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polit:zeit
08/2021
Frage an …
Nach dem europaweiten Wieder-Anstieg der Fallzahlen werden die Stimmen lauter, welche einen breiteren Einsatz des Covid-Zertifikats fordern. Besonders in der Schweiz ist dies ein Thema und auch Liechtensteins Ärztekammerpräsidentin Dr. Ruth Kranz spricht sich klar dafür aus.
W
ie stehen Sie persönlich zu einer Ausdehnung des Covid-Zertifikats auf mehrere Gesellschaftsbereiche, wie z.B. Gastronomie, Kinos, Grossveranstaltungen?
Karin Zech-Hoop, FBP
Thomas Zwiefelhofer, VU
Wir müssen bei dieser Frage den Blick auf die Allgemeinheit werfen. Zu deren Schutz spreche ich mich klar für die Ausweitung des Covid-Zertifikats aus. Dabei möchte ich niemanden bevormunden und seine Wahlfreiheit einschränken. Somit darf es im öffentlichen Bereich nicht dazu genutzt werden, andere Personen auszuschliessen. Je nach 3G-Status sind daher individuelle, abgestimmte Schutzmassnahmen zu fordern. Beispielsweise mit Zertifikat keine Einschränkung und ohne Zertifikat mit FFP2-Maske. Inwieweit dies jedoch praktikabel und umsetzbar wäre, müsste noch im Detail geprüft werden. Dadurch, dass jeder die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen, ist die Begründung von weitreichenden Einschränkungen, wie wir diese bereits alle mitgetragen haben, hinfällig und nicht mehr akzeptabel. Das einzige Kriterium für umfassende Schutzmassnahmen ist für mich die Systemüberlastung im Gesundheitswesen durch Covid-Fälle. Im Privatbereich (Gastronomie, Kino, Grossveranstaltungen, etc.) ist es dem Gastgeber überlassen, wie dieser sein Schutzkonzept aufstellt. Auch hier würde ich begrüssen, wenn dieser das Covid-Zertifikat anwenden würde. Ein Impfobligatorium lehne ich ab. Dieses greift zu stark in die persönliche Wahlfreiheit ein. Persönlich habe ich meine Verantwortung mir und meinen Mitmenschen gegenüber wahrgenommen, indem ich mich impfen lies. Diese Verantwortung muss jeder für sich selbst definieren. Gleichzeitig nehme ich an, dass der Druck, sich impfen zu lassen, steigen wird, wenn die PCR-Tests bei asymptomatischen Personen ab 1. September 2021 nicht mehr gratis sind. Ich hoffe, dass sich noch viele dazu entschliessen, sich impfen zu lassen. Dann wird auch der Schutz für unsere Kinder und für Personen, welche sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, erhöht.
Die Pandemie-Müdigkeit nimmt stetig zu, und wer im Frühling gehofft hatte, das Ende der Pandemie sei nahe, wurde von neuen, noch ansteckenderen Mutationen enttäuscht. Dies führt zu Frustration und Emotionen. Aber solange es weltweit nicht gelingt, mit breiten und erfolgreichen Impfkampagnen die Verbreitung von Sars-CoV-2 einzudämmen, werden wir uns auf weitere, gefährliche Mutationen einstellen müssen, und die Pandemie wird so rasch nicht enden. Angesichts dieser Ausgangslage sollten wir den Einsatz des Covid-Zertifikats als fairen Kompromiss und Ausweg aus dem Dilemma der andauernden Pandemie und vor allem als kluge Alternative zu einschneidenden neuen Schutzmassnahmen sehen. Bei allem Verständnis für die Rufe nach «Freiheit» dürfen wir nicht vergessen, dass Freiheit auch Verantwortung bedeutet. Meine Freiheit muss dort enden, wo sie bei anderen Menschen Schaden anrichtet. Das Covid-Zertifikat erlaubt dabei eine Wahl: Ich kann mich impfen lassen, wenn ich genügend Vertrauen in die Wissenschaft habe, oder ich kann meine Mitmenschen schützen, indem ich mich testen lasse, bevor ich soziale Kontakte in grösserem Umfang pflege. Diese Freiheit der Wahl zwischen Impfung oder Test haben Milliarden von Menschen mit mangelndem Impf- und Testangebot noch nicht, wir sind also sehr privilegiert. Obwohl ich die Haltung der Regierung, dass Corona-Tests nicht mehr kostenlos sein sollen, wenn es ein genügendes Impfangebot gegeben hat, gut verstehen kann, bin ich mittlerweile der Meinung, dass wir der Gefahr der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken und die Tests in unserem Land weiterhin kostenlos anbieten sollten. Dann gibt es kaum noch ein Argument, dass dem breiten Einsatz des Covid-Zertifikats entgegensteht. Die Hoffnung aber, dass es auch das Covid-Zertifikat in naher Zukunft nicht mehr braucht, stirbt zuletzt …