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Langfristige und kurzfristige Forderungen

Sandra Steiner und Michael Dessulemoustier-Bovekercke (Moore Stephens)

Forderungen stellen Ansprüche der Gebietskörperschaft auf den Empfang von Geldleistungen dar. Der Ausweis einer Forderung hat zu erfolgen, sobald ein vertraglicher bzw. gesetzlicher Anspruch auf Erhalt von liquiden Mitteln besteht. Forderungen sind auch dann zu bilanzieren, wenn der Anspruch nicht auf Geld lautet, sondern etwa in Dienstleistungen oder in Vermögenswerten getilgt werden kann. Wichtig ist, dass den Dienstleistungen oder den Vermögenswerten ein Wert beigemessen werden kann. Wesentlich ist jedenfalls, das zum Zeitpunkt der Erfassung der Forderung in den Büchern der Gebietskörperschaft die Forderung rechtlich existent sein muss und daher auf Basis von einer bestehenden Vereinbarung oder eines bestehenden Vertrages auch durchsetzbar sein muss.

Forderungen sind in kurzfristige und langfristige Forderungen einzuteilen. Nach § 18 Abs. 3 VRV 2015 sind als kurzfristiges Vermögen alle Vermögenswerte, »

von denen erwartet wird, dass sie innerhalb eines Jahres verbraucht oder in liquide Mittel umgewandelt werden, definiert. Forderungen mit einer Fälligkeit von über einem Jahr werden daher als langfristige Forderungen bezeichnet.

Langfristige Forderungen

Die langfristigen Forderungen werden nach Anlage 1c zur VRV 2015 unterteilt (siehe Abbildung 1).

Bei der Bewertung von langfristigen Forderungen ist zwischen verzinsten und unverzinsten langfristigen Forderungen zu unterscheiden. Langfristig verzinste Forderungen sind zum Nominalwert anzusetzen. Im Gegensatz dazu sind langfristige unverzinste Forderungen zum Barwert zu bewerten. Eine Abzinsungsverpflichtung besteht jedoch erst dann, wenn die einzelne, in Betracht kommende Forderung einen Wert von 10.000 Euro übersteigt. Dieser Wert muss vor Abzinsung ermittelt werden. Für die Berechnung des Barwertes in der Eröffnungsbilanz ist die durch Umlauf gewichtete Durchschnittsrendite für Bundesanleihen (UDRB) zum 01.01.2020 heranzuziehen. Dieser wird von der Österreichischen Nationalbank veröffentlicht und kann auf deren Homepage abgerufen werden.

Praxistipp:

Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses lag ein Vorschlag des BMF und des RH vor, den Zinssatz der VRV für die Abzinsung langfristiger Forderungen und Schulden auf jenen anzupassen, der den gesetzlichen Bestimmungen des UGB und den Vorgaben der AFRAC Stellungnahme Nr. 27 entspricht. Siehe dazu auch unser Artikel in public 11/2019. Der Beschluss durch das VRVKomitee ist jedoch noch abzuwarten.

Wertberichtigungen

Dem Umstand, dass Forderungen (kurzfristig als auch langfristig) nicht fristgerecht beglichen wurden, ist mittels Wertberichtigungen zu begegnen. Eine Verzinsung ist erst sachgerecht, wenn damit gerechnet wird, dass die Forderung nicht innerhalb von 12 Monaten getilgt wird.

Im Zuge der Wertberichtigungen ist zwischen zweifelhaften und uneinbringlichen Forderungen zu unterscheiden. Zweifelhafte Forderungen liegen vor, wenn der Verlust einer Forderung droht bzw. wenn mit einem Verlust der Forderung zu rechnen ist (z. B. Forderungen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder nach vergeblichen Einbringungsmaßnahmen, wie dem Hinzuziehen eines Inkassobüros). Diese zweifelhaften Forderungen sind mittels Einzelwertberichtigungen zu kürzen. Die Höhe des zu buchenden Betrages orientiert sich daran, mit welchem Zahlungsbetrag tatsächlich gerechnet werden kann. In der Eröffnungsbilanz ist nur der werthaltige Teil der Forderungen ersichtlich. Im Gegensatz dazu sind Forderungen auszubuchen, wenn der Ausfall tatsächlich eingetreten ist. In diesem Fall wird von uneinbringlichen Forderungen gesprochen (z. B. bei bereits festgelegter Quote im Rahmen eines Ausgleichs- oder Konkursverfahrens, Abschluss eines Vergleichs oder Tod eines/einer Steuerpflichtigen). Diese uneinbringlichen Forderungen werden in der Eröffnungsbilanz nicht erfasst, da sie zuvor ausgebucht werden.

Zur Ermittlung der Wertberichtigungen von Forderungen werden Forderungen in der Praxis häufig in Altersklassen gegliedert. Je nach Altersklasse können unterschiedliche Regelungen definiert werden. Beispielsweise können jene Forderungen, die älter als 360 Tage sind, als uneinbringlich eingestuft und somit ausgebucht werden. Forderungen, die mehr als 100 Tage überfällig sind, können beispielsweise zu 30 Prozent wertberichtigt werden. Grundsätzlich herrscht im Bilanzierungsregime der VRV 2015 das Prinzip der Einzelbewertung. Die Verordnung lässt aber auch die gruppenweise Einzelwertberichtigung (pauschale Einzelwertberichtigung) von Forderungen zu, wenn sie sachgerecht ist. Dafür müssen die Forderungen in Risikogruppen eingeteilt werden. Risikogruppen spiegeln besondere Gefährdungsfälle wider und weisen dadurch ein höheres Ausfallsrisiko auf. Wenn Ausfälle häufig, regelmäßig und über einen längeren Zeitraum vorkommen, ist die pauschale Wertberichtigung sogar verpflichtend.

Abbildung 1: Langfristige Forderungen – Gliederung

Ebene/Position Code

1 A.V Langfristige Forderungen 106

2 A.V.1 Langfristige Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 1061

2 A.V.2 Langfristige Forderungen aus gewährten Darlehen 1062

2 A.V.3 Sonstige langfristige Forderungen 1063

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

Abbildung 2: Kurzfristige Forderungen – Gliederung

Ebene/Position Code

1 B.I Kurzfristige Forderungen 113

2 B.I.1 Kurzfristige Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 1131

2 B.I.2 Kurzfristige Forderungen aus Abgaben 1132

2 B.I.3 Sonstige kurzfristige Forderungen

2 B.I.4 Sonstige kurzfristige Forderungen (nicht voranschlagswirksame Gebarung) 1133

1134

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

Kurzfristige Forderungen

Als kurzfristige Forderungen sind solche zu betrachten, deren voraussichtliche Erfüllungsdauer nicht länger als ein Jahr beträgt. Was zu den kurzfristigen Forderungen zählt, zeigt Abbildung 2.

Kurzfristige Forderungen sind, gleich wie langfristige verzinste Forderungen, in der Eröffnungsbilanz zum Nominalwert anzusetzen. Täglich fällige Forderungen sind nicht zu verzinsen. Sie sind auch weiterhin im kurzfristigen Vermögen zu zeigen, selbst wenn sie schon lange nicht bezahlt wurden. Sofern nicht mit dem vollen Zahlungsbetrag gerechnet werden kann, sind auch die kurzfristigen Forderungen einer Wertberichtigung zu unterziehen.

Maßnahmen im Zuge der Eröffnungsbilanz

Im Zuge der Erstellung der Eröffnungsbilanz ist bei der Erfassung von Forderungen darauf zu achten, dass künftig die aus der Kameralistik bekannten schließlichen Reste durch die VRV 2015 gänzlich entfallen.

Die ehemals schließlichen Reste können noch im Rahmen der laufenden Buchhaltung 2019 über einzelne Debitorenkonten erfasst werden. Der sich daraus ergebende Saldo ist dann im Rahmen der Eröffnungsbilanz als Forderung aus Lieferungen und Leistungen auszuweisen. Bei der Überleitung der schließlichen Reste zu den Forderungen sind folgende Schritte zu befolgen:

• Überprüfung der schließlichen Reste, ob diese tatsächlich noch einbringlich sind (d. h. z. B. nicht älter als drei Monate)

• sollten die schließlichen Reste nicht mehr einbringlich sein, sind diese mit Beschluss des Gemeinderates bzw. des Stadtrates zu bereinigen – daher auszubuchen

• Zuordnung der einbringlichen schließlichen Reste zu den einzelnen Kontengruppen der Unterklassen 23 und 28 (siehe Anlage 3b zur VRV 2015) entsprechend des Grundgeschäfts und der Fristigkeit

• Ermittlung von Wertberichtigungen für einzelne Forderungen aufgrund von

Unsicherheiten bei der vollständigen

Bezahlung und Ausweis unter der Kontengruppe 291, 292 bzw. 295 oder 296

Ausweis der Forderungen

• Unter Berücksichtigung der zuvor erläuterten Bewertungsregelungen für langfristige Forderungen, weist der

Posten langfristige Forderungen aus gewährten Darlehen in der Eröffnungsbilanz einen Saldo von 54.851 Euro aus.

Es handelt sich um ein Darlehen an den

Betreiber des Kindergartens zur Finanzierung von Umbaumaßnahmen. Das

Darlehen wurde 2017 gewährt und hat eine Restlaufzeit von 8 Jahren.

• Der Posten sonstige langfristige Forderungen weist einen Saldo von 25.615

Euro aus. Hierbei handelt es sich um

Bezugsvorschüsse an Dienstnehmer der

Gemeinde. Diesen liegen entsprechende

Rückzahlungsvereinbarungen vor. • Nach Überprüfung der schließlichen

Reste hat die Gemeinde festgestellt, dass die Forderungen aus Lieferungen und

Leistungen zum 01.01.2020 in Höhe von 38.438,42 Euro alle kurzfristig, daher im

Jahr 2020 fällig sind. Unter diesen Forderungen befi nden sich Gebühren für die

Müllentsorgung, Abwasserentsorgung und Abfallbeseitigung für das 4. Quartal 2019 in Höhe von 32.420 Euro, die am 15.11.2019 fällig gewesen wären. Zudem sind Forderungen aus Mietvorschreibungen an den Kindergartenbetreiber im

Ausmaß von 6.018,42 Euro für den Monat

Dezember 2019 enthalten. Diese werden nicht wertberichtigt und auf der Kontengruppe 230 ausgewiesen.

• Unter den kurzfristigen Forderungen aus Abgaben werden Kommunalsteuern für den Monat Dezember 2019 in Höhe von 40.327,32 Euro ausgewiesen, die im

Jänner 2020 von den Unternehmen gemeldet wurden und am 15.01.2020 fällig sind. Ebenso fi nden sich unter diesem

Posten gemeldete – aber noch nicht bezahlte – Kommunalsteuern für die

Monate September bis November 2019 in Höhe von 4.011,26 Euro sowie offene

Gebrauchsabgaben für das 4. Quartal 2019 in Höhe von 1.200 Euro. Der Ausweis erfolgt in der Kontengruppe 233.

• Zum Zeitpunkt der Eröffnungsbilanz liegen geleistete Anzahlungen für Lieferungen und Leistungen iHv 52.941,18 Euro vor. Diese werden unter den sonstigen kurzfristigen Forderungen bzw. unter der Kontengruppe 282 ausgewiesen.

• In der Eröffnungsbilanz wird für den

Posten sonstige kurzfristige Forderungen (nicht voranschlagswirksame

Gebarung) ein Saldo von 86.375,72 Euro ausgewiesen. Unter anderem sind darin die von der Gemeinde entrichteten Depots für das Finanzierungsleasing des

Fuhrparks in Höhe von 75.000 Euro (Ausweis unter Kontogruppe 272) enthalten.

Zum Stichtag der Eröffnungsbilanz führt zudem der Saldo aus Umsatzsteuer und Vorsteuer zu einer Forderung an das Finanzamt in Höhe von 11.375,72

Euro (Ausweis in Kontengruppe 270 bzw. 271).

Abbildung 3: Ausweis der Forderungen

Ebene Code Aktiva EB 2020

1 106 A.V Langfristige Forderungen

2 1061 A.V.1 Langfristige Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

80.466,00

0,00

2 1062 A.V.2 Langfristige Forderungen aus gewährten Darlehen 54.851,00 2 1063 A.V.3 Sonstige langfristige Forderungen 25.615,00 1 113 B.I Kurzfristige Forderungen 223.293,89

2 1131 B.I.1 Kurzfristige Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 38.438,42

2 1132 B.I.2 Kurzfristige Forderungen aus Abgaben 2 1133 B.I.3 Sonstige kurzfristige Forderungen

2 1134 B.I.4 Sonstige kurzfristige Forderungen (nicht voranschlagswirksame Gebarung) 45.538,58 52.941,18

86.375,72

Quelle: eigene Abbildung, MSCT

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