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Collio in Orange
Viel wanderbare Natur und köstlich aromatische Orange Weine aus der Ribolla-Traube: Oslavia im Collio, nahe Görz
Weinreben, lukullische Genüsse, bewegte Geschichte: Der Ort Oslavia vereint alles, was den italienischen Collio ausmacht. Und ist das Zentrum naturbelassener Orange Wines aus der Ribolla-Gialla-Traube.
TEXT MAGDALENA MAYER FOTOS KK, FABRICE GALLINA
Bernsteinfarben leuchtet der Wein in den Gläsern und hebt sich in einer Palette von goldgelb bis knallorange vom sattÖsterreich-Ungarn. Davon zeugt das zylinderförmige Militärdenkmal am Ortsanfang Oslavias: Das Beinhaus ist Ruhestätte von fast 58.000 Soldaten. grünen Hügelland ab. In der Herbstsonne nippen die Gäste von Saša Radikon am Orange Wine, bei seinem Gut in Oslavia, von dem die Aussicht wie von jeder Anhöhe des Ortes einmalig ist: Im Osten reckt sich der Monte Sabotino in die Höhe, im Tal breitet sich die geteilte Stadt Gorizia/ Nova Gorica aus – Nachbar Slowenien ist nah. Sanft mutet der von Reben und Dörfern, Agriturismi und Schlössern übersäte italienische Collio an. Doch raue Zeiten hat dieses Grenzgebiet durchgemacht. Im Ersten Weltkrieg war es Schauplatz der Isonzo-Schlachten zwischen Italien und Ein anderer historischer Aspekt bestimmt diesen Landstrich umso mehr: Der Weinbau, der hier seit der Bronzezeit betrieben wird. Der uralte Ribolla Gialla ist die bevorzugte Sorte in Oslavia. Als Radikons Großvater nach dem Krieg die Hügel neu bepflanzte, setzte er unbeirrbar auf diese damals unbeliebte weiße Traube. „Ribolla braucht diesen exponierten Platz“, sagt Radikon heute. Die robuste Rebe liebt das windige Klima, den kargen Boden. „Wir nennen sie Ponca. Lehmig, mit wenigen organischen Stoffen, aber vielen Mineralien“, erklärt er. „Die schmecken wir im Wein.“ Die Trauben haben viele Tannine. Das überzeugte die Winzer Oslavias, mit Ribolla auf die Tradition der Maischegärung zu setzen. Wie beim Rotwein vergären sie die Trauben samt Schale zum markanten orangefarbenen Wein, mit dem sie der Geschichte einen neuen Twist geben.
Naturalweine
Die Weingüter im beschaulichen Oslavia sind in Familienhand. Man hilft einander und öffnet die Türen für Gäste. „Wir verbreiten von hier nicht nur eine Methode der Weinherstellung, sondern eine Lebensphilosophie“, sagt Katia Ceolin, die zum Hof ihres Onkels Dario Prinčič führt. In offenen Holzfässern gärt hier die Mai-
Saša Radikon ist einer der Orange-Wine-Spezialisten Oslavias, in seinem Weinkeller reifen feine Tropfen
Für jeden Winzer gibt's ein oranges Wander-Bankerl, die Weine glänzen im Glas, die Weinberge (hier der von Gravner) sind sehr gepflegt
sche, das Gemisch aus Fleisch und Kernen, Schalen und Saft der Trauben, mindestens zwei Wochen. Wie lange Mazeration und weitere Reife dauern, hängt vom Experimentieren und Beobachten ab. Der orange Ribolla ist natural: Die Ernte erfolgt händisch, weder Zusätze, Temperaturkontrolle noch Filtration kommen zum Einsatz.
Sieben Betriebe haben sich zur APRO, „Associazione Produttori Ribolla di Oslavia”, zusammengeschlossen – neben Radikon und Prinčič sind das Joško Gravner, Il Carpino, La Castellada, Primosic und Fiegl. Sie bewegt die Frage: Wie soll Tourismus künftig aussehen? Wenn wegen Corona und der Umwelt regionaler und nachhaltiger gereist wird, sind ruhige, grüne, nahe Ecken abseits des Ansturms gefragt. Ganz klar, der Collio ist so eine.
Dafür hat man bei Oslavia drei Wanderwege angelegt. Sie führen an Reben und Kellern vorbei – zu deren Ehre stehen an strategischen Punkten sieben orange Bänke, für jeden APRO-Winzer eine. Einen Weg meistert man an einem Nachmittag. Weiter kommt man natürlich mit dem Rad. Sanft steigende Straßen führen in die Nachbardörfer. Gut zwei Kilometer tritt man in die Pedale bis San Floriano del Collio, wo das Castello der Formentini aus dem 16. Jahrhundert wartet. Von hier gelangt man rasch über die Grenze in den größeren slowenischen Teil des Collio, die Gemeinde Brda, oder nach 13 Kilometern in den CollioHauptort Cormòns mit historischen Gebäuden wie dem Dom Sant'Adalberto. Wieder dominiert Wein: In der bekannten Enoteca im Palazzo Locatelli kann man Friauls Weine verkosten.
Grenzüberschreitung
Diese Reben wachsen auch in Oslavia. Doch bleibt es der Ribolla, mit dem die APROWinzer eine gemeinsame Sprache von sachtem Weinbau und Terroir sprechen. Und dessen Mazeration ist hier nicht nur ein Trend, sie soll im Collio sogar den Ursprung in Europa haben: „Heute ist das fancy, früher war es praktisch“, schildert der junge Radikon, wie sein Vater Stanko schon in den 90ern begann, Grenzen des Weinmachens zu überschreiten, als er Pionierarbeit für unkonventionellen Orange Wine leistete. Nachbar Joško Gravner zog mit – und gilt als Star biodynamischer Amphorenweine, beeinflusst von den Qvevri Georgiens (der vielleicht traditionellsten Orange-Wine-Art).
Grenzüberschreitend ist auch die Gastfreundschaft: Der italienische und der slowenische Landstrich befruchten sich gegenseitig. Auch in der Goriška Brda hat Orange Wine aus Ribolla Tradition, der dort Rebula heißt (etwa bei Aleks Klinec in Dobrovo). Die Koexistenz der Länder ist gleichfalls in der Küche zu schmecken, so gibt es vom Kartoffel-Käse-Fladen „Frico“ bis zum Friulaner Reindling „Gubana“ vieles da und dort. Am offensichtlichsten ist die Melange der Länder und historischen Einflüsse, die hier zusammentreffen, in Gorizia. Die Stadt am Isonzo regierten seit dem Mittelalter die Tiroler Grafen von Görz, bis sie den Habsburgern zufiel, wovon Paläste und Parks heute zeugen.
Nach dem ersten Weltkrieg ging sie an Italien, 1945 wurde sie unter Tito geteilt und der jugoslawische Teil Nova Gorica benannt. Seit 2004 die Mauer niedergerissen wurde, ist die italienisch-slowenische Zwillingsstadt Symbol einer neuen Einheit. ■
Weinverkostung der Ribolla-Winzer Allgemein
Das italienische Hügelland um Oslavia erstreckt sich in der Region Friaul-Julisch Venetien entlang der slowenischen Grenze von San Floriano del Collio im Nordosten über den Hauptort Cormòns im Westen bis Dolegna del Collio. Der Weinbau prägt den italienischen Collio und die slowenische Goriška Brda. Viele Winzer folgen dem Credo des naturbelassenen Kelterns und des sanften Tourismus. Der Weinbauort Oslavia gehört zum fünf Kilometer entfernten Gorizia (deutsch Görz) am Isonzo, dem südlichen Ende des Collio. Auch das Meer ist nah, Grado oder Triest. www.collio.it, www.turismofvg.it Anreise
Mit dem Auto von Wien rund 430 km über Slowenien, via Graz und Ljubljana. Von Klagenfurt 220 km via Udine oder 170 km durchs Sočatal (170 km). Bei Öffi-Anreise mit dem Nachtzug muss man umsteigen. Fahrpläne via www.oebb.at, für Regionalzug www.trenitalia.com, für Bus tplfvg.it APRO & Ribolla
Winzer. Zur 2010 gegründeten „Associazione Produttori Ribolla di Oslavia” (APRO) gehören sieben Weingüter. Die Weine haben ihren Preis. Bestenfalls bezieht man sie direkt in Oslavia (34170 Gorizia) bei den Winzern, die Verkostungen anbieten. Anmelden! Prinčič. Località Ossario 15/a, +39 0481 532730, princicdario.com Gravner. Località Lenzuolo Bianco 9, +39 0481 30882, www.gravner.it Fiegl. Località Lenzuolo Bianco 1, Tel. +39 0469100317, www.fieglvini.com Il Carpino. Località Sovenza 14/A, 34070 San Floriano del Collio +39 0481 884097, www.ilcarpino.com La Castellada. Località Oslavia 1, +39 0481 33670, lacastellada.it Primosic. Madonnina d’Oslavia 3, +39 0481 535153, primosic.com Radikon. Località Tre Buchi 4, +39 0481 32804, www.radikon.it Vinothek. Im nahen San Floriano del Collio führt die Dvor Osteria-Enoteca Weine aller sieben Weinbauern. Via Castello 5, 34070 San Floriano del Collio, +39 338 408 8187, www.fvgusto.com/dvor Bei Eataly. Riva Tommaso Gulli 1, 34123 Trieste, +39 040 2465701, www.eataly.net Ribolliamo. Titel der jährlichen Veranstaltung der APRO – die Oslavias orangem Ribolla auch regional zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen soll. 8./9. 10. 2021, www.ribolladioslavia.it Spezialität. „Macino“ ist ein NachhaltigkeitsProjekt, bei dem die Trester von der Fermentation der Ribolla-Traube in traditionelle Lebensmittel aus Friaul-Julisch Venetien verarbeitet werden (Pasta, Mehle, Kekse). Urheber ist Chef Roberto Franzin vom Ristorante Tarabusino in Grado. macino.net
Anschauen & Aktiv
Spuren des Ersten Weltkriegs.
•Geschichtsträchtig: Militärdenkmal Sacrario Militare di Oslavia. Ein täglicher Glockenschlag erinnert an die Gefallenen. Via Oslavia, Gorizia. Von 1. Oktober bis zum 14. März Di-Sa 9-12 Uhr und 14-17h Uhr; Mo, So & Ftg. geschl. Von 15. März bis 30. September Sa, So & Ftg. geschl. www.turismofvg.it •In Gorizia ist ein Rundgang beim Monte Calvario angelegt, wo auf den Anhöhen Stellungen im Krieg bezogen wurden. Startpunkt: kurz nach der Ponte 8 agosto. •Parco della Pace del Monte Sabotino: Freilichtmuseum in Italien und Slowenien entlang der Verteidigungslinie der 6. Isonzoschlacht. Wandern empfehlenswert, herrlicher Ausblick. Podsabotin, 5211 Kojsko, www.sabotin-parkmiru.si •Museo della Grande Guerra: In den Räumen der Burg Gorizia, Borgo Castello 13, 34170 Gorizia, musei.regione.fvg.it Radfahren. Routenpläne und Verleih im CollioHauptort Cormòns, Auskunft: Piazza XXIV Maggio 15, 34071 Cormòns, +39 0481 386224. Für interaktive Planung: www.bikemap.net Wandern. Drei Touren zu den orangenen Bänken Oslavias werden auf Wunsch von Sabrina Pellizon von Ecoturismo FVG geleitet. Kellerbesuch und Verkostung sind inkludiert. +39 0340 7108735, ecoturismofvg.com Gorizia. Im Nizza der Habsburger zeugen Prachtbauten in der Via del Rastello von der Vergangenheit. Auf der Piazza della Transalpina beim Bahnhof markiert eine Plakette die Lage der späteren Grenzmauer, heute kann man dort mit einem Fuß in Slowenien, mit dem zweiten in Italien stehen. Auch sehenswert: Palazzo Attems Petzenstein mit Pinakothek. 2025 wird Gorizia mit dem slowenischen Zwilling Nova Gorica Kulturhauptstadt Europas. Auch Oslavia wird sich an Projekten beteiligen. www.go2025.eu Tourismusbüro. Corso Italia 9, +39 0481 535764 San Floriano. Weinort mit Ausblick, an der Straße von Gorizia via Oslavia kurz vor Slowenien. Im Ortszentrum liegt das Kastell des Adelsgeschlechts Formentini mit Hotel, Weinmuseum, Restaurant. Piazza Libertà 3, 34070 San Floriano del Collio, +39 0481 884274, www.castelloformentini.com
Essen
Al Piave. Urige Trattoria mit herzhafter Küche in mittlerer Preisklasse. Mariano del Friuli, Via Cormons 6, +39 0481 69003, www.trattoriaalpiave.it Blanch. Spezialität: hausgemachte Pasta mit Hähnchensugo (Blecs). Gemütlich, gutes PreisLeistungs-Verhältnis. Via Blanchis 35, 34070 Mossa, +39 0481 80020, trattoriablanch.it Dvor Osteria-Enoteca. Saisonale Degustationsmenüs (30 €). Toller Blick auf den Collio und das Isonzo-Tal. Vinothek. Via Castello 5, 34070 San Floriano del Collio, +39 338 408 8187, www.fvgusto.com/dvor Der Amphorenkeller von Joško Gravner
Mahnmal: Sacrario Militare di Oslavia
L'Argine a Vencò. Im Grünen kredenzt SterneKöchin Antonia Klugmann große Küche. Obst/ Gemüse vom eigenen Garten. Menü ab 70 €. Gästezimmer. Località Vencò 15, 34070 Dolegna del Collio, +39 350 521 2804, www.largineavenco.it Lokanda Devetak 1870. Klassiker der regionalen Küche mit neuen Kreationen. Beachtlicher Weinkeller. Saisonale Degustationsmenüs. Hauptspeisen ab 13 €, Menü ab 50 €. Einmachwerkstatt, Gästezimmer, Radverleih. Via Brežiči 22, 34070 Savogna d’Isonzo, +39 0481 882488/882005, www.devetak.com Rosenbar. Mediterrane Speisen mit viel Fisch, Collio-Weine. Mitglied vom Slow-Food-Netzwerk. Menüs um 40 €. Zentrale Lage in Gorizia. Via Duca D'Aosta 96, 34170 Gorizia, +39 0481 522700, www.rosenbar.it
Wohnen
Castello di Spessa. Imposantes Schloss aus dem 13. Jh. mit Gartenanlage. Restaurant, Freizeitangebote. Zimmer mit josephinischen Möbeln, Apartments mit Küche. DZ ab 120 €. Via Spessa 1, 34070 Capriva del Friuli, Tel. +39 0481 808124, www.castellodispessa.it Affittacamere Dal Rosso. B&B, Kochnische, Pool, DZ ab 60 €. Schöne Lage. Località Scedina, 25, 34070 San Floriano del Collio, +39 392 9716795, www.dalrosso.it Klanjscek Wine & Stay. Moderner Agriturismo, neben dem Militärdenkmal. Individuell gestaltete Zimmer (DZ ab 105 €), lokale Menüs, Natural Wine. Località Ossario 13/c, 34170 Gorizia, +39 0481 1906680, www.klanjscek.it Villa Teuffenbach. An der Hauptstraße von Gorizia nach Oslavia. Gemeinschaftslounge und Garten. DZ 65/mit Bad 80 €. Località Piuma 30, 34170 Gorizia, +39 334 825 6196, villateuffenbach.wixsite.com Pikol. „Glamping“-Resort in romantischem Ambiente (Seerosenteich, Blockhütten). Villa mit Pool ab rund 200 €. Restaurant mit regionalen Produkten, Winterradicchio, und Fisch: Vipavska cesta 94, 5000 Nova Gorica, +386 5 333 45 23, www.pikol.si