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Hanf Museum Berlin

Das Hanf Museum in Berlin

Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel kennenlernen Autor: Steffen Geyer

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Die Hauptstadt bietet Museumsfreunden mit mehr als 170 Häusern ein überreiches Angebot. Deutschlands einzige Dauerausstellung über die Kulturpflanze Hanf (Cannabis) finden Besucher im ältesten Teil Berlins. Seit 1994 residiert das Hanf Museum am Rande des historischen Nikolaiviertels – Rotes Rathaus und Alte Münze sind nur einen Steinwurf entfernt.

Das Hanf Museum spannt einen weiten Bogen – von der ersten Verwendung der Pflanze vor mindestens 12.000 Jahren, über ihre kulturprägende Bedeutung und die menschengemachte globale Verbreitung, das Hanfverbot des 20. Jahrhundert, bis zur aktuellen Diskussion über ihre Legalisierung. Das ist viel, gehört das Hanf Museum mit seinen rund 250 m2 doch zu den kleineren Einrichtungen, indes gelingt der Spagat, durch eine klare thematische Trennung der Räume.

Apropos Räume. Die wurden in den 80er Jahren in der DDR für das Handwerksmuseum geschaffen. Das Hanf Museum schreibt die museale Geschichte des Ortes seit 1994 fort. Mit seinen 27 Jahren ist es eines der traditionsreichsten, ehrenamtlich organisierten Museen der Stadt. Sein Inhalt macht es in ganz Deutschland einzigartig – nirgendwo sonst kann man sich so umfangreich über Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel informieren.

Anders als seine Geschwistermuseen in Amsterdam, Barcelona und Bologna stellt das Hanf Museum in Berlin die Bedeutung der Pflanze Cannabis als Rohstoff in den Mittelpunkt. „Damit tragen wir zwei Fakten Rechnung“ erklärt Museumsgründer Rolf Ebbinghaus „der immensen, jahrtausendelange Bedeutung von Hanffasern und -schäben für die menschliche Kultur und dem erheblichen Informationsdefizit unserer Besucher in diesem Bereich.“

Wie verbreitet der Hanfanbau noch vor 100 Jahren war, beweist das Hanf Museum zu Beginn der Ausstellung, für die Interessierte 45-60 Minuten einplanen sollten, mit einer langen Liste von Gemeinden, Straßen und Gewässern die ihren Namen der Cannabisnutzung verdanken.

Linke Seite, oben: Cannabispflanze im Growroom des Hanf Museum Linke Seite, unten: Außenansicht Hanf Museum zur Aktion „Berlin leuchtet“ Rechte Seite, oben: Museumsgründer Rolf Ebbinghaus Rechte Seite, unten: Hanffasern in verschiedenen Qualitäten Fotos: © Steffen Geyer

Cannabis klingt heute für Viele nach Rausch und Reggea, aber das war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts anders. Das Hanf Museum hat sich zur Aufgabe gestellt, die durch das Hanfverbot entstandenen Wissenlücken zu schließen. Das beginnt damit, den Besuchern zu zeigen, dass die berauschenden Blüten nur einen kleinen Teil der Pflanze bilden. Schließlich war es der bis zu 4 Meter lange Stiel, der den Hanf zur wichtigsten Kulturpflanze des Menschen machte.

Die Stengel vereint zwei ganz unterschiedliche „Werkstoffe“. Das sind zum Einen die Hanffasern, die die textile Menschheitsgeschichte prägten. Sie umschließen den Stiel wie ein Korsett oder die Stahlträger ein modernes Hochhaus. Im inneren Teil des Stiels befinden sich die Schäben. Das Kernmark der Hanfpflanze erinnert an getrockneten Zelluloseschaum, Pappmaschee. Es ist leicht, durch seine Sprödigkeit einfach zu verarbeiten und dämmt hervorragend. Eigenschaften, die den Hanf zu einem der wichtigsten Baustoffe machten.

Im Hanf Museum können die Besucher mit wenigen Schritten Jahrtausende Bauhandwerk überbrücken – vom klassischen Lehmziegel, dem bis zu 80 Prozent Hanf-Schäben zugesetzt werden können, bis zum neuzeitlichen Hanf-Spritzbeton, leichter, feuerfester und besser isolierend als die cannabisfreie herkömmliche Variante. Hanfbaustoffe, das begreift man in der Ausstellung im Wortsinne, stehen vor einer Renaissance. Nur der durch die Rauschhanfverbotsbürokratie künstlich aufgeblasene Preis steht dem im Wege. Neuester Trend auf dem Naturstoffbaumarkt – gemahlene Schäben werden mit dem natürlichen Klebstoff Lignin verpresst und sind im Anschluss ein vollwertiger Ersatz für Holz.

Mit Hanf in ferne Länder

Mindestens 10.000 Jahre nutzen die Menschen die Cannabispflanze für Schnüre, Seile und Stoffe. Das Hanf Museum zeigt die Arbeitsschritte die vom Hanffeld zur fertigen Kleidung führen und illustriert die historische Bedeutung der Hanftextilien mit Grafiken sowie Ausstellungsgegenständen vom Spinnrad bis zur Perücke.

Segelschiffe bestehen, so lernt man es im Hanf Museum, fast ausschließlich aus Holz und aus Hanf. Segel, Seile, Säcke, Dichtungen – von der Kleidung der Matrosen bis zum Logbuch des Kapitäns sind erstaunlich viele Teile eines Schiffs „beweglich“. Dieser textile Anteil musste regelmäßig gewartet werden. Bis zur Blüte des Kolonialismus im 19. Jahrhundert waren Seefahrer daher darauf angewiesen, an Ankerplätzen genug Hanf für Reparaturen vorzufinden. Dafür wurde nicht nur fertiges Material mit geführt, sondern säckeweise Hanfsamen, die an Ankerplätzen ausgesät wurden. Die in nur 100 Tagen voll ausreifende, genügsame Pflanze machte es möglich, den Bedarf an Fasern direkt vor Ort zu decken. So trugen Seefahrer die Hanfpflanze bis in die entlegensten Winkel des Planeten. Sie wächst heute beinahe überall.

Hanf – im wahrsten Sinne beschreibbar

Selbst der beste Hanfstoff geht irgendwann kaputt. Abfall sind Textilien aus Cannabis dann aber lange noch nicht. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dem größten Teil der Lumpen in der Papiermühle neues Leben eingehaucht. Ob die Reden Cäsars oder Gutenbergs Bibel – den größten Teil der Menschheitsgeschichte kennen wir nur, weil damals nicht auf Holzpapier geschrieben und gedruckt wurde. Hanftextilien waren lange die am häufigsten genutzte und, dank ständig verfügbarer Altkleider, die mit Abstand billigste Rohstoffquelle für Papier.

Alle Anwendungen der Hanffasern und -schäben haben eines gemeinsam – ihnen fehlt das Potenzial für eine berauschende Wirkung. Die berauschenden Substanzen, wegen denen Cannabis in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein zwielichtiges Image gegeben wurde, finden sich in den weiblichen Blütenständen. Mehr als 60 sogenannter Cannabinoide sind bekannt. Zwei davon stehen besonders im Fokus der medizinischen Forschung: das berauschend wirkende Tetrahydrocannabinol, kurz THC, und das selbst nicht psychoaktive Cannabidiol, kurz CBD. THC wirkt entkrampfend, schmerz- und fieberlindernd, hemmt Entzündungen und hat antivirale und antibakterielle Eigenschaften. Es findet Anwendung bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose, in der Krebstherapie und bei vielen anderen Leiden. CBD wird u.a. bei Epilepsie, Schlafproblemen, Hauterkrankungen und bei Verdauungsproblemen verordnet.

Mitte: Ohne Cannabis keine Hochseeschifffahrt Rechte Seite, unten links: Moderne Cannabismedizin aus drei Kontinenten Rechte Seite, unten rechts: Historische Cannabismedizin, Anfang des 20.Jh Fotos: © Steffen Geyer

Pfeifenkultur und internationale Rauschgewohnheiten

Da Hanf unter dem Damoklesschwert „Rauschgift“ stigmatisiert ist, wundert es nicht, dass sich das Hanf Museum auch der „verfemten Seite“ der Pflanze widmet. Allerdings mit einem überraschenden Kniff. Statt der Kifferklischees unserer Tage geht die Ausstellung der Frage nach, wie viel „Hanfkultur“ es vor dem Verbot gab. Dies geschieht mit einer eindrucksvollen Petersberger Hängung, die dutzende Darstellungen von Cannabiskonsumenten aus allen Gegenden der Welt vereint. Hier hängt die aus der Frankfurter Paulskirche bekannte Germania neben Gustave Courbets Selbstbildnis mit Pfeife, und Abstraktes aus dem 20. Jahrhundert neben osmanischen Abbildungen und ihrer Jahrhunderte währenden Cannabiskultur.

Wie vielfältig der Genuss berauschenden Cannabis selbst heute in den Kulturen der Welt ist und welchen Einfluß er auf religiöse Rituale hatte, präsentiert das Hanf Museum in einem weiteren Raum.

Im Durchschnitt halbjährig wechselnde Sonderausstellungen runden die erstaunlich vielseitige Dauerausstellung im Hanf Museum ab. Aktuell präsentiert dort eine Forschungsgruppe der Hochschule für Technik Berlin aus neuartigen Hanfstoffen gefertigte Prototypen von Wasserfi lter bis Turnschuh. Last but not least lädt das Hanf Museum zu einem Besuch in den hauseigenen Hanfshop ein, der einen Einblick in die bunte Vielfalt bereits heute legaler Cannabisprodukte bietet. Allein Haschisch und Marihuana sucht man hier (noch) vergebens. Aber das soll sich gemäß Koalitionsvertrag der Ampelregierung ja bald schon ändern können.

Linke Seite, oben: Petersberger Hängung im Hanf Museum (Ausschnitt) Linke Seite, unten: Kopf einer Hanfpfeife, Ausstellung „Wiener Meerschaum“ Rechte Seite, oben: Hanf- und Souvenirladen im Hanf Museum Fotos: © Steffen Geyer Hanf Museum Mühlendamm 5 10178 Berlin-Mitte Tel. 030 - 242 48 27 info@hanfmuseum.de www.hanfmuseum.de

AUDIOGUIDE HANF MUSEUM BERLIN

www.museum.de/m/1059

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