SYNCHRON/SPRACHE
Nein-Sagen – eine Kunst, die man lernen kann oder Solidarität und andere Hürden bei der Arbeit
In den Fluren der Studios und vor allem auf Facebook gab es in den letzten Wochen Diskussionen darüber, ob das Arbeiten ohne Cutterin oder Cutter* im Synchronstudio geht oder nicht. Die Kollegin Anke Reitzenstein hat der Redaktion von ihren Erfahrungen berichtet. Das Synchronstudio, um das es in diesem Fall ging, war jedoch leider zu keinem Gespräch bereit. In der UNSYNCBAR war die Arbeit ohne Cutterin schon des Öfteren Thema, und jedes Mal haben wir als Autoren im Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen zu spüren bekommen, dass dieses Thema durchaus polarisiert. Und da es aktuell in der Branche wieder die Runde macht, erlauben wir uns noch mal ein paar grundlegende Gedanken dazu.
Worum geht es? Wir haben vor Jahren, ganz am Anfang zur Gründung des IVS (März 2006) in Gesprächen untereinander (Synchronschauspieler und Regisseurinnen) und auch im Austausch mit Synchronproduzentinnen einige Standards festgelegt, welche grundlegenden Dinge bei der Arbeit im Synchronstudio bei den Aufnahmen, aber auch vorher und nachher nötig sind, damit eine qualitativ hochwertige Synchronisation entstehen kann. Das wurde damals Credo-Liste genannt und auch von einem Großteil der Kolleginnen und Kollegen akzeptiert. Inhalt war unter anderem, dass zu einer qualitativ hochwertigen Synchronisation die Besetzung aller Gewerke im Synchronatelier gehört: also neben der Synchronschauspielerin muss es eine Regisseurin, eine Tonmeisterin und eine Cutterin geben. In den Jahren danach kamen nicht wenige kleine Studios neu dazu und es war gar nicht unüblich, dass diese (um Geld zu sparen,
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um ihre Kalkulation nicht durch zusätzliche Kosten zu sprengen usw.) einen der Posten „einsparten“. Manchmal hat bspw. der Regisseur gleichzeitig „für den guten Ton“ gesorgt oder es wurde keine Cutterin eingeplant. Und auch die großen, etablierten Studios haben immer mal wieder ausprobiert, ob sie dadurch Einsparungen vornehmen können. Das führte und führt immer noch teilweise zu unschönen Situationen, wenn ein Kollege zu dem vereinbarten Termin erscheint und erst vor Ort mitbekommt, dass eins der Gewerke unbesetzt ist. Was tun? Zähneknirschend den Termin trotzdem antreten, man ist ja schließlich sowieso da? Ansagen, dass man ohne Cutter oder mit einem Regisseur, der gleichzeitig die Aufgaben des Tonmeisters wahrnimmt, nicht arbeitet und gehen? Zumindest gewöhnten sich in dieser Zeit nicht wenige an, bei einem Termin von einer unbekannten Firma oder auch bei jedem Termin, erst mal nachzufragen, ob sie denn mit Cutterin arbeiten…
Wieso sollen denn eigentlich alle Gewerke besetzt sein? Können versierte Synchronschauspielerinnen nicht auch „synchron gucken“ und kann eine Tonmeisterin mit Hilfe der neuen Technik nicht sowieso alles irgendwie synchron-schieben (Kurve auf Kurve, ein bisschen Time-Stretch, dann passt das schon)?? Wie gesagt, diese Diskussion ist eine alte, und 2006 haben wir bzw. alle Beteiligten sich klar dafür ausgesprochen, dass es eben nicht reicht, wenn die Synchronschauspielerin beim Sprechen auf die Synchronität achten oder der Synchronschauspieler ein paar Schnittpausen einbaut, sodass es in der Nachbearbeitung am Schneidetisch schon irgendwie synchron wird.
Unsyncbar Ausgabe 2019 / 02