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Mit Liebesentzug bestraft
Andreas Koller, Leiter der Wien-Redaktion der „SN“, über kritischen Journalismus, Finanzdruck und Meinungsfreiheit.
„Mit Liebesentzug bestraft“
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Koller: Regierung behindert kritischen Journalismus.
Auch wenn diese zu Fehlern führt, wie etwa bei der österreichischen Richterschaft: Die Unabhängigkeit und kritische Eigenständigkeit der österreichischen Politund Wirtschaftsjournalisten ist eine wesentliche Säule für die Qualität unserer Demokratie. Mächtige in Regierungen, welcher Farbe auch immer, und Führungsetagen neigen dazu, diese durchlöchern oder gar beseitigen zu wollen. So auch diese Bundesregierung.
Andreas Koller wurde von Österreichs Chefredakteuren im Ranking des „Journalist“ mit großem Respektabstand zum besten innenpolitischen Journalisten 2005 gewählt. Sie sind ein kritischer Geist und haben besondere Sensoren, was Österreichs Vergangenheit angeht, Minderheiten, Machtfragen. Warum sind Sie da so sensibel?
Andreas Koller: Bei Grundrechtsfragen, Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsmäßigkeit soll man keine Kompromisse eingehen. Wenn man etwa sieht, wie in Kärnten der Landeshauptmann in der Ortstafelfrage tobt, muss man eine klare Grenze ziehen. Weil es rechtsstaatlich nicht möglich ist, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs zu ignorieren. Wenn man die Prinzipien der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit außer Streit stellt, ergibt sich der kritische Journalismus von selbst. Es gibt zahllose politische Aspekte, über deren Sinn oder Unsinn man diskutieren, wo man Pluralismus zulassen kann, aber sicher nicht bei Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechten, Grundrechten.
Hat Sie diese Haltung schon mal in Probleme gebracht?
Andreas Koller: Wenn man bei den „Salzburger Nachrichten“ arbeitet, ist es relativ leicht, mutig zu sein. Meine kritische Haltung wird vom Herausgeber und vom Chefredakteur gedeckt. Und wenn interveniert werden sollte, stößt das in unserer Zeitung auf wenig Widerhall.
Wie reagieren die Kritisierten? Kanzler mit Liebesentzug bestraft wird. Das gehört zum guten Ton des Kanzlers. Mich stört viel mehr, dass es in Österreich zu einer Diskreditierung der Kritik und der Kritiker kommt. Kritik an der Regierung wird gleichgesetzt mit einem linken Kurs. Wenn man den Kanzler kritisiert, ist man ein Linker. Und in Österreich ist man heute schon ein Linker, wenn man der Caritas 100,– Euro spendet.
So weit nach rechts ist Österreich gerutscht?
Andreas Koller: Ja, so weit haben wir es gebracht. Und das Zweite ist, dass Kritik an der Regierung mit Kritik an Österreich gleichgesetzt wird. Dieses Spiel spielt der Kanzler, dieses Spiel hat auch Jörg Haider gespielt. Eine Zeit lang war ja jede Kritik an der FP-Regierungsbeteiligung Nestbeschmutzung. Diese Haltung geht übrigens weit über die Politik hinaus. Das geht sogar so weit, dass jeder, der Vorgänge wie z.B. die Doping-Affäre in Turin kritisiert, sich als Nestbeschmutzer beschimpfen lassen muss. Und bezichtigt wird, er gönne dem Benjamin Reich nicht seine Goldmedaillen. Mir fehlt die Differenzierung, dass man österreichische Vorgänge kritisieren kann, ohne deshalb ein schlechter Österreicher zu sein. Diese Differenzierung bringt man journalistisch oft schwer rüber.
Woran erkennen Sie das? fen, vor allem in einem bestimmten Kleinformat. Wer dafür eintritt, dass Schwarzafrikaner auch Menschenrechte haben, wird als links abgestempelt. Dagegen verwahre ich mich. Da findet eine Denunzierung statt, die zur Klimavergiftung beiträgt.
Ist das die Folge des Verhaltens der Regierung anlässlich der Sanktionen?
Andreas Koller: Ja, aber daran sind auch die EU-14 schuld. Die Sanktionen gegen Österreich waren ja nicht sehr sinnvoll. Denn natürlich hat sich Österreich in eine Ecke zurückgezogen, nach dem Motto: Wir Österreicher wählen, wen wir wollen. Ein wenig ist es immer noch so, dass wir Österreicher glauben, uns gegen die böse EU wappnen zu müssen.
Wird das von der Regierung genährt?
Andreas Koller: Natürlich. Für die Regierung war das ein willkommener Anlass, um dieses Wir-Gefühl zu stärken. Schön langsam sollte man abrüsten, und die Regierung sollte zu erkennen geben, dass Kritik an ihr nicht gleichzusetzen ist mit Österreich schlecht machen.
Zerstört die Regierung damit den kritischen Journalismus?
Andreas Koller: Sie behindert ihn.
Auszug aus dem Interview von Elisabeth Horwath Quelle: Politik-Journalist, April 2006