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Gut vorbereitet in die Wintersportsaison

Die Schweiz ist eine Wintersportnation –doch die vielfältigen Aktivitäten im Schnee haben ihre Tücken. Daher lud die Rega am 25. Oktober 2024 zum 1. Pistenrettungsforum ins Verkehrshaus Luzern.

Bei Sonnenschein die verschneiten Pisten auf Skiern respektive mit dem Snowboard hinunterfahren oder eine Schlittenpartie machen – was gibt es Schöneres? Rund 3,2 Millionen Personen pilgern im Winter zum Schneesport in die Berge. Die Schattenseite der Lust: Jedes Jahr gibt es dabei viele Unfälle. Laut den Statistiken der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu verletzen sich jedes Jahr rund 52’000 in der Schweiz wohnhafte Personen beim Skifahren, 9’000 beim Snowboarden und weitere 6’000 beim Schlitteln. Zählt man die verletzten Touristen dazu, verunfallen jährlich gegen 87’000 Personen in den Schweizer Bergen. Bedenkt man, dass nur fünf Monate im Jahr Skisaison ist, bedeutet das: Alle zwei Minuten verletzt sich hierzulande ein Mensch beim Wintersport!

Pistenpatrouilleure, hier beim Einweisen eines Helikopters vom Typ «Da Vinci», sind für die Rega unverzichtbare Partner – und werden auch von der Rega ausgebildet.
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87’000 Unfälle, Hunderte Millionen Kosten –und bis zu 2’000 Rega-Einsätze pro Jahr

Die Mehrzahl der Verletzungen geschieht bei Selbstunfällen, wobei Ablenkung, Selbstüberschätzung, zu hohe Geschwindigkeit, mangelnde körperliche Fitness oder schlechte Ausrüstung die Hauptursachen für Unfälle sind. Neben Schulter und Kopf sind Knie, Unterarme und Hände bei Wintersportverletzungen am häufigsten betroffen. Der wirtschaftliche Schaden der Unfälle ist exorbitant: Je nach Statistik und berücksichtigten Kosten ist von knapp 300 bis zu rund 600 Millionen Franken jährlich die Rede.

In rund einem bis zwei Prozent der Fälle sind die Verletzungen derart gravierend, dass die Schweizerische Rettungsflugwacht aufgeboten wird. Das klingt in Prozenten ausgedrückt nach nicht viel – doch in absoluten Zahlen sieht es anders aus: Je nachdem wie schnee­ und sonnenreich eine Wintersaison ist, müssen die Einsatzkräfte der Rega jährlich bis zu 2’000 Mal ausrücken, um verletzte Wintersportler zu bergen, medizinisch zu versorgen und ins nächstgelegene Spital zu fliegen. An besonders schönen Tagen, an denen es in den Skigebieten nur so wuselt vor Gästen, sind in grossen Skiarenen wie Arosa­Lenzerheide 12 bis 15 Einsätze täglich keine Seltenheit!

Full House bei der Erstauflage: Rund 200 Pistenretter aus dem ganzen Land strömten zum 1. Pistenrettungsforum der Rega ins Verkehrshaus Luzern.
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Pistenrettung und Rega arbeiten eng zusammen

Der Entscheid darüber, ob eine verletzte Person mit dem Schlitten (Ackja) ins Tal transportiert und danach mit dem Rettungswagen ins Spital überführt wird oder ob die Rega für eine Luftrettung aufgeboten wird, obliegt im Regelfall den Pistenrettern des jeweiligen Skigebiets. Patrick Sieber, Leiter Partnerausbildung bei der Rega: «Bei Unfällen auf Skipisten sorgen die Patrouilleure der SOS ­Pistenrettungsdienste für eine erste Triage. Sie sind es auch, die aufgrund der Verletzung entscheiden, ob es einen Rettungshelikopter braucht oder nicht, und die Erste Hilfe bis zum Eintreffen der Rega­ Cr ew leisten.»

Wird ein Helikoptertransport durch die Rega angefordert, sichern die Pistenpatrouilleure den Landeplatz und sorgen durch entsprechende Kommunikation mit der Helikoptercrew sowie entsprechende Einweisung dafür, dass die RegaCrew sicher und möglichst nahe beim Patienten landen kann. Entsprechend werden die Pistenpatrouilleure von der Rega nicht nur bezüglich des Handlings medizinischer Notfälle ausgebildet, sondern, im Rahmen von praktischen Übungen, auch hinsichtlich der sicheren und effizienten Kooperation mit den Crews der Rega – weshalb diese Zusammenarbeit im Rahmen der Ausbildung der Pistenretter gemeinsam trainiert wird. Patrick Sieber: «Die Pistenrettungsdienste im ganzen Land sind für die Rega unverzichtbare Einsatzpartner. Nicht nur bei der Alarmierung, sondern gerade auch im Einsatz sind die Helikoptercrews auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit den Pistenpatrouilleuren angewiesen. Diese kennen die Örtlichkeiten wie ihre Westentasche – und wissen dank ihrer Ausbildung durch die Rega um die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der von der Rega eingesetzten Rettungshelikopter.»

Der neue Airbus H145-D3 bedingt andere Flugtaktiken und Abläufe wie der bisher oft genutzte Gebirgshelikopter «Da Vinci».
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Ein Forum für die Pistenrettung und mit ihr

Und genau an diesem Punkt gibt es wichtige Neuerungen: Die Rega ist dabei, ihre Helikopterflotte zu modernisieren. Sie steigt auf den neuen Airbus H145 ­D3 mit Fünfblattrotor um. Diesen aber kennzeichnen einige markante Unterschiede zum bisher in Wintersportgebieten häufig eingesetzten Gebirgshelikopter «Da Vinci». Während Letzterer mit drei Rädern aufwartet, vergleichsweise klein und leicht ist und von der Seite beladen wird, ist der Airbus­Helikopter mit Kufen ausgerüstet, gross, leistungsstark und daher schwerer. Zudem ist er mit einer Hecktüre ausgestattet. Patrick Sieber erklärt: «Der neue Airbus H145 ­D3, der in den nächsten zwei Jahren auf allen Einsatzbasen eingesetzt werden wird, verändert einige Abläufe in der Zusammenarbeit mit den Pistenpatrouillen und wirft auch konkrete Fragen auf, die wir beantworten möchten.»

Beispiele für diese Fragen sind: Wie «schräg» respektive geneigt darf ein potenzieller Landeplatz für den Airbus H145 ­D3 sein? Was muss beachtet werden, wenn die verletzte Person von hinten statt seitlich in den Helikopter eingeladen wird? Wie ändert sich die Strategie der medizinischen Versorgung am Unfallort, wenn im Helikopter deutlich mehr Platz für entsprechende Massnahmen vorhanden ist? Worauf müssen die Pistenretter besonders achten, wenn sie eine Crew im Airbus H145 ­D3 am Unfallort respektive am Landeplatz einweisen?

Damit solche Fragen möglichst mit allen Pistenrettern gleichzeitig erörtert und geklärt werden können, entschied sich die Rega dazu, erstmals ein Pistenrettungsforum durchzuführen, erklärt Patrick Sieber: «Ziel der Veranstaltung war, Einblick zu geben in spezifische Themen rund um die Pistenrettung und die Rega sowie die gleichzeitige Förderung des gegenseitigen Verständnisses und des fachlichen Austauschs.»

Ein Konzept, das bei den Partnern von der Pistenrettung sehr gut ankam, wie die grossartige Resonanz belegt. «Rund 200 Mitglieder von Pistenrettungsdiensten aus der gesamten Schweiz sind angereist und haben die neue Plattform genutzt. Das hat uns sehr gefreut», sagt Patrick Sieber.

Während der Wintersaison geschieht in den Skigebieten durchschnittlich alle zwei Minuten ein Unfall.
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Austausch über medizinische Themen

Der Tag in Luzern wurde nicht nur genutzt, um den neuen Rega­Helikopter sowie Aktuelles aus der Partnerausbildung zu präsentieren sowie Einblicke hinter die Kulissen der Rega ­Helikopter ­Einsatzzentrale zu geben, sondern auch um vielfältige weitere für die Pistenrettung zentrale Themen zu beleuchten. So standen am Nachmittag medizinische Themen wie die Komplexität der Schulterluxation, das Knietrauma oder Besonderheiten, Tipps und Tricks bei der Erstversorgung von beim Wintersport verunfallten Kindern auf dem Programm.

Auch die Digitalisierung kann hilfreich sein

Sehr spannend war auch der Beitrag «Digitalisierung in der Pistenrettung» von Georg Hauzenberger, CEO von sureVIVE, welche die Alarmierungs­ und Lagebildlösung «Momentum Pro» vertreibt, und Romano Meier, Bereichsleiter des Pisten­ und Rettungsdienstes im Skigebiet Arosa­Lenzerheide. Sie zeigten einerseits auf, wie die Rettung in dem riesigen Gebiet Arosa­Lenzerheide organisiert ist – im Sommer mit einzelnen Patrouilleuren, im Winter besonders intensiv, eigene Pistenrettungszentrale inklusive. Andererseits beleuchteten sie, welchen Beitrag dabei die digitale Software ­as­a ­Service ­Lösung «Momentum Pro», die auch von der Alpinen Rettung Schweiz eingesetzt wird (siehe BLAULICHT 04 ­20 24), leisten kann.

Erfreulich dabei war, dass alle enttäuscht wurden, die eine reine Marketing­Pr äsentation befürchteten. Im Gegenteil zeigten die beiden Redner auf, in welchen Szenarien digitale Tools echte Mehrwerte bescheren – und wann es noch immer effizienter ist, einfach den guten alten Funk zu nutzen. Dabei wurde klar: Was für First Responder im Tal sinnstiftend ist, ist auch für Pistenpatrouilleure, die grundsätzlich sehr ähnlichen Funktionen erfüllen und vergleichbar ausgebildet sind, eine Bereicherung.

Fazit: Einmalig – und wann wieder?

Mit der Organisation des 1. Pistenrettungsforums hat die Rega einen Volltreffer gelandet. Sie hat weit mehr erreicht als nur einen Austausch über die Notwendigkeiten, die der Umstieg auf einen neuen Helikoptertyp mit sich bringt. Vielmehr ist es gelungen, eine nationale Plattform ins Leben zu rufen, auf der die Pistenrettungsdienste aus der ganzen Schweiz zusammenkommen und sich austauschen können. So wird die bereits heute ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Rega weiter vertieft und der interkantonale Austausch zwischen den Akteuren angestossen, gefördert und intensiviert.

In den kommenden Wochen wird die Rega die Rückmeldungen der Forumsgäste auswerten. Dann wird entschieden, ob und in welcher möglicherweise adaptierten Form es wieder ein Pistenrettungsforum geben wird. «So oder so sind und bleiben wir aber in stetigem Austausch – nicht zuletzt im Rahmen der Ausbildung der Pistenpatrouilleure, unserer unverzichtbar wichtigen Partner – nicht nur in den Wintermonaten», verspricht Patrick Sieber.

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