Afghanistan abgezogen wie sie eingezogen seien, nämlich mit einem Drohnenangriff, der in erster Linie afghanische Zivilist*innen getötet habe. In dem Abschnitt „Terror durch Todesengel“ schildert er, dass keine der prominenten „Zielpersonen“ bei einem US-Drohnenangriff getötet wurden. Nur zwei Beispiele: Der Taliban-Chef Mullah Omar starb 2013 eines natürlichen Todes, Osama bin Laden wurde 2011 durch eine US-Spezialeinheit getötet. Demgegenüber standen 13.000 Drohnenangriffe allein zwischen Januar 2015 und Dezember 2019, bei denen zwischen 4.000 und 10.000 Afghan*innen getötet worden sind. Das sei einer der Gründe, warum die USA und die Sowjetunion von vielen Afghan*innen gleichermaßen als Feinde und Besatzer wahrgenommen wurden.

I

Ihre bisherige Beurteilung der Fehlentwicklungen des Gesundheitswesens, schnell beschrieben als Ökonomisierung und Kommerzialisierung, genügt ihr seit dieser Erfahrung nicht mehr. Das Buch ist der Versuch, Zusammenhänge, Fehlentwicklungen und dahinter stehende Ideologien aufzuspüren, genauer zu verstehen und Hinweise zu geben, in welcher Richtung notwendige Lösungsstrategien liegen müssten. Im Kontext gesellschaftlicher und soziokultureller Fehlentwicklungen wird beschrieben, wie sehr das Gesundheitswesen seinem eigentlichen Auftrag inzwischen entfremdet ist. Besonders gravierend ist der Verlust einer angemessenen Arzt-Patienten-Beziehung. Die ökonomische Bedeutung der Medizin hat ihre heilende Funktion so weit verdrängt, „dass die Medizin heute stärker im Dienst der Wirtschaft steht als umgekehrt.“ Dieses Buch ist allen Menschen zu empfehlen, denen eine Richtungsänderung des Gesundheitswesens am Herzen liegt. Über Zusammenhänge, Strukturen und Akteure informiert es mit großer Genauigkeit und gründlicher Recherche. Gertraude Ralle: Damit Krankheit nicht heillos verwaltet wird. Plädoyer für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen. BüchnerVerlag, Marburg, 222 S., 24,- €, ISBN: 978-3-96317-269-4

Renate Schernus

D

Der Autor schildert in dem Buch den sowjetischen Krieg und beschreibt, wie die intellektuelle Elite des Landes durch den afghanisch-kommunistischen Geheimdienst systematisch verschleppt, gefoltert und ermordet wurde. Anschließend erzählt der Autor, wie es zur militärischen Intervention des Jahres 2001 kam und wie der Westen Kriegsverbrecher und Kriminelle aus der Zeit der sowjetischen Intervention finanziell und ideologisch unterstützte. „Man hat keineswegs demokratische Institutionen gefördert, sondern in erster Linie eine Kleptokratie errichtet.“ Feroz berichtet über Drohnenangriffe auf Hochzeiten, beschreibt, wie australische Soldat*innen zum Vergnügen Zivilist*innen jagten, erinnert an die Bombardierung eines Krankenhauses von Ärzte ohne Grenzen durch das US-Militär oder die Neueröffnung des kommunistischen Foltergefängnisses in Bagram durch die CIA als amerikanisches Militärgefängnis. Am Ende kommt er zu einem vernichtenden Urteil: Seit 2001 herrscht in Afghanistan ein korruptes Regime, das zum Großteil aus brutalen Warlords und Kriegsverbrechern besteht und westliche Hilfsgelder ins Ausland schafft. Ein lesenswertes Buch. Emran Feroz: Der längste Krieg. 20 Jahre War on Terror, Westend, Köln 2021, 223 S., 18,- €, ISBN 978-3-86489-328-5

Angelika Wilmen 32


GEDRUCKT

TERMINE

Von Studierenden

JANUAR

Atomwaffen sind verboten! Amatom 34 – das Magazin von und für junge Mediziner*innen. Ausgabe 2022. Themen: Deutschland und der Atomwaffenverbotsvertrag – Moral in Zeiten der Krise – Antirassismus im Gesundheitswesen – Studierendenarbeit in der IPPNW 24 Seiten A4, Preis: 1,- Euro zzgl. Versand. Zum Verteilen für Studierende kostenlos! Lesen unter: issuu.com/ippnw Bestellen unter: shop.ippnw.de

4.-28.1. Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags, New York 22.1. Erster Jahrestag des Inkrafttretens des AVV

FEBRUAR 4.-6.2. IPPNW Peace Academy in Berlin

MÄRZ

Zum Anstecken

11.3. Jahrestag des Super-GAU von Fukushima

IPPNW-Buttons „Abrüsten fürs Klima“ und „Atomwaffen sind verboten“. Durchmesser 45 mm, Preis: je 1,- Euro zzgl. Versand. Bestellen unter: shop.ippnw.de

12.-26.3. Türkeireise von IPPNWMitgliedern 22.-24.3. Erste Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbot, Wien

Anziehend T-Shirt „Atomwaffen sind verboten“ oder „Abrüsten fürs Klima“ – aus fair gehandelter Biobaumwolle, verfügbar in den Unisex-Größen S, M, L und XL. Das Shirt ist hinten mit einem großen und vorne mit einem kleinen Aufdruck versehen. Stückpreis: 15,- Euro zzgl. Versand. Bestellen unter: shop.ippnw.de

GEPLANT

22.-24.3. Kongress Armut und Gesundheit in Berlin

APRIL 26.4. Tschernobyl-Jahrestag 29.4.-1.5. IPPNW-Jahrestreffen und MV in Hamburg

MAI / JUNI 29.5.-9.6 IPPNW-Begegnungsreise Palästina / Israel Weitere Informationen unter: www.ippnw.de/aktiv-werden/termine

Das nächste Heft erscheint im März 2022. Das Schwerpunktthema ist:

Grüne Atomenergie?

Im Verleih

Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 169 / März 2022 ist der 31. Januar 2021. Das Forum lebt von Ihren Ideen und Beiträgen. Schreiben Sie uns: forum@ippnw.de

„Vom Sinn des Ganzen. Das Leben des Physikers Hans-Peter Dürr.“ Deutschland 2021, Regie: Claus Biegert, Dokumentarfilm, 103 Minuten

IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzt*innen für die

enthalten. Sämtliche namentlich gezeichnete

Verhütung des Atomkrieges, Ärzt*innen in sozialer

Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung

Verantwortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland

der Redaktion oder des Herausgebers. Nach-

Redaktion: Ute Watermann (V.i.S.d.P.), Angelika

drucke bedürfen der schriftlichen Genehmigung.

Wilmen, Regine Ratke

Redaktionsschluss für das nächste Heft:

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum,

31. Januar 2021

Körtestraße 10, 10967 Berlin,

Gestaltungskonzept: www.buerobock.de,

Tel.: 030 6980 74 0, Fax 030 693 81 66,

Layout: Regine Ratke; Druck: DDL Berlin

E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de,

Papier: Circle Offset, Recycling & FSC.

Bankverbindung: GLS Gemeinschaftsbank

Bildnachweise: S. 6 Mitte: Julie Ricard / unsplash;

IBAN: DE 23 4306 0967 1159 3251 01,

S. 7 Mitte: Kancelaria Premiera / CC BY-NC-ND 2.0

BIC: GENODEM1GLS

Nicht gekennzeichnete

Das Forum erscheint viermal jährlich. Der Be-

Fotos: privat oder IPPNW.

zugspreis für Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag 33

Der Astrophysiker Hans-Peter Dürr war ein Denker und Mutmacher. Er zweifelte die Existenz von Materie an und konzentrierte sich auf Beziehungen und das Dazwischen: zwischen den Teilchen, aber auch zwischen Bäumen, Menschen und Weltmächten. CD zu bestellen in der Geschäftsstelle unter: kontakt@ippnw.de


GEFRAGT

6 Fragen an …

Elif Turan & Ishak Dakak … Ärztin und klinischer Psychologe

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Folteropfer brauchen viel Sicherheit. Leider ist ihnen in der Türkei nur wenig äußere Sicherheit gegeben. Wie kann man bei dieser Arbeit mit Menschen trotzdem erfolgreich sein? Die Menschenrechtsstiftung der Türkei führt die Behandlung und Rehabilitation von Menschen durch, die gefoltert wurden. Wir versuchen, auf die körperlichen, geistigen, sozialen und rechtlichen Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen. Die Mehrheit der Menschen, die uns um Unterstützung ersuchen, ist seit Langem im Gefängnis. Ja, die Sicherheitsbedürfnisse von Menschen, die gefoltert wurden, sind sehr wichtig. Doch leider können Personen, die das Gefängnisverfahren durchlaufen haben, aufgrund ihrer laufenden Verfahren, erneut mit Inhaftierung oder Festnahmen konfrontiert werden. Das kann die Behandlungsprozesse stören, die lange Zeit in Anspruch nehmen. Der Behandlungserfolg besteht darin, das Wohlergehen der Klient*innen im körperlichen, seelischen, sozialen und rechtlichen Bereich sicherzustellen, sie in die Lage zu versetzen, die erlebten Traumata zu bewältigen, Folterungen zu dokumentieren und zu melden und ihren Zugang zur Justiz zu gewährleisten.

Sie sind als Menschenrechtsaktivist*innen in der Türkei selbst in Gefahr, Repressionen zu erleben. Wie gehen Sie damit um? Es gibt Zeiten, in denen wir bei unserer eigenen Arbeit einen gewissen Druck verspüren. Wir üben unseren Beruf in einem professionellen Rahmen aus. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass unsere Arbeit nichts Illegales ist, und diese Arbeit wird seit mehr als dreißig Jahren geleistet. Ungünstige Bedingungen erschweren unsere Arbeit ein wenig, aber wir arbeiten dennoch daran, Verstöße zu dokumentieren.

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Welche Unterstützung aus dem Ausland würde Ihre Arbeit leichter machen? Es sollte Druck auf die internationale Öffentlichkeit ausgeübt werden, damit die hier erlebten Verstöße sichtbar werden. Sowohl die finanzielle als auch die beruflich-fachliche Unterstützung von NGOs in der Türkei trägt zur Dokumentation und zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen bei.

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Welche Eindrücke nehmen Sie von Ihrem Besuch in Deutschland mit nach Hause? Es war für uns eine gute Erfahrung, die Aktivitäten und Arbeitsbedingungen der Institutionen hier kennenzulernen. Wir haben Einrichtungen der Flüchtlingsarbeit, Psychotherapiezentren, Ärztekammern und weitere Institutionen besucht. Wir konnten sehen, dass die Tätigkeitsfelder der Institutionen und die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland viel besser und angenehmer sind. Das macht ihre Arbeit nachhaltiger und zugänglicher.

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Welche Sicherheit können Sie ihnen bieten, die hilfreich sein kann? Im Rahmen der Behandlung ist es sehr wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem die Betroffenen sich, ihre Probleme und Grundbedürfnisse äußern können, die richtige Kommunikation zu gewährleisten, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das beginnt schon mit dem ersten Kontakt, das heißt, wenn die betroffene Person uns anruft. In unseren Arbeitsbereichen achten wir auf die Vertraulichkeit persönlicher Informationen, geben das Gesagte nicht an Dritte weiter und stellen sicher, dass der Behandlungsbereich die psychische Gesundheit unserer Klient*innen nicht beeinträchtigt.

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An welchen Fragestellungen sollten wir in Zukunft vertieft zusammenarbeiten? Die Arbeit von Einrichtungen zur psychosozialen Unterstützung in Deutschland zu sehen, wird unsere Arbeit in der Türkei bereichern. Wir hoffen, mit Institutionen, die im Bereich Trauma arbeiten, in Kontakt bleiben und Erfahrungen austauschen zu können.

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40 Jahre IPPNW

Freitag, 17. Juni 2022

Ärztliche Verantwortung für eine Welt in Frieden

19.30 Uhr | Begrüßung Rolf Bader, IPPNW-Regionalgruppe Landsberg am Lech, Grußwort Bürgermeister*in

Kongress der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

19.35 Uhr | Video-Botschaft Prof. Tilman Ruff, Australien (angefragt) Co-Präsident der internationalen IPPNW

17. – 19. Juni 2022 Stadttheater, Schlossergasse 381, 86899 Landsberg am Lech

Programm und Anmeldung: ippnw.de/ bit/40-jahre

19.40 Uhr | Lesung mit Swetlana Alexijewitsch, Literaturnobelpreisträgerin aus der Ukraine Lesung als Video-Botschaft in russisch mit deutschen Untertiteln 20 Uhr | Vortrag Andreas Zumach, Journalist und Buchautor (angefragt) anschließend Diskussion

Samstag, 18. Juni 2022 9.00 Uhr Öffentliche Aktion zum Atomwaffenverbot 10.00 Uhr Atomwaffen? Abschaffen! – IPPNW und Atomwaffen Dr. Lars Pohlmeier Co-Vorsitzender der deutschen IPPNW Dr. Inga Blum, Int. IPPNW-Vorstandsmitglied und Mitglied von ICAN

11.30 Uhr Abrüsten fürs Klima – IPPNW und Frieden Dr. Till Bastian, IPPNWRegionalgruppe Landsberg Dr. Katja Goebbels, IPPNW-Ärztin 14.30 Uhr Für ein Recht auf Gesundheit – IPPNW und Soziale Verantwortung Dr. Eberhard und Jutta Seidel, Mitglieder im ersten frei gewählten Vorstand der DDR-Sektion „Ärzte in sozialer Verantwortung“ Dr. Robin Maitra, IPPNW-Vorstandsmitglied 16.00 Uhr Der Treibstoff für die Bombe – IPPNW und Atomenergie Dr. Barbara Hövener, Gründungsmitglied der IPPNW Deutschland Dr. Angelika Claußen, IPPNWCo-Vorsitzende 17.30 Uhr IPPNW-Studierendenarbeit Sophia Christoph, Clara Blumenroth

Sonntag, 19. Juni 2022 10.00 Uhr | Vortrag Gemeinsam für ein nuklearfreies Europa Dr. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der deutschen IPPNW-Sektion, Präsidentin der IPPNW in Europa anschließend Diskussion 11-12 Uhr | Musikalischer Abschluss

In Memoriam Karl Bonhoeffer | Horst-Eberhard Richter | Hans Peter Dürr


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