6 minute read

MARGOT LECARPENTIER Mitbegründerin der Cocktailbar Combat

Next Article
FUSSNOTEN

FUSSNOTEN

Reiterin auf der neuen Welle der Craft Cocktails

M A R G O T LECARPENTIER

Advertisement

MIXERIN UND MITBEGRÜNDERIN VON COMBAT

MARGOT LECARPENTIER IST IN NEW YORK auf den Geschmack von Cocktails gekommen, aber in Paris hat die unerschrockene Unternehmerin ihr vorheriges Leben als Rechtsberaterin für Musiklabel über den Haufen geworfen und gegen die boomende Barszene eingetauscht. 20 17 eröffnete sie Combat, eine preisgekrönte Cocktailbar, deren Namen in zweierlei Hinsicht symbolträchtig ist: Combat war der frühere Name des Stadtteils zwischen der Place du Colonel Fabien und Belleville. Aber bei unserem Gespräch, zu dem wir uns außerhalb der Öffnungszeiten in ihrer Bar im Look eines französischen Cafés treffen, erzählt sie mir, dass der Name auch für ihren Kampf als Frau und Unternehmerin steht, eine Konzeptidee mit Leben zu füllen.

Wann war dir klar, dass du zukünftig die Stadt mit einer neuen Welle von Cocktailbars beleben wolltest? Das ging Schritt für Schritt. Ich war gerade nach meinen Jobs bei Sony Music und Domino Records von New York nach Paris zurückgekommen. Die Musikbranche steckte mitten in einer Krise und so suchte ich nach einer neuen Anstellung. Leider stellte sich heraus, dass meine Erfah rung nicht zählte, denn ich hatte einfach nicht die richtigen Kontakte an höherer Stelle. Ich muss wo hl nicht erwähnen, dass ich enttäuscht war, also sagte ich mir »Scheiß drauf«. Der Experimental Cocktail Club suchte nach einer Aushilfe und so sprang ich gleich am Tag nach meiner Bewerbung hinter die Theke. Das war ein echter Wendepunkt in meinem Leben, weil ich verstand, dass das ein richtiges Métier war, das ich lernen konnte. So lernte ich, Mixerin zu werden, und tauchte darin völlig ein. Niemand konnte mich aufhalten. Ich lernte schnell, bekam wichtigere Jobs. Nach drei Jahren bekam ich den Segen des Chefs und verließ den Club, um mit meiner Freundin Elena Schmitt eine eigene Bar zu eröffnen.

»Die Pariserin kann von ihrer Persönlichkeit her in der grausamen Stadt überleben, erniedrigt sich aber nicht, nur um dazuzugehören.«

Hattest du auf deinem Weg nach oben jemals das Gefühl, dass du um deinen Platz kämpfen musst? Der Anfang in der Barszene war ein Kampf. Aber vielleicht war ich auch zu naiv, um auf Sexismus zu achten. Auf jeden Fall habe ich immer weitergemacht. Ich war immer eine Kämpferin un d mochte das Risiko. Aber nach einer Weile tauchten einige unterschiedliche Hindernisse auf meinem Weg auf. Da war diese Glasscheibe auf dem Weg zum eigenen Geschäft, gegen die nur Frauen laufen.

Wie ist das zu verstehen?

Sobald du Respekt einforderst, stößt du auf Paternalismus, auf eine Art passive Frauenfeindlich keit, die einige Männer noch nicht einmal selbst an sich erkennen. Sie ist ganz heimtückisch. Sie s c hleuderte mir entgegen, als ich einen Kreditantrag bei der Bank stellte (und mich ein Mann fragte, warum ich nicht lieber einen Teesalon eröffne – das ist kein Scherz), als ich den Verwaltungskram erledigte, um mein Geschäft zu eröffnen und als ich mit Vertragspartnern (Rechtsanwälte, Architekten – immer Männer) verhandelte. Zuerst dachte ich, es läge an meinem Alter, aber das war naiv. Der Grund war, dass ich eine Frau bin. Sie nahmen einfach eine überlegene Haltung ein. Das war nicht immer sofort spürbar, hinterlässt aber Spuren. Vor allem hat es in mir die unbedingte Feministin geweckt.

W i e gehst du mit diesen, wie du sie nennst, Hindernissen heute um? Im Allgemeinen versuche ich, mich nicht darüber zu beklagen, denn dann müsste ich ständig jammern. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, mit anderen Frauen darüber zu sprechen, warum ich diese Perspektive erlangt habe, wie ich nicht immer fair behandelt wurde, wie ich das schlechte Verhalten anderer immer wieder entschuldigt habe. Wenn ich damit den Feminismus auch bei anderen Frau wecke, dann habe ich das Richtige getan. Ich rate den Frauen Folgendes: »Immer, wenn du denkst, eine Situation ist normal, frage dich, ob das so auch einem Mann passie ren würde.« Und so bekommen sie jedes Mal einen Ruck.

Gegenüberliegende Seite: Combat, die Craft-Cocktailbar von Margot Lecarpentier in der Rue de Belleville, ein einladendes Stammlokal und ein sicherer Ort für Frauen.

Sobald man eine wie auch immer geartete Community gründet, wird einem der Begriff communautarisme an den Kopf geworfen. Wie wurde deine Entscheidung, nur Frauen einzustellen, aufgenommen? Es kamen einige Fragen, aber ich habe aufgehört, mich selbst zu erklären. Wenn du zwei Lebensläufe vergleichst, den eines Mannes und den einer Frau, und der Mann ist besser, dann hat er e i nfach mehr Möglichkeiten gehabt. Ich fühle mich nicht schuldig, wenn ich Frauen einstelle.

Hat diese frauenorientierte Sichtweise dein Geschäft beeinflusst?

An manchen Abenden sind nur Frauen in der Bar. Wir haben viele LGBT-Kunden. Für sie ist es

wichtig, dass sie sich bei uns sicher fühlen, sie selbst sein können und sich wohl fühlen. Und wir haben viele Stammgäste, die ich sehr mag. Viel zu oft werden Frauen als Stammkunden einer Bar ja schräg angeschaut, vor allem, wenn sie alleine kommen. Wenn eine Frau allein in den Experi mental Cocktail Club kam, sagten die Männer: »Ist doch klar, was die will!« Bei uns gibt es solche Vo rurteile nicht.

Bereits in deinem ersten Jahr als Unternehmerin warst du in der Community und in der Branche akzeptiert (2018 bekamst du den Le Fooding Bast Bar d’Auteur-Preis). Welche Zukunft siehst du für Combat vor dir?

Ich wünsche mir, dass wir mehr werden als eine Cocktailbar. Und das passiert auch schon: Wir unterstützen feministische Projekte und arbeiten mit Organisationen und kreativen Frauen zusam men, die die gleichen Werte vertreten wie wir und einen Ort für ihre Arbeit benötigen. Außerdem wo llen wir einen festen Platz in der Cocktail-Szene haben und für unsere kontinuierliche Qualität bekannt sein. Bei der Eröffnung wurden wir glücklicherweise von der Presse direkt mit Lob üb erschüttet und von der Branche anerkannt, sodass wir gebeten wurden, mit anderen Bars im Ausland zusammenzuarbeiten. Aber damit holen wir nicht das Beste aus uns raus. Wir müssen

tagein tagaus für die besten Erfahrungen unserer Kunden sorgen. Wenn wir in fünf Jahren immer noch genauso beliebt sind und Anerkennung für das bekommen, was wir tun, dann können wir stolz sein.

Lecarpentier ist außerdem Ko-Autorin des Buches La bible des alcools (Hachette, 2018)

Zuhause in Paris

DEIN VON EINER FRAU GEFÜHRTES LIEBLINGSGESCHÄFT?

Mamiche! Eine hervorragende Bäckerei, die von entspannten Frauen geführt wird. Wenn ich es schaffe, früh aufzustehen, fahre ich mit dem Fahrrad ins 9. Arrondissement, um eine Babka (einen Hefezopf) zu kaufen (siehe oben)

WAS TUST DU, WENN DU NICHT HINTER DER THEKE STEHST?

Ich gehen zum Essen aus (wahrscheinlich häufiger als ich sollte!). Normalerweise plane ich meine Freizeit und meine Fahrradtouren so, dass ich in einem bestimmte Restaurant lande. Das kann zum Beispiel Aux Deux Amis, Le Chateaubriand (ich kenne die Mitarbeiter und gehe häufig auf ein Glas Wein hin), La Cave à Michel oder Double Dragon sein. Und dreimal in der Woche spiele ich Badminton in einem Verein (Club Populaire et Sportif im 10. Arrondissement).

AN WELCHEM ORT BIST DU GLÜCKLICH?

Auf den Brücken von Paris. Ich höre Musik über meine Kopfhörer und egal, wo ich hinschaue, der Blick ist immer fantastisch.

This article is from: