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Er-lesenes
Unsere er-lesenen Tipps: Bücher für alpe-adriatische Genuss-Reisende, Kulinarier, Krimifans, Lesegourmets.
ERLESEN VON M & H GRÖTSCHNIG
vino mortalE
Ein Regionalkrimi aus dem tiefsten Süden Italiens: Kirsten Wulf schreibt Apulien-Krimis, in „Vino Mortale“ (KiWi, 10,30 €) soll Commissario Cozzoli den Mord an einem Weinkritiker klären und muss da (leider) gegen seinen besten Freund ermitteln. Macht mit viel Wein- und Landschaftsfeeling Lust auf – Apulien.
sprachgEWaltig
Was für ein wunderbares Buch. Anna Baar erzählt die Geschichte von Klee, einem Kriegshelden der Insel Braœ, der im Alter in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses schmerzhaft zwischen Erinnerung und Realität pendelt. Klees Geschichte ist die einer unerfüllten Liebe, eine Geschichte von Krieg, Heldentum, Flucht, Verzweiflung und Hoffnung. Und Anna Baar, die einen Teil ihrer Kindheit auf Braœ verbrachte, erzählt diese Geschichte voller Poesie – da denkt man beim Lesen an Lobo Antunes und andere Literaturgrößen. Baar erzählt wort- und sprachgewaltig, hält die bildhafte, bewusst antiquierte Sprache durch und nimmt den Leser mit auf eine Traumreise, die ihn immer wieder staunen lässt. Auch darüber, wie stark diese Frau schreibt und wie wenig ihr beeindruckender Debütroman „Die Farbe des Granatapfels“ eine Eintagsfliege war. „Als ob sie träumend gingen“, Anna Baar, Wallstein Verlag, 208 Seiten, 20,60 €.
WandErn in Friaul
Von den Karnischen und Julischen Alpen bis zur Adria führt uns Helmut Lang in seinem neuesten Wanderführer: „FriaulJulisch Venetien“ hat 52 Wanderungen und Bergtouren auf Lager, mit ausführlichen Tourenbeschreibungen, Wanderkarten, Höhenprofilen und GPSTracks. Erschienen im Bergverlag Rother, 15,40 €.
mölltal, mord, maFia
Wenn die Mafia ins Kärntner Mölltal einfällt, dann – sind wohl Krimiautoren am Werk. In „Wenn der Platzhirsch röhrt“(Alexandra Bleyer, emons, 9,49 €) ist Aufsichtsjäger Sepp Flattacher der Hauptprotagonist, er bläst mit breitem Kärntner Dialekt zum Abwehrkampf gegen großkopferte Wiener, die man in Kärnten ja schon gar nicht mag.
hosEntaschEnFÜhrEr
„... für die Hosentasche“ heißt eine Kleinreiseführerserie aus dem Fischer-Verlag, ideal für Menschen, die Lust auf ungewöhnliche, kuriose und natürlich auch nützliche Infos haben. „Bayern für die Hosentasche“ von Jörg Maurer wird als „Das kleinste Buch über das schönste Bundesland“ beworben (10,30 €).
BaBY vErtauscht?
Andrea Nagele schreibt spannende Grado- und Kärnten-Krimis. In „Kärntner Wiegenlied“ (emons, 11,30 €) ermittelt Kommissar Rosner im Klagenfurter Klinikum: Eine Mutter glaubt, dass man ihr auf der Säuglingsstation ein fremdes Baby in die Wiege gelegt habe. Vorerst glaubt ihr aber keiner . . .
allEs ÜBEr WiEn
Wien ist natürlich ideal für einen Herbst-Winterausflug. Was man dort alles machen kann/könnte, verrät der upgedatete Führer „Wien“ (13,99 €) von Annette Krus-Bonazza aus dem Michael-Müller-Verlag auf 318 Seiten. Mit Stadtplan, jeder Menge Infos, neun Touren-Vorschlägen, die Web-App gibt es kostenlos dazu.
noch mEhr ÜBEr WiEn
Nein, das ist kein Buch aus der 111-Orte-Serie. Aber dann doch so ähnlich: „Unbekanntes Wien“ von Isabella Ackerl & Harald A. Jahn ist ein Stadtgeheimnisführer und verrät reich bebildert 95 „Verborgene Schönheiten“ & „Zauberhafte Kleinode“ der Hauptstadt Österreichs (styriabooks, 22,90 €).
in dEr ZEitmaschinE
Lust auf eine kluge, kurzweilige Zeitreise? Dann empfehlen wir den Autor Egyd Gstättner als Zeitreiseleiter. Er setzt den jüdischen Wiener Schriftsteller und Schauspieler Egon Friedell, der sich 1938 aus Angst vor SAMännern aus dem Fenster seiner Wohnung in den Tod stürzte, in eine Zeitreisemaschine. Gemeinsam mit H. G. Wells, Autor des berühmten Romans „Time Machine“. So erleben wir den „Wiener Fenstersturz“ – diese eine Sekunde – und seine Umstände, Hintergründe, Folgen in drei Zeitebenen: Zum Zeitpunkt des Sprungs, in der Zukunft und in der Kindheit Friedells. Dieser trifft auf Zeitreise u. a. auf Peter Altenberg, Lina Loos und Thomas Bernhard, da wird Steve Jobs zum Faust und dessen iPhone zum Zauberetui. Im Zukunftskapitel darf viel geschmunzelt werden – was assoziieren Menschen des beginnenden 20. Jahrhunderts, wenn sie vor Computern („Lichtspielschreibmaschinen“) oder McDonalds („Faschiertes-Ausspeisung“) stehen? Im Gegenzug ist die Reise in die Vergangenheit der ernsten, berührenden Familiengeschichte Friedells gewidmet. „Wiener Fenstersturz“, Egyd Gstättner, Picus, 24 €
protEos ZEhntEr Fall
Wie doch die Zeit vergeht. Nun löst also Proteo Laurenti, Triestiner Commissario aus der edlen Feder von Veit Heinichen, seinen bereits zehnten Fall. Und – wie immer – hat Heinichen gnadenlos ausgiebig recherchiert. Kernthema des Buches ist die Flüchtlingskrise und es ist gespickt mit Details über das regionale, nationale und internationale Verbrechen. In Scherbengericht geht es um einen zu Unrecht verurteilten Sohn einer Triestiner Prostituierten, der nach Verbüßung seiner Haft mit dem Triestiner Bürgertum abrechnen will. Dazu bedient sich der Gourmetkoch der bekanntberüchtigten Wirkung von Rizinusöl – und darf dabei sogar eine gewisse Sympathie des Commissarios genießen. Fall zehn ist also (für Heinichen nicht untypisch) auch ein wenig kulinarisch – und Kärnten kommt ebenfalls wieder zu „Ehren“: Als Destination für Triestiner Schwarzgeld und italienischen Liebestourismus. „Scherbengericht“, Veit Heinichen, Piper, 20,60 €
Flusskönig-porträt
Er wird „König der Alpenflüsse“ genannt und ist (neben der Lech) einer der letzten beiden Wildflüsse Europas: der 172 Kilometer lange Tagliamento, dem wir auf der Kanaltal-Route auf vielen Fahrten Richtung Süden begegnen. Werner Freudenberger führt (Fluss)Wanderer in 15 Touren durch die Landschaften dieses beeindruckenden Gewässers, der frühere ORF-Journalist erzählt Geschichten von Kultur und Geschichte, Fauna und Flora, gibt Einkehr- und Quartiertipps und verrät im Kulinarium neben typischen Produkten auch einige regionale Rezepte. Das Buch ist reich bebildert, für die Touren gibt es auch Kartenmaterial. Am Tagliamento, Werner Freudenberger, Styria, 22,90 €
popstar Bachmann privat
Das Auftaktbuch der auf voraussichtlich 40 Bände angelegten großen neuen Ingeborg-Bachmann-Werksausgabe. In „Male Oscuro“ lesen wir Traumprotokolle der Dichterin, Krankheitsaufzeichnungen und ihren Briefverkehr mit Ärzten – die Veröffentlichung solch doch sehr privater Details wurde in den Feuilletons mit vielen Pros und Contras diskutiert. Für Iris Radisch in der „Zeit“ ist das Buch eine „Sensation“, in der TAZ wird hinterfragt, ob die Publikation dieser Texte nicht bloß dem Voyeurismus in Hinsicht auf einen literarischen Popstar diene. Male Oscuro leuchtet (in teils sehr berührenden Texten) die weniger bekannte Seite der in Klagenfurt geborenen Lyrikerin aus, die nach der (nicht verkrafteten) Trennung von Schriftsteller Max Frisch tabletten- und alkoholabhängig wurde und im Alter von 47 Jahren 1973 in Rom verstarb. „Male Oscuro“, Ingeborg Bachmann, Suhrkamp – Piper, 35 €
italiEnrEisEn im kopF
Der Untertitel verrät, worum es hier geht: Eine akustische Reise von den Dolomiten bis Sizilien. Ein Italien-Hörbuch also, voller Reisereportagen. Jede der 8 CDs ist einer oder mehreren Region(en) gewidmet – beginnend bei Venetien, dann über Südtirol & Friaul & Piemont & Lombardei (1 CD), Emilia-Romagna & Ligurien bis Latium & Rom und Sizilien. Und: Das ist kein klassischer Reiseführer, vielmehr werden (von verschiedenen Sprechern) Geschichten aus der Region erzählt: Eine Reise durchs Valpolicella, auf Goethes Spuren in Venedig, eine Weinreise durchs östliche Friaul, Gesamtkunstwerk Cinque Terre, Radeln auf der Via Aurelia, Risottokönig Verdi u.v.m. Der Bayrische Rundfunk hat das Reisehörbuch produziert – es eignet sich z. B. perfekt als Einstimmung auf eine Italien-Reise, bevorzugt während der Autofahrt eben dahin zu hören ... Sehnsucht Italien, Hörbuch, der Hörverlag, 8 CDs (9 h 20 min), 19,99 € (auch als Download, z. B. audible.de)
Europas kulinarischE sEElE
Das reich bebilderte Buch zur Fernsehserie: In „Der Geschmack Europas“ erkundet Verleger Lojze Wieser die kulinarische Seele naturbelassener, stiller Gegenden. Auf 312 großformatigen Seiten porträtiert der Kärntner Slowene den slowenischen Karst und die Goriška Brda, die Innerschweiz, Siebenbürgen, die Maremma, Lausitz, Galicien und das Kärntner Gailtal. Im Geschmack Europas geht es nicht um diffizile Gourmetküche, sondern um regionstypische, überlieferte Rezepte, um unverfälschte Produkte aus der Landwirtschaft, um Geschmäcker der Kindheit. Garniert mit Geschichten um Land und Leute, um Spezialitäten und Produzenten. Ein spektakulär unspektakuläres Buch für bodenständige Genussmenschen. Der Geschmack Europas, Wieser Verlag – ORF, 30 €