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Wenn Essen süchtig macht

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Lebkuchen

Lebkuchen

von Malin Rütten

Süchte. Wahrscheinlich laufen in deinem Kopf gerade schon die unterschiedlichsten Bilder ab, wenn du das Wort hörst. Tabletten, Zigaretten, Glücksspiel und Computerspiel – all das kann zur Sucht werden. Lebensmittel als potenzielle Suchtfaktoren werden dabei meistens außer Acht gelassen.

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Wie häufig Essstörungen vorkommen, ist nicht genau zu sagen, da viele Betroffene sich keine Hilfe suchen oder nicht realisieren, dass ihr Essverhalten Suchtcharakter hat. Vor allem in westlichen Ländern ist in den letzten Jahrzehnten die Anzahl solcher Erkrankungen gestiegen. Immer mehr Menschen entwickeln z.B. Süchte nach ungesunden Lebensmitteln. Günstiges Fast Food ist fast überall zu bekommen, in den Sozialen Medien werden immer neue Trends propagiert. Lebensmittel enthalten oft zahlreiche Zusatzstoffe, wie Geschmacksverstärker, deren einziges Ziel es ist, den Appetit zu steigern. Noch nie gab es so viele Ernährungstrends, von Paleo, über die ketogene Ernährung bis zur High Carb Diet: Hinter den kreativ klingenden Namen verbergen sich häufig ungesunde Trends, die über die sozialen Medien verbreitet werden und ungefiltert auch jüngere Menschen erreichen, die oft besonders anfällig für solche Diäten sind.

Essstörungen sind heute verbreitet, wie nie zu vor. Von 1.000 Mädchen und Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 61 an einer Essstörung. Bei den Männern sind es 18. Dabei ist die Esssucht, auch „Binge-Eating-Störung“ genannt, die häufigste Essstörung und nicht – wie viele glauben – Magersucht oder Bulimie. Bei dieser Erkrankung kommt es zu regelmäßigen, nicht kontrollierbaren Essanfällen, die suchtähnlichen Charakter annehmen. Betroffene haben keine Kontrolle über ihr Essverhalten und verschlingen enorme Nahrungsmengen. Meist sind sie übergewichtig.

Aber wodurch entsteht diese Sucht nach Essen überhaupt? Die Ursachen sind nicht eindeutig zu benennen, es wird allerdings ein Zusammenspiel aus psychischen, psychosozialen und sozialen Faktoren, aber auch genetischen und biologischen Ursachen angenommen, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angibt. Dabei sind vor allem eine gewisse genetische Anfälligkeit für psychische Erkrankungen sowie ein negatives Selbstbildnis entscheidende Risikofaktoren für die Entstehung einer Esssucht. Außer Acht sollte auch nicht gelassen werden, dass die Esssucht, genau wie alle anderen Ess-

störungen, als eine psychische Erkrankung eingestuft wird, da der übermäßigen Nahrungszufuhr kein biologisches Hungergefühl zu Grunde liegt. Häufig entwickeln sich Essstörungen in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Sie können beispielsweise aus traumatischen Erlebnissen, einem geringen Selbstwertgefühl und/oder hohem Leistungsdruck resultieren. Ungesundes Essen dient als Kompensation und Ausweg.

Oft entsteht die Sucht nach Essen durch starkes Übergewicht in der Kindheit, gekoppelt mit dem Wunsch abzunehmen. Wenn die angestrebten Ziele nicht erreicht werden, entsteht Frust, abgebrochene Diäten und das Streben nach einem schlanken, sportlichen Körper können in einer Esssucht enden. Viele Betroffene haben bereits in ihrer Kindheit falsche Ernährungserziehung erfahren. Wird einem Kind zum Beispiel vorgegeben, wie viel es zu essen hat, so lernt es nicht, ein Gefühl für den eigenen Nahrungsbedarf zu entwickeln. Das Kind erkennt nicht, wann es satt ist und wie es seine Hungergefühle regulieren kann.

Auslösender Faktoren für eine Essattacke ist bei den Betroffenen häufig psychischer Stress. Oft haben sie nicht gelernt, mit Belastungssituationen umzugehen. Essattacken wirken für kurze Zeit beruhigend, obgleich bei vielen Betroffenen danach Schuld- und Schamgefühle entstehen. Und viele unserer heutigen, oft sehr kalorienreichen Lebensmittel, die wir konsumieren, begünstigen diese Süchte nur. Durch die industrielle Verarbeitung und den Zusatz von Zucker, Geschmacksverstärkern und Zusatzstoffen wird das Belohnungssystem im Gehirn angesprochen. Die Kombination aus Salz-Zucker-Fett in unserer häufig sehr kalorienreichen Nahrung, lässt den Dopaminspiegel sehr viel stärker ansteigen. Alkohol, Nikotin oder Heroin wirken auf denselben Mechanismus und erzeugen positive Gefühle - obwohl eigentlich nichts besonders Erfreuliches passiert ist. Der Mensch will solche Emotionen immer wieder erleben und konsumiert deshalb die glücklich machenden Stoffe immer häufiger und in immer größerer Menge. Den Lebensmittelkonzernen wird nachgesagt, dass sie Fertigprodukte gezielt so entwikkeln, damit diese süchtig machen.

Zwischen Nahrungsmitteln in schier endloser Fülle und dem Ideal schlank zu sein, haben Lebensmittel also einen großen Risikofaktor, zu einem Suchtgegenstand zu werden. Viel zu selten wird dieser Zusammenhang thematisiert. Es kann nicht schaden, sein eigenes Essverhalten und das seiner Liebsten zu hinterfragen, wenn Anzeichen eines ungesunden Essens vorliegen.

Beratungsstelle für Essstörungen:

https://www.bzga-essstoerungen.de/ Info-Telefon. Tel.: 0221 892031

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