celluloid 3/2020

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SACHBUCH

OHNE KAMERA IST DIE

MACHT MACHTLOS US-Präsidenten im Film: Ein neues Buch zeigt 164 Schauspieler, die fiktional die Welt regierten.

F

iebrige Mediengeilheit und der Wille zur absoluten Selbstdarstellung sind vielleicht die zwei wichtigsten Eigenschaften, die ein amerikanischer Präsident mitbringen muss. Zumindest, seit es das bewegte Bild gibt. Als der Republikaner William McKinley 1897 zum Präsidenten gewählt wurde, nutzte er das gerade einmal zwei Jahre alte Medium Film, um sich seinem Volk zu präsentieren. „President McKinley at Home“ war die erste filmische Polit-Homestory der Geschichte, mit einem Präsidenten am Arbeitstisch. Vielleicht lag die Anwendung der neuen Filmtechnik daran, dass McKinleys Bruder damals Aktionär der Filmgesellschaft war, aber diese paar Meter Film zeigen, wie schnell diese mediale Selbstdarstellung amtsimmanent wurde. Zeitsprung in den April 2020: Wer mit angesehen hat, wie Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus anlässlich der Corona-Krise nicht nur reihenweise anwesende Journalisten diskreditierte, sondern sich selbst auch zum Machthaber mit „totaler Au24

torität“ stilisierte, begreift, wie „kriegsentscheidend“ die Beherrschung des Bewegtbildes gerade für das US-Präsidentenamt ist; später hat sich das mit den Rassenunruhen noch verdeutlicht. Ein Amt, das sich selbst als das wichtigste der Welt begreift, und das mitten in der Corona-Krise eklatante Schwächen zeigt, auch, oder gerade weil da jemand im Sattel sitzt, der ganz offenkundig wenig weiß über das Regieren. Umso wichtiger ist das starke Bild, das Trump von sich zeichnet. Es soll all jene überzeugen, die inhaltlich nicht hinhören (wollen). Das ist die Mehrheit der Bürger.

„Air Force One“ über „Independence Day“ bis hin zur Netflix-Serie „House of Cards“. Eingeteilt ist der Bilderreigen in 240 Kategorien; Situationen, in denen man die jeweiligen SchauspielerPräsidenten studieren kann. Beim Essen etwa, beim angestrengt Schauen, beim Telefonieren, beim Pool-Billard, beim Überlegen, ob man den roten Nuklearknopf betätigen soll, beim Arbeiten im Bett oder beim berühmten Pressebriefing im White House. Ein 460 Seiten starker Bildband, der wenig Text braucht, um seine Message zu transportieren: Die Wichtigkeit bildgewordener Rituale zu bePRESIDENTS ON SCREEN Das Bild Lea N. Michel: The Presi- tonen, egal, ob es sich dabei des Präsidenten, wie es das dent of the United States um die verschiedenen Arten Screen, Scheidegger & amerikanische Kino in allen On handelt, Hände zu schütteln Spiess, 464 Seiten, 38 Euro möglichen Facetten abgebildet oder geschäftig im Oval Ofhat, ist Thema eines neuen Buches. In fice am Schreibtisch zu sitzen. Der Prä„The President of the United States on sident in seiner Rolle als Kinoheld wird Screen“ stellt Autorin Lea N. Michel 164 von der Autorin anhand verschiedener Film-Präsidenten in 1877 Bildern dar. Typologien durchdekliniert: Als Vater Zumeist sind es Screenshots aus den und Ehemann, als Bösewicht, Alien, unterschiedlichsten Produktionen, von Clown, Held und Liebhaber - für all dieCELLULOID FILMMAGAZIN


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