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Veranschlagung der Rückstellungen

Michael Dessulemoustier-Bovekercke (Moore Stephens)

Neben den Abschreibungen zählen die Rückstellungen zu den wohl bedeutsamsten Änderungen des Voranschlags im Vergleich zur bisherigen Darstellung nach der VRV 1997. Bisher wurden die Ausgaben für Jubiläumsgelder, Abfertigungen und etwaige nicht verbrauchte Urlaubstage im Falle der Beendigung von Dienstverhältnissen erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung im Rechnungswesen der Gemeinden erfasst. Der Anspruch auf Jubiläumsgeld oder Abfertigung wird aber über die Dienstzeit verteilt erworben, aber eben nur zu den jeweiligen Stichtagen des Dienstjubiläums (in der Regel 25 bzw. 40 Jahre) bzw. des Pensionierungszeitpunktes ausbezahlt. Dieses zeitliche Auseinanderfallen wird zukünftig durch die VRV 2015 über die Rückstellungen im Vermögenshaushalt und die Veränderungen der Rückstellung im Ergebnishaushalt dargestellt. Der Anspruch auf bis zum Bilanzstichtag nicht konsumierte Urlaubstage wird zumeist im Folgejahr getilgt, sodass es hier nur in sehr seltenen Fällen, ausschließlich bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses, zu einer Auszahlung kommt. Die Urlaubsrückstellung hat daher viel mehr die Funktion der korrekten Darstellung des Personalaufwands für eine Berichtsperiode.

Rückstellungen haben damit zwei wesentliche Aufgaben:

1. periodengerechte Verteilung bzw. Darstellung des Aufwandes 2. korrekte (insbesondere vollständige)

Darstellung der Schulden

Hinsichtlich der periodengerechten Darstellung des Aufwandes ist die Aufgabe von Rückstellungen so zu verstehen, dass zwar ein in der Periode verursachter Aufwand feststellbar bzw. wahrscheinlich eingetreten ist, aber gleichzeitig noch keine Verbindlichkeit entstanden ist. Verbindlichkeiten sind tatsächlich vorhandene Schulden, die sowohl hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunktes der Zahlung bestimmt sind. Bei den Rückstellungen ist hingegen der Eintritt wahrscheinlich, aber nicht zwingend notwendig, und die Höhe oder der Zeitpunkt können ebenso noch nicht final bestimmt werden.

Beispiel: Die Frage, ob eine Mitarbeiterin, die seit 15 Jahren in der Gemeinde tätig ist, das 30-jährige Dienstjubiläum erreichen wird, und wie hoch dann ihr Monatsentgelt sein wird, kann zwar mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit, aber eben nicht exakt, ermittelt werden. Daher liegt eine Rückstellung vor. Hingegen die Höhe und der Zeitpunkt von Zahlungen im Rahmen einer Altersteilzeitverpflichtung ist exakt definierbar und ist daher als Verbindlichkeit auszuweisen.

Die Bildung von Rückstellungen, deren zweckmäßige Verwendung und auch deren Auflösung sind jedenfalls unbare Vorgänge und haben somit niemals eine Auswirkung auf die Finanzierungsrechnung. Sie sind, zusammen mit den Abschreibungen im Anlagevermögen und den sonstigen Abgrenzungen, einer der wesentlichen Unterschiede zum bisherigem System der Rechnungslegung für Gemeinden.

Rückstellungen sind nach § 28 Abs 1 VRV 2015 für Verpflichtungen einer Gebietskörperschaft anzusetzen, wenn

1. die Verpflichtung bereits vor dem Rechnungsabschlussstichtag besteht und 2. das Verpflichtungsereignis bereits vor dem Rechnungsabschlussstichtag eingetreten ist und 3. die Erfüllung der Verpflichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Mittelverwendungen der Gebietskörperschaft führen wird und 4. die Höhe der Verpflichtung verlässlich ermittelbar ist.

Eine der Voraussetzungen, die den Ansatz von Rückstellungen erforderlich machen, ist das Vorliegen einer Verpflichtung. Diese Verpflichtung muss gegenüber einem externen Dritten bestehen. Reine „Innenverpflichtungen“ können daher nicht zum Ansatz einer Rückstellung führen. Ein Beispiel für eine derartige Innenverpflichtung sind die nach unternehmensrechtlichen Vorschriften ansetzbaren Aufwandsrückstellungen, wie etwa notwendig gewordene, aber unterlassene Instandhaltungen.

Auch wenn beispielsweise eine unterlassene Instandhaltung einer Straße nach außen wirkt (durch die schlechte Benützungsmöglichkeit seitens der Bürger), so kann dennoch kein Bürger die Sanierung von der Gemeinde verlangen. Dies wäre nur möglich, wenn ein entsprechender Bescheid (Rechtsakt) oder eine gesetzliche Grundlage für diesen Anspruch bestünde. Derartige Rückstellungen dürfen nach den Vorschriften der VRV nicht bilanziert werden. Es mangelt an der Verpflichtung einem Dritten gegenüber.

Bewertung und Ausweis der Rückstellungen

Die Bewertung von kurzfristigen Rückstellungen hat allgemein mit dem Zahlungsbetrag, der zur Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist, zu erfolgen. Langfristige Rückstellungen sind auf ihren Barwert abzuzinsen. § 19 Abs 5 VRV 2015 schreibt vor, dass dafür die durch Umlauf gewichtete Durchschnittsrendite für Bundesanleihen als Zinssatz heranzuziehen ist. Diese wird von der Österreichischen Nationalbank in regelmäßigen Abständen veröffentlicht.

In § 28 Abs 3 VRV 2015 erfolgt eine nicht abschließende („jedenfalls“) Aufzählung der kurzfristigen Rückstellungen. Diese umfassen neben Rückstellungen für Prozesskosten, Rückstellungen für ausstehende Rechnungen und Bescheide, wenn deren Wert jeweils zumindest 5.000 Euro beträgt, insbesondere die Rückstellungen für nicht konsumierte Urlaube.

Zu den langfristigen Rückstellungen, das sind jene, bei welchen die (voraussichtliche) Erfüllung erst in mehr als zwölf Monaten erfolgen wird, zählen jedenfalls (demonstrative, nicht abschließende Aufzählung) die Rückstellungen für Abfertigungen, für Jubiläumszuwendungen sowie für Haftungen und für die Sanierung von Altlasten und sonstige langfristige Rückstellungen, wenn deren Wert jeweilsmindestens 10.000 Euro beträgt.

Maßnahmen für den Voranschlag

Demzufolge ist es daher für den Ergebnisvoranschlag erforderlich, die relevanten Rückstellungen zu kennen und eine entsprechende Abschätzung der Entwicklung im Voranschlagsjahr 2020 vorzunehmen. Daher muss die Ermittlung der Bewertung des gesamten Vermögens, welche eigentlich erst für die Eröffnungsbilanz erforderlich wäre, bereits zu jenem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Voranschlag erstellt wird. Die erforderlichen Maßnahmen lassen sich für ein Inkrafttreten der VRVR 2015 zum 01.01.2020 wie folgt zusammenfassen: Für den Ergebnisvoranschlag ist daher zu beachten, dass vor allem die kurzfristigen Rückstellungen, deren Aufgabe eher die korrekte periodengerechte Darstellung von Aufwand ist, keiner wesentlichen Veränderung unterliegen werden. Am ehesten denkbar ist dies bei einer Rückstellung für Prozesskosten, wenn zu erwarten ist, dass ein im Herbst 2019 bereits bestehender Rechtsstreit bis Ende 2020 beendet wird. Die Rückstellungen für nicht konsumierte Urlaube und für ausstehende Rechnungen werden eher unverändert auch im Folgejahr auszuweisen sein.

Bei den langfristigen Rückstellungen kommt es hingegen aufgrund von tatsächlichen Auszahlungen von Abfertigungen und Jubiläumsgeldern und dem damit in Zusammenhang stehenden Verbrauch der Rückstellung mit viel größerer Wahrscheinlichkeit zu Änderungen im Wert der langfristigen Rückstellungen, die eine Berücksichtigung in der Ergebnisrechnung erforderlich machen. Weiters ändert sich das Rückstellungserfordernis für Abfertigungen und Jubiläumsgelder auch jährlich vorhersehbar durch Gehaltsanpassungen, Zinsänderungen und die Dauer der Abzinsung.

Die Veranschlagung erfolgt auf den Kontengruppen 591 bis 594 auf Ebene der Ansätze nach Anlage 2 zur VRV 2015 und wird im Ergebnishaushalt auf der Ebene 2214 „Nicht finanzierungswirksamer Personalaufwand“ ausgewiesen.

Checkliste zur Veranschlagung der Rückstellungen

Maßnahme

Abklärung der technischen Voraussetzungen für die Berechnung von Personalrückstellungen Erhebung der bisher bereits erfassten Personaldaten, Urlaubsdaten und Zeitguthaben als Basis für die Berechnung Erhebung von Fluktuationen der letzten Jahre zur Ermittlung eines angemessenen Fluktuationsabschlags Probeberechnung der Personalrückstellungen zum 31.12.2018 Abschätzung der zu erwartenden Veränderung auf Basis der Entwicklung des Personalstandes, des anzuwendenden Zinssatzes und der Gehaltssteigerungen im Jahr 2019 als Grundlage für den Eintrag im Ergebnisvoranschlag 2020

Zeitrahmen

bis April 2019

bis Juni 2019

bis Juni 2019 Sommer / Herbst 2019

Herbst 2019

Quelle: MSCT, 2018.

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