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An der Covid-Front: KSB-Mitarbeitende berichten
Erfahrungen, Erlebnisse Erkenntnisse
Hier kommen KSB-Mitarbeitende, die Covid-Patienten betreut und behandelt haben, zu Wort. Sie erzählen, was sie gefreut und geärgert hat, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten, was sie motivierte und aufbaute.
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JOSIP KRNJAK DIPL. PFLEGEFACHMANN MBV
Die grösste Herausforderung stellte für mich die Ungewissheit dar. Zu Beginn der Krise wussten wir nicht, was die idealen Schutzmassnahmen sind. Die Standards wurden fast täglich aktualisiert. Aufgrund des Besuchsverbots war die Kommunikation mit den Angehörigen schwierig. Ein Aufsteller waren immer wieder die freudigen Gesichter der geheilten Patienten, die wir nach Hause entlassen konnten.
KARSTEN RICHTER LEITER PFLEGE INZ, IMC, IDIS
Im «normalen» Spitalalltag vergessen wir sehr schnell, wie wichtig qualitativ und spezifisch sehr gut ausgebildetes Personal ist. Wenn wir uns den komplexen Krankheitsverlauf unserer Patienten, die mit Covid-19 im KSB behandelt wurden, anschauen, sehen wir auch, dass dieses Personal nicht zu ersetzen ist und man an diesem auch in der Zukunft nicht sparen sollte.
Mit der richtigen Einstellung ist auch unter schwierigen Bedingungen ein erfolgreiches Lernen möglich. Dies haben unsere Studierenden während der Corona-Zeit zur Genüge bewiesen! Mein schönstes Erlebnis? Als ein Patient, der neun Tage intubiert gewesen war, unmittelbar nach dem Entfernen des Beatmungsschlauches vor Freude zu weinen begann und sich für die Behandlung bedankte.
ANKE STRAUCHMANN STATIONSLEITERIN 122
Von einem Tag auf den anderen wurde der ganze 12. Stock abgeriegelt und in eine Covid-Station umgewandelt. Diese Abschottung hat den einen oder anderen Mitarbeitenden anfangs schon erschreckt. Dazu kam, dass wir während der gesamten Schicht einen Schutzmantel sowie FFP2-Masken tragen mussten. Der Gang zur Toilette, das Ein- und Ausschleusen von Mitarbeitenden, das Maskenmanagement, die Händedesinfektion – all diese Umstellungen stellten grosse Herausforderungen dar. «Not macht erfinderisch», könnte man dazu sagen.
ANDREA STRITTMATTER BERUFSBILDNERIN PFLEGE IDIS
Eine der grössten Herausforderungen bestand für mich darin, den Überblick zu behalten. Wir hatten sehr viele tatkräftige Helfer, wofür wir sehr dankbar waren. Es war jedoch schwierig, bei pulmonal instabilen Patienten Tätigkeiten abzugeben. Sehr belastend waren auch die vielen Angehörigengespräche. Die Vorstellung, wie es ihnen am Telefon ergeht, war teilweise sehr schwer. Man konnte ihnen gar nicht das bieten, was sie eigentlich brauchten.
URSINA SCHMID OBERÄRZTIN IDIS
Die Ungewissheit stellte für mich die grösste Herausforderung dar. Aufgrund der Nachrichten aus Italien mit der unglaublichen Anzahl Erkrankter und den fehlenden Ressourcen mussten wir uns auf mögliche ethische Entscheide und Abweichungen von unseren üblichen Behandlungskonzepten gefasst machen. Diese Gedanken befand ich als beängstigend. Umso mehr schätze ich es, dass wir nicht in diese Lage gekommen sind. Herausfordernd war zudem die soziale Isolierung. Das Leben nur zwischen Zuhause und Arbeit, ohne direkten Kontakt zu Freunden und Familie, erschwerte den Umgang mit der Ungewissheit.
PATRICIA STÖCKLIN LEITENDE ÄRZTIN IDIS
Für mich gab es nicht ein schönstes Erlebnis, sondern viele sehr positive Erlebnisse. Sei es mit Patienten, die sich anfangs in einem sehr kritischen Zustand befanden und dann nach Hause gehen konnten, oder auch Situationen mit Angehörigen, die wir via Facetime regelmässig über den Verlauf informiert haben und so trotz Besuchsverbot eine gewisse «Nähe» schaffen konnten. Sehr schön fand ich auch die Geste von einzelnen Chef- und Leitenden Ärzten anderer Disziplinen, die bei uns vorbeigekommen sind, um uns ihre Hilfe anzubieten.
TIM-OLIVER KNESCHKE LEITENDER ARZT IDIS
Zu Beginn der Pandemie herrschte eine grosse Unsicherheit in Bezug auf das Ausmass und die Gefährlichkeit für jeden einzelnen, die vom Coronavirus ausging. Mich hat überrascht, was für eine immense psychische Belastung diese Unsicherheit bewirkte. Dies konnte ich nicht nur an mir selbst, sondern auch an allen Kollegen beobachten. Dies legte sich zum Glück mit der zunehmenden Erfahrung im Umgang mit Coronapatienten wieder, sodass eine neue Art von Normalität einkehrte. Die Intensität der psychischen Belastung hat mich überrascht und gezeigt, dass diese schnell unterschätzt wird. Alle schienen gut zu funktionieren, aber schlussendlich sind wir keine Maschinen.
SARAH STEGER DIPL. PFLEGEFACHFRAU IMC
Am meisten überrascht hat mich, dass eine Situation, wie man sie nur aus dem TV kennt, auch bei uns wahr werden kann. Der Umgang mit der grossen allgemeinen Unsicherheit und die ständigen Änderungen der Isolationsmassnahmen stellten für mich die grösste Herausforderung dar.
PATRICK LEUTE STATIONSLEITER PFLEGE IDIS
Zu Beginn hat mich am meisten erstaunt, wie «geschockt» viele Mitarbeitende reagierten, als die Covid-Krise uns erreicht hat – obwohl doch in den Medien schon seit Wochen fast nur noch über dieses Thema berichtet wurde. Erst als wir die erste Trennwand bauten und in den Büroräumen zusätzliche Kojen entstanden, wurde wirklich allen bewusst, was uns bevorsteht. Positiv überrascht hat mich, wie administrativ und organisatorisch unkompliziert es laufen kann, wenn es muss. Oft reichte ein Telefonat oder eine E-Mail, um etwas Wichtiges zu organisieren.
SABRINA HARDMEIER KLINISCHE FACHSPEZIALISTIN
Zusammen sind wir stark! Das ist für mich die wichtigste Erkenntnis aus der Covid-Krise. Dass wir es im KSB geschafft haben, den Betrieb so schnell umzustellen, hat mich positiv überrascht.
ANDREA BUSSLINGER DIPL. PFLEGEFACHFRAU IMC
Ein junger Patient, der auf der IDIS zwei Wochen lang beatmet worden war, wurde nach der Extubation zu uns auf die IMC verlegt. Ich kannte ihn persönlich als Lehrer meiner Tochter. Kurz vor seiner Covid-Erkrankung hat er ein Lied geschrieben. Ich wollte ihm dieses Lied als Aufsteller gerne abspielen. Aber ich durfte mein Handy nicht in die Isolationszone mitnehmen. Also haben meine Kolleginnen mitgeholfen: Als ich bei ihm am Bett stand, haben wir mit seinem Patiententelefon ins Stationsbüro angerufen, von wo aus meine Kollegin das Lied abgespielt hat. Der Patient war überrascht und emotional berührt. Er war nicht der einzige, der in diesem Moment anfing zu weinen.
SENTA HUG DIPL. EXPERTIN IDIS I.A.
Eine der grössten Herausforderungen bestand für mich darin, mit der vorgegebenen Schutzkleidung zu arbeiten. Die kleinste körperliche Anstrengung in der Covid-Zone bereitete teilweise grosse Mühe. Auch schmerzte die FFP-Maske und hinterliess Druckstellen. Vor allem der Nachtdienst mit der kombinierten Müdigkeit wirkte sich auf die Konzentrationsfähigkeit des gesamten Teams aus. Anstrengend empfand ich ebenfalls, dass Corona das tägliche Hauptthema bei der Arbeit darstellte und dies auch im Privatleben kein Ende fand.
ANDRES HÖCHLI ASSISTENZARZT IDIS
Eine der eindrücklichsten Erkenntnisse der Corona-Krise ist, wie innert kürzester Frist dank des nicht selbstverständlichen Einsatzes und Mehraufwands des gesamten Personals nahe an der Belastungsgrenze die Kapazitäten auf dem Notfall, der IMC, den Abteilungen und vor allem auf der Intensivstation auf zuvor unvorstellbare Kapazitäten ausgebaut wurden. Ich hoffe, dass nicht nur für mich diese Erkenntnis über die Relevanz des Gesundheitspersonals anhält. Vielleicht bleiben Applaus und Znüni-Spenden für Arbeiternehmer in der Grundversorgung dann langfristig nicht der einzige Dank.
François Fontana, ärztlicher Leiter auf der IDIS, kämpfte zusammen mit seinem Team um das Leben von CovidPatienten. Hier erzählt er, was man in den Medien nicht sah, worüber er sich ärgerte und weshalb ein Aufenthalt auf der Intensivstation nicht mit einem Flug in der First-Class vergleichbar ist.
Selten wurde so oft über Intensivbetten diskutiert wie während der Coronakrise… Die Wertschätzung gegenüber der Intensivmedizin hat spürbar zugenommen. Wir werden nun nicht mehr bloss als Dienstleister wahrgenommen, sondern als wichtige Säule des Spitals. Das ist erfreulich. Aber es gibt auch Aspekte, die mich nachdenklich stimmen.
Zum Beispiel? Der «Wettkampf der Spitäler» um zusätzliche Beatmungsplätze. Das suggeriert eine falsche Sicherheit gegenüber der Erkrankung. Daniel Scheidegger, der Präsident der Fachgesellschaft SAMW, hat das treffend formuliert: «Viele Leute haben eine falsche Vorstellung von einer Intensivstation und meinen, das sei wie Fliegen in der 1. Klasse. Wenn man aber mal dort war, weiss man: Das ist eine sehr harte Zeit.».
Was meinen Sie damit konkret? Viele unserer Patienten waren in einem sehr kritischen Zustand. Rund die Hälfte von ihnen hatte einen schwerwiegenden und langen Verlauf. Knapp ein Drittel trägt eine «steife Lunge» davon, das heisst, sie werden immer wieder mit Atemnot zu kämpfen haben. Darüber wurde in den Medien nie berichtet. Ich bin dennoch positiv überrascht, dass von den 34 Patienten, die wir behandelt haben, 31 überlebt haben. Aufgrund der Erkenntnisse aus Italien haben wir mit einer viel höheren Mortalität rechnen müssen.
Was hat Sie sonst noch überrascht? Im negativen Sinne: Der Voyeurismus einiger Mitarbeitender. Dadurch verletzten sie die Privatsphäre der Patienten. Diese werden das wohl nie erfahren. Mich hat dieses Verhalten trotzdem gestört, und wir haben es auch sanktioniert. Geärgert hat mich auch, dass angeforderte medizinische Untersuchungen und Interventionen ungern respektive mit Vorbehalt durchgeführt wurden. Ob Angst vor einer Ansteckung oder Unsicherheit dahintersteckten, weiss ich nicht. Für mich und mein Team war es selbstverständlich, täglich in die «Höhle des Löwen» zu gehen.
Wie sind Sie damit umgegangen? Eine der grössten Herausforderung besteht darin, die persönliche Unsicherheit und Ängste mit der Professionalität in Einklang zu bringen. Zu Beginn wussten wir sehr wenig über die Erkrankung. Machen wir wirklich das Richtige? Sind wir ausreichend geschützt? Was passiert mit mir, wenn ich mich ansteWir haben mit einer « cke? Ich könnte vielleicht sogar sterben, höheren Mortalität was passiert dann mit meiner Familie? gerechnet.» – Man bewegt sich in einem Wechselbad der Gefühle. In den Medien gibt es nur noch ein Thema, auch zu Hause und bei der Arbeit dreht sich alles um Covid. Anfangs habe ich mir am Morgen beim Aufwachen gewünscht, dass alles nur ein böser Traum ist. Mittlerweile haben wir alle gelernt, damit umzugehen – jeder auf seine persönliche Weise.
Welche Note würden Sie dem KSB für seine Covid-Bewältigung erteilen? Schwierig… Vielleicht waren wir gut vorbereitet, vielleicht haben wir einfach nur Glück gehabt. Gefordert, wie wir es in den Medienberichten aus Italien mitbekommen haben, waren wir bis jetzt zum Glück nie. Covid wird uns aber noch eine Weile begleiten. Wahrscheinlich können wir erst in einem Jahr sagen, ob wir wirklich gut waren.