6
Herbst/Winter 2014
Pflege und Betreuung
Hilft ein Hausmeister Plegebedürftigen? Fachleute debattierten auf dem 2. Sächsischen Pflegeforum
•
Ob das Thema auf dem 2. Sächsischen Pflegeforum zu groß gewählt wurde, wird man erst in ein paar Jahren wissen: „Pflege 2030 – schöne neue Welt!“ Auf jeden Fall waren sich die Fachleute einig, die Debatte hätte schon längst beginnen müssen, denn immer mehr Menschen werden zu Pflegefällen. Denen muss ein Leben in Würde gesichert werden. Klar ist: Ob die Plege in den eigenen vier Wänden oder im Heim erfolgt – sie muss Erfolg haben. Gleichgültig ist die eine oder andere Variante jedoch nicht. In den eigenen vier Wänden sind vor allem die A ngehör igen gefragt. Wer plegt, kann nicht oder nur eingeschränkt arbeiten. Die Plege im Heim besorgen ausgebildete Leute. Sie ist aber teurer und kann trotz Zuschüssen aus den Plegekassen nicht von jedem inanziert werden.
„Kästchen-System“ abschaffen! Geld spielte – direkt oder indirekt – in der Veranstaltung eine wesentliche Rolle. So meinte Staatssekretär Karl-Josef Laumann in seinem Vortrag, verteilt werden müsse nicht nach Köpfen, sondern nach Bedürftigkeit. Aber das verlange nach Änderungen am bisherigen System. Pleger beklagen sich über das bürokratische System, das einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit verschlinge. Das „KästchenSystem“ gebe es sonst nirgends, wonach die Pleger nach einem bestimmten System zahlreiche, meist überf lüssige Punkte ankreuzen müssen. Ulf Sengebusch vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen wusste von einem Unternehmen, das eine Software für 37.000 Euro
Es gibt Überlegungen, Plegekräfte nach dem Prinzip der französischen Consierge einzusetzen. Der Knackpunkt ist jedoch die Finanzierbarkeit. Foto: PM entwickelt hat, mit der das Kästchen-System perfektioniert werden könnte, statt es für eine menschenfreundlichere Lösung zu ersetzen. In der Debatte war man sich einig: Statt der unsinnigen Kästchen müssten die Kollegen informiert werden, welcher Patient an dem Tag welche Besonderheit aufgewiesen hat-
te, ob man ihn zum Trinken anhalten müsse, ob Sturzgefahr bestehe und dergleichen. Einig waren sich die Fachleute ebenfalls: Es bringt nichts, jetzt zu ergründen, wodurch das System entstanden ist: abschaffen müsse man es und durch vernünftigere Regeln ersetzen. Dabei müsste die Arbeit der
Pleger mehr anerkannt werden. Das erste Plegestärkungsgesetz ist beschlossen. Zum 1. Januar 2015 wird mit der Umsetzung begonnen. Dabei werden weitere Leistungen für alle Plegebedürftigen und deren Angehörige wirksam. Zugleich ist es Wegbereiter für ein zweites P f legestä rkungsgeset z, das im kommenden Jahr beschlossen werden soll. Ein neues Verfahren zur Begutachtung von Plegebedürftigkeit soll dann eingeführt werden. Davon werden insbesondere an Demenz Erkrankte proitieren.
Günstigerer Plegeschlüssel Einige Diskutanten brachten die Bezahlung ins Spiel, aber das sei nicht das größte Problem, sondern der Plegeschlüssel. Das heißt: Zu viele Patienten müssen von zu wenigen Plegern betreut werden. Damit wächst der Frust, weil man seine
Arbeit nicht so erledigen kann, wie man es gern möchte. Dennoch sei in den meisten Plegeeinrichtungen die Fluktuation nicht groß. Viele führen ein offenes Haus, das mit den Anforderungen vertraut macht, die Aufstiegschancen zeigt und belegt, wie viel Befriedigung Plegearbeit auch den Plegern gibt. Deutlich wurde auch: Es muss mehr Geld für die geben, die die Arbeit machen. Überlegungen, ob ein Hausmeister nach dem Prinzip der französischen Concierge vernünftig wäre, wurden mit Hinweis auf die Finanzierbarkeit in Frage gestellt. Gerade im Osten würden dadurch die Mieten auf eine Höhe klettern, die kaum jemand bezahlen kann. Da bleibe nicht noch Geld für Manager. Das Thema Ausbildung bewegte ebenfalls viele. So wird in den meisten Ländern das Abitur als Voraussetzung gesehen. Nur in Deutschland und Österreich genüge ein Zehnklassenabschluss. Rund 70 Gäste verfolgten die Diskussion um das Thema und stellten im Anschluss ganz praktische Fragen zu den Umsetzungsmöglichkeiten. So wurde der Gegensatz von ambulanter Betreuung vor stationärer angezweifelt. Der sollte überwunden werden. Die jeweilige Gelegenheit müsste überprüft werden. Was ist für den Betroffenen am besten geeignet? Die Debatte um ein Ziel bis 2030 ergab auch: Bis 2060 wird sich vieles wieder umkehren. Die Zahl der Menschen wird sinken, aber auch die der Plegebedürftigen. Das muss heute schon bedacht werden. Thomas Biskupek