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Mercedes-Benz Museum: 33 Extras

33 Extras: Exponate der Automobilkultur im Mercedes-Benz Museum

Serie Teil 9-11: Die Veedol-Frau, das Gebetbuch, die Kühlerfigur

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Die „33 Extras“aus der vielfältigen Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden.

DIE VEEDOL-FRAU

Flott voran

Auf Schlittschuhkufen gleitet diese Frau über imaginäres Eis. Die Geschwindigkeit sieht man ihr förmlich an. Schnelligkeit und Leichtigkeit sowie eine erotische Ausstrahlung charakterisieren diese berühmte Figur. Geschaffen als Blech- oder Emailleschild macht sie Werbung für die Schmierstoffe von Veedol.

Wintermotiv

Die Veedol-Frau ist ein Klassiker der Werbung. 1952 tritt sie das erste Mal auf. Da trägt sie noch Pudelmütze, Handschuhe und Rollkragenpullover – ganz die elegante Schlittschuhläuferin. Der rote Unternehmensschriftzug ziert ihren Pullover. Die Marke Veedol gehört ursprünglich zum US-amerikanischen Konzern Tidewater Oil, der die deutsche Tochter 1925 gründet. Heute ist Veedol Teil des indischen Unternehmens Tide Water Oil India.

Der Künstler

Entworfen hat die Figur der Werbegrafiker Heinz Fehling, damals kein Unbekannter. Er arbeitet für unterschiedliche Kunden und Branchen: von Aral über Blaupunkt bis zu Sinalco. Auch Titelseiten von Zeitschriften wie „Motor und Sport“ gestaltet Fehling. Manche Experten sagen, dass die Veedol-Frau sein wichtigstes Werk sei. Modell steht ihm für das Motiv vermutlich Vera Marks, die Schönheitskönigin „Miss Germany“ des Jahres 1951.

Pin-up-Girl

Fehling gestaltet die Veedol-Frau mehrfach neu und passt sie dem Bild einer verführerischen Frau im amerikanischen Pin-upStil an. In Deutschland war sie die erste Werbefigur dieser Art. Ein körperbetonter kurzer Dress lenkt den Blick auf ihr tiefes Dekolleté und die langen Beine. Der Unternehmensschriftzug steht nun auf einer weißen Schärpe, die einer Wettbewerbsauszeichnung ähnelt.

Siegesbewusst

Die Leichtlaufeigenschaft der Schmierstoffe von Veedol bleibt das Leitmotiv der blonden Frau. Mit dieser Botschaft strahlt sie den Betrachter sieges- und selbstbewusst an. Häufig prangt der Veedol-Schriftzug deshalb auch auf Bandenwerbung an den Rennstrecken dieser Welt.

Überall dabei

Die Veedol-Frau wirbt in Autowerkstätten für den Schmierstoff. In den 1950er- und 1960er-Jahren gleitet sie außerdem auf Schlittschuhkufen den „Kapitänen der Landstraße“ voran. Am Kühlergrill von Lastwagen montiert, ist sie so auf dem ganzen Kontinent unterwegs. Mit ihrer verführerischen Ausstrahlung triumphiert sie als Maskottchen der Fernfahrer, als „Verlobte Europas“.

Linke Seite und rechte Seite, unten: Die Veedol-Frau: ein berühmtes Werbemotiv des Schmierstoffherstellers. Entworfen hat es 1952 der Grafiker Heinz Fehling und greift mit dieser Umsetzung die Themen Leichtigkeit und Geschwindigkeit auf. Linke Seite, oben links: Großer Preis von Frankreich, 4. Juli 1954: Mercedes-Benz erzielt mit dem neuen Formel-1-Rennwagen Mercedes-Benz W 196 R in der Ausführung mit Stromlinienkarosserie gleich beim ersten Rennen einen Doppelsieg. Das Foto zeigt den späteren Sieger Juan Manuel Fangio. Sein Teamgefährte Karl Kling kommt auf Platz 2. Im Hintergrund Bandenwerbung des Schmierstoffherstellers Veedol. Rechte Seite, oben rechts: Juan Manuel Fangio vor Karl Kling. Rennleiter Alfred Neubauer zeigt ihnen ihre Führung vor Prinz Bira auf Maserati an, der auf Platz 4 ins Ziel kommt. Im Hintergrund Bandenwerbung des Schmierstoffherstellers Veedol. Rechte Seite, Mitte: Domäne Fernverkehr: Mercedes-Benz LP 1319 (1970 bis 1976), Frontlenker-Pritschenwagen mit Zweiachsanhänger. Fotos: © Mercedes-Benz Group

Rekordzeit Vorgängerin

Das Buch im Mercedes-Benz Museum ist kein Buch im herkömmlichen Sinn, sondern eine sehr geschickte Lösung für eine konkrete Anwendung: Während der Mille Miglia 1955 liest der Kopilot Denis Jenkinson die detaillierten Streckeninformationen von einer fünfeinhalb Meter langen Papierrolle in einem Aluminiumgehäuse mit Plexiglasfenster ab. Das lässt Stirling Moss am Steuer des Mercedes-Benz 300 SLR Rennsportwagen (W 196 S) das harte Straßenrennen in einer nie mehr erreichten Rekordzeit fahren.

Vertrauen

Ein normales Buch hätte Jenkinson im offenen Fahrzeug kaum präzise blättern können. Und weil es im Cockpit sehr laut ist, gibt er die minutiösen Streckendetails per Handzeichen an Moss weiter – dieser setzt sie mit blindem Vertrauen in die maximal mögliche Geschwindigkeit um. Neu ist die Idee nicht, die Strategie eines Rennens auf der Grundlage präziser Streckenkenntnis zu entwickeln. Als Wegbereiterin dieses analytischen Vorgehens gilt in den 1920er-Jahren die tschechische Rennfahrerin Elisabeth Junek (1900 bis 1994).

Wissen

„Gebetbuch“ nennen Rallyefahrer solche Streckenaufzeichnungen mit allen Details, weil der Beifahrer im Wettbewerb ähnlich einer Litanei die Eigenschaften der Strecke vorliest: Wie schnell kann gefahren werden, welche Kurve kommt als Nächstes, wie ist der Untergrund beschaffen? Für die 1.600 Kilometer lange Strecke der Mille Miglia tragen Moss und Jenkinson 1955 bei mehreren Trainings in Italien akribisch dieses Wissen zusammen. Sie strukturieren die Aufzeichnungen nach den Kilometersteinen entlang den Straßen.

Erprobung

Erstmals setzen beide das Gebetbuch nach Ostern 1955 beim Training ein. „Jetzt hatten wir die Details der Route perfekt zusammengetragen, und ich schrieb sie nun alle auf ein spezielles, 18 Fuß langes Blatt Papier. Moss hatte ein Leichtmetallgehäuse nach Art eines Kartenrollers bauen lassen. Für unser abschließendes Training nutzte ich diese Maschine und wickelte das Papier von der unteren auf die obere Rolle, während ich die Notizen durch ein Plexiglasfenster ablas. Dieses war mit Klebeband abgedichtet, falls es während des Rennens regnen sollte.“

Linke Seite: Stirling Moss und Denis Jenkinson im MercedesBenz 300 SLR Rennsportwagen (W 196 S) auf dem Weg zum Gesamtsieg der Mille Miglia 1955. Rechte Seite: „Gebetbuch“ von Denis Jenkinson, dem Kopiloten von Stirling Moss bei der Mille Miglia 1955. Zu sehen sind die Aufzeichnungen der letzten Kilometer bis zum Ziel in Brescia. Fotos: © Mercedes-Benz Group

Der Code aus 15 Handsignalen bewährt sich, wie Stirling Moss nach der Mille Miglia 1955 sagt: „Wir waren uns einig, dass dies eine bessere Methode zur Kommunikation als jede andere war, nachdem wir vorher offene Mikrofone, Kehlkopfmikrofone und anderes ausprobiert hatten.“

Der Lohn aller Mühe: 10 Stunden, 7 Minuten und 48 Sekunden für die 1.000 Meilen und ein Durchschnitt von 157,6 km/h – niemand hat das Straßenrennen je schneller absolviert.

DIE KÜHLERFIGUR

Prominent

Stolz steht sie für alle sichtbar als Markenemblem oder kleine Skulptur ganz vorn am Fahrzeug – die Kühlerfigur. Sie ist Erkennungsmerkmal und Zier zugleich.

Bühne frei

Die ersten Automobile brauchen noch keine Kühlerfigur. Das ist nur konsequent, schließlich haben sie auch noch keinen modernen Kühler mit geschlossenem Wasserkreislauf. Solche Systeme kommen mit zunehmender Motorleistung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf. Der herausragende Protagonist dieser Entwicklung ist der Mercedes 35 PS. Er ist 1901 das erste Automobil mit effizientem Bienenwabenkühler. Der Kühler bildet das Gesicht des Mercedes und wird ab 1909 zur Bühne für den dreizackigen Mercedes-Stern, der diesen zunächst als erhabenes Relief ziert.

Symbolkraft

Die Söhne des im Jahr 1900 verstorbenen Automobilpioniers Gottlieb Daimler haben die Idee für den Mercedes-Stern. Er symbolisiert mit seinen drei Strahlen auch die Vision von Gottlieb Daimler, die DaimlerMotoren in Landfahrzeugen, Schiffen und der Luftfahrt einzusetzen. Für den Dreizackstern beantragt die Daimler-MotorenGesellschaft am 24. Juni 1909 den Gebrauchsmusterschutz. Er wird am 9. Februar 1911 ins Warenzeichenregister eingetragen.

Linke Seite, oben: Stirling Moss und Denis Jenkinson, die glücklichen Sieger der Mille Miglia 1955 im Ziel des Straßenrennens. Linke Seite, unten: Sammlung von Mercedes-Sternen im Mercedes-Benz Museum. Rechte Seite, oben: Mercedes-Benz 770 „Großer Mercedes“ Cabriolet F (W 07), Baujahr 1932, von Kaiser Wilhelm II. im Mercedes-Benz Museum. Statt Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill trägt das Fahrzeug das Wappen der Hohenzollern. Rechte Seite, unten: Der Mercedes-Stern im Lorbeerkranz, eine Kombination der Markenzeichen der Daimler-MotorenGesellschaft und der Firma Benz & Cie., wurde beim Patentamt am 18. Februar 1925 als Warenzeichen angemeldet. Fotos: © Mercedes-Benz Group

Der Dreizackstern als Kühlerfigur wird am 5. November 1921 angemeldet und am 2. August 1923 als Warenzeichen eingetragen. Zugleich schmückt er den Kühlwasserschraubverschluss, der damit zum Podest wird. So verbindet die Kühlerfigur Ästhetik mit Nutzwert. Den Stern gibt es sogar mit integriertem Kühlwasserthermometer. Benz & Cie. verwendet keine Kühlerfigur und arbeitet weiterhin mit Signets und Schriftzügen auf der oberen Kühlereinfassung.

Prestige

Viele Automobilhersteller nutzen die Kühlerfigur als prominentes Emblem. Als Maybach in den 1920er-Jahren ebenfalls mit seinen noblen Fahrzeugen auf den Markt kommt, wählt das Unternehmen das Doppel-M für „Maybach-Motorenbau“ als Markenzeichen. Es wird auch zur Skulptur auf dem Kühler.

Kreativität

Zu dieser Zeit sind Kühler nach wie vor nicht unter der Motorhaube verborgen und werden entsprechend verziert und gestaltet. Kühlerverschraubungen wandeln sich in den 1920er-Jahren zu Schmuckstücken. Fortan stehen dort schielende Faune, unbekleidete Damen oder Tiergestalten aus Silber. Eine solche Kühlerfigur zeigt das Exponat der „33 Extras“ des Mercedes-Benz Museums: In schwungvoller, formvollendeter Haltung offeriert eine Dame einen runden Gegenstand. Vielleicht einen Apfel oder einen Ball – das ist nicht genau zu erkennen. Die ausgefallensten Kühlerfiguren gestaltet in den 1920er-Jahren der französische Künstler René Jules Lalique – und zwar aus Glas.

Persönlichkeit

In seltenen Fällen lassen Kunden den Mercedes-Stern durch eigene Embleme ersetzen. So trägt etwa der im Jahr 1932 für den im Exil lebenden Kaiser Wilhelm II. gefertigte Mercedes-Benz 770 „Großer Mercedes“ Cabriolet F (W 07) das Hohenzollern-Wappen auf dem Kühlergrill. Das Fahrzeug steht im Mercedes-Benz Museum im Raum Collection 4: Galerie der Namen.

Neuer Platz

Windschlüpfige Karosserien setzen sich nach dem Zweiten Weltkrieg immer stärker durch. Die Fahrzeugfront wird entsprechend gestaltet – und der Kühler als Funktionsteil kommt unter die Motorhaube. Der Grill vorn bleibt für die einströmende Kühlluft erhalten. Bei Mercedes-Benz Fahrzeugen steht auf dieser Kühlermaske wie zuvor: der Mercedes-Stern. In den 1990er-Jahren wandert er dann beim sogenannten Plakettenkühler von der Chromumrandung ein kleines Stück nach hinten auf die Motorhaube.

Linke Seite, oben: Kühlerfigur des Maybach 57 (Baureihe 240, 2001 bis 2012). Linke Seite, unten: Die Kühlerfigur: In den 1920er-Jahren wandeln sich Kühlerverschraubungen zu Schmuckstücken. Die Kleinskulpturen gibt es ab Werk, von Künstlern oder im Zubehörhandel. Rechte Seite: Mercedes-Benz 180 (W 120). Mercedes-Stern mit Gelenk zum Schutz von Fußgängern bei Kollisionen. Foto aus dem Jahr 1956. Fotos: © Mercedes-Benz Group

Bewegungsfreiheit

Zu dieser Zeit ist der Stern längst in die Sicherheitsphilosophie der Marke integriert. Er hat ein Gelenk, um Fußgänger bei einem Aufprall zu schützen. Seit den frühen 1950er-Jahren ist das so. Ein begehrtes Sammlerstück ist er da bereits und wird häufig entwendet. Das macht ihn zu dem am häufigsten benötigten Ersatzteil von Mercedes-Benz.

Alternative

Der Kundengeschmack wandelt sich über die Jahre. In der C-Klasse der Baureihe 204 bietet Mercedes-Benz erstmals die Wahl zwischen zwei Fahrzeugfronten – mit großem Zentralstern im Kühlergrill oder mit dem klassischen, frei stehenden Stern auf der Motorhaube. Etwas bleibt aber unverändert: Er ist eines der bekanntesten Markenzeichen der Welt.

In anderer Dimension

Wer einen Mercedes-Stern mit einem Durchmesser von fünf Metern ganz aus der Nähe in Augenschein nehmen möchte, der sei ans Mercedes-Benz Museum geladen. Bis 2025 steht der Mercedes-Stern vom Stuttgarter Bahnhofsturm vor dem Museumsgebäude. Nach der Sanierung und Modernisierung des Bauwerks wird das zwei Tonnen schwere Signet dorthin zurückkehren und sich erneut und nachts beleuchtet als Wahrzeichen über der Stadt drehen.

Mercedes-Benz Museum Mercedesstraße 100 70372 Stuttgart Tel. 0711 - 17 30 000 classic@mercedes-benz.com www.mercedes-benz.com/museum

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