KU L I N A R I S C H ES
WO DIE LIEBE WURZELN SCHLÄGT Paris? Ach was! Bamberg ist die Stadt der Liebe. Kultur und Baukunst, Heimat, Tradition, Geselligkeit oder Essen und Trinken. Alles findet hier Liebhaber. Und im Zweifel hilft ja etwas Süßholzraspeln der Liebe auf die Sprünge. Davon können die Bamberger ein Lied singen.
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FOTO: BAMBERGER SÜSSHOLZFREUNDE
üßholz war vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert die wichtigste Kulturpflanze der Bamberger Gärtner, die bis nach Ungarn, Holland und Österreich exportiert wurde. Die Stadt war für den Anbau dieser seit dem Altertum bekannten Gewürz-, Genuss- und Heilpflanze so berühmt, dass ein Besuch der Süßholzfelder bis vor einigen Jahrzehnten zum touristischen Pflichtprogramm gehörte. Als Süßigkeit oder Zusatz zu bitteren Arzneimitteln beliebt, wurde Süßholz im Laufe des 20. Jahrhunderts verdrängt, ab den 1960er-Jahren wurde es in Bamberg nicht mehr angebaut, das Wissen ging größtenteils verloren. Im Rahmen des Modellprojekts „Urbaner Gartenbau“ gründete sich 2010 die „Bamberger Süßholz-Gesellschaft“ und belebte die Tradition neu, die nur in Schaukräutergärten überlebt hatte: zum Beispiel im Gärtner- und Häckermuseum. Im Rahmen dieser Rückbesinnung wird Süßholz nun wieder großflächig angebaut, es gibt neue Produkte, die in vielen Bamberger Einzelhandelsgeschäften verkauft werden.
V O R L Ä UF E R D E S K A U G UMMI S Die Ernte des Süßholzes, das bis zu acht Meter lange, fingerdicke Wurzeln ausbildet, ist mühevoll, findet immer im Spätherbst und auch nur alle vier Jahre statt, zuletzt 2019. Die ausgegrabenen Wurzeln werden getrocknet, wodurch sie hart wie Holz werden, und anschließend geraspelt. Die feinen Späne dienen bis heute als Basis für Lakritze. Ein Teil der harten aber süßen Wurzel wurde früher aber auch einfach so gekaut bis der Geschmack verloren ging: quasi ein Vorläufer des Kaugummis, der zum Kranz gebunden auf Jahrmärkten in der Region großen Zuspruch fand. Heute findet sich die Wurzel in Bamberg zum Beispiel im „Süßholzsouvenir“ (25 Gramm in Stangen) oder im „Süßholzgeraspel“ wieder. Ein Metzger hat einen Räucherschinken und Brühwürste im Sortiment, denen Süßholz ein besonderes Aroma verleihen. Es gibt verschiedene Tees, sogar mit Süßholz-Senf wurde schon experimentiert. Jetzt, wenn es wieder wärmer wird, findet sich die Wurzel auch in einer abgewandelten Form des Aperol Spritz wieder. Selbst in Pannacotta oder Speiseeis wird das Bamberger Süßholz verarbeitet, wobei
bei Letzterem die Herausforderung darin bestand, eine feine Note zu finden, die nicht dem gängigen Lakritz-Geschmack entspricht.
B R A C H T E K UNI G UND E D IE W UR Z E L MI T ? Wie diese in Nordeuropa eigentlich nicht heimische Pflanze ursprünglich nach Bamberg kam, ist nicht genau bezeugt, jedoch wächst Süßholz der Sage nach dort, wo die Heilige Kaiserin Kunigunde vor etwa 1000 Jahren entlangging. Es gibt Quellen, die davon ausgehen, dass das Wissen über den Anbau und die Verwendung von Süßholz über verschiedene Stationen im südlichen und östlichen Europa den Weg nach Bamberg fand. Das ist jedoch umstritten. Unumstritten ist jedoch die Verarbeitung der im Herbst geernteten Wurzeln. Sie werden geraspelt, zu Brei zerkocht und filtriert. Der eingedickte Saft heißt Lakritz und erstarrt zu einem schwarzbraunen Kuchen, der auch unter dem Namen "Bärendreck" bekannt ist. Süßholz verbessert den Geschmack exotischer Gewürzmischungen und wird trotz des aufdringlichen Eigengeschmackes vermehrt zum Süßen von Tees eingesetzt. Süßholz verleiht manchen englischen Bieren (Porter, Ale) ihren typischen Geschmack.
S Ü S S HOL Z- W I S S E N Die Süßholzwurzel enthält das entzündungshemmende Glycyrrhizin, das die 50-fache Süßkraft des Zuckers besitzt. Deswegen wird Lakritz-Saft auch heute noch zum Überdecken des bitteren Geschmackes von Medikamenten eingesetzt. Süßholz-Extrakte wirken auswurffördernd und eignen sich daher zur Behandlung von Husten, Asthma und Bronchitis. Auch bei Geschwüren im Verdauungstrakt bis hin zur Unterstützung bei der HIV-Therapie wird Süßholz eingesetzt. Lakritz-Saft hat darüberhinaus schaumbildende Eigenschaften und findet daher auch Verwendung in haushaltsüblichen Feuerlöschern.
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