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Gefordert ist Schere im Kopf

Voraussetzung für Karriere Gefordert ist Schere im Kopf

Appell von Spitzenjournalist Armin Wolf, dem Robert-Hochner-Preisträger

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Während KLIPP dabei war, die Analyse über Journalismus, Finanzdruck und Meinungsfreiheit von Andreas Koller, dem Leiter der Wien-Redaktion der Salzburger Nachrichten, ins Heft zu stellen, rüttelte ORF-Spitzenjournalist Armin Wolf das politische Establishment wach. Dies geschah anlässlich der Verleihung des RobertHochner-Preises an ihn im Beisein des Bundespräsidenten. Wolfs Analyse deckt sich mit jener von Koller und anderer Polit- und TVJournalisten, die ebenfalls kein gutes Bild von Österreichs Politikern zeichnen, wenn es um Meinungsfreiheit, kritischen und unabhängigen Journalismus geht. Beim Staatsrundfunk gäbe es keinen Pluralismus mehr, geißelte Armin Wolf die Situation im ORF. Sein Appell kam nicht zufällig, naht doch die Wahl der neuen ORF-Chefetage im Frühherbst dieses Jahres. Weil Demokratie Meinungsvielfalt voraussetze, so Wolf, sei ein Monopol, wie es eben der ORF in Österreich habe, in einem so wichtigen Bereich „nur durch maximalen inneren Pluralismus zu rechtfertigen.“ Preisträger Wolf führte dann sehr konkret an, was er meinte: Wenn sämtliche Informationssendungen im ORF – ob nun „Der Report“, „Offen gesagt“, „Thema“, „Hohes Haus“ – und sämtliche ZIB-Sendungen letztendlich einer einzigen Person unterstehen, die alles entscheiden kann, dann ist das extrem viel Macht in der Hand einer Person. Wolf meinte daher, es sei an der Zeit, „wieder unabhängige Sendungsredaktionen mit eigenen Redakteuren und Reportern und mit echten, tatsächlich entscheidungsbefugten Sendungsverantwortlichen, die nicht nur so heißen, sondern die auch tatsächlich verantwortlich sind und die nicht bei jedem Studiogast und jedem Diskussionsthema erst nachfragen müssen“, einzusetzen. In seiner weiteren „Dankesrede“ ging Wolf dann auch auf die Einflussnahme der politischen Parteien ein. Er zitierte dabei aus dem demnächst erscheinenden Buch von Ex-ÖVP-Klubobmann Heinrich Neisser. Zitat: „Die Politiker fühlen sich als ORF-Hausherren.“ Auch Wolf sprach von der „nahezu hemmungslosen Einflussnahme der Politik auf den ORF“, die allerdings kein neues Phänomen sei. Trotzdem sei es seit dem Februar 2000 (Angelobung der ersten VPFP-Regierung) noch einmal merkbar schlimmer geworden. Davor hätten beide Großparteien für eine Art Gleichgewicht des Schreckens im ORF gesorgt. Seit der Wende, aber ganz besonders seit 2002, dominiere nur noch ein einziges politisches Lager. Das Fazit von Wolf: „Vom Gleichgewicht ist nur noch der Schrecken übrig.“ Er appellierte in der Folge an die 35 Stiftungsräte im ORF, die in den nächsten Wochen über den künftigen ORF-Generaldirektor entscheiden. Sie sollten bei ihren personellen Überlegungen doch nach einer ganz einfachen Regel handeln: Aufklärerischer Journalismus brauche kritische Distanz. Wenn sich also eine Partei für einen Kandidaten stark mache, dann möge dies die Stiftungsräte misstrauisch machen. Denn für kritische Journalisten mache sich kein Politiker stark: Parteien wünschen sich Parteigänger, nicht kritische Beobachter. Das ist kurzsichtig, aber Realität. Sehr erhellend für die Printmedien ist auch der Bericht von Elisabeth Horvath im „Politik-Journalist“, April 2006. Ein Auszug daraus: Andreas Khol, Ursula Plassnik, Elisabeth Gehrer – die drei Politiker der Kanzlerpartei ÖVP sind es, die den innenpolitischen Journalisten am meisten zusetzen. Sie wollen alles gegenlesen, autorisieren: Interviews, Zitate, ganze Artikel – um hinterher möglichst alles zu glätten. Sie machen Druck und haben keine Hemmungen. Der eine, Präsident des Nationalrates, schreibt jedes Interview (Frage –Antwort) derart um, dass es hinterher nicht mehr zu erkennen ist. Sogar Bildlegenden will er korrigieren. Die Außenministerin wiederum möchte ganze Artikel vor Drucklegung lesen. Wohl macht diese „Autorisierungswut“ (Salomon), mit der die Politiker seit wenigen Jahren die Journalisten, insbesondere die Tageszeitungsjournalisten, nerven, vor den Oppositionsparteien nicht Halt. Sogar die Grünen versuchen es. Der Unterschied liegt in der Hartnäckigkeit und dem Tonfall, wie diese Ansinnen an die Kollegen und Kolleginnen herangetragen werden. Und da führt die ÖVP haushoch. Autorisierung von langen Interviews (über eine Stunde), okay. Damit werden missverständliche Kürzungen, Hörfehler, Missinterpretationen vermieden. Doch ein generelles Vorlegen – alleine dies zu verlangen grenzt an Eingriff in die Pressefreiheit, die man von NichtDemokratien gewohnt ist. Kein Wunder, dass erfahrene innenpolitische Redakteure unisono Klage darüber führen. Hans Winkler, Chefradakteur-Stellvertreter und Leiter der Wien-Redaktion der „Kleinen Zeitung“: „Es ist vollkommen üblich geworden, dass Du gegenlesen musst. Ich habe das sofort kategorisch abgelehnt, jetzt versuchen sie es bei mir nicht mehr. Die jungen Kollegen sind darauf eingestiegen, und daher ist es fast schon Usus.“ Der Ressortleiter Innenpolitik im „Standard“, Michael Völker, überlegt gar, mit besonders hartnäckigen Umschreibern „keine Interviews mehr zu machen“. Ansonsten herrsche das übliche Prinzip: Regierungstreue Journalisten „werden gut bedient, aber auch in Verantwortung genommen. Kritische Journalisten bekommen schwer Termine, sind von Exklusivgeschichten ausgeschlossen“ (Völker). ❖

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