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Rückstellungen

Kerstin Halbedl und Michael Dessulemoustier-Bovekercke (Moore Stephens)

Im Allgemeinen verfolgt die Bildung von Rückstellungen zwei wesentliche Ziele: • die periodengerechte Verteilung bzw.

Darstellung des Aufwandes • die korrekte (insbesondere vollständige)

Darstellung der Passiva

Der Anspruch auf Jubiläumsgeld oder Abfertigung wird über die Dienstzeit verteilt erworben, jedoch nur zu den jeweiligen Stichtagen des Dienstjubiläums bzw. des Pensionierungszeitpunktes ausbezahlt. Dieses zeitliche Auseinanderfallen wird durch die VRV 2015 über die Rückstellungen im Vermögenshaushalt und die Veränderungen der Rückstellung im Ergebnishaushalt dargestellt. Der Anspruch auf bis zum Bilanzstichtag nicht konsumierte Urlaubstage wird zumeist im Folgejahr getilgt, sodass es hier nur in sehr seltenen Fällen – ausschließlich bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses – zu einer Auszahlung kommt. Die Urlaubsrückstellung hat daher viel mehr die Funktion der korrekten und vollständigen Darstellung des Personalaufwands für eine Berichtsperiode.

Für die periodengerechte Darstellung des Aufwandes ist die Aufgabe von Rückstellungen daher so zu verstehen, dass zwar ein in der Periode verursachter Aufwand feststellbar bzw. wahrscheinlich eingetreten ist, aber gleichzeitig noch keine Verbindlichkeit entstanden ist. Verbindlichkeiten sind tatsächlich vorhandene Schulden, die sowohl hinsichtlich der

Höhe und des Zeitpunktes der Zahlung bestimmt sind. Bei den Rückstellungen ist hingegen der Eintritt wahrscheinlich, aber nicht zwingend notwendig, und die Höhe oder der Zeitpunkt können ebenso noch nicht final bestimmt sein.

Beispiel: Die Frage, ob eine Mitarbeiterin, die seit 15 Jahren in der Gemeinde tätig ist, das 25-jährige Dienstjubiläum erreichen wird und wie hoch dann ihr Monatsentgelt sein wird, kann zwar mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit, aber eben nicht exakt ermittelt werden. Daher liegt eine Rückstellung vor. Hingegen sind die Höhe und der Zeitpunkt von Zahlungen im Rahmen einer Altersteilzeitverpflichtung exakt definierbar und daher als Verbindlichkeit auszuweisen.

Rückstellungen sind nach § 28 Abs 1 VRV 2015 für Verpflichtungen einer Gebietskörperschaft anzusetzen, wenn

1. die Verpflichtung bereits vor dem Stichtag der Abschlussrechnung besteht und 2. das Verpflichtungsereignis bereits vor dem Stichtag der Abschlussrechnung eingetreten ist und 3. die Erfüllung der Verpflichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu

Mittelverwendungen der Gebietskörperschaft führen wird und 4. die Höhe der Verpflichtung verlässlich ermittelbar ist.

Ereignis in der Vergangenheit

Ein Ereignis der Vergangenheit, das zu einer Verpflichtung führt, wird als verpflichtendes Ereignis bezeichnet. Verpflichtend ist ein Ereignis dann, wenn die Gemeinde keine realistische Alternative zur Erfüllung der entstandenen Verpflichtung hat. Die Verpflichtung kann sowohl eine rechtlich durchsetzbare als auch eine faktische Verpflichtung sein und muss bereits zum Stichtag bestanden haben.

Abfluss von Ressourcen und Eintrittswahrscheinlichkeit

Die in der Rückstellung eingestellten Beträge müssen in der Zukunft zu einer Reduktion der Aktiva (daher im Wesentlichen zu einem Zahlungsfluss) führen. Dieser Mittelabfluss muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, somit zumindest 51-prozentigen Wahrscheinlichkeit, angenommen werden. Die VRV 2015 verlangt diesbezüglich eine verlässliche Ermittlung, die auch durch Einschätzungen auf Basis von Erfahrungswerten oder durch externe Experten erfolgen kann.

Abbildung 1: Kurzfristige Rückstellungen – Gliederung

Abbildung 2: Langfristige Rückstellungen – Gliederung

Ebene/Position Code

1 F.III Kurzfristige Rückstellungen 2 F.III.1 Rückstellungen für Prozesskosten

2 F.III.2

Rückstellungen für ausstehende Rechnungen (Wert > EUR 5.000) 2 F.III.3 Rückstellungen für nicht konsumierte Urlaube 2 F.III.4 Sonstige kurzfristige Rückstellungen 153

1531

1532

1533

1534

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

Ebene/Position Code

1 E.III Langfristige Rückstellungen 2 E.III.1 Rückstellungen für Abfertigungen

2 E.III.2 Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen 2 E.III.3 Rückstellungen für Haftungen 143

1431

1432

1433

2 E.III.4 Rückstellungen für Sanierungen von Altlasten

1434 2 E.III.5 Rückstellungen für Pensionen 1435 2 E.III.6 Sonstige langfristige Rückstellungen (Wert > EUR 10.000) 1436

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

Verpflichtung gegenüber Dritten

Eine weitere Voraussetzung für den Ansatz von Rückstellungen ist das Vorliegen einer Verpflichtung gegenüber einem externen Dritten. Reine „Innenverpflichtungen“, wie beispielsweise eine unterlassene Instandhaltung einer Straße durch die Bildung einer Aufwandsrückstellung, dürfen nach den Vorschriften der VRV nicht bilanziert werden.

Bewertung von Rückstellungen

Für die Bewertung ist allgemein eine Einteilung in kurz- und langfristige Rückstellungen zu beachten. Die Bewertung von kurzfristigen Rückstellungen hat nach § 28 Abs. 2 VRV 2015 allgemein mit dem Zahlungsbetrag, der zur Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist, zu erfolgen. Bei der Ermittlung des Erfüllungsbetrages ist allgemein auf den Erfüllungszeitpunkt abzustellen. Es sind sodann sämtliche wertbeeinflussende Faktoren bis zum Erfüllungszeitpunkt, wie etwa Entgelterhöhungen oder Kostensteigerungen, bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Langfristige Rückstellungen, das sind jene, bei welchen die (voraussichtliche) Erfüllung erst in mehr als zwölf Monaten erfolgen wird, sie sind daher jedenfalls abzuzinsen und mit deren Barwert auszuweisen. § 19 Abs. 5 VRV 2015 schreibt vor, dass dafür die durch Umlauf gewichtete Durchschnittsrendite für Bundesanleihen (UDRB) als Zinssatz am Rechnungsabschlussstichtag heranzuziehen ist. Auf die aktuellen Diskussionen zum Zinssatz, die im Beitrag zu den Forderungen dargestellt sind, wird verwiesen.

Die kurzfristigen Rückstellungen sind in § 28 Abs. 3 VRV 2015 demonstrativ aufgezählt (siehe Abbildung 1). Zu den langfristigen Rückstellungen zählen nach § 28 Abs. 4 VRV jedenfalls folgende (siehe Abbildung 2). »

Sind die Ansatzvoraussetzungen gegeben, sind Rückstellungen für die Verpfl ichtung zum Stichtag der Eröffnungsbilanz zu bilden. Nur bei den Pensionsrückstellungen sieht die VRV 2015 ein Ansatzwahlrecht vor.

Rückstellungen für Abfertigungen und Jubiläumsgelder

Die Abfertigungsansprüche nach dem „alten System“ gelten grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, die vor dem 01.01.2003 eingetreten sind. Hat das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Arbeitnehmer bei Aufl ösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfertigung. Das Ausmaß der Abfertigung ist nach der Dienstdauer gestaffelt und beträgt zwischen 2 und 12 Monatsentgelten.

Gesetzliche Gehaltsschemata für Beschäftigte im öffentlichen Bereich sehen zumeist vor, dass Dienstnehmer Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes haben, wenn sie eine gewisse Zeit bei der Gebietskörperschaft beschäftigt waren. In der Regel muss der Dienstgeber ein Monatsgehalt oder ein Vielfaches eines Monatsgehaltes zahlen, wenn der Dienstnehmer – abhängig von der landesgesetzlichen Regelung – 20, 25, 35 oder mehr Jahre in der Gemeinde beschäftigt ist. Für den Dienstgeber ergibt sich dadurch eine gewisse Verbindlichkeit, für die er durch Bildung einer Rückstellung vorzusorgen hat.

Rückstellungen für Abfertigungen und Jubiläumsgelder sind laut den Ausführungen der Erläuterungen unter Anwendung der in den internationalen Rechnungslegungsvorschriften vorgesehenen Berechnungsmethode zu ermitteln. Es handelt sich dabei ausschließlich um versicherungsmathematische Berechnungsmethoden, welche die Inanspruchnahme der Dienste eines Versicherungsmathematikers erforderlich machen. Jedoch ist laut § 211 Abs. 1 UGB, welches für Unternehmen zur Anwendung kommt, und der Stellungnahme des AFRAC Nr. 27, vereinfacht auch eine fi nanzmathematische Berechnungsmethode für Abfertigungs- und Jubiläumsgeldrückstellungen zulässig und daher auch für die VRV durchwegs ableitbar. Bei der fi nanzmathematischen Berechnung ist eines der beiden Ansammlungsverfahren – das Teilwertverfahren oder die Projected Unit Credit Method – zu wählen und stetig anzuwenden.

Die Bewertung der Vorsorgen für Abfertigungs- und Jubiläumsgeldzahlungsverpfl ichtungen der Gemeinde erfolgt grundsätzlich mit dem zu erwartenden Zahlungsbetrag, abgezinst auf den jeweiligen Bewertungsstichtag. Neben dem Abzinsungssatz müssen somit auch die Lohn- bzw. Gehaltstrends bei der Ermittlung des Zahlungsbetrags berücksichtigt werden. Unsere Beispielgemeinde weist daher folgende langfristige Vorsorgen für das Personal aus – siehe Abbildung 3.

Berechnung nach fi nanzmathematischen Methoden

Für die Berechnung der Abfertigungsrückstellung nach fi nanzmathematischen Grundsätzen zum Rechnungsabschlussstichtag sind daher folgende Berechnungen erforderlich:

• Realzinssatz

r = 1+ -1 x 100

1+( Rechnungszinssatz 100 erwartete jährl. Bezugserhöhung 100 ( Berechnung lt. AFRAC-Stellungnahme Nr. 271 zur korrekten Anwendung des Teilwertverfahrens

• Rentenendwertfaktor

Rentenendwertfaktor = 1+ 1+

-1 -1(( ( Realzinssatz 100 Realzinssatz 100 (n( (

• Abfertigungsrückstellung

Rückstellung = maßg. Abfertigungsanspruch X

Rentenendwertfaktor für bisherige Dienstzeit Rentenendwertfaktor für die gesamte Dienstzeit

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

Abbildung 3: Langfristige Rückstellungen

Ebene Code Passiva

0 14 E Langfristige Fremdmittel 1 143 E.III Langfristige Rückstellungen

2 1431 E.III.1 Rückstellungen für Abfertigungen 2 1432 E.III.2 Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen 2 1433 E.III.3 Rückstellungen für Haftungen 2 1434 E.III.4 Rückstellungen für Sanierungen von Altlasten 2 1435 E.III.5 Rückstellungen für Pensionen 2 1436 E.III.6 Sonstige langfristige Rückstellungen

EB 2020

3.174.127,00

1.818.585,00 1.355.542,00 0,00 0,00 0,00 0,00

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

Welche Parameter sind für die Berechnung von Personalrückstellungen notwendig?

• Abzinsungssatz: UDRB, wie von der Österreichischen Nationalbank veröffentlicht zum Abschlussstichtag oder Zinssatz der 15-jährigen deutschen Bundesanleihen mit 7-jährigem Durchrechnungszeitraum (siehe dazu die Ausführungen im Beitrag zu den Forderungen, Seite 13). • Lohn- bzw. Gehaltstrends: wie von der

Homepage der WKO veröffentlicht zum

Berichtsjahr, alternativ können auch durchschnittliche Erfahrungswerte berechnet werden. • Fluktuationsabschlag: Bei der finanzmathematischen Berechnung muss die erwartete Fluktuation durch einen

Fluktuationsabschlag berücksichtigt werden. Dieser richtet sich nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit. Steuerlich wird ein Abschlag von 25 % anerkannt. Beim Fluktuationsabschlag stellt sich die Frage, ob es immer zielführend ist, mit einem hohen Fluktuationsabschlag zu rechnen. In der Praxis wird bei der Abfertigungsrückstellung häufig kein Fluktuationsabschlag berücksichtigt, da ein Dienstverhältnis nur selten ohne Zahlung einer Abfertigung beendet wird. Bei der Jubiläumsrückstellung wäre auch ein gestaffelter Fluktuationsabschlag (z. B. bis 10 Dienstjahre 5 %, danach 0 %) denkbar. • Monatsentgelt: inkl. anteilige Lohnnebenkosten; bei Jubiläumsgeld zusätzlich Sozialversicherung für jenen Betrag, der die Höchstbeitragsgrundlage der Sonderzahlungen übersteigt. • Personaldaten: Personenanzahl, Name,

Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Pensionseintrittsdatum, Gehalt.

Verwendet man Softwareprogramme für die Berechnung der Personalrückstellungen, sind dennoch Plausibilitätsprüfungen sowie Proberechnungen empfehlenswert. Bei der Berechnung der Jubiläumsgeldvorsorgen ist anzumerken, dass das Programm für unterschiedliche Stichtage (20-jähriges oder 40-jähriges Jubiläum) immer denselben Betrag als Basis heranzieht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass seit 01.01.2016 Jubiläumsgelder bei den Lohnnebenkosten der Sozialversicherung bis zum Ausschöpfen der Höchstbeitragsgrundlage der Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind. Dies wird von den Programmen häufig nicht miteinberechnet. Wenn man Systeme verwendet, die auf Daten des Personalverrechnungssystems zurückgreifen, ist es zudem empfehlenswert, folgende Stammdaten nochmals zu überprüfen:

• Kontrolle, ob bei Personen in Altersteilzeit auch das tatsächliche Pensionsdatum eingetragen ist. Weiters ist hier darauf zu achten, dass das aktuelle und nicht das ursprüngliche Gehalt als Basis herangezogen wird. • Bei Stichtagsaustritten ist zu kontrollieren, ob Personen die am Jahresende ausgetreten sind, nicht mehr in der Rückstellungsberechnung enthalten sind. • Bei Karenzierungen ist am Jahresende darauf zu achten, dass die Rückstellungsberechnung auf Basis des alten ursprünglichen Gehalts erfolgt.

Rückstellung für Pensionen

Bei den Pensionsrückstellungen besteht im Vermögenshaushalt ein Ausweiswahlrecht nach § 31 VRV 2015. Grundsätzlich sollte hier so vorgegangen werden, dass eine einmal erfolgte Aufnahme in die Vermögensrechnung jedenfalls bedeutet, dass die Pensionsansprüche stets in der Vermögensrechnung enthalten bleiben müssen. Unabhängig von der Inanspruchnahme des Ausweiswahlrechts muss jedoch ein Ausweis in den Beilagen zum Rechnungsabschluss (Anlage 6s) erfolgen. Die Bereitstellung von Anlagen im Rahmen der Erstellung der Eröffnungsbilanz ist im Regelwerk der VRV jedoch nicht verpflichtend vorgesehen.

Hinsichtlich der Pensionsarten sind Beamtenpensionen und Betriebspensionen zu unterscheiden. Für die korrekte Ermittlung von Pensionsrückstellungen sind die Dienste eines Versicherungsmathematikers in Anspruch zu nehmen, da auf Basis biometrischer Grundlagen und unter Anwendung aktuarischer Rechenmodelle ein Rückstellungswert bzw. eine Dotierung aufgrund von Ansparungen (Verdienst) und aufgrund von Verzinsungen ermittelt wird.

Sollte sich die Gemeinde dafür entscheiden Pensionsrückstellungen anzusetzen, sind als wesentliche Parameter die Anzahl der Berechtigten, der gesetzlich geregelte Pensionsbeginn, die Höhe der Pensionszahlungen, der Ansammlungszeitraum, der Abzinsungssatz1 sowie Wahrscheinlichkeitsannahmen (Lebenserwartung2, biometrische Grundlagen, Fluktuation) notwendig.

Im konkreten Beispiel hat die Gemeinde nach § 31 VRV 2015 von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und auf den Ausweis von Pensionsleistungen verzichtet. Die VRV sieht zwar zur Eröffnungsbilanz keine Erstellung von Anlagen vor, dennoch ist es empfehlenswert, für die Angabe in der Anlage 6s die voraussichtlichen Pensionsaufwendungen und die voraussichtliche Anzahl der Pensionsempfänger der nächsten 30 Jahre getrennt nach der Gebietskörperschaft zuzurechnendem Personal und nach Personal von Betrieben zu ermitteln.

Rückstellungen für Haftungen

Rückstellungen für Haftungen sind dann anzusetzen, wenn eine Inanspruchnahme zumindest überwiegend wahrscheinlich ist. Im Falle von Haftungen ist aber nicht das Abgeben einer Haftungszusage mit dem Entstehen einer Verpflichtung gleichzusetzen. Erst wenn der Haftungsfall einzutreten droht, weil der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ist eine Einschätzung zu treffen, ob eine Verpflichtung aus der Haftung bereits entstanden ist oder zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehen wird.

Grundsätzlich sind auch die Rückstellungen für Haftungen einzeln zu bewerten. »

1 Wie von der Österreichischen Nationalbank veröffentlicht 2 Die von der Statistik Austria zuletzt veröffentlichten Tabellen zur Lebenserwartung

Allerdings kann von diesem Grundsatz abgegangen werden. Auf Basis der Erfahrungswerte der letzten zumindest fünf Finanzjahre – diese können auch vor der Erstellung der Eröffnungsbilanz gelegen sein – können Haftungen zu Risikogruppen zusammengefasst und gemeinsam bewertet werden. Wie die Beurteilung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für zu Risikogruppen zusammengefasste Haftungen zu erfolgen hat, wird in § 30 Abs. 3 VRV 2015 geregelt. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn die Gemeinde in der Vergangenheit von Elementen der Gruppe häufig, regelmäßig und über einen längeren Zeitraum für Haftungen in Anspruch genommen wurde.

Im Rahmen der Eröffnungsbilanz sind daher in einem ersten Schritt alle Haftungen der Gemeinde zu sammeln und dann in einem zweiten Schritt die Wahrscheinlichkeit einer Haftungsinanspruchnahme zu beurteilen. Wenn ein Ereignis vorliegt und man damit rechnen muss (mehr als 50 %), dass ein Haftungsfall eintritt, ist eine Rückstellung in der voraussichtlichen Höhe der Inanspruchnahme zu bilden. Zu beachten ist, dass die Anwendung nur für Haftungen gilt, welche die Gemeinde für fremde Dritte (und daher nicht für gemeindeeigene Beteiligungen) eingegangen ist.

Rückstellungen für Sanierung von Altlasten

Rückstellungen für die Altlastensanierung stellen Verpflichtungen der Gebietskörperschaft gegenüber (Grund-)Eigentümern oder gegenüber der Allgemeinheit dar. Sie sind, mit den zu erwartenden Kosten, abgezinst auf den Barwert, in der Eröffnungsbilanz anzusetzen. Wenn es sachgerecht erscheint und die Altlastensanierung schrittweise erforderlich wird, spricht nichts dagegen, die Rückstellung kontinuierlich aufzubauen.

Dies muss jedoch dem wirtschaftlichen Gehalt der Entstehung der Sanierungsverpflichtung entsprechen. In diesem Fall ist stets der bereits gebildete Betrag zu verzinsen. Die Voraussetzungen für die Bildung einer derartigen Vorsorge entsprechen jenen der allgemeinen Voraussetzungen. Unter den Rückstellungen für Altlasten sind jedenfalls öffentlichrechtliche Verpflichtungen auszuweisen, wenn diese nach ihrem Inhalt und ihrem Entstehungszeitpunkt hinreichend konkretisiert sind. Hierbei kann es sich z. B. um Verpflichtungen gemäß Wasserrechtsgesetz, Abfallwirtschaftsgesetz oder Gewerbeordnung handeln. Rückstellungen für Sanierung von Altlasten sind daher bei Entsorgungs-, Entfernungs-, Wiederherstellungs-, Rückbau- und Rekultivierungsverpflichtungen denkbar.

Rückstellungen für nicht konsumierte Urlaube

Die Rückstellung für nicht konsumierten Urlaub zeigt den Rückstand an zu gewährender, bezahlter Freizeit für Mitarbeiter der Gemeinden, die bis zum Stichtag des Rechnungsabschlusses nicht verbraucht werden konnten. Dieser Rückstand hat seine wirtschaftliche Begründung in der Vergangenheit, da von der Gemeinde mehr Arbeitsleistung in Anspruch genommen wurde, als ihr zugestanden ist. Durch die Bildung einer Rückstellung wird der Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung abgebildet und somit eine periodengerechte Aufwandsabgrenzung erreicht.

Die Ermittlung der Rückstellung besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: 1. Offene Urlaubstage 2. Kosten je Urlaubstag

Die offenen Urlaubstage lassen sich leicht aus der Urlaubskartei ablesen, wobei eine Aliquotierung vorzunehmen ist, wenn das Urlaubsjahr dem Arbeitsjahr des Mitarbeiters entspricht. Es darf nur der bereits „erdiente“ und nicht konsumierte Urlaub in der Rückstellung abgebildet werden.

Für die Kosten pro Urlaubstag ist zu ermitteln, was ein Mitarbeiter pro Urlaubstag an Entgeltfortzahlung erhält. Sämtliche Lohn- und Gehaltsbestandteile sowie der anteilige 13. und 14. Monatsbezug müssen in die Berechnung mit einbezogen werden. Zudem ist auf die Unterschiede der einzelnen Beschäftigungsgruppen (Beamte, Vertragsbedienstete) und auf Kollektivvertragsbestimmungen Bedacht zu nehmen.

Um den Rückstellungsbetrag zu ermitteln, erfolgt eine Multiplikation der noch offenen Urlaubstage mit dem Wert je Urlaubstag. Schließlich sind noch zu erwartende Gehaltstrends zu berücksichtigen, um den Erfüllungsbetrag zu ermitteln.

Die Rückstellung zeigt somit die Menge an verpflichtend zur Verfügung zu stellender Freizeit, bewertet mit den Arbeitskosten des Mitarbeiters.

Welche Parameter sind daher zusammengefasst notwendig?

• Urlaubsanspruch • Offene Urlaubstage pro Mitarbeiter • Monatsbezug (inkl. anteilige Lohnnebenkosten, anteiliges 13. und 14. Gehalt, sowie bspw. durchschnittliche Überstunden und Provisionen) • zu erwartende Lohn- bzw. Gehaltstrends

Bezugnehmend auf das Beispiel der Gemeinde entsteht somit eine Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube i.H.v. 154.987,54 Euro (Position F.III.3).

Bei der Verwendung von Softwareprogrammen zur Berechnung der Rückstellung ist generell darauf zu achten, dass hier oftmals mit dem aktuellen Monatsbezug (konkret dem Jänner-Bezug) gerechnet wird. Laufende Lohn- und Gehaltssteigerungen sind somit mit den Löhnen und Gehältern des nächsten Jahres schon berücksichtigt.

Rückstellungen für Prozesskosten

Die Rückstellungen für Prozesskosten sind in § 29 VRV 2015 geregelt und sind auf Rechtsstreitigkeiten wie gerichtsanhängige Aktiv- und Passivprozesse sowie Fälle, bei denen die Gebietskörperschaft der Ansicht ist, dass die Sache wahrscheinlich gerichtsanhängig gemacht werden wird, anzuwenden.

In der Rückstellung der Prozesskosten sind nicht bloß die bisher angelaufenen Kosten, sondern sämtliche mit dem Prozess verbundenen Aufwendungen hineinzurechnen. Somit hat eine vollständige Beurteilung des Sachverhalts inklusive einer Schätzung zur Verfahrensdauer zu erfolgen.

Folgende Kosten müssen in die Bewertung einbezogen werden:

• Voraussichtlicher Zahlungsbetrag • Voraussichtliche Zinsen • Gerichtskosten, Gutachterkosten, Kosten der Vertretung einschließlich drohender

Kostenübernahmeverpfl ichtungen der

Vertretung der Gegenpartei und andere

Kosten der Abwehr fremder Ansprüche

Im Rahmen der Eröffnungsbilanz sind daher mögliche Rechtsstreitigkeiten zu beurteilen und eine Schätzung der voraussichtlichen Kosten vorzunehmen sowie schließlich gegebenenfalls eine Rückstellung zu bilden.

Rückstellungen für ausstehende Rechnungen und Bescheide

Neben den Prozesskosten sind auch die Rückstellungen für ausstehende Eingangsrechnungen, sofern deren Wert jeweils 5.000 Euro übersteigt, im kurzfristigen Bereich darzustellen. Der Inhalt dieser Rückstellungen ist, dass Leistungen vor dem Abschlussstichtag konsumiert bzw. empfangen wurden, die Eingangsrechnung bis zum Stichtag jedoch noch nicht eingelangt ist. Unter diesem Posten sind daher alle jene Kostenverpfl ichtungen auszuweisen, die eindeutig dem jeweiligen Geschäftsjahr zuzuordnen sind, jedoch erst nach dem Abschlussstichtag vom Lieferanten verrechnet werden. Die Erfassung dieser Aufwendungen sollte grundsätzlich durch ein entsprechendes Bestellwesen der Gemeinde möglich sein.

Für die Eröffnungsbilanz bedeutet dies, dass entsprechend sicherzustellen ist, dass die notwendigen Informationen (zeitgerecht) verfügbar sind, um eine Abschätzung von nicht eingetroffenen Eingangsrechnungen zu machen. Hat die Gemeinde entsprechende Systeme eingerichtet, anhand derer zu erkennen ist, welche Bestellungen bereits geliefert bzw. geleistet wurden, jedoch noch nicht vonseiten des Lieferanten mittels Eingangsrechnung verrechnet wurden, ist hier eine entsprechende Vorsorge zu bilden.

Da die Eröffnungsbilanz zusammen mit dem Rechnungsabschluss im März 2021 abzugeben ist, werden eigentlich kaum Rückstellungen für offene Rechnungen zu bilden sein. Diese Vorsorgen machen daher nur Sinn, wenn der Erstellungszeitpunkt sehr zeitnah zum Rechnungsabschluss erfolgt. Sie sind vor allem im Baubereich, wenn bedeutsame Bauvorhaben sich über den Stichtag ziehen, vorzufi nden.

Sonstige Rückstellungen

Bei der (Erst-)Erfassung von sonstigen Rückstellungen ist die Zuordnung zu kurzfristigen und langfristigen sonstigen Rückstellungen ausschlaggebend. In diese Sammelposten können nicht namentlich genannte Rückstellungen aufgenommen werden. Unter der Position der sonstigen langfristigen Rückstellungen sind Verpfl ichtungen nur dann (verpfl ichtend) anzusetzen, wenn deren Wert jeweils mindestens 10.000 Euro beträgt. Hingegen ist im kurzfristigen Bereich keine Wertgrenze für den Ansatz vorgesehen.

Unsere Beispielgemeinde weist daher auf Grundlage der Erhebungen zum Jahresende folgende kurzfristige Rückstellungen aus (siehe Abbildung 4). RÜCKSTELLUNGEN ZEIGEN VERPFLICHTUNGEN IN DER ZUKUNFT, DIE ZUM STICHTAG BEREITS ERARBEITET WURDEN UND SIND ZWINGEND ZUM 01.01.2020 ERSTMALS ZU BERECHNEN UND DARZUSTELLEN.

Abbildung 4: Kurzfristige Rückstellungen

Ebene/Code Passiva EB 2020

0 15 F Kurzfristige Fremdmittel 1 153 F.III Kurzfristige Rückstellungen

2 1531 F.III.1 Rückstellungen für Prozesskosten

154.987,54

0,00 2 1532 F.III.2 Rückstellungen für ausstehende Rechnungen 0,00 2 1533 F.III.3 Rückstellungen für nicht konsumierte Urlaube 154.987,54 2 1534 F.III.4 Sonstige kurzfristige Rückstellungen 0,00

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

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