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ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU & FLORIAN
FILMPOLITIK
Alexander DumreicherIvanceanu, der gerade erst das 25-Jahr-Jubiläum seiner Produktionsfirma „Amour Fou“ gefeiert hat, engagiert sich nun als Obmann seines Fachverbandes.
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FILMBRANCHE UND CORONA-KRISE: „ES GEHT NUR GEMEINSAM“
Der Filmproduzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu fordert als neuer Obmann seines Fachverbands in der Wirtschaftskammer nachhaltige Maßnahmen für die (Post-)Corona-Zeit.
Langeweile gibt es für Alexander Dumreicher-Ivanceanu dieser Tage nicht, trotz Lockdown und umfassender Corona-Maßnahmen. Im Gegenteil. Gerade feierten er und die Filmemacherin Bady Minck mit ihrer gemeinsamen luxemburgisch-wienerischen Filmproduktionsfirma „Amour Fou“ deren 25-jähriges Bestandsjubiläum. Zudem muss Dumreicher-Ivanceanu die eigenen Produktionen mit strengen Corona-Auflagen zur Umsetzung bringen, plant den Kinostart von Evi Romens beim Zürich Filmfestival ausgezeichneten Film „Hochwald“ in den nächsten Wochen und steht seit Anfang November 2020 zudem dem Fachverband der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer vor; eine Funktion, die die Interessen von nicht weniger als 6.000 Unternehmen vertritt. Dumreicher-Ivanceanu ist für fünf Jahre gewählt, und es dürften fünf turbulente Jahre werden. „Es ist mitten in der Pandemie natürlich eine große Herausforderung, diese Branche zu vertreten“, sagt der Produzent im celluloid-Gespräch. Wiewohl die erste große Hürde der Filmbranche in Hinblick auf Corona Anfang des Sommers genommen werden konnte. „Ab 16. März konnte die Filmbranche nicht mehr drehen, das bedeutete Stillstand und eine unglaubliche Krise. Durch die Schaffung eines Ausfallsfonds für coronabedingt unterbrochene Dreharbeiten konnte jedoch die Branche weiterhin produzieren.“ Der Fonds wurde kurz nach Antritt der Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, die der glücklosen Ulrike Lunacek nachfolgte, gegründet. „Mayer macht wirklich einen großartigen Job, die Branche spürt, dass sie sich mit Leidenschaft einsetzt“, so Dumreicher-Ivanceanu. Gerade beim Ausfallsfonds für abgesagte Dreharbeiten sei Österreich ein Vorreiter in Europa gewesen. „Gemeinsam mit einer an einem Strang ziehenden Branche und der Politik konnte da viel bewegt werden“, so Dumreicher-Ivanceanu, allerdings: „Was sichtbar bleibt, ist, dass wir große strukturelle Probleme haben. Es gibt ein hohes kreatives Potenzial, aber keine ausreichenden Finanzierungsmittel. Dass der geförderte Film ein Arbeitsplatzmotor sein kann, haben wir bewiesen. Aber nur, wenn es gut läuft. In einer Krise wie dieser finden sich viele Filmschaffende schnell am Rande des Prekariats wieder, weil es kaum Absicherungssysteme gibt. Auch der Aufholbedarf bei Geschlechtergerechtigkeit und beim Nachwuchs ist sehr klar sichtbar geworden.“
2021 WIRD DIE KRISE AUF DER LEINWAND SICHTBAR WERDEN Die Folgen der Krise liegen auf der Hand: „2021 werden uns die Filme ausgehen“, so DumreicherIvanceanu. Der Hunger auf bewegte Bilder sei gerade während eines Lockdown unstillbar, dabei wurde weltweit 2020 bedeutend weniger gedreht. Insiderschätzungen gehen davon aus, dass die Anzahl der Produktionen mindestens um 50 Prozent eingebrochen ist. Heißt auch: Der Content wird 2021 fehlen, in Kino, TV und bei Streamingdiensten. „Das ist der spannende Moment, in dem wir uns befinden: Die unmittelbare Krise ist bewältigt, weil wir wieder drehen können, aber die Zukunft in der Pandemie ist ungewiss, und da drängt sich die Frage auf, wie man eine Branche strukturell neu aufstellen kann“, so Dumreicher-Ivanceanu.
Dank einer Stoffentwicklungsoffensive des Österreichischen Filminstituts (ÖFI), die nach dem ersten Lockdown zahlreiche Autorinnen und Autoren animierte, sich in Drehbuchentwicklungen zu vertiefen, können erstklassige neue Stoffe erwartet werden, ein Grundproblem aber bleibt: „2021 wäre das Jahr, in dem die gesamte Branche in die Offensive gehen könnte, Kreativitätund internationale Reputation sind breit vorhanden. Dafür gibt es bei den Förderstellen aber zu wenig Geld“, weiß DumreicherIvanceanu. Deshalb schwebt ihm als Obmann des WKO-Branchenverbandes ein neues Konzept vor: „Ich trete ein für eine Investitionsprämie, die es für Filmproduktionen geben soll. Investitionen in das heimische Filmschaffen sollen belohnt werden“. Dieses Anreizmodell soll dabei auch den Bereich „Grünes Produzieren“ forcieren: „Da haben wir Aufholbedarf: Auch bei der Filmherstellung umweltbewusst zu sein“, sagt Dumreicher-Ivanceanu.
NEUE FINANZIERUNGEN. Die Idee eines dritten Finanzierungsstandbeins neben den nationalen und regionalen Förderungen sowie dem ORF in der Filmbranche ist keineswegs neu, seit Jahrzehnten wird darüber debattiert. Allein: Wegen seines Nischendaseins hatte der österreichische Film bisher stets das Nachsehen. Bedenkt man, welche positiven Effekte Film etwa auch im Bereich des schwer getroffenen Tourismus erzielen kann, könnte das auch die Wertigkeit der Künste für die Politik neu ordnen. „Ich finde, eine Investitionsprämie mit grünem Bonus ist ein richtiger Weg, denn Dreharbeiten schaffen viele Arbeitsplätze und Filme haben eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung“. Und: „Den Zusammenhalt, den wir in der Krise erleben, wollen wir unbedingt in die Zukunft mittragen“, sagt Alexander Dumreicher-Ivanceanu. Das Gemeinsame, es war nicht immer selbstverständlich in Österreichs Filmbranche. Die Pandemie hat das geändert. Heute ist nicht nur Dumreicher-Ivanceanu klar: „Es geht nur miteinander“. ARNO VEUER
SET-ALLTAG
CORONA IST TEURER UND FILMEN WIRD GRÜN
Neue Realitäten am Set: Filmdreharbeiten finden unter strengen Corona-Regeln statt und sind ab 2021 auch „grün“. Ein Gespräch mit Produzent Florian Gebhardt.
Höchste Sicherheitsvorkehrungen: Beim Dreh zur TV-Serie „Soko Kitzbühel“ gab es 2020 verpflichtende Corona-Tests für das komplette Team und absolute Maskenpflicht für alle, ausgenommen die Schauspieler, die gerade vor der Kamera standen.
Die letzten Monate waren für Österreichs Filmbranche doppelt hart: Einerseits verhinderte der erste Lockdown zunächst sämtliche Dreharbeiten, andererseits fehlten durch die geschlossenen Kinos auch die Auswertungsmöglichkeiten für Filme. Die Produktion von Filmen steht daher am Beginn von 2021 vor großen Veränderungen, denn: Solange die Corona-Pandemie andauert, wird es nur mit viel Aufwand möglich sein, neue Filmware herzustellen. Hinzu kommt: Nicht nur Sicherheitsvorkehrungen zur Pandemie-Bekämpfung sind Pflicht, sondern ab heuer auch das „grüne“ Produzieren; Das Österreichische Filminstitut (ÖFI) wird „Green Filming“ zum Standard bei Förderungen machen, konkret geht es um Themen wie Energie, Transport oder Abfall bei der Filmherstellung. „Für mich ist Kulturpolitik auch Klimaschutzpolitik“, sagte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer zur Ankündigung der Initiative. Auch ÖFI-Direktor Roland Teichmann findet: „Mit den neuen Bestimmungen in unseren Förderrichtlinien setzen wir hier erstmals ein klares Zeichen und unterstützen die Branche auch aktiv beim Know-howTransfer für nachhaltiges Produzieren.“ „SOKO KITZBÜHEL“ IST GRÜN Einer, der bereits beim Thema Corona am Set sowie „Green Filming“ Erfahrung sammeln konnte, ist Filmproduzent Florian Gebhardt. Seine Firma Gebhardt Productions fertigt für den ORF erfolgreiche Comedy-Formate wie „Was gibt es Neues?“ oder „Wir sind Kaiser“, aber auch fiktionale Filme und Serien. Im Corona-Jahr 2020 entstand beispielsweise die neue, finale Staffel der beliebten Serie „Soko Kitzbühel“ - und zwar unter den höchstmöglichen CoronaSicherheitsvorkehrungen einerseits und unter den Standards, die das nunmehr eingeführte „Green Filming“ erfordert. Eine Vorreiterrolle für Gebhardt, der aus Überzeugung handelt: „Die ,Soko Kitzbühel‘ spielt an einem der schönsten Orte Österreichs. Natur pur, wo man hinblickt. Der Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsgedanke war uns wichtig. Wir wollten die Öffentlichkeitswirksamkeit des Erfolgsformats nutzen und mit der Green-Producing-Auszeichnung eine Vorbildwirkung mit Multiplikatoreffekt erzeugen“, sagt Gebhardt.
In Sachen Corona wiederum musste Gebhardt schnell handeln, um die geplanten Drehtage trotz aller Vorkehrungen über die Bühne zu bekommen. „Filmsets sind Hochsicherheitszonen. Bei uns durfte niemand das Set betreten, der vorher keinen negativen Covid-19 Test hatte. Die Maskenpflicht galt - ausgenommen für die Schauspieler vor der Kamera - trotzdem zusätzlich für sämtliche Personen am Set.“ Das Resultat bestätigt das Sicherheitskonzept: Bei insgesamt 120 Drehtagen für die neue Staffel gab es coronabedingt nur vier Tage, an denen nicht gedreht werden konnte.
TESTEN, TESTEN, TESTEN „Der Schlüssel ist: Lückenloses, regelmäßiges Testen und das Zutun der Crew, sich an die Regeln zu halten“, sagt Gebhardt. Was aber auch stimmt: Corona-Dreharbeiten sind „mit erheblichen Mehrkosten verbunden, die von Auftraggebern und Finanzierungspartnern mitgetragen werden mussten. Der ORF war auch in dieser Krisenzeit ein verlässlicher Partner“, sagt Gebhardt.
Was vielen Produktionsfirmen zudem half, war der von der Regierung
aufgelegte staatliche Ausfallsfonds. An Filmsets ist so ziemlich alles versichert, aber das Risiko, einen Dreh wegen eines Corona-Falls stoppen zu müssen, wollte keine Versicherung auf sich nehmen. Also sprang der Staat ein und übernahm diese Leistung in Form von Garantien. Ein Modell, ohne dass es im Drehalltag nicht geht, auch, wenn die daraus bezogenen Leistungen - der guten Hygienekonzepte sei Dank - bisher nur selten in Anspruch genommen werden mussten. Bleibt die Frage, wie Produktionen künftig sichergestellt werden können. Florian Gebhardt meint, eine Aufwertung des Fernsehfonds Austria bei der RTR brächte einen „starken Wirtschaftsimpuls“. Und dann ist da noch das Argument, das wieder greift, wenn Corona erst einmal besiegt ist: „Film ist ein starker Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor. Die ‚Soko Kitzbühel‘ alleine hat im letzten Jahr knapp 5.000 zusätzliche Nächtigungen in der Region erwirkt. Ein Ankurbeln der Produktionstätigkeit ist gleichzeitig eine Stärkung der regionalen Florian Gebhardt Hotellerie und Gastronomie - auch außerhalb der Hochsaison.“ Filmdrehs sind zudem auch Visitenkarten für Österreichs Tourismus.
ÖKO-PRÄMIE FÜR MUSTERSCHÜLER In Zusammenspiel mit dem „Green Filming“Gedanken ergibt sich daraus eine neue Dreh-Realität für Österreichs Filmer: Alexander Dumreicher-Ivanceanu, der neue Obmann der Filmwirtschaft in der Wirtschaftskammer: „Gerade die Filmwirtschaft ist einer der umweltfreundlichen Motoren, um Fortschritte und Innovationen zu erzielen, die sich die Filmförderung auf Bundesebene vorgenommen hat.“ Dumreicher-Ivanceanu fordert eine Öko-Prämie für in diesem Bereich vorbildliche Produktionsfirmen. Am Ende wird der Alltag am Filmset aber vom Verlauf der Pandemie abhängen, weiß auch Florian Gebhardt. „Die Covid-19-Maßnahmen hören erst dann auf, wenn das Virus keinen Schaden mehr anrichten kann - also aus derzeitiger Sicht: Wenn alle geimpft sind.“ MG