Forum 168/2021 – Das Magazin der IPPNW

Page 16

KLIMA

Greenwashing und Lobbyismus auf der UN-Klimakonferenz Für eine gesunde Zukunft ohne Atomenergie!

D

Foto: BI Lüchow-Dannenberg

ie diesjährige UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow hatte etwas von Exklusivität: Die größten CO2-Verursacherstaaten diskutierten größtenteils unter sich – über die Köpfe derer hinweg, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht einreisen konnten: Delegierte und Aktivist*innen aus den am stärksten betroffenen Weltregionen. Erdöl-, Gas- und Kohleindustrie entsandten mehr Vertreter*innen als einzelne Länder. Auch die Atomindustrie betrieb massiv Lobbyarbeit.

Die IPPNW war erstmals mit drei Vertreter*innen auf der COP. Die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen hatte dank der Zusammenarbeit im Bündnis „Don’t Nuke The Climate“ und dem Nuclear Information and Resource Service (NIRS) offiziellen Zugang bekommen. Auf verschiedenen Pressekonferenzen setze sie Akzente zum enormen CO2-Fußabdruck des Militärs sowie der zivil-militärischen Verflechtungen von Atomenergie und Atomwaffen. Über die Medizinstudierendenorganisation IFMSA konnte auch IPPNW-Mitglied Leonie Maier an der Klimakonferenz teilnehmen. Energie- und Klimareferent Paul-Marie Manière berichtete live vor allem über die Lage und Proteste außerhalb des COPGeländes.

Greenwashing „Das ist keine Klimakonferenz, das ist ein globales Greenwashing-Festival“, sagte Greta Thunberg am 5. November in Glasgow. Die Konferenz sei eine „Niederlage“ und „ein PR-Event“. So waren 141 Vertreter*innen allein aus der Atomindustrie auf der COP registriert, wie eine Recherche des unabhängigen Recherchenetzwerks „The Ferret“ zeigt. Insgesamt seien rund 1.000 Repräsentant*innen aus der fossilen Industrie, der Atomindustrie, der Autoindustrie und dem Agrobusiness vor Ort gewesen. Unter dem Slogan „Net Zero needs Nuclear“ sprachen bezahlte Mitarbeiter*innen des Young Generation Network des Nuclear Institute sowohl auf der Klimakonferenz als auch während den großen Demonstrationen gezielt Menschen an, um für Atomenergie Werbung zu machen. Ein Blick auf die Webseite verrät: Gesponsert wird „Net Zero needs Nuclear“ von dem französischen Atomkonzern EDF und dem internationalen Urankonzern URENCO. Offiziell trat die Atomindustrie auf der COP unter dem Dach der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) auf. Auch an den Ständen der Atomwaffenstaaten war die Lobby vertreten. Als eine der wichtigsten Lösungen für eine saubere Zukunft stellten die Vertreter*innen auf dem Panel der IAEO kleine modulare Reaktoren (SMR) vor. Wer sich einmal mit SMRs auseinandergesetzt hat, weiß, dass kleine modulare Reaktoren vor allem für den Antrieb militärischer U-Boote von Atomwaffenstaaten genutzt werden. „Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung, und 16

ohne die militärische Nutzung auch keine zivile Atomenergie“, hatte Emmanuel Macron 2020 beim Besuch der Atomschmiede in Le Creusot gesagt. Wie viele Atomwaffenstaaten drängt Frankreich deshalb auf den Ausbau der Atomenergie und baut immensen Druck auf andere EUStaaten auf, Atomenergie zum Ende des Jahres auf EU-Ebene als nachhaltig einzustufen. Fragen aus dem Publikum waren auf dem Panel der IAEO nicht zugelassen. Die starke Präsenz der Pro-Atom-Lobby auf der COP ist beispielhaft für den Einfluss, den die Industrie inzwischen weltweit auf die Organisatoren der Klimakonferenz hat. Das Bündnis „Don’t nuke the climate“ veranstaltete als Reaktion darauf eine Pressekonferenz unter dem Titel „Warum Atomenergie keine Lösung darstellt“. Angelika Claußen sprach dort neben Teilnehmer*innen aus Südafrika, Australien und Japan für die IPPNW. Ihr Statement: „Nuclear power has no place in a healthy, sustainable future.” Mitschnitt unter: www.youtube.com/c/IPPNWgermany

Abrüsten fürs Klima Neben dem Kampf gegen die Atomenergie nutzte die IPPNW die COP, um Kontakte zum internationalen Netzwerk der Friedens- und Klimabewegung aufzubauen und zu verfestigen. Gemeinsam forderten sie, den CO2-Fußabdruck des Militärs zwingend in die jährlichen Klimaberichte an das UNFCCC einfließen zu lassen. Ohne die genaue Erfassung der Emissionen von Rüstungsindustrie und Militär könne keine ernsthafte Klimapolitik betrieben werden. Die geforderte Transparenz sei die Voraussetzung dafür, dass der hohe CO2- und Ressourcenverbrauch des Militärs sowie die Zerstörungskraft der eingesetzten Waffen von der Klimabewegung überhaupt in den Blick genommen werden können. An einem Aktionstag im Rahmen der COP


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.