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Wirtschaft, Infrastruktur und Tourismus

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Autorenverzeichnis

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Kapitel iii

TExT Dr. mICHAEl SCHmIDt Der Flecken Haren hatte sich lange vor der Gründung der Stadt Haren (Ems) zu einem der Hauptorte des Emslands entwickelt. Maßgeblich dafür war die Ems, wodurch vor allem Schifffahrt und Handel Auftrieb erhielten.

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Entwicklung von Wirtschaft und Verkehr bis 1965

1856 erhielt Haren mit der Station Kellerberg im Ortsteil Emmeln Anschluss an die Hannoversche Westbahn.1 Diese günstigen Rahmenbedingungen verbesserten trotz der Konkurrenzsituation zwischen Schifffahrt und Schiene unter dem Strich die wirtschaftliche Lage merklich, was einen weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ermöglichte. Neben Handwerkern – z. B. Bäcker, Böttcher, Schmiede, Schuster2 –siedelten sich weitere Gewerbebetriebe –z. B. Branntweinbrennereien, Bierbrauereien, Tabakfabriken3 – an, wobei der Handelssektor im Vergleich zu anderen Orten beispielsweise im Meppener Umfeld eine herausragende Stellung hatte.

1965, im Jahr der Gründung der Samtgemeinde Haren/Ems, hatte Haren seine wirtschaftliche Vorrangstellung halten und ausbauen können.4 Neben der Schifffahrt waren Handel, Handwerk, einige Betriebe des Bauhauptgewerbes und auch Agrarwirtschaft tragende gewerbliche Säulen, wobei letztere noch in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in enger Symbiose verbunden waren. Beispielsweise waren die

Das alte Bahnhofsgebäude in Emmeln. In den 1970er Jahren wurde es abgerissen und durch den heutigen Flachbau ersetzt.

Stellmacher, ein Beruf, der heute nahezu verschwunden ist, zu jener Zeit noch ein vitaler Handwerkszweig.5 Doch der Wandel zeichnete sich mit der zunehmenden Umstrukturierung der Landwirtschaft in der Bundesrepublik ab, und er war auch notwendig, wollte Haren Wohlstand und wirtschaftliche Sicherheit bewahren.

In den Jahrzehnten des Wiederaufbaus unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Förderung von Industrie und Gewerbe im Mittelpunkt der Harener Wirtschaftspolitik. Im Jahr 1960 war ein neuer Schutz-, Liege- und Umschlaghafen nebst Industriegebiet angelegt worden, in dessen Umfeld sich ein Betonsteinwerk sowie ein Mischwerk für Straßenbeläge niedergelassen hatten.6

Die Schmiede Grönniger in Altenberge in den 1930er Jahren.

Luftaufnahmen des Röchling-Werkes aus den Jahren 1966 und 2003.Stadtgeschichte(n)

Im Jahr 2008 feierte die Firma Knoll aus Erika 50jähriges Firmenjubiläum.

Im Jahr 1965 gab es in Haren/Ems 572 gewerbliche Betriebe. Das 1935 errichtete Zweigwerk des Röchling-Konzerns mit 300 Arbeitskräften sowie ein Bekleidungswerk mit 160 Arbeitnehmern waren die größten Arbeitgeber.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu Anfang der 1970er Jahre

Auch in den Folgejahren richtete die Harener Verwaltung ihr Augenmerk auf eine verstärkte Ansiedlung weiterer Gewerbebetriebe. Anfang der 1970er Jahre bemühte man sich wiederholt um eine Anerkennung als Industriestandort, um dadurch in den Genuss öffentlicher Mittel für weitere Betriebsansiedlungen zu kommen. Allerdings schlugen diese Bemühungen fehl. 7 Im Jahr 1973 stellte sich die Erwerbsstruktur8 folgendermaßen dar: Von 2.742 gezählten Erwerbspersonen waren 1.741 in den Bereichen Dienstleistung und Verkehr und 791 im produzierenden Gewerbe, welches auch das Bauhauptgewerbe umfasste, beschäftigt. 210 Arbeitnehmer verdienten ihr Brot in der Land- und Forstwirtschaft. Größter Arbeitgeber war auch damals das Röchling-Werk in Altenberge (450 Arbeitnehmer). Weitere nennenswerte Arbeitgeber, die sich vorwiegend im Bereich des neuen Hafens ansiedelten, waren damals die Lingener Wäschefabriken (100 Arbeitnehmer), Brauckmann aus Gladbeck, Behaton (115 Arbeitnehmer), das Ems-Jade-Mischwerk sowie die 1973 angesiedelte Philipp Holzmann AG (106 Arbeitnehmer). Außerdem verfügten die Stahlbauunternehmen Albers und Menke, Berkenheger & Co. (Produktion von Grabenräumgeräten, 16 Arbeitnehmer), Bergmann (Spezialfahrzeuge für den Bau, 20 Arbeitnehmer), in Erika das Bekleidungswerk Niebuhr (65 Arbeitnehmer) und das Tiefbauunternehmen Knoll (122 Arbeitnehmer, 1958 gegründet9) sowie das Bauunternehmen Pinkernell (68 Arbeitnehmer) über nennenswerte Belegschaften.

Auf einer Fehndorf Geschäftsreise nach Stuttgart von fahren die Emsländer in der großen Stadt mit einem Taxi. Der Taxifahrer mit ausländischer Herkunft schwäbelt vor sich her. Darauf ein Fehndorfer: „Dei könt hier ja nich mal richtig dützk proaten!“

Das Ferienzentrum Schloß Dankern

Fremdenverkehr etabliert sich als neuer Wirtschaftszweig

Weil wegen der ausbleibenden Anerkennung als Industriestandort überregionale Fördermittel nicht zu erwarten waren, galt die verstärkte Förderung des Fremdenverkehrs als ein neuer wichtiger Stützpfeiler der örtlichen Wirtschaft. Anlässlich der Einweihung des Harener Wellenbades am 26. Juni 1972 bezeichnete der Harener Stadtdirektor Kley die zunehmende Unterstützung des Tourismus geradezu als einen „Notwehrakt“ –wenn der Stadt schon die Anerkennung als förderungswürdiger Industriestandort nicht zuerkannt werde, sei es nur logisch, verstärkt auf die weiße Industrie zu setzen.10

Die Anfänge dieses neuen Wirtschaftszweiges in Haren/Ems liegen in der Zeit Ende der 1960er-, Anfang der 1970er Jahre. Bereits 1968 gründeten Harener Unternehmer (Walter Pinkernell und Paul Schulte-Übermühlen) in Hilter einen Natur- und Tierpark.11 Von kommunaler Seite wurde die alte, an der Ems gelegene Schifferberufsschule nebst Schiffsjungenwohnheim aufgrund Nachwuchsmangels zur Jugendherberge umgewidmet. Im Juni 1971 wurde rund um das Wasserschloss Dankern, das im Jahr 1680 im Barockstil erbaut worden war, das Ferienzentrum Dankern eröffnet, das die Entwicklung Harens bis heute prägt.12

1968 öffnete der Natur- und Tierpark Hilter.

600.000

Übernachtungen 1970 bis 2013

400.000

200.000

0

`70 `71 `72 `73 `74 `75 `76 `77 `78 `79 `80 `81 `82 `83 `84 `85 `86 `87 `88 `89 `90 `91 `92 `93 `94 `95 `96 `97 `98 `99 `00 `01 `02 `03 `04 `05 `06 `07 `08 `09 `10 `11 `12 `13 3.500 14.500 45.000 105.000 143.000 156.000 173.000 202.798 225.000 242.609 255.000 266.057 334.556 384.025 360.507 356.572 360.958 398.529 422.222 436.918 484.490 503.362 550.299 581.541 583.500 636.886 597.456 685.458 703.264 743.044 782.847 791.549 794.407 797.456 834.800 805.007 822.770 884.481 832.938 879.012 882.725 894.958 932.759 885.560

Quelle: Übernachtungszahlen 1970–2014 (eigene Erfassung) Stadt Haren (Ems): Jahresberichte ; 1995–2000.

urlaub im Schatten des Wasserschlosses – 1971 eröffnete das Ferienzentrum Schloss Dankern

Geschickterweise ließ man zur Eröffnung die ersten Ferienhäuser von Journalisten „testen“, sodass das Ferienzentrum schneller in Presse und Öffentlichkeit bekannt wurde. Zudem gab es zur Ankurbelung des Geschäfts anfangs Sondertarife für Gäste aus dem nahen Ruhrgebiet und den benachbarten Niederlanden.13 Man kann rückschauend sagen, dass der Baubeginn dieses Ferienzentrums zusammen mit dem Reiterhof Lüssing in Raken und dem Natur- und Tierpark Hilter Berg den Einstieg der Harener Wirtschaft in den neuen Wirtschaftszweig Tourismus, die sogenannte weiße Industrie, markierte.14

Es ist kein Zufall, dass in jenen Anfangsjahren des Tourismus auch der Verein für Wirtschafts- und Gewerbeförderung gegründet wurde. Dieser am 9. Oktober 1969 auf Initiative des Katholischen Kaufmann-Vereins und des Heimat- und Verkehrsvereins gegründete Verein hatte das Ziel, „die Wirtschaft und das Gewerbe zu fördern, um dadurch die Attraktivität der Stadt Haren zu bessern“15 . Ziel war die Verbesserung der Außendarstellung der Stadt Haren/ Ems, was anfangs konkret durch allgemeine Dauerwerbung in den Tageszeitungen, Ausweitung der weihnachtlichen Festbeleuchtung und die Durchführung des Nikolauszuges erreicht werden sollte. Später kamen Aktionen wie Harener Sommer, Herbst-Einkaufstage und Weihnachtsaktionsverlosungen hinzu. 1993 gestaltete der Verein anlässlich der Fertigstellung des Innenstadtbereichs Alter Markt/Neuer Markt die Einweihungsfeierlichkeiten.

Abgesehen von einer kurzen Schwächeperiode Mitte der 1980er Jahre ist ein kontinuierlicher, teilweise rasanter Anstieg der Übernachtungszahlen zu verzeichnen. Von 1972 zu 1973 haben sie um 60.000 zugenommen, was einer der größten Anstiege innerhalb eines Jahres im beobachteten Zeitraum ist. Deshalb kann man sagen, dass sich spätestens in diesen Jahren der Tourismus als Wirtschaftsfaktor in der Harener Gewerbestruktur etabliert hat.

Bemerkenswert ist dabei, dass die Entwicklung des Harener Fremdenverkehrs zumindest teilweise gegen den allgemeinen Trend in der Wirtschaft verlaufen ist. Ein Beispiel hierfür sind die Jahre von 1980 bis 1983, als Deutschland eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise durchlebte, während die Übernachtungszahlen in Haren/Ems um 130.000 zunahmen.16 Hieran zeigt sich, dass der Tourismus für Haren/Ems nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle war, sondern

Das neue Amisia-Fahrgastschiff 2010

auch eine, die sich gerade in Krisenzeiten als verlässlich erwies. Damit das so blieb, war es allerdings wichtig und notwendig, die Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung des Fremdenverkehrs zu schaffen.

Die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung der Übernachtungszahlen setzte sich auch in den folgenden Jahrzehnten fort: Nachdem 1988 erstmals die 400.000er-Marke erreicht worden war17 , konnten bereits drei Jahre später 504.000 Übernachtungsgäste18 begrüßt werden. Um die Jahrtausendwende war es mit 782.847 Gästen noch einmal etwa ein Drittel mehr.19 Im Jahr 2012 wurde die Marke von 900.000 Übernachtungsgästen erstmals überschritten.20 Wenngleich es gerade in den letzten Jahren auf derart hohem Zahlenniveau durchaus zu Schwankungen kommen kann – so wurden 2013 „nur“ 885.560 Übernachtungen gezählt – so ist die Entwicklung des Tourismus dennoch uneingeschränkt als ein positiver Faktor für Haren (Ems) zu sehen.

Bei den so guten Zahlen des Fremdenverkehrs darf man nicht vergessen, dass diese kontinuierliche Aufwärtsentwicklung nicht selbstverständlich war und nicht ohne Zutun der Harener geschah. Vielmehr mussten mannigfaltige Projekte in Angriff genommen werden. Die Förderung des Tourismus wurde vor allem in den 1970er Jahren mit Nachdruck vorangetrieben. So wurde 1975 das Fahrgastschiff Amisia in Betrieb genommen, mit dem man auf der Ems Ausflugs- und Kaffeefahrten unternehmen kann.21 Bis 1977 war die Amisia in Privathand; danach wurde sie von der Stadt Haren (Ems) übernommen. Noch im selben Jahr wurde die Amisia Fahrgastschiff GmbH & Co. KG mit sechs Gesellschaftern gegründet. Nach einer Verlängerung des Schiffsrumpfs im Jahr 1993, um die Fahrgastzahlen zu erhöhen, wurde die erste Amisia im Juli 2009 durch ein gleichnamiges Nachfolgeschiff ersetzt.

Ebenfalls 1975 wurde mit der Ausbaggerung des Dankernsees begonnen, der auf eine Fläche von bis zu 40 Hektar ausgebaut werden sollte und dessen erster Bauabschnitt mit elf Hektar bereits 1977 der Öffentlichkeit übergeben werden konnte.22 1980 war der Dankernsee, der im Zusammenhang mit Arbeiten für die neue Umgehungsstraße entstand, zur Hälfte fertig23 , 1981 zu drei Vierteln24 .

Die Restaurierung der Mersmühle, einer im Jahr 1825 errichteten holländischen Kappenwindmühle, wurde seitens des Landkreises, des Kreisheimatvereins, des Stadtheimatvereins und der Stadt ins Auge gefasst25 und im Juni 1980 abgeschlossen.26 Ergänzt wurde diese Mühle durch Müllerhaus, Backhaus, Motormühle, Wagenremise und eine Fachwerkscheune.27 In Raken war 1976 eine Reithalle eröffnet worden.28

Kontrolle durch das Ordnungsamt am Dankern-See. Viele Damen baden „Oben-ohne“. Es ergeht eine Meldung ins Rathaus. Von dort kommt die Anordnung: „Nichts unternehmen, dass sehen wir uns persönlich an!“

Schifffahrtsmuseum am Haren-Rütenbrock-Kanal

Kommunale Maßnahmen zur Etablierung des Tourismus

Neben den oben erwähnten Unternehmungen privatwirtschaftlicher Natur hatten auch die politischen Entscheidungen einen großen Anteil am Aufblühen des Tourismus. Neben eher indirekten Maßnahmen wie der Attraktivitätssteigerung der vorhandenen Wanderwege durch neue Hinweistafeln und Ruhebänke, Abhaltung von Gartenwettbewerben und der mehrfachen Teilnahme am Wettbewerb „Unser Ort soll schöner werden“ waren Planung und Errichtung des Sport- und Naherholungsgebietes Emspark an der Bundesstraße 408, südlich von Haren, ein wichtiger Punkt in der kommunalen Tourismusförderung. Bereits 1968, als auch die ersten Privatunternehmer aktiv wurden, wurde für den Emspark ein Planungskonzept aufgestellt und das Emsparkstadion, Wellenfreibad, Hallenbad, Tennisplätze, Schießstand, Campingplatz und Tennishalle dort errichtet. Besonders die Eröffnung des Wellenfreibades im Sommer 1972 steigerte die Attraktivität Harens als touristisches Ziel.

Eine weitere Maßnahme, die sich positiv auf die Entwicklung des Fremdenverkehrs auswirken sollte, war die nach dreijähriger Vorlaufzeit erfolgte formelle Besiegelung einer Partnerschaft mit der niederländischen Nachbargemeinde Vlagtwedde am 9. Juni 197229; in der Partnerschaftsurkunde wurden für beide Gemeinden „wegen ihrer gleichartigen Landschafts-, Wirtschafts- und Verkehrsstruktur gemeinsame Ziele für die weitere kulturelle, wirtschaftliche und verkehrliche Entwicklung, insbesondere auch im Rahmen der fortschreitenden europäischen Integration“30 hervorgehoben. Beinahe 20 Jahre vor Einrichtung des

Europäischen Binnenmarktes bewiesen die Verantwortlichen beiderseits der Grenze hier bemerkenswerten Weitblick, und es blieb nicht nur bei Abmachungen auf dem Papier, wie mehrere grenzüberschreitende Wander- und Radwege beweisen, die in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Vlagtwedde errichtet wurden31 , oder die gemeinsamen Werbestände der Partnergemeinden Vlagtwedde und Haren (Ems) auf der Touristikbörse in Utrecht sowie auf der Camping- und Touristikausstellung in Essen32 . Im Juni 1997 wurde das 25-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit der niederländischen Nachbargemeinde Vlagtwedde im Rahmen eines umfangreichen Programms in Haren (Ems) gefeiert.33

Die gemeinsamen Anstrengungen der Stadt Haren (Ems) mit der niederländischen Partnergemeinde Vlagtwedde mündeten um die Jahrtausendwende schließlich in der Erarbeitung eines grenzüberschreitenden Entwicklungskonzeptes zur Förderung des Tourismus. Auch die Linksemsische Kanalgenossenschaft engagierte sich im Bereich Tourismus mit der durchgehenden Schaffung eines festen Weges am Haren-Rütenbrock-Kanal von der Ems bis in die Niederlande.34

Ebenso vertraten die Stadtväter auf norddeutscher Ebene die Belange des Tourismus. 1973 trat die Stadt Haren (Ems) dem Fremdenverkehrsverband Nordsee-Niedersachsen-Bremen“ bei.35 Derart intensive Bemühungen zur Verbesserung des Bekanntheitsgrades waren durchaus von Erfolg gekrönt. Bereits 1973 meldete die Stadtverwaltung: „Der Fremdenverkehr mit Erholungsuchenden aus der ganzen Bundesrepublik und dem benachbarten Ausland ist inzwischen zu einem echten Wirtschaftszweig angewachsen.“36 Im Jahr 1974 wurde der Stadt das Prädikat „Staatlich anerkannter Erholungsort“ verliehen – eine Auszeichnung, die alle drei Jahre durch erneute Prüfungen bestätigt werden musste. Auch auf Landesebene wurden 1974 mit der Aufnahme Harens als Schwerpunktort für Fremdenverkehrsförderung in das Fremdenverkehrsförderungsprogramm des Landes Niedersachsen die Bemühungen der Stadt und ihrer Bürger um Hebung des Tourismus honoriert37 , wenn auch dadurch erhoffte staatliche Fördermittel nicht nach Haren (Ems) flossen.38 War dieser Umstand einerseits bedauerlich, war man auf der anderen Seite umso stolzer, alle touristischen Einrichtungen ohne öffentliche Förderung geschaffen zu haben.

Im Jahr 1976 gab die Stadt erstmals einen Veranstaltungskalender heraus, mit dem die Feriengäste umfassend und systematisch über das touristische Angebot informiert wurden. Überhaupt sind die späten 1970er Jahre von verstärkten flankierenden Anstrengungen zur Unterstützung des Fremdenverkehrs gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise im Juli 1978 die Einrichtung eines Fremdenverkehrsamtes bei der Stadt39 , im Folgejahr die

Die Mersmühle im Mühlenmuseum

Herausgabe eines Unterkunftsverzeichnisses sowie in Kooperation mit der niederländischen Nachbargemeinde Vlagtwedde die Erarbeitung einer Studie über den grenzüberschreitenden Fremdenverkehr.40 Es war wichtig, die gesamtgesellschaftliche Entwicklung im Auge zu behalten, um im Wirtschaftsfeld Tourismus gut aufgestellt zu sein. Hier waren die Harener durchaus erfolgreich; im Jahresbericht für 1981 zog man folgendes Fazit: „Mit zunehmender Tages-, Wochen- und Jahresfreizeit gewinnt die ‚Weiße Industrie’ als jüngster Wirtschaftszweig zunehmend an Bedeutung.“41

Im selben Jahr 1981 zahlte es sich zudem aus, dass Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur – Fremdenverkehr – zur Förderung der Tourismusstruktur bereitgestellt wurden. Mit diesen Mitteln wurden Erschließungsmaßnahmen im Feriengebiet Dankern sowie der Ausbau des neuen Campingplatzes, der im Juni 1982 seiner Bestimmung übergeben wurde, im Naherholungsgebiet Emspark gefördert. Diese Bemühungen verschafften Haren auch überregionale Reputation. So wurde Haren 1984 Landessieger im Wettbewerb „Vorbildliche Campingplätze“; auf Bundesebene wurde immerhin der Bronzeplatz erreicht.42

Im Jahr 1999 wurde auf Landkreisebene zur Unterstützung der touristischen Anbieter ein touristisches Leitbild erstellt, wobei in der Ferienregion Haren (Ems) vor allem die Zielgruppe „Familienurlaub“ in den Blick genommen wurde.43 Entsprechend wurden bei der weiteren Planung alles getan, damit sich Eltern mit ihren Kindern als Urlauber rundum wohlfühlen. „Das Gebiet der Stadt mit seinen landschaftlichen Reizen, seinen zahlreichen Rad-, Reit-, Wander- und Wasserwegen und seinen vielfältigen Freizeitangeboten ist besonders prädestiniert für ‚Familienurlauber’“, konnte die Stadtverwaltung Ende der 1990er Jahre als Fazit ziehen. Ein weiterer Schwerpunkt der touristischen Werbung waren die sogenannten Aktivurlauber, denen ebenfalls eine gute Infrastruktur geboten wurde.

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung des Fremdenverkehrs in den 1970er Jahren von vielen Harener Schiffern kritisch beäugt wurde. So ist etwa im Jahresbericht 1979 der Einwand zu lesen, „daß die Stadt den neuen Wirtschaftszweig ‚Fremdenverkehr’ zu Lasten des traditionellen Erwerbszweigs ‚Schiffahrt’ zu sehr in den Vordergrund rückt“44 . Trotz dieser reservierten Haltung arbeiteten allen Seiten mit vereinten Kräften daran, die gute Entwicklung auf dem touristischen Sektor für die anderen Wirtschaftszweige nutzbar zu machen. Beleg hierfür sind beispielsweise die Bemühungen der Harener Schifffahrtsverbände –Nautikclub, St.-Nikolaus-Schifferverein und Gemeinschaft der Harener Binnenschiffer –, ein Schifffahrtsmuseum aufzubauen, wozu die Stadt ihre Unterstützung zusagte. Das Museum nahm eine gedeihliche Entwicklung:

Das Wasserschloß Dankern

1982 wurde das Schifffahrtsmuseum anlässlich der 75-Jahr-Feier des St.-Nikolaus-Schiffervereins durch den Nachbau der Pünte Haren I ergänzt. Für 1983 war der Nachbau der Spitzpünte Helene vorgesehen, durch den das Schifffahrtsmuseum am Haren-Rütenbrock-Kanal, das außerdem den Schlepper August umfasste, vervollständigt werden sollte.45 Heute besteht das Schifffahrtsmuseum neben den drei genannten Schiffen aus dem Wattmotorschiff „Thea-Angela“, dem Seenotrettungsboot „Bruntje“, dem Streckenboot „Haren“ und dem Bereisungsboot „Meppen“; hinzu kommen Schleusenwärterhaus (seit Mitte der 1990er-Jahre)46 und Motorenhalle.47 Aber nicht nur die Schiffer, sondern auch die Agrarwirtschaft suchte die Stadt an der guten Entwicklung des Tourismus teilhaben zu lassen; Beleg ist hierfür der Werbestand „Ferien auf dem Bauernhof“ bei der Emslandschau Ende Juni 1979.48

Um eine noch effektivere Förderung des Tourismus zu ermöglichen, wurde im Mai 1990 der Fremdenverkehrsverein e. V. Haren – Stadt und Land gegründet49 , der in den Folgejahren vielfältige Initiativen wie die Errichtung einer Fahrradverleihstelle im Stadtkern startete.50 Solche Initiativen hatten natürlich positive Folgen; es entwickelte sich der Tourismus im Emsland im Gegensatz zum bundesweiten Trend auch 1995 gut. So wurden 1995 über zwei Millionen Übernachtungen (2.040.000) in gewerblichen und privaten Herbergen gezählt, was gegenüber 1.983.000 im Jahr 1994 eine weitere Steigerung war. Die Harener Betriebe hatten an diesen Zahlen den größten Anteil.51

Deren Bettenangebot wuchs mit Zeitraum von 1996 bis 2000 von 4.708 auf 6.031 Betten, was einen Zuwachs um mehr als ein Viertel bedeutete.52 Der Hauptanteil fiel hierbei auf das Ferienzentrum Schloss Dankern (1996: 3.540; 2000: 4.230), aber auch Hotels sowie private Ferienhäuser und Ferienwohnungen konnten ihren Anteil in etwa verdoppeln. Einen großen Einbruch hatten die privaten Gasthöfe zu verbuchen, ihre Zahl ging von acht im Jahr 1996 auf fünf im Jahr 2000 zurück. Demgegenüber nahm bei den privaten Ferienhäusern (1996: 9; 2000: 22) und Ferienwohnungen (1996: 9; 2000: 58) die Anbieterzahl jeweils zu. Das ist ein Indiz dafür, dass es neben dem Ferienzentrum durchaus einen nennenswerten privaten Tourismussektor gibt.

Das Golf-Resort Gut Düneburg Die Harener Kleinbahn „Emma“

Entwicklung von Gewerbe und Verkehrsinfrastruktur

Neben dem Tourismussektor gab es in Haren natürlich weiterhin produzierendes Gewerbe, Handel/Verkehr, Baugewerbe, Dienstleistungen und Landwirtschaft.

Insgesamt gab es 1.156 registrierte Harener Gewerbebetriebe im Jahr 1994, worunter vor allem Betriebe der Branchen Holz- und Kunststoffverarbeitung, Kalksandstein- und Betonsteinfabrikation, Maschinenbau sowie Leicht- und Metallbau zu finden sind.53 Mit Ausnahme der Landwirtschaft, in der nur noch 3,5 Prozent der Beschäftigten ihr Brot verdienten, und dem produzierenden Gewerbe, in dem mehr als ein Drittel der Beschäftigten zu finden waren, lagen die anderen Wirtschaftszweige alle etwa zwischen 10 und 15 Prozent. Dieser Mix zeigt, dass die Harener Wirtschaft eine ausgewogene Gewerbestruktur besitzt und sich auf mehrere Standbeine stützen kann. Dass die in Haren (Ems) im Zuge der Wirtschaftsförderung geschaffenen Rahmenbedingungen günstig waren, zeigt die positive Wirtschaftsentwicklung in den Jahren 1995 bis 2010, wie aus dem Schaubild zu entnehmen ist.

In diesem Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Gewerbebetriebe (ohne die Schifffahrtsbetriebe, die hier nicht behandelt werden) von 1.086 auf 2.414, was mehr als einer Verdopplung der Betriebezahl entspricht. Dieser Anstieg lässt sich noch etwas genauer beziffern: Im Zeitraum von 1995 bis 2000 war vor allen Dingen bei den Handelsbetrieben von 194 auf 406 (+212; +109,3 Prozent) eine starke Zunahme zu verzeichnen, ab dem Jahr 2003 nahm dann besonders die Zahl der sonstigen Gewerbebetriebe, wozu vor allem der Dienstleistungssektor zählt, von 731 (2003) auf 1.596

10,7 % 35,5 %

16,8 %

16,2 % 3,5 %

17,3 %

Gewerbearten mit ihrer prozentualen Verteilung an Beschäftigten im Jahr 1994

Gewerbeart Beschäftigte in Prozent  produzierendes Gewerbe 35,5  Handel 10,7  Verkehr 16,8  Baugewerbe 16,2  Dienstleistungen 17,3  Landwirtschaft 3,5

Quelle: MT vom 21.9.1994, Beilage Stadtfest Haren (Ems)

Die Emsländer Baustoffwerke in Emmeln um 1900… … und im Jahr 2012 (Copyright: Emsland Baustoffwerke)

(2014) zu, was einer Steigerung auf mehr als das Doppelte entspricht. Demgegenüber blieb die Zahl der Handwerks- und Industriebetriebe über den ganzen Zeitraum relativ konstant, wenngleich auch hier eine Steigerung um mehr als ein Drittel zu verbuchen ist (1995: 217; 2010: 302). Hieran hat die Industrie einen Anteil von 23 Betrieben im Jahr 2014. Insgesamt gesehen macht die Harener Wirtschaftsstruktur einen soliden Eindruck: Handel, Industrie und Handwerk als stabile Standbeine, der Dienstleistungssektor als Wachstumsmarkt.

Anzahl der Betriebe aus Handwerk/Industrie, Handel sowie Sonstige Betriebe von 1995 bis 2014

1600

1400

1200

1000

800

600

400

200

0

 Industrie, Handwerk  Handelsbetriebe  Sonstige Betriebe

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Quelle: 1995–2000: Bericht zur Wahlperiode 1996–2001; 2001–2005: Bericht zur Wahlperiode 2001–2006; 2006–2009: Bericht zur Wahlperiode 2006–2011; 2009–2014: Stadt Haren (Ems) Fachbereich 2

Entwicklung der Beschäftigtenzahl in Haren (Ems) von 1996 bis 2014

Quelle: 1996–1999: Bericht zur Wahlperiode 1996–2001; 2001–2006: Bericht zur Wahlperiode 2001–2006; 2006-2011: Bericht zur Wahlperiode 2006–2011; 2010-2014: Bundesagentur für Arbeit 8000

6000

4000

2000

0

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Die gute Wirtschaftsentwicklung nützte auch den Menschen vor Ort, denn die Zahl der Arbeitsplätze stieg im Zeitraum 1996 bis 2014 von 4.354 um 4.249 auf 8.603 (+ 97,6 Prozent).54 Das folgende Schaubild gibt einen Gesamtüberblick über die Entwicklung:

Hier zeigt sich eine ähnliche Entwicklung wie bei den Betriebezahlen: Ab dem Jahr 2003 ist ein rasanter Anstieg zu verzeichnen, der in erster Linie auf die Gewerbeansiedlungen im Umfeld des Eurohafens Emsland zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist ferner, dass die Arbeitsplatzdichte (Anzahl der Arbeitsplätze je 1.000 Einwohner), die ein Maßstab für die Versorgung mit Arbeitsplätzen ist, sich von 203 im Jahr 1996 auf 304 im Jahr 2009 erhöht hat.55 Somit stehen je 1.000 Einwohner seit 2009 im Vergleich zu 1996 101 zusätzliche Arbeitsplätze bereit. Auch noch ein anderer Vergleich lässt die überaus positive Entwicklung der Harener Beschäftigtenzahlen deutlich werden: Nahmen im Zeitraum 2003 bis 2013 die Arbeitsplätze im Land Niedersachsen um 10,8 Prozent zu und im Landkreis Emsland um 27,2 Prozent, so war es in Haren (Ems) eine Steigerungsrate von 72 Prozent. Alle diese positiven Fakten sind auf eine verstärkte Förderung aller anderen Wirtschaftszweige neben dem Tourismus seit den 1970er Jahren zurückzuführen. Insbesondere Harens Handwerk und Industrie wurden in den letzten Jahrzehnten durch Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Gewerbegebiete56 unterstützt. Im März 1994 wurde Haren (Ems) laut Bekanntmachung im Bundesanzeiger zum Mitort der Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bestimmt. Dadurch konnten nun Investitionen, die im produzierenden Gewerbe getätigt wurden, durch Bundesmittel gefördert werden. Mithilfe dieser sogenannten GA-Mittel und mit Unterstützung durch den Landkreis Emsland konnte Haren (Ems) bestehende Gewerbegebiete ausbauen (Mühlenberg, Röchlingstraße) und vor allem zusätzliche schaffen.57 Neben neuen Flächen in Wesuwe, Altenberge/Erika, Rütenbrock und Emmeln, aber auch im Stadtkern ist das größte dieser Gewerbegebiete der Mitte der 1990er Jahre ausgewiesene, anfangs 70 Hektar umfassende Industriepark zwischen Hünteler Straße und B 70 im Bereich Emmeln-Hüntel. Dieses Gewerbegebiet wurde mit dem

angrenzenden Gewerbegebiet der Stadt Meppen erschlossen. 1994 hatte es bereits einen Ausbaustand von 87 Hektar. In den Jahren 1997–1998 wurde mit der Errichtung eines Industriestammgleises auf Harener Stadtgebiet und von der Stadtgrenze bis zum Kraftwerk Hüntel auf Meppener Stadtgebiet der Eisenbahnanschluss hergestellt, in 1997 wurde die Verbindung zur B 70 gebaut.58 Seine endgültige Größe umfasst rund 450 Hektar.

Die Bereitstellung von Gewerbegebieten ist eine existenzielle Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft. Dementsprechend legte die Stadt Haren (Ems) besonders seit der absehbaren Fertigstellung der A 31 und der Planung des Eurohafens verstärkt das Augenmerk auf die Ausweisung ausreichender Gewerbeflächen, deren Bestand seit der Neuausrichtung des Internetsauftritts im Jahr 2001 auch online abrufbar ist. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung des Bestandes an Gewerbeflächen zwischen 2001 und 2010.

Zwischen 2001 und 2010 wurde die Gewerbefläche von 333,5 Hektar um 91,88 Hektar auf 425,38 Hektar erhöht, was einer Zunahme um 27,6 Prozent entspricht. Die tatsächlich genutzte Gewerbefläche nahm im selben Zeitraum von 169,90 Hektar um 39,55 Prozent auf 237,10 Hektar zu, was ein weiterer Beleg für das Wachstum der Harener Wirtschaft ist. Trotz des schnellen Wachstums standen an den Stichtagen immer mindestens 55 Hektar ausgewiesene und noch verfügbare Gewerbeflächen zur Verfügung.

Zusätzlich wurde neben den Gewerbegebieten zusammen mit dem Landkreis Emsland und der Stadt Meppen, die dazu am 25. März 2003 die „Euro-Hafen Emsland-Mitte Entwicklungs- und Bau GmbH“ gründeten, für 21 Millionen Euro der Eurohafen Emsland realisiert.59 Baubeginn des Eurohafens Emsland war am 22. Mai 2006. Die Anlage besteht aus dem 950 Meter langen Stichkanal, der für Begegnungsverkehr ausgelegt ist, nebst Wendebecken und drei Liegeplätzen (1. Bauabschnitt), Eisenbahnanschlussgleis an die Emslandstrecke Rheine–Norddeich (2. Bauabschnitt) und 570 Meter Kaianlagen (3. Bauabschnitt). Die eigentliche Wasserfläche umfasst vier Hektar, die Umschlagflächen drei Hektar. Die Eröffnung dieses etwa 42 Hektar großen Hafens, der für Großmotorgüterschiffe mit einer Länge von 110 Metern und einer Breite von 11,45 Metern bei 2,80 Meter Tiefgang und Tragfähigkeit von 2.100 Tonnen ausgelegt ist, mit vier Umschlagliegeplätzen war im Oktober 2007. Die Gesamtkosten des Hafenprojekts betrugen etwa 21,7 Millionen Euro, die vom Land Niedersachsen, dem Landkreis Emsland sowie den beteiligten Kommunen Haren (Ems) und Meppen aufgebracht wurden, wovon rund 16,3 Millionen Euro auf den eigentlichen Hafenbau und die Erschließung des zugehörigen 23 Hektar großen Gewerbe-/Industriegebietes entfielen.

Datum 31.12.2001

31.12.2006

31.12.2010

Bruttofläche Nettobaufläche vergeben verfügbar

333,50 224,80 169,90 54,90

406,70

425,38 275,40 198,60

292,57 237,10 76,70

55,50

Quelle: 31.12.2001: Bericht zur Wahlperiode 1996–2001; 31.12.2006: Bericht zur Wahlperiode 2001–2006; 31.12.2010: Bericht zur Wahlperiode 2006–2011

Das Rothkötter Kraftfutterwerk am Eurohafen.

Seitdem haben sich Güterumschlag und die Zahl der anlegenden Schiffe positiv entwickelt. Zwischen 2009, dem ersten statistisch voll erfassten Jahr mit 260.103 Tonnen und 2014 mit 557.314 Tonnen hat sich der Güterumschlag um 114 Prozent mehr als verdoppelt. Seit 2011 legen jedes Jahr etwa zwischen 500 und 600 Schiffe in Haren (Ems) an.60 Kurz nach der Inbetriebnahme des Eurohafens wurden von den 23 Hektar des angrenzenden Gewerbe-/Industriegebietes bereits rund 7,6 Hektar an die Firmen Barlage GmbH (Anlagenbau), Rothkötter Kraftfutterwerk und Sibobeton/Reese übergeben, die dort Betriebsstätten errichteten.

Das größte Unternehmen, das sich bisher im Industriepark Eurohafen angesiedelt hat, ist die Emsland Frischgeflügel GmbH, die bereits im Jahr 2003 im Industriegebiet am Eurohafen ihren Betrieb aufnahm.61 Dieses Industriegebiet entwickelte sich durch die Ansiedlung ebendieser Firma sehr positiv und stieß bereits 2007/2008 an seine Grenzen, sodass im Jahr 2008 der Landkreis Emsland weitere Flächen im Umfang von 11,6 Hektar verkaufte, womit der Firma Emsland Frischgeflügel Erweiterungsflächen und den ansiedlungsinteressierten Unternehmen Stahlbau Menke und Senwatec, tätig im Bereich Umwelt- und Gewässertechnik, neue Industrieflächen zur Verfügung gestellt werden konnten. Beide Unternehmen errichteten dort in der Folge Betriebsgebäude.62

Ein weiterer Meilenstein war die Ansiedlung der Firma Enercon im Industriepark Eurohafen, die dort eine Fabrik zur Fertigung von Rotorblättern und Bauteilen für Windenergieanlagen auf einer Fläche von circa 18 Hektar errichtete. Bei der Entscheidung für Haren als weiteren Produktionsort fielen neben den dort erwarteten „qualifizierten Fachkräften“ und der Nähe zum Hauptsitz in Aurich vor allem Straßen- und Bahnanschluss, insbesondere aber auch der Hafenzugang positiv in die Waagschale. Baubeginn des neuen Rotorblattwerks war im Sommer 2011, die offizielle Einweihung im Juni 2013.63

Enercon-Werk im Industriepark Eurohafen

Ein weiteres neues Gewerbegebiet ist der Gewerbepark A 31 bei der Anschlussstelle Wesuwe, der parallel zur Fertigstellung der Emslandautobahn eröffnet wurde. Einer der ersten Ansiedlungen war die Firma Dulle Mobile GmbH (Handel und die Wartung von Wohnmobilen). Ein weiterer Zuwachs an Gewerbeflächen war im Bereich Röchlingstraße zu verzeichnen, wo das dortige Gewerbegebiet für die Erweiterung der Firma Röchling um circa 11,5 Hektar vergrößert wurde. Außer der Schaffung von Gewerbegebieten ist deren überregionale Vernetzung für die Harener Gewerbebetriebe überlebenswichtig. Neben dem Wasserweg über Ems/Dortmund-Ems-Kanal und der erwähnten Eisenbahnstrecke, die schon seit langer Zeit bestanden, kam Mitte der 1990er Jahre der Anschluss an die neu gebaute, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Autobahn 31 als weiterer positiver Standortfaktor hinzu. Haren (Ems) hat zwei Autobahnanschlüsse: Haren (Ems) (Nr. 19) und Wesuwe (Nr. 20). Der Anschluss nach Norden wurde im März 1993 hergestellt, der nach Süden mit der Freigabe des Streckenabschnitts Haren(Ems)–Twist im Oktober 1994.64 Mit der Gesamtfreigabe der Autobahn im Jahr 2004 steht die durchgängige Verbindung ins Ruhrgebiet. Auch in die benachbarten Niederlande bestehen durch den vierspurigen Ausbau der N 37 von Hoogeveen bis Twist/ Schöninghsdorf gute Straßenverbindungen. Des Weiteren tragen südlich von Haren (Ems) die Verbreiterung der B 402 von der A 31 Richtung Niederlande sowie die das Stadtgebiet berührenden Bundesstraßen

„Nu is der Junge Nach einem Jahr bekloppt. ist der Betrieb schon kaputt.“ – Reaktion des Vaters von Heinrich Gerdes als dieser 1991 die erste moderne LaserMaschine kaufte. Später bestaunte er die neue Technik und bestellte ohne Wissen seines Sohnes eine weitere.

Spatenstich im März 2015 für ein neues Feldspritzenwerk der Firma Lemken im Gewerbegebier an der A31

70 und 408 zur guten Verkehrserschließung bei. Zudem konnte mit Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes der nördliche Stadtring gebaut werden.65 Die seit einigen Jahren ins Auge gefasste Verbreiterung der B 402/B 213 von Meppen zur A 1 wird die Attraktivität Harens als Wirtschaftsstandort und Tourismusziel durch die verbesserte Erreichbarkeit weiter erhöhen.

Betrachtet man die Entwicklung der Harener Wirtschaft von 1965 bis heute – und das gilt auch für die Zeit vor 1965 –, lässt sich folgendes Fazit ziehen: Dieser Wille, die Notwendigkeit eines Wandels zu erkennen und sich den Gegebenheiten zu stellen, ist ein charakteristisches Merkmal der Harener Wirtschaftsgeschichte. Schon zu Zeiten, als die Agrarwirtschaft in Deutschland noch Haupterwerbszweig war, waren die Harener aufgrund der niedrigen Lage ihrer Grundstücke an der Ems gezwungen, vermehrt auf die Schifffahrt zu setzen. Als dann die Binnenschifferei nicht mehr genug abwarf, wagte man den Schritt aufs offene Meer, als es auch hier ungesunde Konkurrenzsituationen gab und die Anerkennung als Industriestandort versagt blieb, setzte man verstärkt auf den Tourismus.66 Hier kooperierte man vor allen Dingen mit den niederländischen Nachbarn im Sinne eines Europas der Regionen. Die Blickrichtung nach Europa hat vor allem mit der Eröffnung des Eurohafens und der Fertigstellung der A 31 dafür gesorgt, dass Haren (Ems) auch die einst staatlicherseits versagte Anerkennung als Industriestandort zusammen mit der Region aus eigener Kraft erreicht hat.

Fußnoten

1 Eine Skizzierung der Harener Wirtschaftsstruktur im 19. Jahrhundert und der Bedeutung des Eisenbahnanschlusses findet sich in

Michael Schmidt: Wirtschaft und Verkehr im Herzogtum Arenberg-

Meppen 1815-1875 (= Emsland/Bentheim. Beiträge zur Geschichte.

Bd. 13), Sögel 1997, S. 268 ff., insbesondere S. 272/273. Zur außergewöhnlichen Bedeutung der Verkehrswirtschaft vergleiche auch die Karte auf S. 277. 2 Michael Schmidt: Wirtschaft und Verkehr im Herzogtum Arenberg-

Meppen 1815-1875 (= Emsland/Bentheim. Beiträge zur Geschichte.

Bd. 13), Sögel 1997, S. 313. 3 Ebenda, S. 318. 4 Vergleiche Beitrag Haverkamp, S. 3. 5 Siehe dazu: Michael Schmidt: „Derartig elastisch, daß sie oft erst mit dem Tod des Meisters verschwinden werden“ -

Die emsländischen Stellmacher in der Nachkriegszeit, in:

Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 47 (2001), S. 33-46. 6 Osnabrücker Tageblatt vom 2. 12. 1965. Auch für das Folgende. 7 Jahresbericht 1971, S. 26. 8 MT vom 31. 5. 1973, Ortsporträt Haren. Auch für das Folgende. 9 Jahresbericht 1983, S. 137. 10 MT vom 31. 5. 1973, Ortsporträt Haren. 11 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems).

Auch für das Folgende. 12 Jahresbericht 1971, S. 26. 13 MT vom 31. 5. 1973, Ortsporträt Haren. 14 Vergleiche Jahresbericht 1972, S. 41. 15 MT vom 21. 9. 1994, Beilage Stadtfest Haren (Ems).

Auch für das Folgende. 16 Jahresbericht 1983, S. 128. 17 Jahresbericht 1988, S. 182. 18 Jahresbericht 1991, S. 209. 19 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. 20 Entwicklung der Übernachtungszahlen: eigene Datenerfassung Stadt Haren (Ems) 21 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems). 22 Jahresbericht 1977, S. 80. 23 Jahresbericht 1980, S. 104. 24 Jahresbericht 1981, S. 114. 25 Jahresbericht 1975, S. 66. 26 Jahresbericht 1980, S. 104. 27 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems). 28 Jahresbericht 1976, S. 72. Auch für das Folgende. 29 Jahresbericht 1972, S. 38. 30 Jahresbericht 1972, S. 44. 31 Jahresbericht 1984, S. 140. 32 Jahresbericht 1989, S. 191; Jahresbericht 1990, S. 201. 33 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. 34 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. 35 Jahresbericht 1973, S. 52. 36 Jahresbericht 1973, S. 52. 37 Jahresbericht 1974, S. 58. 38 Jahresbericht 1976, S. 72, Jahresbericht 1977, S. 80. 39 Jahresbericht 1978, S. 89. 40 Jahresbericht 1979, S. 98; Jahresbericht 1980, S. 104. 41 Jahresbericht 1981, S. 114. 42 Jahresbericht 1984, S. 140. 43 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. Auch für das Folgende. 44 Jahresbericht 1979, S. 93. Auch für das Folgende. 45 Jahresbericht 1982, S. 125. 46 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems). 47 Siehe im Internet http://www.heimatverein-haren-ems.de/front_ content.php (aufgerufen am 12. 7. 2014). 48 Jahresbericht 1979, S. 98. 49 Jahresbericht 1990, S. 201. 50 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems). 51 MT vom 30. 8. 1997, Beilage 20 Jahre Landkreis Emsland. 52 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. Auch für das Folgende. 53 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems).

Auch für das Folgende. 54 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. 55 Bericht zur Wahlperiode 1996–2001 und

Bericht zur Wahlperiode 2006–2011. 56 Jahresbericht 1984, S. 143. 57 MT vom 21. 9. 1994, Beilage Stadtfest Haren (Ems). 58 Bericht zur Wahlperiode 1996-2001. 59 Für das Folgende siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Eurohafen_

Emsland (aufgerufen am 15. 7. 2014) und Bericht zur Wahlperiode 2001–2006 und Bericht zur Wahlperiode 2006–2011. 60 Präsentation für den Neujahrsempfang

CDU-Ortsverband Altenberge-Erika. 61 http://de.wikipedia.org/wiki/Emsland_Frischgeflügel (aufgerufen am 15. 7. 2014). 62 Bericht zur Wahlperiode 2006–2011..Auch für das Folgende. 63 www.enercon.de/de-de/2194.htm (aufgerufen am 22. 4. 2015). 64 Michael Schmidt: Unternehmen Lückenschluss. Die Geschichte der Emslandautobahn A 31. Unter Mitarbeit von Heiner Schüpp (=Emsland/Bentheim. Beiträge zur Geschichte Band 23),

Sögel 2014, S. 69 und S. 87. 65 MT vom 30. 7. 1994, Beilage Ortsporträt Haren (Ems). 66 Vergleiche Osnabrücker Tageblatt vom 3. 12. 1965, Sonderseite, und MT vom 31. 5. 1973, Ortsporträt Haren.

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