10 minute read

3b. Konstantin im Westreich

Next Article
11. Index

11. Index

kranz, das vierte eine Largitionsschale mit mittlerem Emblem (S.). In den beiden oberen Porträtmedaillons tragen die Herrscher über der Tunika einen Mantel (paludamentum) mit einer Fibel auf der rechten Schulter, im untersten die Toga. An dieser zivilen Bekleidung sind die beiden im Jahre 305 zurückgetretenen Augusti zu erkennen, am Größenunterschied der Vorrang Diocletians vor Maximian. In den oberen Medaillons erscheinen die bis 306 regierenden Herrscher; auch hier sind die Augusti größer dargestellt als die Caesares.

Die beiden beim vierten Kreuzzug im Jahre 1204 aus Konstantinopel nach Venedig entführten Reliefpaare von tetrarchischen Herrschern aus Porphyr besitzen im Hintergrund Reste von 10–12 m hohen Säulen, mit denen die Figuren aus einem Stück gearbeitet wurden (Abb.18). Die Säulen dürften dicht über den Tetrarchenskulpturen die Statuen von Jupiter und Hercules getragen haben. Ähnlich wie bei erheblich kleineren Herrscherpaaren im Vatikan ist jeweils ein Augustus mit einem etwas jüngeren Caesar vereinigt. In Istanbul wurde die in Venedig fehlende Ecke einer Konsole mit einem Fuß gefunden, es ist jedoch nicht bekannt, aus welcher Residenzstadt die Säulen mit Skulpturen in die neue Stadt Konstantins geholt wurden. Ihre Herstellung in Ägypten, dem Ursprungsland des Porphyrs, ist sicher. Bei Gelegenheit der Aufstellung auf dem Philadelphion in Konstantinopel scheint man den jeweils linken Figuren grobe Bärte eingeritzt zu haben. Die vier Herrscher tragen über dem Panzer einen reich geschmückten Gürtel und den von einer Zwiebelknopffibel gehaltenen Mantel. Mit der Rechten ergreifen sie den als Adlerkopf gestalteten Griff ihres Schwertes. Die Löcher zur Befestigung von Schmuck an der flachen, runden Fellkappe (pileus pannonicus) könnten später angelegt worden sein. Die Skulpturen werden meist als die Kaiser der ersten Tetrarchie identifiziert (293–305), doch kommen auch die Herrscherkonstellationen von 306 oder 308 in Frage (S.).Da Maxentius, der Sohn Maximians, bei den Regierungsbildungen der Jahre 293, 305 und 306 nicht berücksichtigt wurde (S.), eignete er sich 306 als Usurpator die Herrschaft in Rom an. Das bedeutendste Bauwerk seiner Regierungszeit war eine Basilika am Forum Romanum von ca. 90m Länge, deren Längsrichtung parallel zur Heiligen Straße (via sacra) verlief (Abb.19). Vom Eingang im Osten blickte man durch das Mittelschiff zu einer Apsis im Westen, in und vor der sich öffentliche und offizielle Ereignisse wie Ansprachen und Gerichts- oder Geschäftsverhandlungen abspielten, möglicherweise auf einer Tribuna lokalisiert. Der Bau unterschied sich vom gewohnten Typus der Basilika mit hölzernem Dachstuhl und gleichgerichteten, durch Säulenreihen von einander getrennten Längsschiffen. Maxentius ließ mit großem Aufgebot von Ziegelmaterial über dem Mittelschiff drei aneinandergereihte, ca. 35 m hohe Kreuzgratgewölbe errichten. Für diese wäre eine Lastabtragung über längsgerichtete Seitenschiffe nicht möglich gewesen; sie erfolgte daher auf jeder Seite über die Auflager von drei quergelagerten Tonnengewölben, von denen die nördlichen erhalten blieben (Abb.20). Die Anregung für eine so große Halle mit drei Kreuzgratgewölben könnte vom größten Raum der Thermen Diocletians stammen – den Michelangelo im 16. Jh. in eine Kirche verwandelte (heute S. Maria degli Angeli).

3b. Konstantin im Westreich

Abb.21. Rom, Hof des Kapitolinischen Museums, Inv. 1622. Kopf der kolossalen Sitzstatue Konstantins aus der Maxentiusbasilika, Marmor, Höhe ca. 2,97 m, vom Scheitel bis zum Kinn 1,74 m. Die Apsis der Maxentiusbasilika war ursprünglich nicht für ein großes Götter- oder Herrscherbild bestimmt, da sich unter ihr ein Keller befindet. Nach dem Sieg über Maxentius wollte sich Konstantin den Römern in diesem bedeutenden Bau in einem monumentalen und göttergleichen Kaiserbild präsentieren. Technisch möglich war dies, weil man eine größtenteils hohle Sitzfigur entwarf, die in der Apsisrückwand verankert wurde und bei der nur der Kopf, ein Teil der Brust, die Arme und die Beine aus parischem Marmor gefertigt waren (Abb.21). Der Fundort von Fragmenten und eine Notiz in einer Zeichnung von Francesco di Giorgio Martini (1439–1502) sichert den Aufstellungsort in dieser Apsis. Da diese nun nicht mehr für die Tribuna zur Verfügung stand, ließ Konstantin an den mittleren Nebenraum der Nordseite eine neue Apsis anbauen und ihr gegenüber an der Südseite der Basilika einen weiteren großen Eingang errichten.

Die Haltung des thronenden Kaisers entsprach dem Darstellungsschema des höchsten Staatsgottes Jupiter. So trug er lediglich einen Mantel über dem sonst nackten Körper. Seine rechte Hand umfasste einen stabförmigen Gegenstand, wohl eine Lanze. Wegen der Darstellung des Kaisers als Jupiter ist es unwahrscheinlich, dass eine spätere Nachricht in der Kirchengeschichte des Eusebius (IX 9,10 f.) über ein christliches Zeichen in der Hand Konstantins sich auf dieses Denkmal bezog. Im frühen 4. Jh. sah man

den Kopf Konstantins von unten in mehr als 10 m Höhe, was die distanzierte Unbewegtheit des Gesichts noch verstärkte. Der Blick ist nach oben und nach links gerichtet und erzeugt einen zusätzlichen Ausdruck von Unnahbarkeit. Der ganze Kopf war nach links gewendet, also nicht zum Eingang, sondern nach Norden. Doch könnten diese Richtungsbezüge bereits auf die Erstverwendung der Skulptur zurückgehen, denn dieser Kopf ist wie alle übrigen Marmorporträts Konstantins das Ergebnis der Überarbeitung eines früheren Kaiserporträts oder Götterbildes. Spuren einer Erstverwendung wurden vor allem beim Studium der Haare entdeckt, die über der Stirn von beiden Seiten in kleinen gebogenen Locken bis zu einer ovalen Mittellocke geführt sind. Darüber war ein Kranz angesetzt. An den Seiten waren die Haare üppiger und auch vor den Schläfen waren mit Hilfe von Dübellöchern weitere Locken angesetzt.

Nach Konstantins Sieg über seinen Konkurrenten Maxentius im Jahre 312 widmete ihm der römische Senat in der Nähe des Kolosseums einen dreitorigen Ehrenbogen (Abb.22). Dieser befindet sich über der Straße, die Konstantin und seine Truppen beim Einzug in Rom am Circus Maximus vorbei zum Ostende

Abb.22. Rom, Konstantinsbogen, Südseite.

Abb.23. Nordseite. des Forums führte. Das Denkmal ist noch heute eindrucksvoll, doch fehlt der bekrönende Skulpturenschmuck. Die auf beiden Hauptseiten des Bogens wiederholte Widmungsinschrift lautet: »Dem Imperator Caesar Flavius Constantinus, dem größten, frommen und glückbringenden Augustus, haben Senat und Volk von Rom diesen durch Triumphe (oder: Triumphdarstellungen) ausgezeichneten Bogen geweiht, weil er durch Eingebung einer Gottheit und die Größe seines Geistes mit seinem Heer den Staat gleichzeitig am Tyrannen und an seiner ganzen Anhängerschaft in gerechtem Krieg gerächt hat.« Der Name der erwähnten Gottheit ist nicht genannt. Ähnlich unbestimmt äußerte sich ein Redner im Jahre 313 (Panegyrici latini XII 2,4). Weitere Inschriften VOTIS X – VOTIS XX und SIC X – SIC XX erinnern an die erfüllten Opfergelübde (vota soluta) für zehn (X) Regierungsjahre und an die neu geleisteten Gelübde (vota suscepta) für die erhoffte glückliche Zeit bis zum zwanzigsten Jubiläum (XX). Das zehnjährige Regierungsjubiläum (decennalia) Konstantins wurde 315 gefeiert. Da die Votainschriften sich über den hadrianischen Jagddarstellungen mit Konstantin- und Liciniusporträts befinden, könnten sie auch für die vorgezogenen Decennalien des Licinius gelten (S.). Aus der Bauzeit des Bogens stammt vor allem ein

Abb. 24. Detail: Relief mit Einzug in Rom, darüber Medaillon mit Sonnengott Sol.

Abb.25. Detail: Relief mit Ansprache Konstantins auf dem römischen Forum.

Abb.26. Detail: Sockelrelief (Nordseite).

Abb.27. Skizze zur Ausrichtung des Bogens auf die kolossale Solstatue des Nero.

Relieffries mit Darstellungen des Aufbruchs der Truppen Konstantins, der Belagerung Veronas, des Sieges an der Milvischen Brücke und des Einzugs in Rom, außerdem einer kaiserlichen Ansprache und Geschenkverteilung (Abb.24–25 ). Gleichzeitig entstanden die Rundbilder von Sonne und Mond auf den Nebenseiten, dynastische Reliefs in den seitlichen Durchgängen, Victorien und Jahreszeiten in den Bogenzwickeln und die Sockelreliefs mit Victorien, Soldaten und besiegten Barbaren (Abb.26). Im konstantinischen Fries sind die einmaligen Ereignisse auf der West-, Süd- und Ostseite durchgehend in Seitenrichtung nach rechts dargestellt. Dagegen sind die beiden Relieffelder auf der Nordseite zentralsymmetrisch angeordnet (Abb.23). Hier erscheint Konstantin jeweils in der Bildmitte in frontaler Wiedergabe bei Anlässen, die im Frieden ständig wiederkehren konnten: als Redner auf dem Forum Romanum und bei der Verteilung von Geschenken an die Bevölkerung. Die Rednertribüne ist an den Seiten mit sitzenden Figuren von Kaisern des 2. Jhs. geschmückt; sie wird durch das Fünfsäulendenkmal der Tetrarchen im Hintergrund auf dem Forum lokalisiert. Konstantin konnte im Jahre 312 keinen Triumph feiern, da Maxentius und seine Truppen keine äußeren Feinde des Reiches waren. Beim Einzug in Rom steht er daher nicht im Triumphwagen, sondern sitzt mit einer Buchrolle in der Hand in einem Reisewagen. Seine Truppen führen auch nicht die für Triumphzüge typischen Details mit: Kriegsbeute, Gefangene und den Stier für das Jupiteropfer auf dem Kapitol.

Der Bogen weist deutliche Beziehungen zum Sonnengott auf. Auf seiner Ostseite ist der Einzug Konstantins in Rom unter dem Rundbild mit der Auffahrt Sols angeordnet. Mit dem Sonnenaufgang beginnt ein neuer Tag, mit Konstantins Einzug beginnt ein neuer Abschnitt der Geschichte Roms. Sol erscheint auch als Feldzeichen beim Aufbruch der Truppen Konstantins und als Reliefbüste neben Herrscherbildern in den seitlichen Durchgangsreliefs. Außerdem weicht der Bogen in seiner Richtung vom Straßenverlauf ab und ist auf die Kolossalstatue des Sonnengottes ausgerichtet, die von Nero errichtet und von Hadrian vor die Fassade des Venus- und Romatempels versetzt worden war (Abb.27).

In zwei großen Reliefs, die im Hauptdurchgang des Bogens eingesetzt sind, war ursprünglich Kaiser Trajan (98–117) im idealisierten Kampf und feierlicher Rückkehr nach Rom dargestellt. Doch wurden die Porträts Trajans gegen die Konstantins ausgetauscht und die Reliefs durch Widmungen auf Konstantin bezogen: »Dem Befreier der Stadt« und »Dem Be-

Abb.28. Rom, Kapitolinische Museen, Inv. FT 10337. Kopf Konstantins aus dem Trajansforum, Marmor aus Luni, Höhe 59 cm, vomScheitel bis zum Kinn 43,5 cm.

Abb.30. Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung, Inv. 30931. Gemme (Intaglio) mit Porträt Konstantins I., dunkelvioletter Amethyst, beide Seiten konkav, Höhe 3,7 cm, Breite 2,75 cm, Dicke 1,48 cm.

Abb.29. Belgrad, Nationalmuseum. Inv. 79/IV. Konstantinsporträt aus Nie. Bronze, Vergoldungsspuren, Höhe 36 cm, Oberfläche angegriffen. gründer des Friedens«. Wie diese Reliefs besteht der Hauptteil des Bildschmucks aus wiederverwendetem Material (spolia) des 2. Jhs. und stammt von Denkmälern Trajans, Hadrians und Mark Aurels. Zwischen den Spolien und den Reliefs von 315 besteht ein erstaunlicher stilistischer Kontrast, auf den in der Neuzeit zuerst Künstler des 16. Jhs. hinwiesen. Die konstantinischen Reliefs galten ihnen als Zeugnisse künstlerischen Niedergangs der Spätantike. Erst seit dem vorigen Jahrhundert wird versucht, die Abwendung von klassischen Formen und Darstellungsgesetzen auch positiv als Wahl neuer Ausdrucksmittel zu sehen und die propagandistisch-expressiven Qualitäten in der kompositionellen und stilistischen Naivität spätantiker Arbeiten zu würdigen. Die Verwendung umfangreicher Spolienzyklen des 2. Jhs. wirft allerdings Fragen auf. Wollte der römische Senat auf diese Weise Zeit und Geld sparen, um den Bogen möglichst früh einweihen zu können? Waren die Römer im frühen 4. Jh. nicht in der Lage, für das Monument von zeitgenössischen Künstlern eine eigenständige Gesamtausstattung herstellen zu lassen? Oder vermieden sie dies ganz bewußt, um Konstantin in die Tradition hochgeschätzter Kaiser des 2. Jhs. zu stellen? Wurde Konstantin durch die Inbesitznahme der Spolien wie ein neuer Trajan, Hadrian oder Mark Aurel erhöht? Oder wurde durch die Aktualisierung der Kaiserporträts ihr Andenken ganz gelöscht? Hat Konstantin ihnen durch die Aneignung ganzer Bilderserien ihre Identität gestohlen? Konnten die Römer die stilistischen Unterschiede zwischen den Reliefs des 2. und des 4. Jhs. überhaupt erkennen, zumal in einer Angleichung durch die heute fehlende Bemalung? Der überlebensgroße Kopf Kaiser Konstantins, der 2005 in einem Abwässerkanal des Trajansforums gefunden wurde, stammt von einer Statue von ca. vier Meter Höhe (Abb.28). Denselben frühen Porträttypus zeigen neben dem Kollossalkopf Konstantins aus der Maxentiusbasilika (Abb.21) auch die überarbeiteten Porträts des Kaisers in den hadrianischen Rundbildern mit Jagddarstellungen am Konstantinsbogen. Beim neu gefundenen Kopf sind von den Haaren über der Stirn nur die typischen parallel zur Mitte gebogenen Locken erhalten, das mandelförmige Mittelmotiv fehlt. Ansatzspuren auf der Stirn lassen auf die Anbringung eines Kranzes schließen, der möglicherweise später durch ein Diadem ersetzt wurde, wie es der Kaiser seit 325/26 trug. Sein Kopf mit unsympathisch wirkender, breiter Kieferpartie ist leicht zu seiner rechten Seite gedreht, die großen Augen blicken nach oben, also über die Betrachter hinweg in die Ferne. Konstantin war der zweite, möglicherweise sogar der dritte Kaiser, den das Objekt darstellen sollte. Hierfür wurde das Gesicht stark vertieft und neu gestaltet. Die typische Nase des Kaisers musste allerdings eigens angesetzt werden. Ein Bronzekopf Konstantins, der zu einer Panzerstatue gehörte, wurde in Naissus (Nič/Serbien) gefunden, dem Geburtsort des Kaisers (Abb.29). Der Kopf ist nach links gedreht, der Blick etwas nach oben gerichtet. Das doppelte Perlendiadem lässt auf eine Entstehung nach 324/25 schließen, auch Münzdarstellungen östlicher Prägung von 325–339 sind dem Porträt ähnlich. Bei den zur Mitte gekämmten Haarsträhnen unter dem Diadem berühren sich jeweils zwei Strähnen an den Spitzen. Dem Fundort entsprechend wird dieses Porträt einer provinziellen Werkstatt zugeschrieben, auf die eine deutliche Vereinfachung der Details zurückgeht.

Ein Konstantinsbild höchster Qualität ist in einen Amethyst in Berlin eingeschnitten (Abb.30). Die Büste des Kaisers ist in einer nach links gerichteten Profilansicht dargestellt. Der Steinschneider hat die Haare und die Augenbraue matt gelassen, alles andere glänzend poliert. Über den typischen parallelen Haarsträhnen liegt ein Perlendiadem mit eckigem Mitteljuwel. Auf der nackten Schulter ist ein Mantel mit Fibel angedeutet. Die Datierung entspricht dem Bronzeporträt in Belgrad (Abb.29). Wegen seiner dem kaiserlichen Purpur ähnlichen Farbe wurde Amethyst traditionell für Herrscherbilder verwendet. Das Intaglio (S.) erzeugt als Siegel ein erhabenes Bild.

This article is from: