HOLLYWOOD
VERFAULT BIS INS MARK
Die Netflix-Miniserie „Hollywood“ blickt hinter die Kulissen der Traumfabrik und erzählt von moralischem Verfall, Sex-Eskapaden und der Lust, ein Star zu sein. Sie spielt in den 1940er Jahren, ist aber erstaunlich aktuell, auch in Bezug auf #MeToo.
Z
uerst ist da dieses unstillbare Verlangen, berühmt zu werden. Das treibt sie alle an, die Protagonisten aus „Hollywood“. Die siebenteilige Miniserie eroberte während Corona via Netflix die Wohnzimmer, weil sie auf überaus charmante und raffinierte Weise von einem scheinbar längst vergangenen Mythos berichtet. Dem Mythos Hollywood und seiner unglaublichen Anziehungskraft. Im Mittelpunkt der von Ryan Murphy und Ian Brennan entwickelten Serie stehen junge Männer und junge Frauen, die im Los Angeles der späten 1940er Jahre vor allem eines wollen: Groß herauskommen, Stars werden! Das ist hier nach dem Zweiten Weltkrieg und einer großen Desillusionierung der Gesellschaft das Motto der Stunde: Die Unterhaltungsindustrie boomt wie keine andere Branche, hunderte Filme entstehen, denn die Menschen brauchen Ablenkung und Zerstreuung. Bei den fiktiven Ace Studios erhält jeden Morgen eine Handvoll der vor den schmiedeeisernen Toren Wartenden einen Job als „Extra“, als Statist, in einer der großen Produktionen, die 20
drinnen gedreht werden. Manche haben Glück, die meisten jedoch werden wieder weggeschickt. Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte, denn mit Glück hat eine Hollywood-Karriere meist rein gar nichts zu tun, im Gegenteil. „Hollywood ist auf Heuchelei aufgebaut“, heißt es da einmal, und schnell wird klar, was gemeint ist. Weil der einstige Navy-Soldat Jack Castello (David Corenswet) als Neuankömmling ohne Job in L.A. mit seiner schwangeren Frau strandet und den erhofften Kredit nicht bekommt, versucht er sich als Statist, aber ohne Erfolg. Da heuert er bei einer Tankstelle als Tankwart an, aber es ist nicht bloß eine Tankstelle, denn: „Wir verkaufen hier eine Illusion, einen Traum, das ist schließlich Hollywood“, krakeelt der Tankstellenbesitzer Jack entgegen. Er hat ein besonderes Service parat: Mit dem Codewort „Dreamland“ beordern die Kunden die feschen, jungen Tankwarte in ihre Autos und entführen sie an ruhige Orte, wo es dann für Geld sexuell ordentlich zur Sache geht. Das Service ist gut bezahlt, die Kunden und Kundinnen sind halt nur leider alle nicht mehr ganz „frisch“. Die CELLULOID FILMMAGAZIN
betagten Ladies von fremdgehenden Studiobossen etwa wollen sich auch mit jüngeren, gut aussehenden Männern schmücken, die Ehefrau daheim muss ja gar nicht wissen, woher ihr Tankwart-Gatte plötzlich die vielen Dollars hat. Und natürlich werden an die Sexdienstleistungen bald auch Rollenangebote geknüpft, es ist die Keimzelle von „#MeToo“, und ganz Hollywood macht begeistert mit. KEIN ZUTRITT Selbstredend, dass man in den 1940er Jahren noch nicht viel über Homosexualität oder Rasse spricht, im Gegenteil: Ersteres existiert gar nicht und Farbige haben zu Hollywoods Traumland ohnehin kaum Zutritt. So geschieht im Heimlichen, was keiner wissen darf: Ein junger, schüchterner Schauspieler namens Roy Fitzgerald (Jake Picking) und der schwarze Drehbuchautor Archie Coleman (Jeremy Pope) lernen einander über das Tankstellenservice kennen und sind schnell ein Herz und eine Seele. Ihre Beziehung erfährt jedoch etliche Dämpfer: Zunächst ist da Roys schleimiger Agent Handy Wilson (Jim Parsons, genial!), ebenfalls homosexuell und an jedem