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Notariatsakt und materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts auf dem Prüfstand
LEA ZIEGER / WALTER DORALT*
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Der vorliegende Beitrag enthält die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur Frage, wie sich Notariatsaktspflicht und materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts zueinander verhalten und ob diese Doppelung des Rechtsschutzes wirklich notwendig ist.1
*1 I. Neue Kapitalgesellschaft, Hybridlösung oder Reform der GmbH und AG? An dieser Stelle soll nicht allgemein die bereits bekannte Diskussion zu den Reformüberlegungen neu aufgerollt werden.2 Weitgehend anerkannt ist ein erheblicher Reformstau im österreichischen Kapitalgesellschaftsrecht. Dazu gehören etwa die Themenbereiche der Gestaltungsfreiräume, insb im Aktienrecht (Satzungsstrenge), Fragen der Gründung, des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung, die Flexibilisierung der Anteilsklassen und Mitarbeiterbeteiligungsprogramme mit unterschiedlichen oder ohne Stimmrechte uam. Ob die ursprünglich geplante Einführung einer neuen Gesellschaftsform oder aber eine Reform des GmbH- und Aktienrechts umgesetzt werden oder doch alles beim Status quo bleibt, ist nicht absehbar. Gesichert scheint nur, dass eine teilweise polarisierende rechtspolitische Debatte zu einzelnen der angesprochenen Fragen und zur Grundsatzentscheidung der Reform überhaupt entstanden ist. Die – legitimen oder zumindest nachvollziehbaren – Sonderinteressen einzelner Gruppen haben sich in diesem Prozess intensiv Gehör verschafft. Bisherige Positionen teilen dabei aber meist einen gemeinsamen Schwachpunkt: die nicht hinreichende empirische Basis für manche der in den Diskurs eingebrachten Behauptungen und für einige der rechtspolitischen Argumente. Diesen lückenhaften Bereich soll der folgende Beitrag ergänzen; es ist ein Anfang, keine finale Antwort. Dennoch lassen sich bereits auf Grundlage der hier veröffentlichten Analyse manche rechtspolitischen Schlüsse ziehen. Im Folgenden soll es von den vielen angesprochenen Bereichen um den wohl umstrittensten gehen, nämlich um die Gründung und konkret um die Fragen der notariellen Formpflichten vor der materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts. II.Streitstand (bisher weitgehend) ohne empirische
Grundlagen 1.Einleitung In der Literatur wurden besonders die Vor- und Nachteile der Notariatsaktspflicht in der jüngeren Vergangenheit iZm den Reformüberlegungen erneut intensiv und kontrovers diskutiert. Das Problem scheint fast zur Glaubensfrage mutiert zu sein; verständlich ist das für den betroffenen Berufsstand der Notare,3 ebenso allenfalls noch für die Rechtspfleger und Richter der Firmenbuchgerichte, vielleicht nicht in gleicher Weise für die Stimmen aus der Wissenschaft.
Zu bedenken ist dabei allgemein, dass nicht nur aufgrund von nachvollziehbaren Wünschen von Gründern die Rechtslage entsprechend einfacher für die Gründungsprozesse geordnet werden soll; vielmehr sind einfachere Gründungsvorschriften ein wesentlicher Schlüssel zur Erleichterung unternehmerischer Tätigkeiten.4 2.Notariatsakt als umstrittene Pflicht bei der Gesellschaftsgründung 2.1.Ziele Das Erfordernis der Notariatsaktspflicht und die Frage der Entbürokratisierung wurden immer wieder diskutiert. Befürworter des Notariatsaktes sehen ihn im Hinblick auf seine Warnfunktion5 sowie die den Notaren auferlegte Beratungsund Belehrungspflicht6 als unabdingbar an. Außerdem ist er ein Instrument, das rechtswidrige Satzungsbestimmungen sowohl im Interesse der Gesellschafter als auch Dritter elimi-
* Maga . Lea Zieger, BA hat an der Universität Graz Rechtswissenschaften studiert und ist juristische Mitarbeiterin in einer Grazer Rechtsanwaltskanzlei. Univ.-Prof. Dr.
Walter Doralt lehrt am Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales
Privatrecht der Universität Graz. 1 Diesem Beitrag liegt eine Recherche zugrunde, die die Erstautorin als Exkurs im
Rahmen ihrer Diplomarbeit (Universität Graz 2022) erstellt hat. 2 Vgl Adler/Klaffner, Zur Schaffung einer neuen Rechtsform: Erwägungen und ausgewählte Diskussionslinien, ecolex 2022, 101; N. Arnold, Austria Limited oder echte
Reform? GesRZ2020, 297; Artmann, Austrian Limited oder die Reform des Gesellschaftsrechts, SWK 2021, 722; Auer, Reform des Gesellschaftsrechts: Formpflicht bei der GmbH, NZ2021, 522; Auer/Harrer/Rüffler, GmbH Neu, NZ2021, 521;
Drobnik, 9. Wiener Unternehmensrechtstag. Diskussion zu den Vorträgen von
Sonja Bydlinski und Chris Thomale, in Kalss/U. Torggler, Reform des Gesellschaftsrechts (2022) 43; Walter Doralt/Keyvan Rastegar/Gelter/Conac/Katharina Rastegar/
Edmund Schuster, Austrian Limited: Die Pläne zur flexiblen Kapitalgesellschaft und die Reform des Gesellschaftsrechts, GesRZ2021, 120; Kalss, Das Firmenbuch – wichtige
Infrastruktur für eine Marktwirtschaft, GesRZ2020, 365; Reich-Rohrwig/Kinsky/
Kraus, Austrian Limited (2021); Riss/Winner/Wolfbauer, Starthilfe für Start-ups oder bessere Finanzierung für alle? ZFR 2021, 477; Rüffler, Austrian (un)Limited,
GES2020, 349; ders, Reform des Gesellschaftsrechts: Firmenbuch und Gläubigerschutz, NZ2021, 526; ders, Flexible Kapitalgesellschaft und GmbH-Novelle, in
Kalss/U. Torggler, Reform des Gesellschaftsrechts (2022) 113; Thomale, Rechtsvergleichende Anmerkungen zur Austrian Limited, in Kalss/U. Torggler, Reform des
Gesellschaftsrechts (2022) 9; U. Torggler, Brauchen wir eine Austrian Limited? RdW 2021, 1; Werdnik, Die Austrian Limited – Regelungskonzept einer neuen Kapitalgesellschaftsform, Aufsichtsrat aktuell 2021, 90. 3 Personenbezogene Bezeichnungen in diesem Beitrag beziehen sich immer auf
Angehörige aller Geschlechter. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. 4 Siehe dazu die Nachweise bei Walter Doralt ua, GesRZ2021, 124 FN 46. 5 Ch. Nowotny, Zweck und Sinnhaftigkeit des Notariatsakts bei der GmbH-Gründung,
AnwBl 2002, 255; Rüffler, GES2020, 350. 6 Ch. Nowotny, AnwBl 2002, 255ff; Auer, NZ2021, 522.
nieren soll. Die Formpflicht ist somit streitvermeidend und schützt Individuen sowie die Allgemeinheit. Weiters gewährleistet der Notariatsakt Rechtssicherheit und wahrt die Richtigkeit des Firmenbuchs; er dient damit auch dem öffentlichen Interesse.7
2.2.Digitalisierung und Online-Gründung Mit §69b Abs4 und §90a NO bringt die digitale Gründung glücklicherweise die Möglichkeit einer Beschleunigung und Flexibilisierung bei der Gründung,8 weil die physische Anwesenheitspflicht der Gründer nicht mehr zwingend erforderlich ist. Damit kommt die NO nun auch im 21. Jahrhundert an. Auch bei nicht digitaler Gründung war aber eine persönliche Anwesenheit der Gründer keine absolute Voraussetzung für die Errichtung des Notariatsaktes: Sie können und konnten sich auch durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (Spezialvollmacht; §4 Abs3 Satz 2 GmbHG),9 wodurch allerdings weitere Kosten für den Vertreter bzw Rechtsanwalt anfallen.
2.3.Kosten Betont wird auch, die Kosten des Notariatsaktes seien überhaupt zu vernachlässigen und ihre Abschaffung würde außerdem einen erhöhten Beratungsbedarf durch Rechtsanwälte auslösen.10 Dem mag man allerdings entgegenhalten, dass die Kosten des Notariatsaktes eine Gründung immer belasten, der erhöhte Beratungsbedarf hingegen wohl nur einzelne kompliziertere Fälle treffen würde.
2.4.Geldwäscheprävention Die Notariatsaktspflicht soll außerdem helfen, Geldwäsche hintanzuhalten; in Umsetzung der 4. Geldwäsche-Richtlinie11 sind Notare gem §36a Abs1 Z3 NO verpflichtet, ua bei Gesellschaftsgründungen alle Geschäfte besonders sorgfältig zu prüfen. Hat ein Notar einen Verdacht, Kenntnis oder eine berechtigte Annahme, dass Geldmittel ua aus Geldwäscherei stammen oder dieser dienen, muss er gem §36c Abs1 NO den BMI informieren.12
2.5.Bewertung Kritiker der Notariatsaktspflicht zeigen sich diesen Argumenten gegenüber skeptisch, vor allem hinsichtlich des Schutzes der Gesellschafter. Zum einen, weil die Parteien den Vertragstext meist selbst mit Unterstützung von Rechtsanwälten vorbereiten; zum anderen, weil die persönliche Anwesenheit aufgrund der bereits erwähnten Möglichkeit, bevollmächtigte Vertreter bei der Errichtung des Notariatsaktes einzusetzen, nicht notwendig ist.13 Aus diesen beiden Punkten ergibt sich, dass Notare die von §52 NO bezweckten Aufklärungspflichten im Falle der Abwesenheit der Gründer diesen gegenüber gar nicht erfüllen können:14 Der bevollmächtigte Rechtsanwalt benötigt hingegen die persönliche Aufklärung idR wohl nicht. Außerdem hat das Firmenbuchgericht eine formelle und materielle Prüfpflicht, die die Notwendigkeit des Notariatsaktes per se infrage stellt. Vorgeschlagen wurde daher, dass der Notariatsakt zumindest bei Gründungen, für die Standardformulare als Grundlage zum Einsatz kommen, wegfallen könnte. Denn bei solchen Gründungen dürfte eine Kontrolle der Notare verzichtbar sein.15
Gegen die Formpflicht spricht allgemein, dass sie Zeit in Anspruch nimmt und die Gründer jedenfalls mit Kosten belastet.16 Der gelegentlich diesem Standpunkt entgegengehaltene Hinweis, die Kosten seien überschaubar, oder etwa jener, ohne Notariat fielen andere (Beratungs-)Kosten an, geht am Problem vorbei: Einerseits fehlen empirische Hinweise auch für solche Bewertungen und die Qualifikation als „überschaubar“ mag von Person zu Person unterschiedlich sein. Jedenfalls aber sind unnötige Kosten, selbst wenn sie gering sein sollten, rechtspolitisch fragwürdig und zu vermeiden. Wo also mit standardisierten Formularen etwa eine gesetzeskonforme Gründung erfolgt, muss die Frage nach dem Bedarf der Notariatsaktspflicht für die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit gestellt werden. Sie ist dann nicht mehr zu begründen. Ob Notariate in dem Kontext günstig oder teuer agieren, kann dann nicht entscheidend sein. Auch das Argument, die notarielle Formpflicht sei zur Vermeidung späterer Streitigkeiten und Beratungsbedürfnisse zwingend erforderlich, kann nur beschränkt überzeugen: Jeder Vertrag, der formfrei geschlossen werden darf, würde vielleicht durch zwingende rechtliche Beratung noch verbessert; das verlangt die Rechtsordnung gerade nicht allgemein. Es ist eine Abwägung der Parteien zwischen Ex-ante- und Ex-post-Kosten, wie sie in der ökonomischen Literatur seit Langem untersucht und diskutiert wird.17 Wenn also eine Notariatsaktspflicht begründet werden soll, müssen erhebliche Interessen vorliegen, idR auch öffentliche Interessen oder solche, wo es um Nachteile für Dritte geht und nicht nur für die Parteien selbst.
Ein derartiges Interesse, auf das regelmäßig verwiesen wird, ist die Prävention von Geldwäsche. Auch dieses Argument steht indes auf dünnem Eis: Rechtsvergleichend fällt auf, dass in anderen europäischen Rechtsordnungen (wie etwa Dänemark oder Frankreich) keine Notariatsaktspflicht besteht; dennoch sind diese Länder nicht als Geldwäscheparadiese bekannt. Auch innerhalb der österreichischen Rechtsordnung und im Rahmen der geltenden Rechtslage leisten aber die Notariate bei der Gesellschaftsgründung (oder sonst) kaum je einen Beitrag zur Geldwäscheprävention. Das sollte den Notariaten nicht unbedingt zum Vorwurf gemacht werden, aber es ist eine empirische Tatsache, die man nicht ohne Weiteres wegdiskutieren kann: Geldwäsche wird in der Praxis ganz vorrangig von Banken verhindert. Aufgrund der Rege-
7 Artmann, SWK 2021, 724. 8 Rüffler, GES2020, 350. 9 Feltl/Aicher in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG, §4 Rz59. 10 Rüffler, GES2020, 350. 11 Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU)
Nr648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der
Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission, ABl L 141 vom 5.6.2015, S73. 12 Glaser, Checkliste zur Verdachtsmeldung an die Geldwäschemeldestelle für Rechtsanwälte und Notare, ZWF 2021, 224; vgl auch Artmann, SWK 2021, 724. 13 Feltl/Aicher in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG, §4 Rz59. 14 Walter Doralt ua, GesRZ2021, 121. 15 Adler/Klaffner, ecolex 2022, 104; vgl auch Pflügl, Streit um Start-up-Gründung ohne
Notar, Der Standard vom 10.1.2022, online abrufbar unter https://www.derstandard.at/ story/2000132406178/streit-um-start-up-gruendung-ohne-notar (mit Verweis auf Kalss). 16 Walter Doralt ua, GesRZ2021, 126; weiters §5 Abs8 NTG; aA Umfahrer in https:// www.youtube.com/watch?v=F37C3tbq_s8, ab 11:20. 17 Dazu näher Walter Doralt, Langzeitverträge (2018) 142.
lungen bei der Kontoerrichtung prüfen Banken auch für neue Konten einer neuen Gesellschaft mittlerweile völlig routinemäßig, ob Geldwäscheverdacht besteht. Konkret gingen im Jahr 2020 exakt 4.356 Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche beim Bundeskriminalamt ein. Davon kamen 4.106 von Banken, 21 von Notaren und 14 von Rechtsanwälten. Die Bedeutung der von Banken durchgeführten Geldwäscheprüfung deckt damit über 94% der Fälle ab und die übrigen 6% gehen teils noch auf Meldungen aus der Anwaltschaft zurück.18 Darin muss kein Versagen der rechtsberatenden Berufe gesehen werden. Naheliegend erscheint als Erklärung, dass Banken für die Geldwäscheprävention eine deutlich bessere Position haben. Wie sollte ein Notar bei einem Grundstückskaufvertrag oder einer Gesellschaftsgründung im Einzelnen konkret prüfen, ob Geldwäsche im Raum steht? Nur bei evidenten Fällen wird das für einen Notar naheliegen. In der Tat ist es daher nicht verwunderlich, dass praktisch idR im Notariat zusätzliche Formulare zur Abfrage und Dokumentation zwar berücksichtigt werden, eine eigene vertiefte Prüfung von Geldflüssen, Kontoständen und Ursprüngen der Finanzmittel aber vom Notariat kaum in gleicher Weise wie von einer Bank erwartet werden kann. Nur bei relativ klaren bzw offensichtlichen Problemfällen wird sich dem Notariat oder der Rechtsanwaltskanzlei ein Verdacht aufdrängen (müssen).
III.Empirische Analyse der Verbesserungsaufträge 1.Zielsetzung Ziel war es, für die Frage, wie sich Notariatsaktspflicht und materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts zueinander verhalten und ob diese Doppelung des Rechtsschutzes notwendig ist, eine erste empirische Grundlage zu erschließen.19 Für die rechtspolitische Diskussion ist zu evaluieren, ob die materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts gerechtfertigt und erforderlich ist, nachdem Notare rechtswidrige Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag schon zuvor eliminieren sollten und im Rahmen der Notariatsaktspflicht für die Gesetzesmäßigkeit der Anmeldung sorgen.
2.Sample der Verbesserungsaufträge Konkret wurden Verbesserungsaufträge des LGZ Graz analysiert. Ausgewertet wurden 129 Verbesserungsaufträge aus den Monaten Jänner (56 Verbesserungsaufträge), August (33 Verbesserungsaufträge) und Oktober 2021 (40 Verbesserungsaufträge), erlassen von vier Abteilungen im Rahmen von GmbH-Eintragungen.20 Die Auswahl der Monate erfolgte nach Hinweisen des Firmenbuchgerichts, wonach üblicherweise Jänner und Oktober als besonders intensive Monate zu verzeichnen sind; zusätzlich wurde ein Monat mit typischerweise etwas geringerer Aktivität dazugenommen (August).21
Aus den Verbesserungsaufträgen war nicht immer klar ableitbar, ob sich diese auf vereinfachte Gründungen iSd §9a GmbHG oder Gründungen, für welche die Notariatsaktspflicht einzuhalten war, beziehen.
Der Inhalt von 31 Verbesserungsaufträgen bezog sich allerdings auf einen Gesellschaftsvertrag und auf die Notariatsaktspflicht nach §4 Abs3 GmbHG. Die im Folgenden präsentierten Ergebnisse resultieren nur aus der Untersuchung solcher Gründungen. Außerdem ist anzumerken, dass bei den 31 Verbesserungsaufträgen insgesamt 67 Verbesserungsgründe vorlagen; es ist also in vielen Fällen ein Verbesserungsauftrag aus mehreren Gründen erteilt worden (durchschnittlich knapp über zwei Gründe pro Verbesserungsauftrag).
Dieses hier ausgewertete Sample ist geografisch und zeitlich beschränkt. Insoweit können daraus folgend nicht zuverlässig Schlüsse mit einem Anspruch auf Verallgemeinerungsfähigkeit erhoben werden. Eine Ausweitung der empirischen Grundlagen auch auf andere Gerichte und größere Zeiträume wäre dafür sinnvoll. Allerdings bringt die hier vorgelegte Erhebung – trotz ihren Beschränkungen – immerhin eine –soweit ersichtlich – neue empirische Dimension in die laufende Diskussion ein.22
3.Gründe der Verbesserungsaufträge Um die Analyse zu erleichtern, wurden die Inhalte der Verbesserungsaufträge in folgende Kategorien zusammengefasst: Firmenwortlaut; Sitz der Gesellschaft bzw deren Anschrift; Verstöße gegen §10 GmbHG; Nichteinhaltung der in §50 GmbHG verankerten Mehrheitserfordernisse; Informationen zu Gesellschaftern oder Geschäftsführern; fehlende Nachweise über eine österreichische oder EU-
Staatsbürgerschaft, eine Aufenthaltsbewilligung, eine
Beschäftigungsbewilligung, einen Befreiungsschein oder einen Feststellungsbescheid gem §2 Abs4 Z2 AuslBG; Verstöße gegen sonstige Gesetzesbestimmungen; zu hoch angesetzter Ersatz für Gründungskosten im
Gesellschaftsvertrag; Einreichung einer Erklärung über die Errichtung der
Gesellschaft;
18 BMI, Lagebricht Geldwäscherei 2020 (2021) 27, online abrufbar unter https:// www.bundeskriminalamt.at/308/files/Lagebericht_Geldwaescherei_2020_WEB_ 20211028.pdf. 19 Zur Kritik an der Doppelung des Rechtsschutzes siehe Adler/Klaffner, ecolex 2022, 104; Walter Doralt ua, GesRZ2021, 126. 20 Anzumerken ist dazu, dass es 18 weitere Verbesserungsaufträge des Gerichts gab, diese aber den Autoren nicht vorliegen und diese 18 folglich auch nicht berücksichtigt sind. 21 Im Jahr 2021 gab es insgesamt 1.502 GmbH-Gründungen, die beim LGZ Graz zur
Eintragung angemeldet wurden. Leider liegen den Autoren für die hier als Sample zugrunde gelegten Monate die jeweiligen Zahlen der in dem Monat erfolgten Eintragungen nicht vor. Folglich kann das Verhältnis der Verbesserungsaufträge zu den eingebrachten Anträgen überhaupt nicht genannt werden. Im Durchschnitt bedeutet die Gesamtzahl der eingetragenen Gründungen aus 2021 monatlich zirka 125
Eintragungen. Die in der Literatur gelegentlich genannte Quote von zirka einem
Drittel Verbesserungsaufträge (im Verhältnis zu den Anträgen) scheint aber plausibel: Nimmt man auf Grundlage des Durchschnitts von 125 Anträgen pro Monat für einen „schwachen“ Monat nur 100 Anträge an, für einen „starken“ Monat hingegen etwa 150 bis 160, so ergeben die Verbesserungsaufträge der drei ausgewerteten Monate eine Quote zwischen zirka 25 und 37%. Gewiss sollte dieser Aspekt, also das Verhältnis Anträge insgesamt zu Verbesserungsaufträgen, aber in weiteren
Untersuchungen aufgearbeitet werden. 22 Siehe auch bereits mit früheren Daten KMU Forschung Austria/RPCK | Rastegar
Panchal, Analyse der Rahmenbedingungen, Hemmnisse und Hindernisse für innovative Unternehmensgründungen in Österreich (2017), online abrufbar unter https://www.rat-fte.at/files/rat-fte-pdf/publikationen/2017/1803_Rahmenbedingungen %20Innovative%20Gruendungen.pdf. In dieser Studie wird auf S32 für GmbHs auf eine Eintragungsdauer nach der Firmenbuchanmeldung von drei bis 47 Werktagen, im Durchschnitt 16 Werktage, verwiesen. Die Grundlage dafür bildet eine Befragung von Experten; zur Frage der Dauer bis zur Eintragung auch bereits Kalss,
GesRZ2020, 365 (unter Berufung auf die Auskunft der Präsidentin des HG Wien; dies ist also eine Selbsteinschätzung dieses Gerichts). Auf eine Dauer von zirka fünf
Tagen verweist auch Umfahrer, Das österreichische Firmenbuch – ein Vorzeigeprojekt, in S. Bydlinski/Wittmann-Tiwald, 300 Jahre staatliche Handelsgerichtsbarkeit (2018) 69 (70), allerdings ohne empirische Nachweise.
fehlerhafte Beurkundungen durch Notare nach §51
GmbHG; die Generalversammlung betreffende Bestimmungen im
Gesellschaftsvertrag; Widersprüche innerhalb des Gesellschaftsvertrages oder sinnlose Bestimmungen; andere Formfehler (wie die falsche Datierung des Notariatsaktes oder die fehlende Angabe des Tages, an dem der
Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde); Nichtübereinstimmung zwischen dem Eintragungsbegehren und dem Gesellschaftsvertrag; Unternehmensgegenstand und Sittenwidrigkeit eines
Bestandteils des Gesellschaftsvertrages.
4.Gründe für die 31 Verbesserungsaufträge und
Zuordnung zu den einzelnen Kategorien 4.1.Firmenwortlaut (sieben Verbesserungsaufträge) Hinsichtlich des Firmenwortlauts war die Erwartung, dass wenige Verbesserungsaufträge ergehen. Insgesamt wurde dies aber siebenmal bemängelt. Gründe dafür waren ua eine fehlende Unterscheidungsfähigkeit, ein irreführender Firmenwortlaut oder die Nichterfüllung der geforderten Kennzeichnungsfunktion. Dies ist überraschend, da der Notar die Gründer hinsichtlich der einzelnen Erfordernisse berät und die Bemängelung so im Vorhinein vermieden werden sollte. Hinsichtlich der Unterscheidungsfähigkeit des Firmenwortlauts muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass Notare nur begrenzt für diese Verbesserungsaufträge verantwortlich gemacht werden können.
4.2.Sitz der Gesellschaft, Anschrift (drei Verbesserungsaufträge) Der Sitz der Gesellschaft bzw deren Anschrift wurde dreimal Inhalt von Verbesserungsaufträgen. Die Hintergründe waren, dass die Zustellanschrift zwei unterschiedliche Ortschaften enthielt, die Geschäftsanschrift falsch war oder überhaupt ein falscher Sitz angegeben wurde. Auch das ist überraschend. Allerdings muss beachtet werden, dass hier unter Umständen die Gründer falsche Angaben machen und die Richtigkeit nicht immer in der Hand des Notars liegt.
4.3.Stammkapital, Stammeinlage gemäß §10 GmbHG (vier Verbesserungsaufträge) Verstöße gegen §10 GmbHG wurden viermal bemängelt. Auch dies ist überraschend, denn man würde erwarten, dass die Dokumente bzw Angaben zum Stammkapital oder zur Stammeinlage nicht verbesserungsbedürftig sind. Das Fehlen einer Bankbestätigung, eine Bezugnahme auf nicht vorliegende Bankbestätigungen, die Nichtübereinstimmung zwischen den zur Eintragung angemeldeten Stammeinlagen mit den im Gesellschaftsvertrag genannten sowie der Verstoß gegen §10 Abs1 GmbHG müssten Notaren auffallen.
Die Nichteinhaltung der 14-tätigen Maximalfrist bei der §10 Abs3 GmbHG-Erklärung23 ist hingegen wohl nicht notwendigerweise dem Notar anzulasten. 4.4.Mehrheitserfordernisse gemäß §50 GmbHG (drei Verbesserungsaufträge) Gegen in §50 GmbHG verankerte Mehrheitserfordernisse wurde dreimal verstoßen. Zu erwarten wäre gewesen, dass kein derartiger Verbesserungsbedarf besteht, weil diese Fehler vom Notar als Rechtsberater beseitigt werden müssten.
Konkret gab es Verbesserungsbedarf in Bezug auf §50 Abs1 GmbHG, der die Mehrheitserfordernisse bei der Abänderung des Gesellschaftsvertrages regelt, und §50 Abs3 GmbHG, der sich auf die Abänderung des Unternehmensgegenstands bezieht.
4.5.Angaben zu Gesellschaftern und Geschäftsführern (10 Verbesserungsaufträge) Hinsichtlich der Informationen zu Gesellschaftern oder Geschäftsführern wurde erwartet, dass – wenn überhaupt –ausschließlich Tippfehler zu verbessern sind. 10-mal wurden aber unrichtige oder fehlende Angaben Inhalt der Verbesserungsaufträge.
Falsche Geburtsdaten oder Anschriften liegen zwar vermutlich vorrangig in der Verantwortung der Gründer, allerdings haben auch Nachweise von akademischen Graden gefehlt oder die Geschäftsführer wurden zweimal (einmal im Gesellschaftsvertrag und einmal durch Beschluss) bestellt. In diesen Fällen hätte der Notar die Fehler erkennen müssen und so Verbesserungsaufträge vermeiden können.
23 U. Torggler in U. Torggler, GmbHG (2014) §10 Rz29 (mit Verweis auf Szöky, Die
Neueintragung der GmbH – häufige Fehler, NZ2006, 87 [89]); vgl auch RIS-Justiz
RS0059543. 24 Vgl OGH 11.9.2003, 6 Ob 103/03w.
4.6.Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsbewilligung,
Beschäftigungsbewilligung (zwei Verbesserungsaufträge) Die Aufforderung, Nachweise über eine österreichische oder EU-Staatsbürgerschaft, eine Aufenthaltsbewilligung, eine Beschäftigungsbewilligung, einen Befreiungsschein oder einen Feststellungsbescheid gem §2 Abs4 Z2 AuslBG vorzulegen, war zweimal Inhalt von Verbesserungsaufträgen.
Das ist überraschend, denn der Notar müsste seine Mandanten über die Notwendigkeit dieser Nachweise aufklären.
4.7.Gesetzesverstöße (11 Verbesserungsaufträge) Verstöße gegen verschiedenste Gesetzesbestimmungen wurden 11-mal bemängelt. Auch hinsichtlich dieser Kategorie ist erstaunlich, dass es bei den Verbesserungsaufträgen teils um ganz offenkundige Fehler ging. Dazu zählte etwa der Verstoß gegen §82 GmbHG (Einlagenrückgewähr) oder gegen die Möglichkeit, im Gesellschaftsvertrag weitere Auflösungsgründe der Gesellschaft festzulegen (§84 Abs2 GmbHG). Die Problempunkte hätten von einem Notar erkannt werden sollen.
4.8.Zu hoch angesetzte Gründungskosten (fünf Verbesserungsaufträge) Fünf Verbesserungsaufträge haben den im Gesellschaftsvertrag zu hoch angesetzten gewünschten Ersatz für Gründungskosten moniert. Die Erwartung war, dass es diesbezüglich keinen Verbesserungsbedarf geben würde, da die Kriterien vom OGH geklärt sind.24
4.9.Errichtungserklärung statt Gesellschaftsvertrag (zwei Verbesserungsaufträge) Zwei an das Firmenbuchgericht gerichtete Anträge haben die Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft betroffen, obwohl ein Gesellschaftsvertrag notwendig gewesen wäre. Hier kann Notaren kein Vorwurf gemacht werden, da diese Anträge mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Gründern selbst eingereicht wurden.
4.10.Fehlerhafte Beurkundung gemäß §51 GmbHG (zwei Verbesserungsaufträge) Fehlerhafte Beurkundungen durch Notare nach §51 GmbHG wurden zweimal Inhalt von Verbesserungsaufträgen. Dies ist einigermaßen überraschend, da zu erwarten war, dass die durch den Notar durchgeführte Beurkundung keinen Verbesserungsbedarf in dieser Hinsicht aufweisen würde.
Konkret war eine zum ergänzenden Antrag eingereichte Beurkundung fehlerhaft und eine andere stimmte nicht mit dem Gesellschaftsvertrag überein.
4.11.Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zur Generalversammlung (vier Verbesserungsaufträge) Hinsichtlich der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, die die Beschlussgegenstände der Generalversammlung, den Zeitpunkt der Beschlussfassung und die Anwesenheitserfordernisse betrafen, gab es vier Verbesserungsaufträge. Auch hier sind die Mängel überraschend. Die Kategorie ist elementar für die GmbH und Notare müssten insoweit besonderes Augenmerk auf die Richtigkeit der Bestimmungen legen.
4.12.Widersprüche innerhalb des Gesellschaftsvertrages, sinnlose Bestimmungen (sieben Verbesserungsaufträge) Besonders interessant sind Verbesserungsaufträge, die aufgrund von Widersprüchen innerhalb des Gesellschaftsvertrages oder sinnlosen Bestimmungen ergangen sind. Diesbezüglich gab es die Erwartung, dass auf die Widerspruchslosigkeit und Sinnhaftigkeit der Gesellschaftsverträge besonderer Wert gelegt wird. Dennoch wurde dies siebenmal bemängelt, wobei in der Satzung sogar auf Gesetze, die seit Jahren nicht mehr in Kraft sind, Bezug genommen wurde und der Gesellschaftsvertrag intern auf Bestimmungen verwiesen hat, die er nicht enthielt.
4.13.Formfehler, Datierung (zwei Verbesserungsaufträge) Formfehler wurden zweimal bemängelt: wegen der falschen Datierung des Notariatsaktes und des Fehlens des Abschlusstages des Gesellschaftsvertrages. Diese Fehler sind zwar leicht zu vermeiden und fallen in die Verantwortung des Notars, sie können aber ohne großen Aufwand bereinigt werden und sind daher von untergeordneter Bedeutung.
4.14.Nichtübereinstimmung des Eintragungsbegehrens mit dem Gesellschaftsvertrag (drei Verbesserungsaufträge) Drei Verbesserungsaufträge hatten die Nichtübereinstimmung zwischen dem Eintragungsbegehren und dem Gesellschaftsvertrag zum Inhalt, so bspw Widersprüche im Hinblick auf die Gesellschafterstellung oder die Vertretungsbefugnis. Nachdem das Eintragungsbegehren nicht notwendigerweise vom Notar eingereicht werden muss, kann aus diesen Verbesserungsaufträgen kein Fehlverhalten der Notare abgeleitet werden.
4.15.Unternehmensgegenstand (ein Verbesserungsauftrag) Der Unternehmensgegenstand wurde nur einmal bemängelt, weil dieser den Handel mit Finanzprodukten betraf. Dafür war eine – in diesem Fall nicht vorliegende – Zustimmung der FMA erforderlich. Die Erwartung war, dass der Unternehmensgegenstand nicht Inhalt der Verbesserungsaufträge ist, da er als Kerninhalt des Gesellschaftsvertrages gilt und die Notare daher besonderen Wert auf dessen Richtigkeit legen müssten. Die Tatsache, dass nur ein Verbesserungsauftrag einen fehlerhaften Unternehmensgegenstand zum Inhalt hatte, spricht dafür, dass dies idR auch gründlich und zuverlässig gemacht wird.
4.16.Sittenwidrigkeit des Gesellschaftsvertrages (ein Verbesserungsauftrag) Ein Verbesserungsauftrag hat die Sittenwidrigkeit eines Bestandteils des Gesellschaftsvertrages betroffen. Dies war wiederum überraschend, denn solche Mängel sollten durch die Beiziehung eines Notars verhindert werden.
IV.Grafische Darstellung In einem ersten Schritt werden hier die Verbesserungsaufträge insgesamt angeführt. Dabei sind sowohl Verbesserungsaufträge für Eintragungsbegehren aufgrund vereinfachter Gründungen und von Gründungen unter Mitwirkung von Notaren erfasst (siehe Abbildung 1).
Für diesen Teil ist (aus den Verbesserungsaufträgen) nicht klar ableitbar, ob die Gründungen mit oder ohne Notar erfolgten; denn es ist zu bedenken, dass die vereinfachte Gründung ohne Notar erfolgen kann, aber nicht muss. Teilweise werden Gründer möglicherweise auch bei vereinfachten Gründungen Notare beigezogen haben. Die Gesamtzahl der hier zuerst erfassten Verbesserungsaufträge beläuft sich auf 129. Demnach sind die mit Abstand häufigsten Problembereiche die Folgenden: 1.) Stammkapital und Stammeinlage, 2.) Gesellschafter bzw Geschäftsführer bzw Prokuristinnen (zB fehlende Unterschriften, Zustelladressen, Titel bzw Nachweis akademischer Grade, fehlerhafte Angaben), 3.) Verstoß beim Firmenwortlaut, 4.) Verstoß gegen Gesetzesbestimmungen (zB Verstoß gegen §82 GmbHG, nicht eintragungsfähige Schiedsklausel [§582 Abs1 ZPO], Geschäftsjahr mit 24 Monaten im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, fehlende Angabe zum Geschäftszweig) und 5.) Begehren einer falschen Rechtssache zur Eintragung.
Nachdem Abbildung 1 alle analysierten Verbesserungsaufträge darstellt, bereitet Abbildung 2 jene auf, bei denen sicher ist, dass ein Notar mitgewirkt hat: Für diese 31 Fälle belegt der Verbesserungsauftrag eindeutig die Mitwirkung der Notariate.
Zur vereinfachten optischen Erfassung der einzelnen Gründe sind diese in beiden Abbildungen in gleicher Reihenfolge angeordnet (nicht also strikt ab- bzw aufsteigenden nach Häufigkeit).
V.Zusammenfassende Thesen 1. Die Analyse dieses – zugegebenermaßen kleinen – Samples von 31 Verbesserungsaufträgen, bei denen jedenfalls Notariate im Vorfeld mitgewirkt haben, belegt empirisch, dass das Firmenbuchgericht eine wichtige Prüfinstanz ist. 2. Insgesamt wurden trotz Notariatsaktspflicht 67 Verbesserungsgründe aus 16 verschiedenen Kategorien bemängelt. Wären im Rahmen der materiellen Prüfpflicht keine Verbesserungsaufträge ergangen, blieben diese Fehler unentdeckt. 3. Relevant ist die Nichtbereinigung dieser Fehler jedenfalls dann, wenn aus ihnen negative Auswirkungen auf den Rechtsverkehr resultieren:
3.1. Dies ist nicht immer der Fall: Fehler aus zwei Kategorien sind für Dritte wohl unproblematisch, nämlich Formfehler (zweimal Inhalt von Verbesserungsaufträgen) und die Anmeldung einer falschen Rechtssache zur Eintragung (zweimal Inhalt von Verbesserungsaufträgen). 3.2. Bei einer dritten Kategorie sind Auswirkungen auf den Rechtsverkehr teilweise möglich, nämlich bei widersprüchlichen Bestimmungen zwischen Eintragungsbegehren und Satzung (dreimal Inhalt von Verbesserungsaufträgen); problematisch kann das zB mit Blick auf die konkreten Vertretungsregelungen sein. 3.3. Alle anderen Kategorien sind für den Schutz von Gläubigern und Gesellschaftern durchaus relevant. Sie umfassen insgesamt 60 Verbesserungsgründe. 4. Die Analyse bietet somit eine klare Antwort auf die Frage der Notwendigkeit der materiellen Prüfpflicht: Im derzeitigen Regelungssystem ist diese erforderlich. 5. Dieser Befund ändert sich auch dann zumindest im Grundsatz nicht, wenn davon ausgegangen wird, dass einzelne Firmenbuchrichter und Diplomrechtspfleger besonders streng beim Erlassen von Verbesserungsaufträgen vorgehen. 6. Aus dem Ergebnis der Analyse lässt sich darüber hinaus empirisch ableiten, dass Notare in einem erheblichen Ausmaß weniger sorgfältig als vom Gesetzgeber erwartet gearbeitet haben.
7. Im Rahmen zukünftiger Reformen muss daher erwogen werden, bei der Notariatsaktspflicht anzusetzen. Jedenfalls stellt der Befund die geltende Rechtslage zur Notariatsaktspflicht infrage. 8. Auch der Berufsstand kann – ohne Reformen im Gesellschaftsrecht – die Fehlerquote möglicherweise noch weiter reduzieren.
9. Für die Gestaltung der Rechtslage (de lege ferenda) ist auch zu überlegen, wie die Kosten für den Notariatsakt gesenkt werden könnten. Das gilt insb mit Blick auf den aktuell erkennbaren qualitativen Verbesserungsbedarf. 10. Eine vollkommene Abschaffung der Notariatsaktspflicht könnte zur Überlastung der Firmenbuchgerichte führen, da voraussichtlich noch mehr fehlerhafte Gesellschaftsverträge bei den Gerichten eingereicht würden. 11. Außerdem übernehmen Notare im Rahmen der Gründung Aufgaben, von denen Gründer gewiss auch profitieren. Zu denken ist hier vor allem an die unparteiliche Beratung. Soweit allerdings darin ein für die Gründer relevanter Vorteil gesehen wird, spricht natürlich auch in Zukunft nichts dagegen, dass die Gründer diese Beratung kostenpflichtig in Anspruch nehmen. 12. Eine Lösung für das Dilemma könnte die bereits erwähnte Einführung von Standardverträgen sein:25 12.1. Soll die Kostenbelastung im Gründungsstadium gesenkt werden, ohne die Rechtssicherheit zu gefährden, ist zu überlegen, für einfache Gründungen von der Notariatsaktspflicht abzugehen. 12.2. Stattdessen könnten Standardverträge zur Verfügung gestellt und Gründern könnte Einsicht in Datenbanken hinsichtlich bestehender und damit nicht zur Verfügung stehender Firmennamen gewährt werden. 12.3. Die Prüfung durch das Firmenbuch würde die Rechtssicherheit garantieren. 13. Allgemein gibt es immer wieder von Notaren und Rechtsanwälten den Hinweis, dass die Praxis der Firmenbuchgerichte bei den Firmenbezeichnungen oft regional erhebliche Unterschiede aufweist. Dieses Problem könnte und sollte entschärft werden:
13.1. In Betracht kommen eine weitere Liberalisierung der Rechtslage zum Firmenrecht. 13.2. Eine Konzentration der Zuständigkeit auf ein Firmenbuchgericht ist zu erwägen. 13.3. Alternativ könnte eine Eintragung auch vorbehaltlich der Prüfung der Firma vorläufig erfolgen. 13.4. Bedacht werden sollte dabei, dass allgemein die Leistungen der Firmenbuchgerichte – internationalen Standards entsprechend – noch stärker in die Richtung von Dienstleistungen weiterentwickelt werden.26 13.5. Um dem Risiko der Überlastung der Firmenbuchgerichte entgegenzuwirken, wäre auch eine Anpassung der Gebührenstruktur zu erwägen: Deutlich erhöhte Gebühren für Verbesserungsaufträge könnten Anreize zu sorgfältiger Vorbereitung stärken und die Kostenbelastung auch zielgerichtet jenen Gründern zuweisen, deren Eingaben mehr Aufwand beim Firmenbuchgericht (Verbesserungsauftrag) auslösen.
13.6. Damit sollten deutliche, klare und für nicht juristisch ausgebildete Gründer verständliche Informationen einher-
25 So bspw Pflügl, Der Standard vom 10.1.2022 (unter Berufung auf Kalss); Adler/
Klaffner, ecolex 2022, 104. 26 Siehe dazu insb OECD, Supporting businesses through better access to justice (im
Erscheinen), Briefing 29 und 36, demnächst online abrufbar unter https:// www.oecd.org/governance/global-roundtables-access-to-justice. Von der OECD ist dieses Dokument im Status eines „Briefings“ eingeordnet, insoweit also besonders relevant und nicht lediglich als „Report“ vorgesehen.
gehen, welche Schritte im Rahmen der Gründung exakt zu beachten sind. Vorbildlich ist diesbezüglich England.27 13.7. Bei anspruchsvollen Gründungen ohne Musterverwendung könnte der Notariatsakt dennoch beibehalten werden. In diesen Fällen bleibt eine mögliche Rechtfertigung die Warn- und Aufklärungsfunktion. Zwar mag fraglich sein, ob diese mit zwingendem Recht aufgedrängt werden muss, jedenfalls aber wird ein Zwang bei komplexeren Vorgängen etwas leichter begründbar bleiben als für Standardgründungen mittels Muster. VI.Fazit und Ausblick Für die Frage der Reform bleibt zu wünschen, dass neben dem oft direkten Einfluss beteiligter Berufsgruppen mit Sonderinteressen auch die empirischen Grundlagen und rechtsvergleichende Befunde angemessen berücksichtigt werden. Beides sollte normalerweise am Anfang einer Reformdiskussion und nicht im Anschluss an die Ausarbeitung von Entwürfen erschlossen und genutzt werden: Die Reihenfolge der Arbeitsschritte ist im Interesse einer methodisch sinnvoll strukturierten und effizienten Reformdiskussion keine Nebensächlichkeit. Denn eine Reise erst nachträglich mit dem Kompass auf ihre Effizienz hin zu bewerten, birgt das Risiko, unnötige, aber bereits gemachte Umwege oder Hindernisse erst (zu) spät erkennbar zu machen; auch sinnvolle alternative Routen werden dann unter Umständen übersehen. Insoweit ist die bislang ausgebliebene Umsetzung der Reformüberlungen vielleicht auch eine Chance zur nochmaligen Überprüfung des Kurses.
27 So veröffentlichte das UK Companies House etwa sogar eine „customer charter“; siehe https://www.gov.uk/government/publications/companies-house-customer-charter/ companies-house-customer-charter. Es werden dort auch eine Reihe an Services zu
Daten und sogar Webinare zur Information und Schulung angeboten.
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